FAZ-Interview mit Endrik Wottrich

  • „Doping ist in der Musik längst Alltag“ Unter dieser Überschrift veröffentlicht die FAZ heute online ein Interview mit Endrik Wottrich. Es sei allen zur Lektüre empfohlen.
    Unfassbar, wie bescheuert man fragen kann: „Aber wie kann man während der Bayreuther Festspiele krank werden? Ein Olympionike bekommt während der Olympiade auch keine Grippe.“
    Aber ich zitiere lieber Einiges aus Wottrichs Antworten:
    „Dass Anna Netrebko in Salzburg vorgeworfen wird, dass sie unzuverlässig sei, ist eine Frechheit. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie eine Laryngitis hat. Natürlich hat sie die Vorstellung abgesagt, weil sie den Festspiel-Hype kennt, weil sie weiß, dass jeder falsche Ton ihr zum Grab in jener Stadt geworden wäre, in der sie zum Star gemacht wurde. Jetzt wird sie fallengelassen, als wenn sie lapidar gesagt hätte: ’Ach, ich bin dann mal krank.’ Letztlich ist die Oper in der medialen Wirklichkeit angekommen. Sänger werden heute nach den Kriterien von Jenny Elvers, Paris Hilton oder Christoph Schlingensief gemessen.“
    Zu Schlingensief: „Als ich mich mit diesem Trottel angelegt habe, hat alles angefangen! Damals schrieb die ‚Hannoversche Allgemeine Zeitung’, dass ich nach der Premiere ausgebuht wurde. Tondokumente beweisen, dass es kein einziges Buh nach dieser Aufführung gab. Die Konsequenz war, dass die Deutsche Presseagentur das übernommen hat und ich in der zweiten Aufführung konsequent ausgebuht wurde. In dieser Vorstellung saßen sogar Journalisten, die gebuht haben. Genauso war das mit der ‚Walküre’ dieses Jahr - es wurde wieder geschrieben, dass ich ausgebuht wurde. Da waren vielleicht zwei oder drei Buhrufer. Die Dinge bekommen plötzlich eine Eigendynamik.
    Über Claqueure in der Oper: „Bei meiner alten Lehrerin ist einmal ein sogenannter Chapeau-Claque vorstellig geworden, ein Anführer der Claqueure. Er hat gesagt: ‚Wenn Sie zahlen, rufen wir bravo, wenn nicht, wird gebuht.’ Mir sind einige dieser Leute namentlich bekannt - und dazu gehören sogar Journalisten.“
    Über Doping: „Darüber redet ja keiner. Dabei ist das Doping in der Musik längst Alltag. Solisten nehmen Betablocker, um ihre Angst in den Griff zu bekommen, einige Tenöre nehmen Cortison, um die Stimme in die Höhe zu schrauben, und Alkohol ist gang und gäbe. Die Angst ist zu einem großen Faktor geworden, so dass fast jedes Mittel recht scheint, um den Erwartungen gerecht zu werden. Das ist für die meisten Sänger der Anfang vom Ende. Es bedarf großer Kraft, all dem zu widerstehen. Letztlich müssen wir uns fragen, warum Musiker sich so verlassen vorkommen, dass sie zu diesen Mitteln greifen.“
    Über Rolando Villazón: „Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie er hätte und in den Zeitungen auf den „Mr. Bean der Oper“ reduziert würde. Er ist ein hochintelligenter Tenor mit einer wunderschönen Stimme. Aber das interessiert keinen mehr, weil er große Augenbrauen hat und lustig ist. Kein Wunder, dass man da krank wird.“

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Zitat

    Original von Alviano
    Wieso habe ich immer wieder den Eindruck, dass Wottrich besser keine Interviews geben sollte...?


