Marcel Dupré

  • Vor ca. 15 Jahren habe ich mir meine erste Dupré-CD gekauft, und heute habe ich sie nach langer Zeit mal wieder gehört:



    Pierre Cochereau spielt die 3 Préludes et Fugues op.7, Cortège et Litanie op.19, die Noel-Variationen op.20 und die Symphonie-Passion op.23 an der Orgel in Notre-Dame Paris, Aufnahme 1975.
    Ich kann mich noch erinnern, daß der Auslöser das Prélude et Fugue op.7 Nr.3 war, das ich im Radio gehört hatte (damals gab es so etwas noch im Radio).
    Wie ich inzwischen weiß nach 13 Folgen Dupré bei Naxos, vereint diese CD eher "Publikums-freundliche" Werke. Die Aufnahme lebt auch von der "Cochereau-Orgel" in Notre-Dame zum damaligen Zeitpunkt. Sie klang damals ja nicht gerade vornehm, sondern eher schrottig (inkl. Traktur-Quietschen!) und schroff. Aber irgendwie auch geil (Entschuldigung!)! Kann eine Orgel brutaler klingen?
    Zurück zur Musik: Ich denke, daß op.7 Nr.1 und 3 sowie op.19 sofort ansprechende Kompositionen sind. Die Symphonie-Passion mochte ich zwischendurch schon nicht mehr hören, weil sie auf fast jeder Dupré-CD zu finden ist. Sie ist wohl Duprés bekanntestes Werk, oder? Mit den Noel-Variationen hingegen wurde ich nie so ganz warm - das ist alles andere als schwierige Musik (eben Variationen), aber irgendwie "kalt". Irgendwo habe ich gelesen, daß op.20 wohl Duprés bestes Werk sei.


    Was sagt Ihr dazu? Wie empfindet Ihr Duprés Musik und was sind Eure Lieblingswerke? Könnt Ihr auch mit einigen Kompositionen nichts anfangen (auf den 13 Naxos-CDs gefallen mir schätzungsweise nur 50% der Stücke!)!


    Mit gespannten Grüssen
    Münti

  • Hallo, Münti!


    Ich habe nur mindestens zwei Rundfunkmitschnitte mit Musik von Dupré: das spröd-neoklassizistische Orgelkonzert und die eingängigen "Variations sur un Noel", die man öfters zu hören bekommt. Wegen der Interpreten müsste ich mal nachschauen.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo!


    Ja, Dupré hat eigentlich einen Thread verdient, wurde auch Zeit.


    Münti hat ja das eine oder ander angesprochen. In der Tat ist Duprés Orgelwerk sehr "durchwachsen", was aber auch schlicht daran liegt, dass sich sein Stil in seinem Leben etwas gewandelt hat und er seine Orgelwerke zu ganz unterschiedlichen Zwecken schrieb. Ganz grob kann man drei grundsätzliche Zwecke unterscheiden:


    1) Literatur zum den Konzertgebrauch, hochvirtuos richtet es sich an den Konzertorganisten.


    2) Literatur zum Liturgischen Gebrach, im Gottesdienst. Hier sind alle Schwierigkeitsstufen vertreten, das virtuose tritt meist etwas zurück, was nicht heisst, dass manche Stücke verflixt schwer sind.


    3) Pädagogische Werke. Orgelwerke die für den Unterricht bzw. das Studium geschrieben wurden, z.B. Sammlungen mit steigenden Schwierigkeitsgrad.


    Selbstverständlich gibt es hier auch Überschneidungen und Kombinationen. So ist beispielsweise "Tombeau de Titelouze" eine Sammlung von Choralbearbeitungen die im Gottesdienst Verwendung finden können, zum anderen aber auch pädagogische Absichten haben (vgl. den progressiver Schwierigkeitsgrad).


    Am bekanntesten sind die von Münti schon erwähnten virtuosen "Jugendwerke". Mit diesen Werken begründete Dupré seinen weltweiten Ruf als Orgelvirtuose und Orgelkomponist. Hier "protzt" er auch ein wenig mit seiner Virtuosität, wohingegen er in dem Spätwerk zu einem eher verinnerlichten, "kopflastigen" und spröderen Stil findet, bei der Virtuosität durchaus vorhanden ist, aber eben nicht immer so vordergründig.


    Die Cochereau-CD hat Münti schon sehr treffend charakkterisiert. Sie lebt sehr viel, also vor allem von Cochereaus Interpretation, die in einigen Punkten massiv von Duprés Spielangaben abweicht. Allerdings hat sich Cochereau von Dupré für diesen Interpretationsansatz ein "Placet" geholt.


