André Campra - das Genie zwischen Lully und Rameau

  • André Campra geb. 1660 in Aix-en-Provonce , gest. 1744 in Versailles.


    Campra gilt als größter Opernkomponist der Periode zwischen Lully und Rameau.
    In Südfrankreich war er mehrmals als Maître de Musique angestellt bevor er 1694 Organist der Notre Dame Kathedrale in Paris wurde.
    Doch obwohl es ihm in dieser Position verboten war für die Bühne zu komponieren tat er es - 1697 wurde das Ballett "L'Europe Galante" uraufgeführt und war der größte Erfolg seit Lully seine letzten Opern herausgebracht hatte.
    Doch er vermied seinen Namen unter die Partitur zu setzen, den der Bischof von Paris grollte bereits. Man sang schon einen Gassenhauer:


    "Wird unser Erzbischof gewahr,
    wer der Autor der neuen Oper war,
    wird seine Kathedrale Campra,
    verlassen müssen (décampera).


    Nun es kam wie es kommen mußte Campra wurde entlassen, doch der anhaltente Erfolg seiner Ballettoper und eine Pension des Königs machten ihm den Verlust recht leicht.
    Jetzt kam seine erste Tragédie Lyrique auf die Bühne "Hesione" innerhalb der nächsten drei Jahre brachte er weitere Werke heraus:
    "Aréthuse" und "Tancrède" und die Ballettoper "Les Muses".
    Campra selbst dirigierte seine Werke und bald wurde er zum Taktschläger der Oper. Es folgten Idoménée und weitere Ballettopern.
    1723 folgte er Delalande im Amt des Sous Maître der königlichen Kapelle nach. In dieser Zeit komponierte er über 50 Motetten, ein Requiem und für die königliche Kapelle 25 Grands Motets. Berühmt waren seine weltlichen Kantaten die er in mehreren Büchern herausbrachte.


    Kennzeichnend für Campras Musikstil ist die konsequente Weiterführung des Musikideals Lullys, doch im Gegensatz zu seinem Vorgänger sind seine Tänze und Ballette von einer ganz eigenen Spritzigkeit die ihn unverkennbar macht.
    Außerdem ließ er als einer der ersten Komponisten italienische Einflüsse zu, wie die ersten Ariettes ,für die ja Rameau berühmt werden sollte.
    Seine Melodien waren so polulär, dass sie bis nach England gelangten um dort zu Volksweisen wurde. Auch in seiner Südfranzösischen Heimat wurde er nicht vergessen, einige seiner Tänze finden sich in Darius Milhauds "Suite provencale wieder".


    Mit Aufnahme sieht es nicht ganz so üppig aus, meine Empfehlungen:


    Idoménée
    Tragédie Lyrique
    interpretiert von Les Arts Florissants / Christie
    erschienen bei Harmonia Mundi France und wieder gestrichen ;(


    Tancrède
    Tragédie Lyrique
    interpretiert von La Grande Ecurie et la Chambre du Roy / Malgoire
    erschienen bei Erato


    L'Europe Galante
    Opera Ballet
    interpretiert von La Petit Bande / Gustav Leonhardt
    (zusammen mit Lullys "Le Bourgeois Gentilhomme" oder als einzel CD der Reihe Baroque Esprit mit einer Suite aus "Fêtes Venitiènnes"
    beide erschienen bei Deutsche Harmonia mundi


    Cantatas
    weltliche Kantaten ( Arion / La Dispute de L'amour / Les Femmes / Énée et Didon )
    interpretiert von Les Arts Florissants / Christie
    erschienen bei harmonia mundi france - musique d'Abord


    kleine Motetten
    interpretiert von Canzona / Caudle
    erschienen bei Et'Cetera


    große Motetten
    interpretiert von Les Arts Florissants / Christie
    erschienen bei Virgin


    Requiem / Miserere
    interpretiert von La Grande Ecurie et la Chambre du Roy / Malgoire
    Les Pages de la Chapelle / Schneebeli

  • Mit Aufnahmen sieht es nicht ganz so üppig aus, ist eine vornehme Umschreibung: In einem der angesehensten und bestsortiertesten Wiener CD Shops war keine einzig CD dieses Komponisten zu finden :(


    Auch "Herr Naxos" ist hier scheinbar noch nicht auf den Geschmack gekommen.....


    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zwei weitere CD's sind erschienen mit geistlicher Musik:


    Beide Interpretationen sind beim Label Accord erschienen, recht günstig und wurden von Hervé Niquet und dem Concert Spirituel eingespielt.