    Hihi. :angel:
    Wottrich: "Heute ist die Oper ein Stundenhotel, in dem sie in möglichst wenigen Jahren möglichst viel Kohle verdienen müssen. Das ist Prostitution. Aber natürlich nehmen Anna Netrebko oder andere dieses Angebot auch an. Heute ist weniger die Stimme gefragt als das sogenannte 'Gesamtpaket', und mit der ersten Falte ist die Karriere am Ende."
    Sind Sie deshalb passionierter Bodybuilder?
    Wottrich: "Das hilft ja auch nicht." :beatnik:

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Der Link zum Interview wurde gestern um 16:02 unter Vokalmusik im Thread "Ruinieren der Stimmen" gepostet:


    Zitat

    Original von honigschlecker
    Das passt ganz gut hierher: "Doping in der Musik"
    http://www.faz.net/s/RubCF3AEB…Tpl~Ecommon~Scontent.html


    Da geht's auch um Solisten etc.


    Zitat

    Original von Alviano
    Wieso habe ich immer wieder den Eindruck, dass Wottrich besser keine Interviews geben sollte...?


    Was stört dich an dem Interview? Wottrich hat (sicher zu Recht) einen gekränkten Unterton, aber seine Erläuterungen sind doch auch nachvollziehbar.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Zitat

    Original von davis1926
    Sind Sie deshalb passionierter Bodybuilder?
    Wottrich: "Das hilft ja auch nicht."


    Ja, wo der Mann recht hat, hat er recht. Meine Güte. Das "Spiegel"-Interview nach der "Parsifal"-Premiere war ja schon ein echtes Highlight, bei dem ich mich gefragt habe, wieso das Mangement von Wottrich da nicht eingreift und zulässt, dass der Sänger sich so präsentiert, aber das hier scheint ja auch wirklich eine klasse Geschichte zu sein. Hilfe...!


    Melot1967

    Zitat

    Was stört dich an dem Interview?


    Lass es mich mal so sagen: manche Fussballer spielen ganz toll Fussball, aber man sollte ihnen kein Mikrofon unter die Nase halten...

  • Zitat

    Original von davis1926
    Damals schrieb die ‚Hannoversche Allgemeine Zeitung’, dass ich nach der Premiere ausgebuht wurde. Tondokumente beweisen, dass es kein einziges Buh nach dieser Aufführung gab.


    Hier irrt Wottrich. Diese Premiere ist nämlich übertragen und seinerzeit von mir mitgeschnitten worden. Die Buhs gingen direkt in den letzten Ton des Parsifal hinein (und das bei einem wunderschönen Schlußbild). Das kann Wottrich drehen und wenden wie er will: seine Leistung war grenzwertig, und ich kann aus eigenem Vororterleben festhalten, daß er ist sehr zurecht im Folgejahr ersetzt worden ist.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • ... mit einigen Regisseuren scheints darf man sich nicht anlegen, auch wenn sie Leichtgewichte wie S.....f sind. Anonsten wird man von der Journaille knadenlos über den Haufen geschossen (oder gebuht).
    In letzter Konsequenz sollte man, wenn man sie schon kennt (oder zu kenne glaubt), die Namen dieser Claqueure aber auch nennen, oder eben schweigen.
    Ein couragiertes Interview a la Korstick- wird das jetzt modern?

  • Ich habe das Interview mit Wottrich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gelesen gehabt und dachte, dazu könnte ich mal meinen ersten Thread auflegen. War wohl n ichts. Hier bei Tamino muß man aber echt fix sein.


    Vom Ton und der Wortwahl Wottrichs abgesehen ist aber die Thematik Leistungsdruck und "Leistungssteigerer" tatsächlich eine Betrachtung wert.


    So hat z.B. Andrea Gruber ja bekennend einen Entzug hinter sich und war kokainsüchtig. Sie meinte in einem Interview im Opernglas, das wäre - (Exkurs von mir: wie auch generell in der Wirtschaft im Management) - mittlerweile unter Sängerstars wegen des Erfolgsdrucks weit verbreitet.


    Wir sollten dazu wirklich mal zusammentragen, von wem es Fakten oder Gerüchte gibt.