    Die Naxos-Reihe ist sicher ein schöner Start zum kennenlernen einzelner Werke. Leider ist die Reihe keine "Gesamtaufnahme", da einige wenige Einzelwerke fehlen. Offensichtlich war man da etwas schlampig bei der Organisation und Aufnahme der Werke.
    Die Gesamtaufnahmen von Jeremy Filsell (Guild) ist komplett (eben auch "an einem Stück" entstanden und Ben van Oosten, der schon mit fantastischen Gesamtaufnahmen bei Guilmant, Widor und Vierne geglänzt hat, ist mitten in seiner Gesamtaufnahme (MDG). Beide Aufnahmereihen sind allerdings nur zum Vollpreis zu bekommen.


    Einen sehr gut gespielten "großen" Querschnitt mit den "Best off" bietet John Scott, ehemaliger Organist an St.Paul's Cathedral in London mit zwei Dupré-CDs (eingespielt eben dort). Beide CDs sind als Doppel-CD sehr günstig wieder aufgelegt worden:



    Marcel Dupre (1886-1971)
    Orgelwerke
    2 CDs
    - Präludien & Fugen op. 7 Nr. 1-3
    - Esquisses Nr. 1 & 2
    - Placare Christe servulis
    - Choral & Fuge op. 57
    - Te lucis ante terminum
    - Varations sur un vieux Noel op. 20
    - Symphonie-Passion op. 23
    - Cortege et Litanie op. 19 Nr. 2
    - Allegro deciso aus Evocation op. 37
    John Scott
    Orgel Paul´s Cathedral London
    Hyperion , DDD, 1986/1998


    Die Aufnahme ist sowohl interpretatorisch aals auch aufnahmetechnisch eine Wucht.


    Einen etwas bunteren Schnitt durch Dupres Orfgelwerke bietet Daniel Roth, Nach-Nachfolger von Marcel Dupre an der legendären Orgel von St.Sulpice, Paris. Allein schon wegen der Kombination Interpret-Literatur-Instrument ein absolutes "must have".



    Marcel Dupre (1886-1971)
    Orgelwerke
    - Preludes & Fugues op. 7 Nr. 1-3; op. 36, 2;
    - In dulci jubilo
    - Variationen op. 20;
    - Berceuse aus Suite Bretonne op. 21, 1;
    - Inventionen op. 50, 2
    - Virgo Mater aus Offrande a la Vierge op. 40, 1
    - Le Monde dans l'attente du Sauveur
    Daniel Roth / Cavaille-Coll-Orgel St. Sulpice Paris
    Motette , DDD, 99


    Wem die Kombination St.Sulpice - Dupre gefällt, kann hier gleich weiter machen: Klangtechnisch wie interpretatorisch überzeugt diese CD ebenso:



    Marcel Dupre (1886-1971)
    OrgelwerkeCD
    - Resurrection aus "Symphonie Passion";
    - 6 Versets pour le Magnificat op. 08;
    - Lamento op. 24
    - Pastorale aus op. 27
    - Toccata aus Orgelsymphonie Nr. 2
    - 3 Choräle aus "Tombeau de Titelouze"
    - Cortege et Litanie
    - Präludium & Fuge op. 7, 2
    - Final aus "l'Evocation"
    - Te Deum-Paraphrase
    Suzanne Chaisemartin / Cavaille-Coll-Orgel Saint-Sulpice Paris
    Aeolus , DDD, 00


    Ein weiteres bekanntes Orgelwerk Duprés ist der "Kreuzweg" (Chemin de la Croix". Dupré improvisierte hier bei einer Lesung des gleichnamigen Gedichtzyklus von Paul Claudel zu den Kreuzwegstationen Orgelmusik, die er später ausarbeitet und veröffentlichte.


    Yves Castagnet, Organist an der Chorogel der Cathedrale Noztre-Dame-de-Paris spielte an der Hauptorgel der Kathedrale eine spannende Aufnahme des Zyklus ein, die einem teilweise einen Schauer über den Rücken jagt:



    Yves Castagnet joue Marcel Dupré aux Grandes Orgues de Notre Dame de Paris
    - Le Chemin de la Croix , op.29
    - 2ème Symphonie
    Intrada , DDD


    Das soll erst mal reichen. Es gibt noch einige andere sehr schöne Dupré-Platten und natürlich auch Aufnahmen mit Dupré höchstselbst :)


    Gruß
    Karsten

  • Von der Dupré-CD mit John Scott habe ich schon häufiger Lobeshymnen gehört. Ich hätte sie mir damals fast gekauft, mich dann aber erstmal für seine CD mit Duruflé-Orgelwerken entschieden. Da diese Scheibe leider zu meinen schlechtesten gehört, habe ich natürlich die Dupré-Aufnahme ganz schnell vergessen. Sind die Aufnahmen nun so unterschiedlich, oder die Geschmäcker? Die Duruflé-CD ist meiner Meinung nach grottig aufgenommen. Die Orgel erscheint so weit entfernt, daß man nur ein leises Gewabere hört, das zwischendurch von kreischenden Hochdruckzungen unterbrochen wird.
    Ich muß am Wochenende mal wieder in meine Dupré-CDs reinhören, da kann ich auch die eine oder andere Aufnahme empfehlen. Spontan fallen mir zwei Motette-CDs mit Ulrich Meldau ein, die u.a. das Konzert op.31 und die Symphonie op.25 enthalten. Aber dazu später mehr.


    Gruß
    Münti

  • Hallo!


    Orgeln sind in der Tat sehr schwer aufzunehmen und jeder Toningenieur bzw- Interpret hat dazu noch verschiedene Vorstellungen, wie die Orgel auf der Aufnahme klingen soll (ganz zu schweigen von den Erwartungen der vielen Hörer).


    Ich würde nun nicht behaupten, dass die Duruflé-CD zu den aufnahmetechnischen non-plus-ultra-CDs gehört. Jedoch für die damaligen Verhältnisse wurde die Orgel (an verschiedenen Plätzen verteilt) in der extrem schwierigen Akustik wirklich sehr gut eingefangen. Ich habe die Duruflé-CD länger nicht mehr gehört, aber wenn ich mich recht erinnere wird die CD von "kreischenden Hochdruckzungen" (ich vermute sind die Royal Trumpet über dem Westeingang gemeint) erst in der letzten Minute "unterbrochen" - oder besser: beschlossen.


    Die Cochereau-Aufnahmen aus Notre-Dame sind aufnahmetechnisch streng genommen eine Katastrophe (viel zu nahe Mikrophonaufstellung udn schlechtes Equipment), aber die Interpretationen machen dieses Manko wett. Die Cochereau-CD müsste demnach noch vor der Duruflé-CD beideinen "schlechtesten" Aufnahmen landen.


    Wobei wir beim entscheidenden Punkt wären: John Scott verfügt über eine phänomenale Technik und eine ordentliche Portion Musikalität. Für mich Grund genug, die Aufnahme zu empfehlen. Mittlerweile mag es mehrere oder "aktuellere" Gesamteinspielungen geben, aber die Aufnahme kann neben diesen immer noch bestehen.


    Bei den Dupré-Aufnahmen setzt Scott die "kreischende" State Trumpet etwas öfter ein, aber er erreicht dadurch wirkungsvolle Effekte, die durchaus durchdacht sind und keineswegs um des Effektes willen allein eingebaut werden. Und mit welcher Brillianz Scott die "Esquisses" spielt, das muss man einfach mal gehört haben. Umgekehrt spielt Scott die Cortège ("Festzug") mit einer Gemessenheit und Würde, die viele andere Interpreten vermissen lassen.


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten!


    Zitat

    wenn ich mich recht erinnere wird die CD von "kreischenden Hochdruckzungen" (ich vermute sind die Royal Trumpet über dem Westeingang gemeint) erst in der letzten Minute "unterbrochen" - oder besser: beschlossen.


    Genau die CD meine ich! Da wartet man 70 Minuten lang auf ein wenig Dynamik, und dann kommt zum Schluß so etwas! Es mag sein, daß es schwierig ist, in St.Paul Orgelmusik aufzunehmen - dann soll man es lassen! Warum hat John Scott nicht eine andere Orgel gewählt (unwissenderweise: Ist er dort Titularorganist? :O)?
    War jetzt vielleicht etwas krass ausgedrückt, aber was mich u.a. an dem Instrument Orgel fasziniert, ist die Dynamik! Besonders in Duruflés Suite op.5, eines meiner absoluten Lieblingswerke, fehlt's an allen Ecken und Enden! Aber wir wollten hier über Dupré sprechen!


    Die Cochereau-Aufnahme kann man vielleicht wirklich ans andere Ende der Aufnahme-(Entfernungs-)Skala setzen, eben sehr nah aufgenommen. So müßte es aber der Organist auch hören, oder? Trotz des ordentlichen Rauschteppichs kommt bei der Aufnahme meiner Meinung nach deutlich mehr rüber. Die goldene Mitte haben aber beide CDs mit Sicherheit nicht getroffen!


