Charles Villiers Stanford - Der strenge Ire

  • Hallo,


    Heute habe ich mal Zeit und langeweile und schreibe Threads über im Forum eher wenig beachtete Komponisten-Persönlichkeiten. :D
    Nun ist es Charles Villiers Stanford, den ich mir in letzter Zeit etwas "vorgeknöpft" hatte.


    Charles Villiers Stanford wird 1852 in Dublin als Sohn gut betuchter Eltern geboren und wurde vor allem von der musikalischen Mutter schnell an die Musik herangeführt.
    Er studiert ab 1864 bei Carl Reinecke und Friedrich Kiel - Man möchte fast sagen, dass diese Stilprägend auf ihn wirkten. Ab 1883 lehrt er in London, 1887 auch in Cambridge Komposition, was sich bis an sein Lebensende nicht ändert. Während dieser Zeit durchlaufen viele bedeutsame Britische Komponisten seinen sehr strengen, auf klassische Satztechnik versierten Unterricht - darunter: Bliss, Howells, Ireland, Holst, Moeran und weitere...



    Die kompositorische Strenge zeichnet sich natürlich auch in seinen eigenen Werken nieder.
    Dies besonders in seinen 7 Symphonien. Sicher, sie haben ihre Momente, und besonders die 3. und die 5. gefallen mir bisweilen sehr, doch wirkt alles sehr schulmeisterlich.
    Vergelichbar ist die tonsprache in etwa mit der von Brahms, sie weist jedoch auch stellenweise etwas spätromantisch-ausladendres auf - vielleicht an Bruckner erinnernd.
    Alle 7 Symphonien bekommt man bei Chandos in einer sehr ordentlichen Interpretation:


    Man muss aber nicht gleich die ganze Box kaufen. Chandos bietet die CDs auch einzeln an und auch Naxos hat meines wissens die Symphonien 1, 4 und 7 im Angebot.


    Auf Stanford wirklich aufmerksam bin ich durch sein 1. Kalvierkonzert geworden. Der Beginn des 1. Satzes hat mich einfach fasziniert...so eine feine Melodie und solch ein natürliches Idyll hört man nicht alle Tage..!!!


    Im jpc-Courir entdeckte ich dann folgende Chandos-Doppel-CD im Sonderangebot.
    Darauf das 2. Kalvierkonzert und die 6 Irischen Rhapsodien.
    Das Konzert habe ich mir noch nicht zu Gemüte geführt, aber die Rhapsodien erfreuen, mit sehr Individuellen Einfällen und unterscheidlichem Charakter. Diese CD loht, auch wegen des sensationellen Preises auf jeden Fall!!! :jubel:


    Zuletzt erwarb ich noch sein Requiem in der Naxos-Ausgabe. Ich konnte bisher nur kurz hineinhören, doch was ich hörte, hat mit außerordentlich gut gefallen!
    Hier lässt sich ganz deutlich der Brahms'sche Bezug heraushören, denkt man z.B. an dessen "Deutsches Requiem". Das Requiem besiert aber auf der herkömmlichen Lateinischen Form und enthält auch, anders als bei "Lyrischen Requien" die Sequenz.


    Stanford komponierte in fast allen Gattungen und er bietet neben dem bisher genannten u. A. noch 2 Violinenkonzerte, ein 3.Kalvierkonzert, ein Klarinettenkonzert einige Opern und vor allem Chorwerke, welche ich größtenteils noch gar nicht kenne, hier jedoch eine große Stärke Stanfords vermute.
    Es sei festgehalten, dass es sich auch bei Stanford nicht um einen "Giganten" der klassischen Musik handelt. Dafür nimmt er zu viele Anleihen, verharrt in allzu konservativen Formen und ist teilweise (z.B. bei den Symphonien) etwas "gelehrsam-versteift". Ich denke aber doch, dass es es sich in der Regel mindestens um einprägsame, handwerklich gelungene, teiweise (z.B. Irische Rhapsodien) sehr, sehr schöne Musik handelt, die, nicht zuletzt wegen der Bedeutung des Komponisten als Lehrer und Begründer einer neuen Britischen Nationalschule eine größere Beachtung verdient hätte.