    Liebe Grüße


    Ulmo

    SINE IRA ET STUDIO (Tacitus)

  • Birgitr Nilsson hat in Ihrer Autobiographie auch die Claque in Wien angeprangert und erzählt, wie sie mal von einem Herrn im Hotel besucht wurde, der sie gegen Entgelt der Unterstützung seiner Freunde versichern wollte. Sie habe ihn mit der Entgegung, sie könne immer lauter singen als jeder Buhtumult, ohne Geld hinausgeschickt.


    Es wird ja auch gelegentlich gemunkelt, der Alagna-Abgang bei Aida an der Scala hätte was mit unbezahlten Loggionisti zu tun.


    Eine Frage speziell an unsere Wiener Taminos: Ist da was dran an einer bezahlten Claque in Wien? Oder sind das nur urbane Legenden der Opernwelt?


    LG Ulmo

    SINE IRA ET STUDIO (Tacitus)

  • Zitat

    Original von flotan
    ... mit einigen Regisseuren scheints darf man sich nicht anlegen, auch wenn sie Leichtgewichte wie S.....f sind. Anonsten wird man von der Journaille knadenlos über den Haufen geschossen (oder gebuht).


    Nun, lieber Flotan, Schlingensief ist allerdings kein Leichtgewicht. Und das Spektakel, das Wottrich seinerzeit gegen Schlingesief angezettelt hatte, hatte schon arg Verleumdendes. Für ihn freilich von Vorteil: seine -nachhörbar- grausliche Leistung als Parsifal trat dann in der medialen Wahrnehmung zurück.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Ich glaube, dass man in diesem Interview zwei Dinge unterscheiden sollte. Zum einen das Selbstmitleid Wottrichs, der behauptet, dass man gegen ihn eine Verschwörung angezettelt hätte, ohne dass er irgendetwas dafür könne. Selbstkritik und realistische Einschätzung seiner Stimme scheinen jedenfalls nicht zu Wottrichs Stärken zu gehören, denn sonst hätte er gemerkt, dass seine absolut unzulänglichen Darbietungen als Parsifal und Siegmund selbst im vokal defizitären Bayreuth als Negativ-Höhepunkt herausstachen. Und was den Streit mit Schlingensief angeht: dass man sich bei künstlerischen Differenzen wesentlich geräuschloser von einer Produktion verabschieden kann, hat in diesem Jahr Robert Dean Smith gezeigt, der aus den "Meistersingern" ausstieg, ohne dazu einen Kommentar abzugeben.


    Was nun den Zustand der Vermarktungsmaschinerie im Opernbetrieg angeht, hat Wottrich sicher in Teilen recht. Nur, bei allen Zwängen, die durch Manager, Intendanten, Dirigenten und Werbepartner ausgeübt werden: auch der Sänger trägt hier Verantwortung, ob er sich auf diese Weise verwursten lässt oder nicht, ob er auf der Jagd nach dem schnellen Geld mitmacht oder nicht. Dass es auch anders geht, beweist z.B. die äußerst klug und bedächtig aufgebaute Karriere der Sopranistin Anja Harteros, die keinen Hype nötig hat und dennoch mittlerweile an den führenden Opernhäusern der Welt große Rollen singt, von Mozart über Verdi bis Wagner.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Santoliquido
    Nun, lieber Flotan, Schlingensief ist allerdings kein Leichtgewicht. Und das Spektakel, das Wottrich seinerzeit gegen Schlingesief angezettelt hatte, hatte schon arg Verleumdendes. Für ihn freilich von Vorteil: seine -nachhörbar- grausliche Leistung als Parsifal trat dann in der medialen Wahrnehmung zurück.


    Lieber Thomas!
    Ok, dann eben ein Nichtserl, ein Aufreger, ein begabter Nichtsnutz, etc.
    Daß Sänger sich über einen Regisseur "beschweren" sollte viel öfters vorkommen! Immerhin sind es ja sie, die die Arbeit des Regisseurs nach außen vertreten müssen, oder zumindest so tun als ob....
    :hello:
    PS: Ist "Endrik Wottrich" eigentlich ein Künstlername? Klingt für einen Wagnertenor zumindest besser als "Kurti Blahowetz"....