    Die beiden Esquisses op.41 sind auf dieser, von mir oben schon angesprochener CD sehr schön eingespielt in der Neuen Tonhalle Zürich:



    Erst kürzlich gehört und sehr empfehlenswert:



    Vêpres des Fêtes du Commun de la Ste Vièrge op. 18,
    Sept Pièces op. 27
    Suzanne Chaisemartin
    der Cavaillé-Coll-Orgel von St. Ouen in Rouen


    Das op.18 ist nach jedem Satz durch einen gregorianischen Choral unterbrochen, was gut zu der Musik paßt (hat man an anderer Stelle schon anders erlebt). Leider ist jeweils der Orgel- und der Choralsatz auf einem Track vereint, so daß sich nicht die Option ergibt, die Choräle wegzulassen. Das ist aber der einzige Negativpunkt. Ich habe einige CDs mit Suzanne Chaisemartin und ich mag ihre Spielart sehr. Zur Orgel muß ich ja wohl nichts sagen. Wie eigentlich immer sehr schön im Raum aufgenommen ;)!


    Gruß
    Münti

  • Zitat

    Original von Münti
    Hallo Karsten!



    Genau die CD meine ich! Da wartet man 70 Minuten lang auf ein wenig Dynamik, und dann kommt zum Schluß so etwas!


    Kannes sein, dass du "Dynamik" mit "extremer Lautstärke" verwechselst? :rolleyes:
    Dynamik haben sowohl die Orgel als auch die Aufnahme. Wenn Du Dir mit extremer lautstärke das Hirn wegpusten willst, kannst Du ja den Lautstärkeregler auch bei dieser Aufnahme nach oben drehen. :baeh01:


    Zitat

    Original von Münti
    Es mag sein, daß es schwierig ist, in St.Paul Orgelmusik aufzunehmen - dann soll man es lassen! Warum hat John Scott nicht eine andere Orgel gewählt (unwissenderweise: Ist er dort Titularorganist? :O)?


    Titularorganisten gibt's in der Regel nur in Frankreich (wenige Ausnahmen abgesehen). Aber Scott war in der Tat lange Jahre Organist in St.Paul's. Es ist in St.paul's nicht viel mehr oder weniger schwierig, Orgelaufnahmen zu machen als in anderen vergleichbaren Kirche mit entsprechendem Hall. Ich kann nur vermuten, warum er ausgerechnet diese Orgel für mehrer Aufnahmen ausgesucht hat, aber von dem bisherigen Klangeindruck denich von verschiedenen Aufnahmen habe, würde ich mal tippen, dass einige der Gründe
    - das klanglich wunderschöne und zudem extrem dynamische :D Instrument ist
    - die fanatstische Raumakustik
    - die Tatsache, dass es eben "sein" Instrument ist, dass er sehr gut kennt...


    Zitat

    Original von Münti
    Die Cochereau-Aufnahme kann man vielleicht wirklich ans andere Ende der Aufnahme-(Entfernungs-)Skala setzen, eben sehr nah aufgenommen. So müßte es aber der Organist auch hören, oder?


    Das ist kein Argument. Ist eine Orgel für den Organisten am Spieltisch intoniert oder für die Leute unten im Raum? Man klemmt einen Geiger für Aufnahmen ja auch nicht ein Mikro in den Nacken, nur weil er die Geige eben so hört...


    Zitat

    Original von Münti
    Trotz des ordentlichen Rauschteppichs kommt bei der Aufnahme meiner Meinung nach deutlich mehr rüber.


    Was verstehst du unter "deutlich mehr"? Mehr Nebengeräusche, mehr klappern, mehr übersteuerte Aufnahmesignale, mehr rauschen? :D


    Zitat

    Original von Münti
    Das op.18 ist nach jedem Satz durch einen gregorianischen Choral unterbrochen, was gut zu der Musik paßt (hat man an anderer Stelle schon anders erlebt). Leider ist jeweils der Orgel- und der Choralsatz auf einem Track vereint, so daß sich nicht die Option ergibt, die Choräle wegzulassen. Das ist aber der einzige Negativpunkt. Ich habe einige CDs mit Suzanne Chaisemartin und ich mag ihre Spielart sehr. Zur Orgel muß ich ja wohl nichts sagen. Wie eigentlich immer sehr schön im Raum aufgenommen ;)!


    Die Versetten sind ja gerade im Hinblick auf diesen Wechsel Chor - Orgel geschrieben worden und wenn ich gehe daher mal davon aus, dass es "passt" (sonst hätten entweder der Chor oder die Orgel was extrem falsch gemacht :D ).
    Ob man sich über gemeinsame Tracks ärgern soll, kommt immer auch auf die Ensembles an :hahahaha: Streng genommen gehört es nun mal "zusammen".


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten und Münti,


    Zitat

    Aber Scott war in der Tat lange Jahre Organist in St.Paul's.


    Stimmt, von 1990 - 2004.