    LG
    Raphael

  • Erst einmal ein Dankeschön an Raphael für die Eröffnung eines Komponistenthreads, der er es durchaus verdient hat.


    Denn Stanfords Rolle für das englische Musikleben sollte man trotz seiner problematischen Kronloyalität nicht unterschätzen. Raphael zeigte bereits auf, wie angesehen Stanford - zumindest als Lehrer - war. Aber auch als Komponist konnte er einige Erfolge verbuchen. Nachdem er in Deutschland bei Reinecke und Kiel in die Schule ging, lernet er schnell die Größen der Zeit kennen: Brahms, Joachim etc.
    Dies verhalf ihm zu einem kurzen Erfolg selbst in Deutschland. So wurden in Berlin eine Oper () und seine 4. Symphonie aufgeführt.


    Die Bekanntschaft mit Brahms hinterlässt auch eindeutige Spuren: Stanford könnte man mit einiger Berechtigung als einen "englischen Brahms" bezeichnen. Um sich nicht der Kritik, er würde allzusehr deutschen Vorbildern nacheifern, auszusetzen, lässt er in einige seiner Werke irische Elemente einfliessen (3. Symphonie etc.)


    Laut Axel Klein - dem Verfasse des Stanford-Artikels im MGG - ist Stanford dem großen Vorbild Brahms in einigen (nicht in allen) Werken qualitativ durchaus ebenbürtig.


    Mein eigener Eindruck zeigt zumindest einen Komponisten, der zu recht als (Mit)Initiator einer "englischen Renaissance" gelten darf.


    Stanford gilt heute v.a. als bedeutender Lied- und Chorwerkkomponist.
    In seinem Instrumentalschaffen lohnen sich IMO die 3. und 4. Symphonie, das Violinkonzert und das 2. Klavierkonzert.
    Im Vergleich zu Hubert Parry, ist das Werk Stanfords meinem Eindruck nach interressanter und facettenreicher.


    Die Symphonien gibt es komplett unter Handley für allerdings nicht ganz günstige 60 EUR.
    Inzwschen ist aber auch Naxos aufgesprungen, und zumindest die 4. und 7. Symphonie gibt es unter Lloyd-Jones:



    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Mein eigener Eindruck zeigt zumindest einen Komponisten, der zu recht als (Mit)Initiator einer "englischen Renaissance" gelten darf.


    Jaja, die Parry-Gruppe und das Wachküssen der englischen Musik ...


    Mir persönlich sagen die Vertreter der englischen Hochromantik (Bennett und MacFarren) mehr zu als Stanford - ich sehe jedenfalls nicht, warum die Generation nach Bennett und MacFarren eine englische Renaissance sein soll, dafür waren mir Bennett und MacFarren zu lebendig ...


    Von Stanfords Symphonien kenne ich nur die letzte, sehr konservativ aber durchaus hübsch.
    :hello:

  • Durchaus strittig, mein lieber KSM!! ;)


    Absolut nichts einzuwenden gegen Bennett - aber wenn ich mich nicht sehr täusche, war es dann doch Stanford, der als erster (neben seinen nachwievor deutsch-orientierten Werken) einen englischen bzw. irischen Tonfall in die Werke fließen ließ. U.a. in der dritten Symphonie, die Du ja aber nicht kennst. (Wenn Du nru die 7. kennst, solltest Du etwas vorsichtiger mit dem Abqualifizieren des Herrn Stanford sein :motz: ))


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    (Wenn Du nru die 7. kennst, solltest Du etwas vorsichtiger mit dem Abqualifizieren des Herrn Stanford sein :motz: )


    Ich habe ja nur gesagt, dass ich die 7. sehr konservativ aber hübsch finde.