  • Das Unverschämte an diesem Interview ist doch, dass Wottrich anderen, erfolgreicheren (und derer gibt es viele an der Zah :Dl) Kollegen quasi unterstellt, ihren Erfolg nur durch Drogenkonsum oder Claquere erreicht zu haben. Was er über Marketing sagt, stimmt sicherlich. Das erklärt aber nicht, warum er, der ja fast nirgendwo mehr auftritt, stimmlich derart an seine Grenzen stößt und das - und das als Gesangspädagoge ! -nicht wahhaben will oder kann.


    Wottrichs Privatfehde mit Schlingensief war hier für mich dann die moralische Bankrotterklärung des Bayreuther Haustenörchens. Er hätte ja ohne weiteres den Parsifal abgeben können - wie es Smith dieses Jahr ohne größeres Aufhebens mit dem Stolzing getan hat.

  • Zitat

    Original von Alviano


    Melot1967


    Lass es mich mal so sagen: manche Fussballer spielen ganz toll Fussball, aber man sollte ihnen kein Mikrofon unter die Nase halten...


    Was hast Du gegen Lothar Matthäus?!


    Aber mal ernsthaft: Es ist doch leider die bittere Realität der kapitalistischen Mediengesellschaft, daß nicht mehr künstlerische Befähigung, sondern Aussehen und Image über die Karriere entscheiden.


    Eine Sängerin kann noch so engelgleich zu singen vermögen - wenn sie häßlich ist, hat sie faktisch keine Chance auf eine große Karriere.
    Der Hinweis auf Paris Hilton & Co. ist nur zu berechtigt; zeigt er doch exemplarisch auf, WAS heutzutage wirklich zählt!


    Man mag Wottrich seine etwas grobschlächtige Art vorwerfen, inhaltlich finde ich es sehr erfrischend, daß mal jemand Klartext redet und sich nicht hinter schematisch eintrainierten und umfänglich juristisch abgeklopften Hohlphrasen versteckt.


    Mir zumindest bereitet es Freude, seine Ausführungen zu lesen! :)



    Schöne Grüße!


    Laurenz :hello:



    ======= E D I T =======


    Aus dem Interview:


    Zitat


    FAZ: Trägt das Publikum eine Schuld an diesem Trend?


    Wottrich: Das echte Opernpublikum nicht, aber die Leute, dem die Oper als Show vorgegaukelt wird. Da ist es wie bei der Tour de France: Der normale, alkoholisierte und fettgefressene Fernsehzuschauer, der niemals auf einem Rad gesessen hat, fällt über den gedopten Sportler her, über ein Idol, das er eben noch angebetet hat, um es fallen zu lassen. Das Aphrodisiakum unserer Zeit ist das Scheitern der anderen.* Und, mit Verlaub, das kotzt mich ungeheuer an.


    ( * Hervorhebung vom Sonnensucher )


    Kann man es denn besser und präziser auf den Punkt bringen?!

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Ich verstehe nicht, warum hier einen separaten Thread gemacht wird.
    Denn schon gestern hatte honigschlecker dies erwähnt in diesem Thread.


    Vieleicht kann ein Mod diese beiden Threads zusammen fügen, auch wenn sie sich nicht ganz mit demselben beschäftigen.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich verstehe nicht, warum hier einen separaten Thread gemacht wird.
    Denn schon gestern hatte honigschlecker dies erwähnt in diesem Thread.


    Vieleicht kann ein Mod diese beiden Threads zusammen fügen, auch wenn sie sich nicht ganz mit demselben beschäftigen.


    LG, Paul


    Gleich die Threads zusammenfügen? Es würde doch reichen, die 5 Kurzkommentare aus dem anderen Thread hier einzufügen.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Achso jetzt verstehe ich, warum in unserer so bösen auf Äußerlichkeiten fixierten Welt der fitnessgestählte, seinen Wechsel in die Model-Branche schon vorbereitende, von prominenten Frauen umschwärmte John Botha die größere Karriere als Tenor macht als Herr Wottrich...