    Grand Motets "Deus Noster Refugium" & "De Profundis"
    die "Messe ad Majorem dei Gloriam" und die "Cantate Domine"



    Das berühmte "Requiem" und eine weitere Motette



    Hier sind nur die Stars am WerK. Véronique Gens, Jean Paul Fouchecourt ...
    Ich bin begeistert, bei dem Preis bekommt man wirklich was geboten, die Interpretationen sind wie sollte es auch anders sein - überragend.
    :jubel::jubel::jubel::jubel:

  • Tancrede von André Campra


    Ich hatte kürzlich das Glück, den Tancred im Antiquariat für 8 Euro zu erwischen. Natürlich war ich gespannt, welchen der vielen historischen Tancresds André Campra sich für seine Vertonung vorgenommen haben würde. Er beschreibt nicht den späteren Rossini-Vorwurf, sondern lehnt sich an Montewerdi an. Hättei ich mir eigentlich denken können. Versöhnt war ich deshalb, weil Daphne Evangelatos mit ihrem profunden Organ, nicht barockspezialisiert, die Clorinda sang. Mein Lieblingscounter Dominique Visse war mit von der Partie, ihm war allerdings nur eine Wurze zugedacht.


    Ob man die Aufnahme nun gut oder schlecht findet, ist eine Frage der Wahnehmung und der Geduld.


    Wer belehrt mich eines anderen?


    Engelbert

  • Hallo!!


    Ich habe folgende Campra-CD:

    CAMPRA-Requiem und Miserere


    Ich mag sie sehr, die Interpretation scheint mir sehr in Ordnung zu sein und die Musik ist köstlich. Allerdings erinnert sie mich mehr an Lully als an Rameau!


    LG joschi

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  • Na ja Rameau war im Gegensatz zu Campra ja auch ein Revoltuionär :D



    Ich glaube in Monteclairs "Jephté" kannst Du die ersten Hinweise auf das hören, was man dann mit Rameau in verbindung bringt.



    In den beiden Tragèdies von Campra die bisher eingespielt wurden, kann man aber auch deutlich dieses Zwischenstadium heraushören.


    Da gibt es vieles was von Lully hätte sein können, einiges was auf Rameau hinweist und was viel wichtiger ist, das meiste ist typisch Campra.


    Seine Motetten sind ganz dem alten Stil verpflichtet, da entfernt er sich kaum von den Vorgaben Lullys oder Delalandes - ich finde allerdings dass der Eröffnungschor des Requiems ziemlich modern klingt, außerdem ist er wunderschön.



    eine weitere hübsche CD ist diese, allerdings mit intimeren geistlichen Werken:
    (und auch hier bleibt er eher traditionell)



    Hyde, Pozo, Harcey, Canzona Ensemble, Caudle

  • Lieber Lullist, mich würde inrtersssieren, ob du die Jean-Claude Malgoire Truppe je live erlabt hast und wnn ja, was Du davon hälst. Sie haben ihre Residenz ganz in meiner Nähe(15km) und meine Gesangs- Lehrerin hat dort vor sehr vielen Jahren ersten Opern-Rollen gesungen. Ich war zweimal von Mozart-Auffûhrungen musikalisch serh enttäuscht und der Gluck Orpheus, den ich vor kurzem sah, hat mich auch nciht eben umgehauen. :no:
    Das Schlimmste war allerdings ein Ausflug in Brechts Dreigrosschenoper, aus der frz. Varièté light gemacht wurde.
    Er muss wohl früher viel besser gewesen sein, wenn ich den allgemeinen Urteilen so Glauben schenken darf........ ?(
    Das ist zwar etwas off topic, aber da Du etliche Aufnahmen mit ihm erwähnst, frage ich trotzdem.
    Campra habe ich noch zu entdecken, kenne bisher nur geistliche Werke.
    Merci!


    Fairy Queen

  • Du hast wohl schon Recht - in den 70er jahren waren sie ein wirkliches Spitzenensemble, da gibt es viele Aufnahmen die ich sehr mag, Lullys Alceste - wohlgemerkt die Aufnahme von 1974 oder das Te Deum von Lully - und auch das von Charpentier.


    Mittlerweile scheinen die aber sehr auf dem absteigend Ast zu sein, was eigentlich eine Schande ist, wenn man solch einen Namen trägt.


    Den Vogel müssen sie wohl mit der "Weltpremiere" von Mozarts Requiem abgeschossen haben.
    (Da hat irgend so ein brasilianischer Pfarrer kurz nach Mozarts Tod einen weiteren Versuch gestartet - soll nicht so umwerfend sein, also kann man getrost bei der alten Süßmayr Fassung bleiben.
    Laut Fono Forum kam die Interpretation über das Mittelmaß heraus.



    Ich weiß auch nicht was da los ist, die alten Händel und Lully Einspielungen sind eigentlich ganz gut - aber da gab es keine Entwicklung bis Heute - eher das Gegenteil....