    Warum soll denn das Einbinden irischer Volksmusik eine englische Renaissance sein? Volksmusik haben im 19. Jahrhundert viele Nationalbewußte eingebaut, dadurch wird die Musik, die geschrieben wird, weder besser noch origineller.
    :hello:

  • Hallo,


    Danke, dass ihr euch meldet . ich dachte schon, ich sei der einzige, der Stanford kennt bzw. ihn durchaus wertschätzt... ;)


    Die Symphonien unter Handley befinden sich wie gesagt in meinem Beitz - Typisch Chandos-Qualität...aber auch zu recht gesalzenen Preisen...
    Das zweite Klavierkonzert werde ich mir doch direkt mal "reinziehen" - Danke für den Tip!


    LG
    Raphael

  • Hallo,


    Zufällig wurde just zu meinem Aufflammen für Stanford eine neue CD herausgegeben, die meine Sammlung um 2 weitere Werke Stanfords erweitert und einige unschöne Lücken schließt.



    Es ist das Cellokonzert und sein nicht fertig instumentiertes 3.Klavierkonzert darauf. (Da ich sowohl Klavierkonzerte als auch Cellokonzerte liebe und Stanford noch dazu schätze, habe ich mir die CD sogleich besorgt.


    Was soll ich sagen? Das Cellokonzert wirkt etwas uninspiriert, hat aber doch einige sehr interessante und schöne Momente! Das Klavierkonzert habe ich bisher noch nicht gehört - ich werde es nachholen!


    LG
    Raphael

  • Lieber Raphaell, Dir scheinen da vier wichtige und hochinteressante CDs von Stanford zu fehlen.


    Vor allem die herrliche CD mit Liedern für Bariton und Chor solltest Du dir zulegen. Du wirst Deine große Freude mit Stücken wie: "The Middle-Watch", "Outward bound" und "The Old Superb" haben.



    Songs of the Fleet op. 117
    The Revenge: A Ballad of the Fleet op. 24
    Songs of the Sea op. 91





    Stabat Mater op. 96
    Biblical Songs op. 113
    Bible Songs





    Violinkonzert op. 74
    Suite für Violine und Orchester op. 32





    Klarinettenkonzert op. 80





    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Hallo Davidoff,


    Danke für die Hinweise!
    Das VC habe ich schon länger im Blick - der Rest wandert einfach mal auf die Wunschliste. Insbesondere die erste CD interessiert mich sehr - Johannes H. hat sie auch schon in einem anderen Thread lobend erwähnt...!


    LG
    Raphael

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  • Hallo!


    Zitat

    Original von raphaell


    Zuletzt erwarb ich noch sein Requiem in der Naxos-Ausgabe. Ich konnte bisher nur kurz hineinhören, doch was ich hörte, hat mit außerordentlich gut gefallen!
    Hier lässt sich ganz deutlich der Brahms'sche Bezug heraushören, denkt man z.B. an dessen "Deutsches Requiem". Das Requiem besiert aber auf der herkömmlichen Lateinischen Form und enthält auch, anders als bei "Lyrischen Requien" die Sequenz.


    Das Stanford-Requiem ist eines der ganz ruhigen Sorte. Insofern unterscheidet es sich IMO durchaus von Brahms, das ja durchaus aufwühlende Stellen hat.
    Irgendwie macht sogar das Dies Irae für mich einen entspannten Eindruck, auch wenn es da mal laut wird.
    Im Geamtkontext wirkt dann doch alles recht abge-/ver-klärt.
    Insgesamt gefällt mir das Requiem gut, für meinen Geschmack ist es etwas zu lang, aber der ruhige, entspannte Grundpuls des Werkes behagt mir sehr.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ich höre gerade diese Symphonie, also Nummer 7:



    Die Musik ist dynamisch, munter, teilweise fröhlich-lärmend, dann wieder verträumt und ruhig dahingleitend. Hubert Parry urteilte: ‘mild, conventional [and] Mendelssohnic – But not as interesting as Mendelssohn’. " Er galt als schlicht, unmodern, ein reiner Brahms-Imitator, war jedoch zu Lebzeiten sehr einflussreich. Die Kritiken bei der Uraufführung fielen auch durchaus positiv aus -- man rühmte u. a. eine Schlichtheit der Themen, die an Mozart denken lasse. Mir gefällt diese Symphonie sehr gut, ich finde sie durchaus eigenständig und farbenreich. Bisher ist dies die Erstbegegnung für mich mit diesem Komponisten -- ich denke, dass die weiter Beschäftigung lohnend sein könnte.