    Aufgeklärt grüßt
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich verstehe nicht, warum hier einen separaten Thread gemacht wird.
    Denn schon gestern hatte honigschlecker dies erwähnt in diesem Thread.


    Bitte entschuldige, musicophil, hab ich nicht gesehen...
    Aber eigentlich gehts hier ja gar nicht darum, ob Herr Wottrich seiner Stimme schadet, sondern eher um die Frage, ob er seinen Ruf ruiniert.
    :hello:


    So lobenswert und wohl auch nötig es ist, auch in der Klassikbranche auf Missstände hinzuweisen, so kommt es schon auch immer auf die Form an. Wenn man sich die albernen und ärgerlichen Rassismus-Scharmützel, die sich Herr Wottrich mit Herrn Schlingensief geliefert hat, vergegenwärtigt - ich nenne nur die Begriffe "Neger" und "Nazi", die dabei eine Rolle gespielt haben -, frage ich im Idiom meiner oberbayerischen Heimat: "Gehts no?"
    Aus der Position des Beleidigten heraus schwer auszuteilen und aufgeregt rundumzuschlagen hat für mich immer einen schlechten Mundgeruch.


    Auch stimme ich jenen zu, die den stilvollen Abgang von Robert Dean Smith hervorheben.


    So zu poltern wie Herr Wottrich schadet jedenfalls den teilweise guten Ansätzen seiner Kritik.

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Zitat

    Original von ulfk179
    ....Er hätte ja ohne weiteres den Parsifal abgeben können - wie es Smith dieses Jahr ohne größeres Aufhebens mit dem Stolzing getan hat.


    Anders als Smith mangelt es ihm aber wohl an alternativen Angeboten :D


    Er ist ja in den neuen Dresdner Meistersingern als Stolzing für die Premiere und die erste Serie geplant. Ich bin Besitzer einer Karte und werde berichten. Interessant um so mehr, weil ich 2002, als Wottrich mit Smith als Stolzing alternierte, letzteren in Bayreuth als Stolzing gehört habe.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Natürlich ist Singen Hochleistungssport, natürlich gibt es Indispositionen;
    welcher Sänger kennt das nicht ?
    Aber in Selbstmitleid ob einer kritisierten Leistung zu zefliessen, einen (nicht unumstrittenen) Regisseur niederzumachen (ihn für die an Kritik der eigenen Person verantwortlich zu zeichnen) ist einfach dummdreist.
    Katharina W. hilft ihm bestimmt wieder auf die Sprünge.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Zitat

    Original von davis1926
    Über Rolando Villazón: „Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie er hätte


    Das ist doch echt ein Brüller! Da weiss man gar nicht, ob man über so eine bescheuerte Äusserung Lachen oder Weinen soll.

  • Lieber Alviano,


    vor Tische las man's anders und im Zusammenhang:


    Zitat

    Original von davis1926
    Über Rolando Villazón: „Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie er hätte und in den Zeitungen auf den „Mr. Bean der Oper“ reduziert würde. Er ist ein hochintelligenter Tenor mit einer wunderschönen Stimme. Aber das interessiert keinen mehr, weil er große Augenbrauen hat und lustig ist. Kein Wunder, dass man da krank wird.“


    Stimmt ja nicht so ganz (er wird ja nicht nur auf den Mr. Bean reduziert), ist aber doch sehr anerkennend und kollegial-verständnisvoll gemeint - oder irre ich?


    LG,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Lieber Alviano,


    in dieser Form ist das Zitat sinnentstellend verkürzt. Die ganze Passage lautet:


    Zitat

    Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie er hätte und in den Zeitungen auf den „Mr. Bean der Oper“ reduziert würde. Er ist ein hochintelligenter Tenor mit einer wunderschönen Stimme. Aber das interessiert keinen mehr, weil er große Augenbrauen hat und lustig ist. Kein Wunder, dass man da krank wird.