    Zitat

    Es ist in St.paul's nicht viel mehr oder weniger schwierig, Orgelaufnahmen zu machen als in anderen vergleichbaren Kirche mit entsprechendem Hall.


    Stimmt nicht ganz.
    Die Orgel ist in mehrere Sektionen aufgeteilt, sozusagen im ganzen Raum verteilt. Man benötigt für die Aufnahme viele Mikrofone. Da diese nicht alle an der gleichen Stelle stehen, ergibt sich ein Höreindruck, der mit zwei Ohren so nie möglich wäre. Sind die Mikrofone auch noch weit von den Pfeifen entfernt, schleicht sich mehr Raumhall ein und es kann zu Überlagerungseffekten kommen. D.h., mehrere Mikrofone decken den gleichen Raum ab und es kommt beim Zusammenmischen zu phasenverschobenen Überlagerungen, die zu (teilweise) Auslöschungen oder Verstärkungen führen können und somit den Klang- und Raumeindruck und evtl. das Dynamikverhalten verfälschen.


    Ich besitze die CD Durufle mit Scott in St. Paul's. Die Tonqualität und Akustik ist annehmbar, aber für solch eine gewaltige Orgel ist die Dynamik ein bißchen dünn.


    Gruß
    Tresor

    Diese Sprache, die wir Musik nennen, ist eine Sprache, die aus einem Raum kommt, den wir Seele nennen. GIORA FEIDMAN

  • Zitat

    Original von Tresor
    Hallo Karsten und Münti,.


    Zitat

    Aber Scott war in der Tat lange Jahre Organist in St.Paul's.


    Stimmt, von 1990 - 2004.[/QUOTE]
    Kleine Ergänzung: einen offiziellen Organistenposten (Sub-Organist)hatte er schon seit 1985. An St.Paul's aktiv war er allerdings auch schon zuvor.

    Zitat

    Original von Tresor


    Stimmt nicht ganz.
    Die Orgel ist in mehrere Sektionen aufgeteilt, sozusagen im ganzen Raum verteilt. Man benötigt für die Aufnahme viele Mikrofone. Da diese nicht alle an der gleichen Stelle stehen, ergibt sich ein Höreindruck, der mit zwei Ohren so nie möglich wäre. Sind die Mikrofone auch noch weit von den Pfeifen entfernt, schleicht sich mehr Raumhall ein und es kann zu Überlagerungseffekten kommen. D.h., mehrere Mikrofone decken den gleichen Raum ab und es kommt beim Zusammenmischen zu phasenverschobenen Überlagerungen, die zu (teilweise) Auslöschungen oder Verstärkungen führen können und somit den Klang- und Raumeindruck und evtl. das Dynamikverhalten verfälschen.


    Eine Aufteilung der Orgel auf zwei gegenüberliegenden Seiten im Chor (Nord- und Südchor), wie sie in St.Paul's zu finden ist, trifft man in sehr vielen großen amerikanischen und britischen Kirchen an. Eine derartige Verteilung ist dort üblicher. Ergänzende "Divisions" sind auch nocht so sehr selten, natürlich vor allem in sehr großen Kirchen anzutreffen.
    Die Verwendung mehrerer Mikrofone ist bei Orgelaufnahmen auch nicht so unüblich. Der Raumklang und der Klang der Orgel werden getrennt abgenommen und abgemischt. Die aktuellen 5.1.-Möglichkeiten eröffnen da noch viele mehr Möglichkeiten (mit entsprechenden Mikrofonbedarf).
    Wie auch immer: jeder raum und jede orgel verlangen individuelle Lösungen, die sich im Laufe der Zeit mit dem zunehmen der Erfahrungen ändern und optimieren können.


    BTW: da ja hier nur über die Aufnahmequalität "gemeckert" wird, was sagt ihr zur Interpretation Scotts? Oder ist die nicht so wichtig? 8)


    Gruß
    Karsten

  • Zitat

    Kannes sein, dass du "Dynamik" mit "extremer Lautstärke" verwechselst?


    Nein!


    Den Begriff Titularorganist meinte ich im Sinne von "Hauptorganist", wie er z.T. in Deutschland benutzt wird. Daß sich der Beruf des franz. von dem des deutschen Organisten z.B. nicht unerheblich unterscheidet, ist mir bewußt (ich habe ja auch nicht "Titulaire" geschrieben).
    Die Orgel in St.Paul ist sicherlich sehr schön - dafür spricht schon der Name des Orgelbauers. Daß sie über eine große Dynamik verfügt bei über 100 Registern ist selbstverständlich. Daß St.Paul eine tolle Akustik hat, ist vorstellbar bei der Größe der Kirche. Aber meiner Meinung nach hört man das nicht auf der CD!


    Zitat

    Ist eine Orgel für den Organisten am Spieltisch intoniert oder für die Leute unten im Raum?


    Brauchen wir nicht drüber reden, Minderheiten haben natürlich auch hier das Nachsehen. ;) Ich wollte damit ausdrücken, daß ich mir vorstellen kann, daß Cochereau diesen Klang während der Aufnahme gehört hat. Hingegen glaube ich nicht, daß irgendjemand, der an "vernünftiger" Position in St.Paul gestanden bzw. gesessen hat, solch einen Klangeindruck erfahren hat wie auf der CD festgehalten ist.
    Bevor wir uns jetzt hier aber weiter über die Duruflé-CD ereifern, schlage ich vor, daß ich jetzt am Wochenende mal wieder in die Scheibe reinhorche. Vielleicht hatte ich beim letzten Hören noch nicht meinen neuen Kopfhörer (habe ich erst drei Jahre)! :D


    Zu op.18: Wenn die Versetten und die gregorianischen Choräle zusammen gehören, warum sind dann die meisten Aufnahmen (alle anderen?) ohne Gregorianik eingespielt? Ist das wirklich so von Dupré vorgesehen?


    Gruß
    Münti

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich antworte mir mal schnell selbst! Gerade im Internet gefunden:
    "Vom Ursprung her handelt es sich also um liturgische Gebrauchsmusik, die Dupré als solche auch verstanden wissen wollte, als er bei der Erstaufführung einen Chor miteinbezog."


    Gruß
    Münti

  • Hallo!


    Ein Nachtrag:



    Collections Grandes Orgues, Vol.V
    Dupré joue Dupré
    - Symponie-Passion
    - Choral et Fugue
    - Iste confessor
    - In dulci jubilo
    - Ave Maris stella - Amen
    Marcel Dupre
    Cavaillé-Coll Orgel der Abteikirche St.Ouen, Rouen
    Philips France, ADD, 1965


    Ein sehr bewegendes Klangdokument. Im hohen Alter kehrt Marcel Dupré an die Orgel zurück, die ihn in seiner Jugend am meisten prägte und wie er selbst sagte "machte".
    Auf dieser Aufnahme spielt er einige seiner bekanntesten Werke, eine weitere CD umfasst Choralvorspiele von Johann Sebastian Bach.
    Wie schon erwähnt, war Dupré zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht mehr der jüngste (um genau zu sein zarte 79 Jahre) und aufgrund einer Verkrüppelung seiner Finger hat er im Alter seine Spieltechnik völlig umstellen müssen. Mit welcher Souveränität er auf dieser Aufnahme spielt, lässt Erahnen, welche unglaubliche Technik er in seinen jungen Virtuosenjahren gehabt hat (ältere AUfnahmen sind ebenfalls noch vorhanden). Einige Patzer können da getrost ignoriert werden.


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten,


    Zitat

    Original von Karsten
    BTW: da ja hier nur über die Aufnahmequalität "gemeckert" wird, was sagt ihr zur Interpretation Scotts? Oder ist die nicht so wichtig? 8)


    Meine Ausführungen über die problematischen akustischen Verhältnisse in St. Paul's und die damit im Ergebnis etwas "dünne Dynamik" auf der CD, sollte keine Meckerei sein. Der Klang der Orgel ist ansonsten gut eingefangen. Da ich jedoch nur die Duruflé-Aufnahme besitze, wollte ich zum Werk und der Interpretation nicht hier im Dupré-Thread antworten. Das werde ich dann im Duruflé-Thread tun. Der befindet sich allerdings nicht im Orgelforum, sondern unter Allgemeine Klassikthemen .


    Nur soviel zu den "kreischenden Hochdruckzungen". Die sind mir auch unangenehm aufgefallen. Ist allerdings kein akustisches Problem, sondern hier hätte Scott eine Fußlage tiefer wählen sollen.


    Gruß
    Tresor

    Diese Sprache, die wir Musik nennen, ist eine Sprache, die aus einem Raum kommt, den wir Seele nennen. GIORA FEIDMAN

  • Ich habe mir nun also die Duruflé-CD nochmal zu Gemüte geführt: Eine gewisse Lautstärke-Dynamik ist der Aufnahme freilich nicht abzusprechen! Jedenfalls hat meine Frau ordentlich gemeckert! ;)
    Ich glaube jetzt zu wissen, was mir an der Aufnahme fehlt: Man hört den Raum nicht! Es hört sich an, als wäre an akustisch getrennten Orten aufgenommen und anschließend schlecht zusammengemischt worden! Meiner Meinung nach kein realistisches Klangbild. Daß es auch anders geht bzw. daß das nicht die Realität in St.Paul ist, zeigt diese CD:



    Hier hört man den Raum und das Musikhören macht Spaß!


    Aber zurück zu Dupré:
    Ich hatte nicht gewußt, daß er Probleme mit den Fingern hatte. Wie schlimm war es denn bzw. welche Krankheit? Gibt es eigentlich ein empfehlenswertes Buch, in dem man solche Details erfahren kann?


    Beim Stöbern in meinen CDs ist mir aufgefallen, daß ich einen absoluten Favoriten unter Duprés Orgelkompositionen habe: Seine zweite Symphonie op.26! Irgendwie ist das ja kein typisches Werk von ihm, jedenfalls konnte ich beim ersten Hören gar nicht glauben, daß es von Dupré ist. Wenn man dann noch bedenkt, daß es als op.26 in zeitlicher (?) Nachbarschaft z.B. zur Symponie-Passion op.23 und den Sept Pieces op.27 steht, fragt man sich schon, was dem "armen" Dupré widerfahren sein mag, daß er plötzlich solch verrückt-geniale Musik geschrieben hat. Weiß jemand Genaueres?


    Gruß
    Münti

  • Zitat

    Original von Münti
    Aber zurück zu Dupré:
    Ich hatte nicht gewußt, daß er Probleme mit den Fingern hatte. Wie schlimm war es denn bzw. welche Krankheit? Gibt es eigentlich ein empfehlenswertes Buch, in dem man solche Details erfahren kann?


    Dupré litt zum Zeitpunkt der Aufnahme in Rouen schon etwa seit zehn Jahren an Ankylose, einer unheilbaren Gelenkversteifung. Die Krankheit beeinflusste vor allem die Beweglichkeit der Fingergelenke (mit der Zeit wurden beispielsweise die vorderen Gelenke des 4. und 5. Finger komplett steif). Schaut man sich Detailaufnahmen der verkrüppelten Hände an (beispielsweise an Rouen) so läuft es einem schon kalt den Rücken herunter, umso beeindruckender die Leistung Duprés, dennoch seine Werke auf diese Weise (und in diesem Alter) zu spielen.


    Auf Bildern im Internet ist das aufgrund der Größe leider nur sehr schwer zu erkennen bzw. wenn man entsprechende Altersbilder genau anschaut, sieht man vielleicht, dass die extrem betroffenen Finger quasi S-förmig "verbogen" sind.


    Zitat

    Original von Münti
    Gibt es eigentlich ein empfehlenswertes Buch, in dem man solche Details erfahren kann?


    Von dem US-Amerikaner Michael Murray, einem der letzten Schüler Duprés, gibt es eine sehr umfangreiche Biografie über Dupre. Sie ist auf Deutsch in der "Edition Lade" erschienen, ein österreichischer Verlag der sich auf Orgel-CDs und -Bücher insbesonderer spezialisiert hat. Der Band ist sehr umfangreich, mit viel Bildmaterial und sehr edel ausgestattet. Dementsprechend nicht billig, aber jeden Cent wert. Die Edition Lade hat eine Internetpräsenz die leicht zu finden ist. Einziger Wermutstropfen ist, dass diese Biografie von einem ergebenen Schüler geschrieben und relativ unkritisch ist. Es gibt bzgl. Duprés Leben und Wirken durchaus (berechtigte) kritische Punkte und Meinungen, auch von ehemaligen Schülern und Studenten. Es lohnt sich also, auch Erinnerungen anderer Schüler und Kritiker zu berücksichtigen. Die Wahrheit liegt wohl - wie immer - irgendwo in der Mitte.


    Gruß
    Karsten

  • Sehr interessant erscheint auch dieses Buch, das es bei jpc für gerade mal 10,- zu kaufen gibt:



    Da werde ich wohl demnächst mal zuschlagen!


    Gruß
    Münti

  • Hallo!


    Duprés "Souvenirs" sind sehr lesenswert und eine der wichtigsten Quellen bzgl Duprés Biografie. Michael Murray zitiert sie häufig. Aber auch hier gilt, dass man hier logischerweise "nur" Duprés Sicht der Dinge erfährt. Viele interessante und bemerkenswerte Dinge werden einfach nicht erwähnt, sei es, weil sie Dupré nicht so wichtig erschienen oder einfach ein wenige rühmliches Kapitel in seinem Leben sind (man denke nur an die "schwierige" Verhältnis, das zwischen Dupré und Vierne herrschte).


    Gruß
    Karsten

  • Zitat

    Original von Karsten
    Von dem US-Amerikaner Michael Murray, einem der letzten Schüler Duprés, gibt es eine sehr umfangreiche Biografie über Dupre.


    Ja, und von Michael Murray gibt es auf dieser CD zwei Stücke von Dupré.


    - Carillon, op. 27, Nr. 4
    und
    - Musette, op. 51


    Die beiden Stücke zeigen, dass Dupré wirklich sehr unterschiedliche Kompositionen kreiert hat. Das Carillon kommt virtuos daher und steigert sich toccata-ähnlich zum Ende hin. Wer anderswo Dynamik vermißt, der höre sich hier an wie die 32-Füßer voll zutreten. 8o Das Musette ist ein kurzes, ruhiges und melodisches Stück. :angel:


    Die Aufnahmequalität ist trotz des Alters (1982), und somit zu Beginn der CD-Aera, wie gewohnt bei TELARC ganz hervorragend. :jubel:


    Gruß
    Tresor

    Diese Sprache, die wir Musik nennen, ist eine Sprache, die aus einem Raum kommt, den wir Seele nennen. GIORA FEIDMAN

  • Zitat

    Original von Tresor
    - Carillon, op. 27, Nr. 4
    und
    - Musette, op. 51


    Die beiden Stücke zeigen, dass Dupré wirklich sehr unterschiedliche Kompositionen kreiert hat. Das Carillon kommt virtuos daher und steigert sich toccata-ähnlich zum Ende hin. Wer anderswo Dynamik vermißt, der höre sich hier an wie die 32-Füßer voll zutreten. 8o Das Musette ist ein kurzes, ruhiges und melodisches Stück. :angel:


    OhDie STücke sind ind er Tat sehr unterschiedlich, aber den "Engel" hat die Musette nicht verdient, wer sich die Noten anschaut bzw. das Stück spielen möchte, wird es sehr schnell zum Teufel wünschen:
    Denn dur "ruhige" Melodie wird mit den Händen gespielt, während die schnelle leise Begleitstimme mit ihren Tonrepetitionen die beiden Füsse übernehmen dürfen... Wie gesagt: Dupré protzt nicht immer mit der von ihm verlangten Virtuosität... ;)


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten,


    Zitat

    Original von mir
    Das Musette ist ein kurzes, ruhiges und melodisches Stück. :angel:


    Der Engel sollte nicht bedeuten, dass ich das Musette für harmlos halte. Es hört sich locker und leicht an, so dass man dabei in den Wolken schweben könnte, wie ein :angel: . Ist manchmal schwierig, ein passendes Smilie zu finden.


    Gruß
    Tresor

    Diese Sprache, die wir Musik nennen, ist eine Sprache, die aus einem Raum kommt, den wir Seele nennen. GIORA FEIDMAN

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich habe mir die Musette nochmal angehört: Wenn man weiß, daß die schnellen Figuren mit den Füssen gespielt werden, wird einem ganz schwindelig!
    Jetzt aber eine Frage eines Nicht-Orgelspielers: Warum ist die schnelle Stimme nicht in die Manuale gelegt? Ist es begründbar, warum die Musette so geschrieben ist, außer daß das Ganze dadurch virtuoser ist?


    Gruß
    Münti

  • Zitat

    Original von Münti
    Jetzt aber eine Frage eines Nicht-Orgelspielers: Warum ist die schnelle Stimme nicht in die Manuale gelegt? Ist es begründbar, warum die Musette so geschrieben ist, außer daß das Ganze dadurch virtuoser ist?


    Mit ausschließlich "rationalen" Gründen ist das wohl nicht begründbar. Und: wäre das Stück noch "Dupré", wenn er es anders, bzw. "einfacher" gemacht hätte?
    Dupre´schrieb das "Triptyque" zur Einweihung einer großen amerikansiche Konzertsaal-Orgel, er selbst (damals 71 Jahre) sollte das Werk in dem ersten Orgel-solo-Konzertabend uraufführen, was er auch tat (kurz darauf spilete er das Werk auf LP ein).
    Es wäre durchaus denkbar, dass Dupré seine schon beeinträchtigten Finger etwas "schonen" wollte ;)


    Gruß
    Karsten

  • Kann mir jemand sagen, was für eine Melodie das ist, die in Duprés Poème héroique op.33 ziemlich am Anfang und auch nochmal im weiteren Verlauf der Komposition Verwendung findet und irgendwie an ein russisches Arbeiterlied erinnert? Ich bekomme die Melodie nicht mehr aus dem Kopf - ein echter Wurm! Vielleicht hilft's, wenn ich weiß, was das ist! Daß es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine russische Melodie handelt, ist mir klar - schließlich geht's in op.33 um die Schlacht von Verdun, und da waren die Russen nicht beteiligt (oder? :rolleyes: )!


    Gruß
    Münti

    Einmal editiert, zuletzt von Münti ()