  • In meiner Camerata Oberhausen singen wir gerade sein Chorstück (mit Orgel) "Ye Choirs of New Jerusalem"; ein ziemlicher Schmachtfetzen, aber das muss auch mal sein. Sein Magnificat haben wir vor 2 Jahren gesungen, das war schon ein anspruchsvolles Stück.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Hallo zusammen,


    auch dieser Beitrag, für's Archiv:


    Charles Villiers Stanford (1852-1924)
    Klavierquartett Nr.2
    + Klaviertrio Nr. 1; Legend; Irish Fantasies op. 54 Nr. 3 & 5

    David Adams, Gould Piano Trio
    Naxos, DDD, 2009


    Die mit knapp 80 Minuten einmal mehr randvolle Naxos-CD bietet klavierbegleitete Kammermusik des irischen Komponisten Charles Villiers Stanford. Die Musik ist durch und durch romantisch und lässt Einflüsse von Brahms und Schumann erkennen. Wunderschön IMHO bspw. der leichte, unbeschwerte und humorvolle 2. Satz des 1. Klaviertrios, der sich dem dramatischen Kopfsatz anschließt. Herrlich "süffig" auch die melodieseeligen Songs (drei an der Zahl), die als "Füller" der CD dienen und in denen das irische Volkslied deutliche Spuren hinterlassen hat. Das Gould Piano Trio - dessen Namensgeberin die Geigerin Lucy Gould (und nicht der hervorragende Pianist Benjamin Frith) - ist, liefert eine sehr gute Einspielung, die unmittelbar für die Werke einnimmt. Meiner Ansicht nach ein absolutes Highlight, diese Produktion.


    Besprechungen, gelistet auf der Seite von Naxos.


    Viele Grüße
    Frank

  • Charles Villiers Stanford (1852-1924) hat nicht nur 7 Symphonien sondern auch 8 Streichquartette plus 2 Streichquintette komponiert. Da er das erste Streichquartett erst mit knapp 40 Jahren schrieb, sind alles ausgereifte Werke. Nachdem die ersten beiden Quartette schon seit längerem auf Hyperion verfügbar sind, hat das SOMM Label begonnen, eine Gesamtaufnahme aller 10 Werke zu produzieren und zwar mit dem Dante Quartett. Die erste Folge mit den Quartetten 5 und 8 erschien unlängst. Das 5. Streichquartett entstand 1907 und ist dem Gedenken an den berühmten Geiger Joseph Joachim (1831-1907) gewidmet. Der war an der Entwicklung des Komponisten Stanford wesentlich beteiligt und in späteren Jahren mit ihm eng befreundet: Regelmäßige Besuche bei Standford in Cambridge endeten häufig musikalisch in der Kammer. Das Werk von Stanford ist allerdings nicht besonders elegisch, er war auch der Meinung das Joachim das nicht hätte gewollt. Das gut 35-minütige Werk mit den üblichen vier Sätzen hätte auch 30 Jahre früher entstehen können, es ist konservativ und ziemlich nahe am Stil von Johannes Brahms und seinen Zeitgenossen wie Herzogenberg etc. Ein ansprechendes wenn auch nicht besonders herausstechendes Werk. Davon gibt es dann vielleicht doch mehr, als selbst der geneigte Kammermusikfreund braucht. Aber ein wichtiges Dokument, das belegt, dass die englische Kammermusik nicht erst mit Elgar begann, dessen einziges Streichquartett erst 1918 entstand.