    Wottrich's Äußerungen mögen kontrovers sein, und so auch hier diskutiert werden, aber wir sollten uns schon bemühen, bei dem zu bleiben, was er - laut FAZ-Interview - tatsächlich gesagt hat, anstatt zu versuchen ihn dadurch lächerlich oder unmöglich zu machen, dass man ihm das Wort im Munde verdreht.


    Grüße


    katlow


  • Nein, ist völlig richtig, ist mein Fehler, ich hatte den Satz tatsächlich falsch interpretiert und erst jetzt richtig verstanden, ich bitte um Nachsicht.

  • Zitat

    Original von Barockbassflo
    Achso jetzt verstehe ich, warum in unserer so bösen auf Äußerlichkeiten fixierten Welt der fitnessgestählte, seinen Wechsel in die Model-Branche schon vorbereitende, von prominenten Frauen umschwärmte John Botha die größere Karriere als Tenor macht als Herr Wottrich...


    Aufgeklärt grüßt
    Flo


    :hahahaha:

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Leider hatte ich es zu spät mitbekommen um das hier zu posten, aber in der soeben zu Ende gegangenen West Art Sendung des WDR III über den Umgang mit Stress hat Wottrich Gelegenheit gehabt, seine umstrittenen Außerungen zu erläutern und zu vertiefen. Er tat das m. E. zwar nach wie vor sehr messianisch und auch defensiv, aber auch eloquent und in großen Teilen überzeugend.


    Natürlich darf man seine individuelle Betroffenheit nicht übersehen, aber was ist falsch daran, wenn er beklagt, dass die Opernwelt - zumal die für den Laien oder Gelegenheitsinteressenten nur noch wahrnehmbare - inzwischen immer mehr dem Marketing und deshalb auch dem Aussehen ihrer Protagonisten unterworfen ist? Für das defamatorische Einspiel einer in der Tat problematischen Szene aus der Netrebko/Villazon - BOHEME ist ja eher die Redaktion verantwortlich zu machen, aber Unrecht hat er mit dem Vorwurf, dass der Klassikmarkt sich zunehmend an der Popmusik orientiert, sicher nicht.


    Liegt er wirklich so daneben, wenn er beklagt, dass z. B. über das Internet eine bestimmte Fehlleistung bereits am nächsten Tag weltweit verbreitet ist und im Zusammenhang damit nur zu gern nach dem Motto "ich hab's zuerst gewusst" gleich eine Krise des Sängers ausgerufen wird? Dass auch das gesteuert sein soll, gehört für mich eher in den Bereich der Paranoia, aber das Fatum gibt es. Wir halten uns hier ja noch einigermaßen zurück und bieten sogar erfreulich viele Gegenbeispiele, aber wenn ich so manche Kommentare zu Generalprobenberichten etc. lese (bezeichnenderweise gar nicht mal so sehr die Berichte selbst), denke ich schon, dass auch wir zu der allgemein und merklich wachsenden Versagensangst beitragen, weil es ja fast nur noch Daumen hoch oder runter gibt und all zu viele sich all zu gern und unkritisch solchen öffentlichen Ex und Hopp - Urteilen anschließen.


    Ich weiß nicht, ob die Sendung wiederholt wird (habe keinen Hinweis darauf gefunden), aber es würde sich lohnen, sie dann zu sehen. In jedem Fall finde ich, dass es sich lohnt, sich auch einmal darüber Gedanken zu machen, dass nicht nur die Berufskritiker (die bekanntlich nur zur Minderheit auch berufen sind), sondern auch die öffentlich postenden eine viel größere Hebelwirkung - auch auf Intendanten etc. - haben, als ihnen womöglich bewusst ist. Die erste Asche habe ich da auch schon auf mein Haupt gestreut.


    Vielleicht kann man sich auch einmal dieses Aspektes hier annehmen und nicht nur über Wottrich lästern.


    :hello: Jacques Rideamus