    Und nein, leider habe ich so gut wie keine Gelegenheit irgendein Ensemble mal live zu hören - ich wohne in Kassel :rolleyes:

  • Zitat

    Na ja Rameau war im Gegensatz zu Campra ja auch ein Revoltuionär


    Ja das stimmt!


    Ich muss aber gleich im Vorhinein klarstellen, dass mir Lully und das Zeitalter des Sonnenkönigs mehr zusagen als das Zeitalter Rameaus.


    Meiner Meinung nach ist die Musik dieser Ära viel prunkvoller und prächtiger wie in jeder anderen Epoche. Und deshalb liebe ich diese Musik so sehr.


    Wenn du also noch Tipps von Lully und seinen Zeitgenossen hast, nur her damit! :D


    LG joschi

  • Meines Wissens wurde hier eine durchaus lohnenswerte CD-Box
    noch nicht erwähnt und nämlich
    "Musique à la Chapelle Royale de Versailles"
    von "Virgin Classics".



    Es handelt sich um 5 wertvolle CDs zum sehr moderaten
    Preis, der je nach Händler zwischen 18 und 20 Euro schwankt.
    Bei jpc z. Zt. für 18, 99 Euro erhältlich.


    1. Henry du Mont "Motets pour la Chapelle de Louis XIV"
    Ensemble Musica Aeterna, O. Schneebelli
    2. André Campra "Requiem / Miserere"
    La Grande Ecurie & La Chambre du Roy, J-C. Malgoire
    3. Francois Couperin "Motets"
    Les Talens Lyriques, Ch. Rousset
    4. Nicolas Clérambault "Chants et Motets pour la Royale
    Maison de Saint-Louis"
    Les Demoiselles de Saint-Cyr, E. Mandrin
    5. Jean-Philippe Rameau "Grands Motets"
    Le Concert Spirituel, Hervé Niquet


    Beste Grüße


    :hello:

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  • Durch einen glücklichen Zufall bin ich an einen Mitschnitt von Campras "L'Europe Galante" gekommen.
    Das Ballet wurde 2005 in Versailles unter der Leitung von William Christie aufgeführt, zusammen mit der Académie baroque européene d'Ambronay.


    Eine veröffentlichung auf CD ist nicht in Sicht.
    Und das ist wirklich schade, denn dieses Ballett ist Campras Hauptwerk.
    Zumal gibt es keine vollständige Einspielung des Werkes, denn die uralte Aufnahme von Leonhardt bietet ja nur einige Szenen der verschiedenen Entrées und es fehlen alle Chorszenen!


    Vergleicht man die beiden Aufnahmen, so stellt sich bei Leonhardt ziemlich schnell die Enttäuschung ein, die Tänze sind zu langsam und wenn man nun hört welche Szenen alle nicht mit aufgenommenw urden, dann schrumpft die alte Einspielung fast zur Bedeutungslosigkeit zusammen - eine aktuelle und vollständige Aufnahme muss her !!



    Die musikalische Darbietung des Konzerts von Versailles ist wirklich überragend, die Gestaltung der Tänze läßt keine Wünsche offen. Sie haben alle das richtige Tempo und auch die vocalen Partien sind wunderbar dargeboten.


    Das Werk umfasst neben dem Prolog noch 4 Entrées:


    La France
    L'Espagne
    L'Italie
    La Turquie



    Ich hoffe dennoch, dass dieser Mitschnitt irgendwann auf CD erscheint, denn dieses Werk ist für die frz. Oper von entscheidender bedeutung und gehört ohne Zweifel zu den schönsten frz. Musikwerken des Barock.
    Als 1697 in Paris uraufgeührt wurde war es so erfolgreich, dass es fast alles anderen Opern und Bühnenwerke vom Spielplan der Academie Royale de Musique verdrängte.


    Das Werk stammt aber nicht zu 100% von Campra, sondern der Generalinspektor der königlichen Oper, André Cardinal Destouches steuerte zwei wundervoll Airs bei, die mit zu den besten Szenen des Ballets zählen.

  • André Campra: L' Europe Galante


    Immerhin- Es wurde 2007 bedauert, daß es keine einzige Aufnahme von "L'Europe Galante" gibt - und auch keine in Aussicht sei. Eine solche wurde 2017 vom Label "Chateau de Versailles Spectacles" eingespielt und 2018 veröffentlicht

    Ich kenne weder Werk noch Aufnahme, habe aber die Aufnahme im Rahmen der Threadrestaurierung und - Aktualisierung entdeckt und setze hier einen Beitrag dazu ein. Ich möche auch auf den drohenden Hinweis: "Noch 1 Stück auf Lager" hinweisen


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !