Zum Kuckuck - Ist Lautmalerei eine Perversion der Musik oder legitimes Stilmittel

  • Hallo allerseits :hello:


    angeregt durch das wunderschöne und bislang noch nicht fertig gelöste Kleines ornithologisches Oper(ette)nrätsel sowie diverse Beiträge zum Thread Lachende Musik fiel mir ein Thema wieder ein, das mich immer wieder mal beschäftigt: wie hältst Du es mit der Lautmalerei?


    Offensichtlich gibt es ein starkes Bedürfnis, das mit zunehmender Entfernung von echtem Musikverständnis zu wachsen scheint, musikalische Eindrücke bildhaft zu machen oder Geschichten erzählen zu lassen (dazu passt dieser Thread, der aber etwas anderes aus der Nachbarschaft dieses Themas meint: Erzählen stücke geschichten?). Umgekehrt hat es Komponisten immer wieder gereizt, Bilder in Musik auszudrücken. Die Beispiele beginnen bei dem schlichten "Kuckuck, Kuckuck - Eierschluck", das für mich und später meine Kinder in SEHR jungen Jahren das am spontansten begeisternde und behaltene Element von Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL war, und endet, um in der Ornithologie zu bleiben, noch lange nicht bei Respighis bezaubernder Suite GLI UCCELLI (Die Vögel) nach Stücken verschiedener Barockkomponisten, bei denen wohl erstmals dieser Kunstgriff der Naturimitation auftaucht (oder gibt's das doch noch früher?).


    Für den nur vage an Musik interessierten Laien stellt sich die Lautmalerei ähnlich faszinierend dar wie die trompe l'oeil - Malerei für Kunstbanausen wie mich. Man bewundert die technische Fertigkeit, Illusionen zu erzeugen und hält sie gerne für wahre Kunst, weil - im Gegensatz zu einem Pollock - ein mit einem Pinsel bewaffneter Affe nie in der Lage wäre, so etwas zu malen. (Achtung! Ironie :yes: Parallelen zur Kritik an der modernen Musik sind nicht unbeabsichtigt).


    Der (vielleicht zu) selbstbewusste Musikkenner rümpft dagegen über derartige Versuche, die Wirklichkeit lautmalerisch nachzuäffen, herablassend die Nase und beschimpft sie als Mickymausing, weil die frühen Zeichentrickfilme der Walt Disney - Produktion gerne ihre Bilder durch entsprechende Ton- und Rhythmusfolgen verdoppelten. Bekanntlich führte das in den FANTASIA - Filmen sogar zu dem umgekehrten Fall, dass Musikstücke, die gar keine Programmmusik sein wollten, teils einfallsreich und unterhaltsam, teils monumental kitschig "illustriert" wurden (andere sehen darin einen leider nicht justiziablen Musterfall von Musikvergewaltigung). Ich habe jedenfalls ziemlich lange gebraucht, bei Beethovens sechster Symphonie nicht mehr an saccharintrunkene Pegasusse oder bei Strawinskys SACRE nicht mehr an wandernde Dinosaurier zu denken. Dennoch bekenne ich mich gerne dazu, diesen trotz allem charmanten Film und seinen Nachfolger mit wachsendem Abnstang immer mehr zu mögen.


    Dabei haben die seriösesten Komponisten schon lange, bevor jemand überhaupt an Walt Disney gedacht hatte, gerne zu dem Stilmittel der Lautmalerei gegriffen, sei es als humoristische Tupfer oder als Abkürzung für die Fantasie des Hörers in bestimmten Programmmusiken wie etwa TSCHAIKOWSKY in der OUVERTÜRE 1812 mit ihrem Geschützdonner und den Zitaten der Marseillaise sowie der Zarenhymne, die Karajan mit dem Donkosakenchor gar nicht sooo unangemessen uminstrumentierte. Trotzdem gilt Programmmusik wie Richard Strauss' ALPENSYMPHONIE mit ihren lautmalerischen Naturschilderungen als minderwertig, wenn sie nicht den angenehmen Nebeneffekt hat, neue Klänge konsumierbar zu machen wie es vor bald hundert Jahren Arthur Honegger mit seiner symphonischen Lokomotivenmusik PACIFIC 231 vermochte. Selbst Berlioz' bildkräftige SYMPHONIE FANTASTIQUE oder HAROLD EN ITALIE wurden lange Zeit vom Musikestablishment wegen ihrer außermusikalischen Bezüge verachtet, dann trotz dieser Elemente geschätzt, weil sie eben nicht nur aus Lautmalerei bestanden.


    Nun würde mich interessieren, wie Ihr darüber denkt und ob Ihr weitere Beispiele für einen derartigen Gebrauch von Musik kennt und bewerten möchtet, den die einen für ein legitimes Stilmittel halten und andere am liebsten in den Thread über Missbrauch der Musik (WIEGENLIEDER FÜR KNUT - MISSBRAUCH DER MUSIK) einordnen würden. :pfeif:


    Mir bestem Gruß


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Padre
    Hallo Rideamus,
    meinst du damit auch die Lautmalerei in der Lyrik?
    Padre :hello:


    Wäre nicht uninteressant, aber ich habe bisher nicht daran gedacht, dass es die da natürlich auch gibt und bei manchen (Jandl?) sogar begriffliche Worte ersetzt, wodurch sie der Musik ganz nahe rücken.


    Aus der Hüfte gedacht, gilt das Gesagte wohl für beides, aber ganz sicher bin ich da nicht. Kann ich auch nicht sein, da ich zu wenig darüber weiß.


    R

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Der (vielleicht zu) selbstbewusste Musikkenner rümpft dagegen über derartige Versuche, die Wirklichkeit lautmalerisch nachzuäffen, herablassend die Nase und beschimpft sie als Mickymausing, weil die frühen Zeichentrickfilme der Walt Disney - Produktion gerne ihre Bilder durch entsprechende Ton- und Rhythmusfolgen verdoppelten. Bekanntlich führte das in den FANTASIA - Filmen sogar zu dem umgekehrten Fall, dass Musikstücke, die gar keine Programmmusik sein wollten, teils einfallsreich und teils monumental kitschig "illustriert" wurden. Ich habe jedenfalls ziemlich lange gebraucht, bei Beethovens sechster Symphonie nicht mehr an saccharintrunkene Pegasusse oder bei Strawinskys SACRE nicht mehr an wandernde Dinosaurier zu denken.


    Lieber Rideamus,


    Empfindlichkeiten mag es da immer geben, ich habe das Problem nicht kennen gelernt, weil ich "Fantasia" zu einer Zeit sah, als ich die illustrierten Stücke alle schon anders kannte. Aber mit Deiner Fragestellung hat das Beispiel ja ohnedies nur am Rande zu tun.


    Lautmalerei kommt so früh in der Musik vor (in der Ars nova ebenso wie bei den Trouvères), ja auch in der Gregorianik kann man lautmalerisches finden, so dass ich meine, dass Musik seit ihrem Beginn der Natur ihre Laute ablauschte. Das geht vor stilisierten Realitätszitat bis hin zu Respighi, der für einen in seine Tondichtung eingebauten Vogelgesang gleich auch noch die Plattennummer der Aufnahme angab, auf der dieser Vogelgesang "authentisch" zu finden war.


    Wo immer Bezug auf die Realität genommen wird, ob die idyllische Naturszene oder in einer Battaglia, liegt zumindest ein stilisierte Annäherung an den realen Laut nahe, bei dem Einbezug von Schlagzeuginstrumenten ohnedies. Eine besondere Rolle spielte da die Programmmusik, die es ja in diesem Sinne schon seit dem Barock gab (man höre einmal all die Anspielungen in der Cembaloliteratur bei Couperin oder Rameau bis hin eben zu einer Battaglia à la Biber). Da hört man vom murmelnden Bach bis zum Krachen der Kanonen schon die ganze Bandbreite des Hörbaren.


    Der Reiz der Verarbeitung des Naturlautes in Kompositionen liegt bis in die Moderne mE darin, dass ein Geräusch Teil eines tonalen Geschehens wird, dass man in der Abstraktion einer Tonsprache Zeichen des Konkreten wieder findet und dass es ein intelligentes Spiel zwischen Zitat und Form gibt.


    LG Peter

  • Nach meinem Kenntnisstand, benutzt man die Lautmalerei , in der Poetik unD Stilistik, um bestimmte Wirkungen zu erzielen.
    Berühmstes Beispiel, der Zauberlehrling:
    " Walle! walle
    Mache Strecke,
    dass zum Zwecke
    Wasser fließe,
    Und mit reichem, vollem Schwalle
    Zu dem Bade sich ergieße.


    Auch die Wilhelm Busch Gedichte könnte man hier anführen.
    Ich dachte, wenn diese Verse ein Libretto wären, würde man dann, die von dir gemeinte Lautmalerei, als Lautmalerische Musik wahrnehmen?
    Ich denke, dass eine solche Musik, verbale lautmalerische Poetik und Stilistik haben sollte.
    Padre :hello:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Rideamus
    Wäre nicht uninteressant, aber ich habe bisher nicht daran gedacht, dass es die da natürlich auch gibt und bei manchen (Jandl?) sogar begriffliche Worte ersetzt, wodurch sie der Musik ganz nahe rücken.


    Aus der Hüfte gedacht, gilt das Gesagte wohl für beides, aber ganz sicher bin ich da nicht. Kann ich auch nicht sein, da ich zu wenig darüber weiß.


    Lieber Rideamus,


    wir können das gleich auch noch in die Sprache übertragen, wo in der Sprache Naturlaute abgebildet werden, wo also Zeichen und Bezeichnetes ohne den Umweg über das sprachliche System zusammenfallen, ich finde aber, damit sollten wir diese Frage nicht zumüllen, sondern uns lieber redlich bemühen, Überlegungen zu der gestellten Frage einzubringen.


    Padre: Zu Fragen der Lautmalerei in der Dichtung kann ich Dir ein semesterlanges Seminar bieten, ohne dass ich damit die Fragestellung ausgeschöpft hätte, ich bitte aber doch zu beachten, dass wir hier in "Allgemeine Klassikthemen" sind und nicht anderswo.


    LG Peter

  • Lieber Peter,


    Du bestätigst meinen Verdacht, dass Musik, ähnlich wie die Malerei und später die Lyrik, aus dem Bedürfnis erwachsen ist, die Wahrnehmung der Natur in Bildern und Tönen zu reflektieren und gemeinsam mit der subjektiven Sicht dieser Dinge festzuhalten bzw. darzustellen.


    Wenn dies aber wirklich die Wurzel dieser Kunst ist, warum steht sie dann in einem derart schlechten Ruf? Doch nicht nur, weil sie sich Laien leicht erschließt?


    @ padre:


    Danke für das schöne Beispiel, an das Wagner gedacht haben mag, als er den Rheintöchtern und Walküren ihre berühmt-berüchtigten Lautmalereien in den Mund legte.


    Vermutlich kann ujnd braucht man die auf das Ohr gerichteten Künste gar nicht trennen, wenn es um die Frage der Lautmalerei geht, denn auch Wagners fast zu gute Laurmalereien haben ja nicht nur einen guten Ruf.


    Also auch hier: warum reagiert man so empfindlich auf Lautmalerei?


    R.


    PS: ansonsten würde ich Peter zustimmen. Das Thema ist schon in der Musik weitläufig und komplex genug, zumal (siehe Wagner) über die "lyrics" von Gesangstücken die Lyrik ohnehin stark mit hinein spielt.


  • Das beantworte ich noch, aber das gehört nicht hierhin. Die Poetik ist übrigens die Wissenschaft der Poesie, Du meintest aber hier die Dichtung selbst, entsprechendes gilt für Stilistik/Stil. Als Beispiel für Lautmalerei in der Dichtung wäre mir schon Passenderes eingefallen, hier hast Du zunächst die Wiederholung des Wortes "Walle", das schon auf einer sehr stilisierten Ebene noch etwas mit dem Laut eines fließenden Wassers zu tun hat. Ansonsten ist es am ehesten der "s"-Laut, dann noch das "schw", die in dieser Beschwörung noch etwas vom fließenden Wasser vermitteln. Jemand, der nun kein Wort Deutsch verstände, würde aber nicht unbedingt diesselben Schlüsse ziehen. Der beschwörende Ton wird sich in einer Rezitation noch vermitteln, die genannten Laute können aber ganz anders gedeutet werden.


    Zitat

    Auch die Wilhelm Busch Gedichte könnte man hier anführen.

    Busch hat erfreulicherweise eine Vielzahl Gedichte geschrieben, einige könnte man anführen, die meisten nicht. Ich würde eher eine der Verserzählungen wie "Max und Moritz" anführen, wenn schon. Aber nicht hier und nicht jetzt.


    Zitat

    Ich dachte, wenn diese Verse ein Libretto wären, würde man dann, die von dir gemeinte Lautmalerei, als Lautmalerische Musik wahrnehmen?


    Ein Libretto ist ein Textbuch, verstehe ich also nicht ganz. Vielleicht meinst Du, dass diese Texte vertont werden. Ich nehme an, dass dann in der Vertonung mehr an Lautmalerei unterzubringen wäre als in den zitierten Versen. Lautmalerei in der Dichtung versucht aber auf eine andere Weise zu wirken, als es die Musik mit ihren Mitteln kann. Deshalb ist es schon gut, das eine und das andere auseinander zu halten. Bei einer Vertonung wird ja durch das Hinzufügen von Tönen den zugrunde liegenden Versen gerade etwas von der Dominanz der Laute und Geräusche genommen, die nun ein rezitiertes Gedicht ausmachen.


    Zitat

    Ich denke, dass eine solche Musik, verbale lautmalerische Poetik und Stilistik haben sollte.


    Was zum Kuckuck ist lautmalerische Poetik und Stilistik? Ich kenne eine Reihe von Poetiken von Aristoteles bis hin zu Bodmer und Breitinger, keine einzige ist lautmalende, weil es bei einer Poetik um die Regeln der Anfertigung von Dichtungen, nicht aber um Dichtungen selbst geht.


    Aber bitte ad rem ...


    LG Peter

  • Lieber Rideamus



    Zitat

    Original von Rideamus


    Du bestätigst meinen Verdacht, dass Musik, ähnlich wie die Malerei und später die Lyrik, aus dem Bedürfnis erwachsen ist, die Wahrnehmung der Natur in Bildern und Tönen zu reflektieren und gemeinsam mit der subjektiven Sicht dieser Dinge festzuhalten bzw. darzustellen.


    Erwachsen ist sie aus der Nachahmung (das ist ja ein zentraler Begriff der Ästhetik), aber als Kunst ist sie über die Nachahmung hinausgewachsen: Sie bindet die Wahrnehmung in eine künstlerische Deutung ein, sie gibt ihr Form und Ziel.


    Zitat

    Wenn dies aber wirklich die Wurzel dieser Kunst ist, warum steht sie dann in einem derart schlechten Ruf? Doch nicht nur, weil sie sich Laien leicht erschließt?


    Das liegt an Deinen Beispielen :) Das intelligente Spiel, das etwa Haydn mit Naturlauten macht, steht meines Wissens nicht in schlechtem Ruf. Es ist die Entwicklung der Programmmusik im 19. Jahrhundert und die Auseinandersetzung zwischen Programm- und absoluter Musik, die einen schlechten Ruf entstehen ließ (bis hin zu Künstlern wie Richard Strauss, der anbot, eine Speisekarte zu komponieren - und der hätte es gekonnt!) Was dann die "Lage" der Lautmalerei verschlechterte, war der üppige Gebrauch, der von ihr in der illustrativen - d.h. vor allem in der Filmmusik gemacht wurde. Insofern: diese großen Dosen illustrativer Musik sind vielleicht in schlechtem Ruf, dann sicher Musik, die ihr ähnlich ist, aber weiter würde ich nicht verallgemeinern.


    LG Peter

  • Ich muss zugeben, dass das ein Gebiet ist, aus dem ich nur zufällig zerstreute Beispiele kenne.


    Dementsprechend frage ich hier nur:
    Welche Beispiele nach R Strauss gibt es? Wurde die Lautmalerei seit größerer Verbreitung von Schellack- und sonstigen Platten nicht zunehmend uninteressant?


    Bei Honeggers 231 gibt es außer dem Pfeifen am Anfang doch eigentlich auch keine ernstzunehmende "Natur"-Nachahmung - Mossolows Eisengießerei stampft zwar schön monoton, aber sind das wirklich befriedigende Beispiele? Und ab 1950 fällt mir so schnell gar nichts ein ...

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Lieber Peter,


    einverstanden: der (Ver-)Ruf wuchs mit der Bedeutung des Axioms von der absoluten Musik, deren frühe Päpste (s. Wagner) so päpstlich ja auch noch nicht waren.


    Ich meine aber, mich an zeitgenössische Kritiken und Streitschriften zur Programmusik von Liszt, Berlioz und später Strauss zu erinnern, die illustrative Musik schon abtaten, bevor jemand an Film und gar Tonfilm gedacht hatte.


    Auch umgekehrt wird ein Schuh draus: warum konnten die Klassiker so unbefangen mit dem lautmalerischen Naturzitat umgehen (wobei die meisten Tiernamen der Haydn-Symphonien ja nicht auf ihn sekbst zurück gehen, er sich diese womöglich sogar verbeten hätte) und zugleich so wenig Interesse daran haben, dieses Stilmittel anders als spielrisch zu nutzen?


    Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass im Barock nur die künstlich verfeinerte Wiedergabe natürlicher Vorkommnisse und Emotionen etwas galt?


    :hello: R.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Dementsprechend frage ich hier nur:
    Welche Beispiele nach R Strauss gibt es? Wurde die Lautmalerei seit größerer Verbreitung von Schellack- und sonstigen Platten nicht zunehmend uninteressant?


    Bei Honeggers 231 gibt es außer dem Pfeifen am Anfang doch eigentlich auch keine ernstzunehmende "Natur"-Nachahmung - Mossolows Eisengießerei stampft zwar schön monoton, aber sind das wirklich befriedigende Beispiele? Und ab 1950 fällt mir so schnell gar nichts ein ...



    Messiaens allgegenwärtige Vögel stehen doch - bei allem ornithologischen Anspruch - eindeutig in der uralten Tradition der vogelzwitschernden Lautmalerei.


    Das "Ritschen" der Streichhölzer ist in Lachenmanns "Mädchen mit den Schwefelhölzern" dreimal (oder zweimal?) deutlich zu identifizieren - nach meiner Erinnerung hat der Komponist selbst darauf hingewiesen.


    In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, dass Lachenmann sich in einem Interview um die Rehablilitierung von Straussens Alpensymphonie bemüht hat.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ich muss zugeben, dass das ein Gebiet ist, aus dem ich nur zufällig zerstreute Beispiele kenne.


    Lieber KSM,


    das geht mir auch so ...


    Zitat

    Dementsprechend frage ich hier nur:
    Welche Beispiele nach R Strauss gibt es? Wurde die Lautmalerei seit größerer Verbreitung von Schellack- und sonstigen Platten nicht zunehmend uninteressant?


    Ich müsste auch mal nachsehen und -hören, aber auf Anhieb in den Opern von Britten jede Menge, in Sinfonien bei Vaughan Williams & Co. desgleichen. Bei Henze in den Opern finde ich sicher auch genug, wenn ich anfange zu suchen (bei den "Bassariden", die ich letzlich wieder hörte, gibt es Naturlaut genug!), dann gibt es die Vogel-Fans von Messiaen bis hin zu Rautavaara. Bei Aho etwa die 7. Sinfonie (Hyönteissinfonia = Insektensinfonie) usw. usf. Von all den real existiernden Neuspätromantikern mal ganz zu schweigen ...


    Zitat

    Bei Honeggers 231 gibt es außer dem Pfeifen am Anfang doch eigentlich auch keine ernstzunehmende "Natur"-Nachahmung - Mossolows Eisengießerei stampft zwar schön monoton, aber sind das wirklich befriedigende Beispiele? Und ab 1950 fällt mir so schnell gar nichts ein ...


    s.o.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Messiaens allgegenwärtige Vögel stehen doch - bei allem ornithologischen Anspruch - eindeutig in der uralten Tradition der vogelzwitschernden Lautmalerei.


    In der Tradition schon, aber wer denkt da an Lautmalerei?
    Ich habe bei Messiaen noch nie an Vögel gedacht.
    Vielleicht bin ich da die Ausnahme ...
    Allein der Ausdruck und die Dissonanz läßt bei mir keine Vogelgezwitscherassoziation aufkommen. Vogelgesang als "Material" muss doch nicht Lautmalerei bewirken!


    Cages "atlas eclipticalis" klingt auch nicht nach Sternenhimmel ...
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Welche Beispiele nach R Strauss gibt es? Wurde die Lautmalerei seit größerer Verbreitung von Schellack- und sonstigen Platten nicht zunehmend uninteressant?


    Bei Honeggers 231 gibt es außer dem Pfeifen am Anfang doch eigentlich auch keine ernstzunehmende "Natur"-Nachahmung - Mossolows Eisengießerei stampft zwar schön monoton, aber sind das wirklich befriedigende Beispiele? Und ab 1950 fällt mir so schnell gar nichts ein ...


    Zu Honegger ist diese Seite, die besonders auf Pacific 231 eingeht, ganz aufschlussreich: http://www.kug.ac.at/musik/honegger/


    Ansonsten ist das eine interessante Beobachtung, wenn sie der Nachprüfung standhalten sollte (ich bin da, zugegeben, nicht sehr bewandert). Ich glaube, dass Peters Hinweis auf den intensiven Gebrauch der illustrativen Musik im Film einen wesentlichen Grund für den weitgehenden Rückzug der Lautmalerei aus der ernstzunehmenden Musik liefert. Interessant ist, dass dies nicht für ernst zu nhehmende Komponisten von Filmmusik galt. Man denke nur an Prokovjews Illustration der Schlacht auf dem Eis in ALEKSANDR NEWSKI. Selbst George Antheils BALLET MÉCANIQUE war ja ursprünglich als Filmmusik konzipiert worden.


    Noch mehr dürfte diese Entwicklung allerdings darauf zurück gehen, dass die "seriöse" Musik im 20. Jahrhundert meines Erachtens Absolutheitsansprüche entwickelte, die weit über die des 19. Jahrhunderts hinaus gehen, allerdings auch große Teile des Publikums überforderten und zurück ließen.


    Aber das führt zu dem Beuys/Stockhausen - Thread und OT.


    Oder vielleicht doch nicht?

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    In der Tradition schon, aber wer denkt da an Lautmalerei?
    Ich habe bei Messiaen noch nie an Vögel gedacht.
    Vielleicht bin ich da die Ausnahme ...
    Allein der Ausdruck und die Dissonanz läßt bei mir keine Vogelgezwitscherassoziation aufkommen. Vogelgesang als "Material" muss doch nicht Lautmalerei bewirken!



    Ehrlich? 8o



    Die Vogelgesang-Lautmalerei bei Messiaen unterscheidet sich doch von ihrern Vorläufern bei Couperin, Vivaldi, Beethoven, Wagner, Strauss etc. vor allem durch ihre Präzision (insb., weil er sie auch nicht mehr in das Schema der Tonalität hineinpresst) und natürlich durch die enorme Vielfalt der nachgeahmten Vögel (obwohl es den einfach zu identifizierenden Kuckuck ja auch bei Messiaen gibt). "Ausdruck" und "Dissonanz" sind bei Messiaen natürlich in viel stärkerem Maß da als bei seinen Vorgängern - aber zumindest die Dissonanz hörst Du ja auch, wenn Du durch den Wald läufst.


    Nach meinem Verständnis "bewirkt" durch Instrumente suggerierter Vogelgesang doch auch keine Lautmalerei, sondern er IST Lautmalerei. Und ein Werk wie "Le réveil des oiseaux" besteht ausschließlich aus dem Material der Vogelstimmen.


    Bei dem folgenden Link kann man aus diesem Werk die realen Vogelstimmen und die "Nachahmung" durch Messiaen relativ gut hörend nachvollziehen:


    "http://perso.orange.fr/p.dubois/oiseaux/liste.html"



    Dass sich Messiaens Musik, selbst wenn sie wie im "Réveil" ausschließlich aus nachgeahmten Vogelstimmen besteht, sich nicht in Lautmalerei erschöpft, unterstreiche ich allerdings.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Rideamus
    einverstanden: der (Ver-)Ruf wuchs mit der Bedeutung des Axioms von der absoluten Musik, deren frühe Päpste (s. Wagner) so päpstlich ja auch noch nicht waren.


    Ich meine aber, mich an zeitgenössische Kritiken und Streitschriften zur Programmusik von Liszt, Berlioz und später Strauss zu erinnern, die illustrative Musik schon abtaten, bevor jemand an Film und gar Tonfilm gedacht hatte.


    Lieber Rideamus,


    da muss man aber sicher unterscheiden zwischen Lautmalerei (die noch immer "erlaubt" war, wenn auch eingebunden in eine absolute Form) und Programmmusik (bei der sich die Form ja durch den Ablauf des Programms ergibt). Und ein Drittes ist sicher Vokalmusik bis hin zum Musikdrama, wo durch das Wort ja schon ein außermusikalischer Bezug gegeben ist.


    Der Film (zunächst einmal die klavieristische Untermalung des Stumm-, dann die Tonspur des Tonfilms) hat ja eine ganz neue Art "angewandter" Musik geschaffen.


    [quote ]Auch umgekehrt wird ein Schuh draus: warum konnten die Klassiker so unbefangen mit dem lautmalerischen Naturzitat umgehen (wobei die meisten Tiernamen der Haydn-Symphonien ja nicht auf ihn sekbst zurück gehen, er sich diese womöglich sogar verbeten hätte) und zugleich so wenig Interesse daran haben, dieses Stilmittel anders als spielrisch zu nutzen?[/quote]


    Ich denke, es liegt an dem Unterschied zwischen Naturzitat und Programmmusik. In dem einen Fall ist es ja meist ein Motiv oder eine Stimmung, die aber mit den Mitteln der "absoluten" Musik verarbeitet wird - es ist Ausdruck der Empfindung nicht Malerei (wie Beethoven zu seiner Pastorale schreibt). Bei Webers Konzertstück f-Moll liegt eine konkrete Schilderung zugrunde, die mit musikalischen Mitteln verwirklicht wird.


    Zitat

    Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass im Barock nur die künstlich verfeinerte Wiedergabe natürlicher Vorkommnisse und Emotionen etwas galt?


    Das meinte ich mit dem "Stilisieren" - und das gilt mE bis heute.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    "Ausdruck" und "Dissonanz" sind bei Messiaen natürlich in viel stärkerem Maß da als bei seinen Vorgängern - aber zumindest die Dissonanz hörst Du ja auch, wenn Du durch den Wald läufst.


    Im Walde gibt es die Dissonanz mE nicht, da das Stimmungs- oder Tonsystem fehlt. Gerade durch das "in die Klaviertastatur-Zwängen" der Vogelstimmen und den keineswegs naturgefühligen Einsatz bei Messiaen wird das Material für mein Ohr absolut gemacht.


    Natürlich denke ich beim Hören daran, dass das aus Vogelstimmen abgeleitet ist, aber ein bisschen Flötengefiepe bei irgendeinem Barockkkomponisten (Graupner) läßt sofort die richtigen Assoziationen aufpoppen, während bei Messiaen keine Federn in Sicht kommen.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Im Walde gibt es die Dissonanz mE nicht, da das Stimmungs- oder Tonsystem fehlt. Gerade durch das "in die Klaviertastatur-Zwängen" der Vogelstimmen und den keineswegs naturgefühligen Einsatz bei Messiaen wird das Material für mein Ohr absolut gemacht.


    Natürlich denke ich beim Hören daran, dass das aus Vogelstimmen abgeleitet ist, aber ein bisschen Flötengefiepe bei irgendeinem Barockkkomponisten (Graupner) läßt sofort die richtigen Assoziationen aufpoppen, während bei Messiaen keine Federn in Sicht kommen.
    :hello:



    Ich verstehe, was Du meinst - als ich vor ungefähr einem Jahr mit einer Freundin im Konzert mit "Le réveil des oiseaux" war, meinte sie hinterher, dass das gar nicht nach Vögeln geklungen habe... Man müsste es mal mit einem Ornithologen versuchen.


    Trotzdem ist das doch ein interessantes Paradoxon: Messiaen ist viel präziser bei der Vogelstimmen-Lautmalerei als seine Vorgänger und trotzdem stellen sich in der Tat bei ein bisschen barockem "Flötengefiepe" viel eher die "richtigen" Assoziationen ein. Unsere Rezeption von Lautmalerei scheint doch in hohem Maße kulturell bzw. musikgeschichtlich konditioniert zu sein und kommt offenbar weniger durch den Vergleich mit den "realen" Vorbildern zustande.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Der Film (zunächst einmal die klavieristische Untermalung des Stumm-, dann die Tonspur des Tonfilms) hat ja eine ganz neue Art "angewandter" Musik geschaffen.


    Nur zur einstweiligen sachlichen Richtigstellung, denn dazu kommt demnächst ein eigener Thread von mir: die "klavieristische" Untermalung ist ein extrem frühes und dann erst wieder sehr spätes Phänomen. Große Kinohäuser leisteten sich eigene Orchester und Partituren, kleinere eine Miniensemble oder mindestens eine sehr machtvolle Wurlitzer-Orgel. Die Klaviere, die wir als authentisch unterstellen, gab es, meist in Verbindung mit Sprechern, welche die Zwischentitel für die vielen Analphabeten und, in Amerika, Fremdsprachler in ihrem Publikum kommentierten, fast nur auf Jahrmärkten vor der Errichtung eigener Kinos und in der hintersten Provinz. Da irren spätere Rekonstruktionen im Film nicht weniger als unser heutiger Glaube, das sei damals der Standard gewesen.


    Insofern war die damals im Film bzw. Kino angewandte Musik noch viel komplexer, als wir uns heute vorstellen.


    Zitat

    Original von pbrixius
    Ich denke, es liegt an dem Unterschied zwischen Naturzitat und Programmmusik. In dem einen Fall ist es ja meist ein Motiv oder eine Stimmung, die aber mit den Mitteln der "absoluten" Musik verarbeitet wird - es ist Ausdruck der Empfindung nicht Malerei (wie Beethoven zu seiner Pastorale schreibt). Bei Webers Konzertstück f-Moll liegt eine konkrete Schilderung zugrunde, die mit musikalischen Mitteln verwirklicht wird.


    Die Differenzierung zwischen Programmusik und Lautmalerei kann ich nachvollziehen. Andererseits hat die Programmmusik sich besonders der Lautmalerei angenommen und sie weit über die bloße Kopie der Natur hinaus zur Illustration von emotionalen oder Geisteszuständen entwickelt (Berlioz' SYMPHONIE FANTASTIQUE ist da nur das ohrenfälligste Beispiel). Lautmalerei ist also nicht nur die Kunst der Kopie, sondern auch Ausdruckskunst.


    Zitat

    Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass im Barock nur die künstlich verfeinerte Wiedergabe natürlicher Vorkommnisse und Emotionen etwas galt?
    ...


    Das meinte ich mit dem "Stilisieren" - und das gilt mE bis heute.


    Das von Dir zu hören, überrascht mich etwas. Fußte nicht Glucks Reformoper gerade auf dem Ansatz, über die stilisierten Emotionen hinweg zu kommen und menschliches Fühlen nachvollziehbarer zu machen? Ich sehe in der Entwicklung der Musik bis vor (mindestens) hundert Jahren eher eine von der Stilisierung weg hin zu einem emotionalen Erlebnis, das dessenungeachtet sehr überlegt gestaltet wird.


    LG Rideamus

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lautmalerei ist natürlich nicht verboten, aber es kommt wie bei allen Dingen drauf an, wie es gehandhabt wird. Manchmal ist sie lustig, sehr oft eher albern oder überflüssig, man nimmt sie zur Kenntnis und hat sie sofort wieder vergessen. Die Qualität eines Stückes hängt kaum von mehr oder weniger gelungener Lautmalerei ab.
    Die rhetorischen Figuren im Barock sind m.E. keine Lautmalerei i.e.S., weil sie konventionell sind, eher symbolisch (wenn auch nicht völlig beliebig) als ikonisch.


    Die beiden mit Tiernamen versehenen Haydn-Sinfonien enthalten m.E keine Lautmalerei. "Der Bär" heißt so, weil die Musik im Finale an die *Musik* erinnert, zu der Bären zum Tanzen gezwungen wurden, die für die ominöse "Henne" verantwortliche Stelle ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man sie lautmalerisch versteht (was für einen Zweck sollte in diesem dramatischen Satz der Hühnerhof haben?!?), es ist eine zufällige Assoziation, vielleicht auch an ein Stück von Rameau(?)
    Eine Stelle wie das "Und es ward Licht" aus der Schöpfung ist eher auf eine direkte, elementare Weise beeindruckend, nicht weil sie das Geschilderte so gut darstellt (da niemand bei der Erschaffung des Lichtes zugegen war, wäre auch schwierig zu beurteilen, wie angemessen die Darstellung ausgefallen ist :D)


    Hoffmann hatte im Grunde recht, wenn er gewiß auch ein wenig romantisch übertreibt. Die Stärke ("das Eigentümliche") der Musik ist nicht bildliche Darstellung oder Nachahmung, sie stellt, wenn überhaupt etwas, innere, emotionale Dramen dar. Meistens stellt sie garnix dar (der letzte Abschnitt des Zitats zeigt freilich, dass das nicht bedeutet, dass es nur um ein abstraktes Formenspiel geht)...


    E.T.A. Hoffmann, aus "Beethovens Instrumentalmusik" (in "Fantasiestücke in Callots Manier...", 1819 (Hervorhebung hinzugefügt)):


    "Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußern Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle bestimmten Gefühle zurückläßt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben.
    Habt ihr dies eigentümliche Wesen auch wohl nur geahnt, ihr armen Instrumentalkomponisten, die ihr euch mühsam abquältet, bestimmte Empfindungen, ja sogar Begebenheiten darzustellen? - Wie konnte es euch denn nur einfallen, die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch zu behandeln? Eure Sonnaufgänge, eure Gewitter, eure Batailles des trois Empereurs usw. waren wohl gewiß gar lächerliche Verirrungen und sind wohlverdienterweise mit gänzlichem Vergessen bestraft.
    [...]
    So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger werdend, mußte er jede Fessel einer andern Kunst zerreißen.
    [...]
    So öffnet uns auch Beethovens Instrumentalmusik das Reich des Ungeheuern und Unermeßlichen. Glühende Strahlen schießen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir werden Riesenschatten gewahr, die auf- und abwogen, enger und enger uns einschließen und uns vernichten, aber nicht den Schmerz der unendlichen Sehnsucht, in welcher jede Lust, die schnell in jauchzenden Tönen emporgestiegen, hinsinkt und untergeht, und nur in diesem Schmerz, der Liebe, Hoffnung, Freude in sich verzehrend, aber nicht zerstörend, unsere Brust mit einem vollstimmigen Zusammenklange aller Leidenschaften zersprengen will, leben wir fort und sind entzückte Geisterseher!"


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Rideamus


    Der (vielleicht zu) selbstbewusste Musikkenner rümpft dagegen über derartige Versuche, die Wirklichkeit lautmalerisch nachzuäffen, herablassend die Nase und beschimpft sie als Mickymausing, weil die frühen Zeichentrickfilme der Walt Disney - Produktion gerne ihre Bilder durch entsprechende Ton- und Rhythmusfolgen verdoppelten. Bekanntlich führte das in den FANTASIA - Filmen sogar zu dem umgekehrten Fall, dass Musikstücke, die gar keine Programmmusik sein wollten, teils einfallsreich und unterhaltsam, teils monumental kitschig "illustriert" wurden (andere sehen darin einen leider nicht justiziablen Musterfall von Musikvergewaltigung). Ich habe jedenfalls ziemlich lange gebraucht, bei Beethovens sechster Symphonie nicht mehr an saccharintrunkene Pegasusse oder bei Strawinskys SACRE nicht mehr an wandernde Dinosaurier zu denken. Dennoch bekenne ich mich gerne dazu, diesen trotz allem charmanten Film und seinen Nachfolger mit wachsendem Abnstang immer mehr zu mögen.


    :hello: Rideamus


    Also, ich behaupte, daß derjenige, der die Nase rümpft, vermutlich eher ein Wichtigtuer ist als ein Musikkenner. Die meisten von uns im Forum sind doch längst keine "Klassik-Anfänger" mehr, doch gibt es hier jemanden, der prinzipiell bei Lautmalerei die Nase rümpfen würde? Ich glaube nicht. Dafür gibt es viel zu gute Beispiele aus den unterschiedlichsten Epochen der Musikgeschiche, Peter hat das ja bereits klar dargelegt.
    Was fällt mir spontan ein?
    Z.B. Beethovens "Pastorale".
    Aber auch: Delius: The First Cockoo In Spring.


    Bei mir ist das mit "Fantasia" so ähnlich wie bei Peter. ich lernet den Film mit 22 kennen. Die darin verwendeten Werke kannte ich alle bereits vorher, das Problem einer nur schwer auszuradierenden Assoziationskette blieb mir also erspart. Glück gehabt ;)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Also, ich behaupte, daß derjenige, der die Nase rümpft, vermutlich eher ein Wichtigtuer ist als ein Musikkenner. Die meisten von uns im Forum sind doch längst keine "Klassik-Anfänger" mehr, doch gibt es hier jemanden, der prinzipiell bei Lautmalerei die Nase rümpfen würde?


    Ich rümpfe hiermit laut und vernehmlich :D
    Mag ich zwar ein Wichtigtuer sein, so doch auch ein Musikkenner. ;)


    Zitat


    Ich glaube nicht. Dafür gibt es viel zu gute Beispiele aus den unterschiedlichsten Epochen der Musikgeschiche, Peter hat das ja bereits klar dargelegt.
    Was fällt mir spontan ein?
    Z.B. Beethovens "Pastorale".
    Aber auch: Delius: The First Cuckoo In Spring.


    Warum gibt es denn immer noch keinen Gähn-Smilie? (meine häufigste Reaktion auf Lautmalerei und eine der harmloseren)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, miteinander!


    Noch nicht zur Sprache gekommen ist hier die per Tonband erfolgte Integration realer, im Prinzip unverfälschter Naturlaute. Zwei Beispiele - und wieder geht es um Vögel 8) - fallen mir ein: eine Passage aus Respighis "Pini di Roma", die wohl vor allem bei Aufführungen auch häufig weggelassen wird; und - quasi strukturierend, also passim - das "Konzert für Vögel und Orchester" des namentlich oben schon erwähnten Finnen Einojuhani Rautavaara. Wie die nordischen Vogelstimmen bei Aufführungen oder Aufnahmen dieses Konzerts integriert werden und ob es eine vorgeschriebene Partitur gibt, weiß ich nicht. Allerdings ist mir aufgefallen beim Vergleich meiner CD mit einer Konzertaufführung im Rundfunk, dass die Ähnlichkeit wohl sehr groß war.


    Liegt hier musikalischer Kitsch vor? Nun, es würde ein Definitionskriterium sicher zutreffen, nämlich die Überlagerung des individuellen schöpferischen Werks durch die Automation, die beliebig reproduzierbare Vorfertigung, die Schaffung von Atmosphäre durch das zwar Authentische, aber Außerkünstlerische. Rautavaara würde die Problematik von Programmmusik auf die Spitze treiben.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Die Differenzierung zwischen Programmusik und Lautmalerei kann ich nachvollziehen. Andererseits hat die Programmmusik sich besonders der Lautmalerei angenommen und sie weit über die bloße Kopie der Natur hinaus zur Illustration von emotionalen oder Geisteszuständen entwickelt (Berlioz' SYMPHONIE FANTASTIQUE ist da nur das ohrenfälligste Beispiel). Lautmalerei ist also nicht nur die Kunst der Kopie, sondern auch Ausdruckskunst.


    Um hier einmal eines festzuhalten: Lautmalerei gibt es akzeptiert bis in die moderne Musik (ich habe bei meinem schnellen Nachschlagen noch Beispiele von Berg bis Boulez gefunden, etwa in seinem "Le Soleil des Eaux"). Wenn wir also die Lautmalerei von der "Perversion" ausnehmen, so können wir uns auf die "Programmmusik" stürzen, denn hier scheint am ehesten noch eine Grenzlinie zu verlaufen.


    Die Wertung von Berlioz "Symphonie fantastique" (nicht zuletzt im Kontext zu seinem Lélio) wird eine andere sein, wenn ich sie vom Standpunkt einer absoluten Musik her versuche oder von dem einer programmatisch bestimmten Musik.


    Zitat

    Das von Dir zu hören, überrascht mich etwas. Fußte nicht Glucks Reformoper gerade auf dem Ansatz, über die stilisierten Emotionen hinweg zu kommen und menschliches Fühlen nachvollziehbarer zu machen? Ich sehe in der Entwicklung der Musik bis vor (mindestens) hundert Jahren eher eine von der Stilisierung weg hin zu einem emotionalen Erlebnis, das dessenungeachtet sehr überlegt gestaltet wird.


    Da habe ich mir wohl "künstlich" zu "künstlerisch" zurecht gelesen (wobei ich meine, dass dies auch für das Barock gilt). Zu Glucks Reformoper müsste man vieles (aber an einem anderen Ort) sagen, denn da existiert eigentlich nur eine Reader's Digest-Auffassung davon, die noch deutlich fortgeschrieben werden muss. Bei Gluck ist - wie Du richtig einwendest - gegenüber dem Artifiziellen des Barocks das Natürliche des Menschenbilds der Aufklärung angestrebt. Für seine Zeit waren Glucks Mittel "rau, wild". Sie beruhen aber nicht darauf, dass nun kein Zeichensystem mehr gebraucht wird, sondern dass das Zeichensystem und die Funktion der Zeichen sich geändert haben. Insofern sind die Emotionen wieder stilisiert - aber anders (da braucht man nur Gluck mit Berg zu vergleichen). Für den barocken Zuhörer war die Musik Rameaus genauso ein emotionales Erlebnis wie für Klopstock oder Schiller das Erlebnis der Musik Gluck - und doch ein anderes. Aber das Entscheidende liegt nicht im (bei der Kunst immer notwendigen) Stilisieren, sondern in der Wahrhaftigkeit der Personen und ihrer Gefühle. Während im Barock in der opera seria die Affekte austauschbar waren und die Personen der Handlung ein Bündel der Affekte, findet man bei Gluck (und das hört man erstaunlicherweise schon im Ezio) eine Integrität der Person, deren Ton auch in den Affekten durchhörbar ist, d.h. Valentino kann nicht mehr die Arie von Ezio singen, selbst wenn er im gleichen Affekt ist, weil in der melodischen, harmonischen und rhythmischen Gestaltung hier anderes geschieht. Das ist eben auch stilisiert, weil in der Form der Musik eingebunden, aber verweist nun auf eine "natürliche" Person.


    Ich hoffe, ich konnte mich verständlich machen :)


    LG Peter

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von WolfgangZ
    Noch nicht zur Sprache gekommen ist hier die per Tonband erfolgte Integration realer, im Prinzip unverfälschter Naturlaute.


    Ich habe ja schon bei Messiaen meine Bedenken - aber Tonbandaufnahmen von irgendwelchen Klängen sind wirklich keine "Lautmalerei"! Sonst wären Henrys Variationen über eine Tür und einen Seufzer der Höhepunkt aller Lautmalerei ...
    :hello:


  • War ja klar, ich hätte drauf wetten können, daß Du wieder zwischenschießt, Johannes! Du solltest Dein Herz mal ab und zu wieder für die einfachen, ja vielleicht sogar banalen, aber um so rührenderen Dinge des Lebens öffnen :baeh01:


    Daß Du Kenner der Materie bist, streite ich natürlich nicht ab.
    Obwohl Du mir noch gar kein Zeichen auf meine Nachricht gegeben hast (komplexe Zahlen - bist Du mit dem Inhalt einverstanden??)


    :hello:
    Wulf

  • Hm - interessant!


    Also prinzipiell habe ich nichts gegen Lautmalerei in der Musik; mich stört das weder in Beethovens Pastorale, noch in der Les Adieux-Sonate diese Hörner, Vivaldis quattro stagioni...
    Allzu oft kann ich diese Werke allerdings nicht hören, da mir die Lautmalereien irgendwann auf den Zeiger gehen. Enorme Probleme habe ich mit Programmmusik, da mir da zu oft einfach nur irgendetwas nachgeäfft wird (Don Quixote finde ich ehrlich gesagt teilweise schon lächerlich mit dem Schafgeblöke da... :rolleyes: ); richtig die Krise kriege ich (aber das ist ja keine Lautmalerei mehr), wenn dann auch noch Nationalhymnen mit Trompeten-trärä und Pauken zu Schlachtbeschreibungen verwurstet werden :pfeif:


    Im Barock finde ich Lautmalerei übrigens besonders passend: die schönen Vogelstimmen in den verschiedenen Blasinstrumenten etc. :]


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Lautmalerei ist natürlich nicht verboten, aber es kommt wie bei allen Dingen drauf an, wie es gehandhabt wird. Manchmal ist sie lustig, sehr oft eher albern oder überflüssig, man nimmt sie zur Kenntnis und hat sie sofort wieder vergessen. Die Qualität eines Stückes hängt kaum von mehr oder weniger gelungener Lautmalerei ab.


    Lieber Johannes,


    wie man eine Lautmalerei auffasst hängt eben nicht nur vom Komponisten, sondern auch vom Hörer ab. Die Lautmalereien in Haydns "Schöpfung" kommen einem heute oft sehr naiv vor.


    Zitat

    Die rhetorischen Figuren im Barock sind m.E. keine Lautmalerei i.e.S., weil sie konventionell sind, eher symbolisch (wenn auch nicht völlig beliebig) als ikonisch.


    Es ging mir auch nicht um die rhetorischen Figuren, sondern um die konkreten Lautmalereien etwa in Bibers Battaglia, die ich anführte. Oder nimm mal Couperins "Les Moissonneurs" (2ème livre de Pièces de clavecin, sixième ordre), wo Du Vogelzwitschern hören kannst. Rhetorische Figuren können durchaus Lautmalereien enthalten, die Onomatopöie ist eine rhetorische Figur.



    Zitat

    Die beiden mit Tiernamen versehenen Haydn-Sinfonien enthalten m.E keine Lautmalerei.


    Sicher sind die genannten Zuschreibungen mehr als fragwürdig, aber es gibt nun doch eine ganze Anzahl von Stellen, die diesen Makel nicht tragen. Vogelgezwitscher gibt es von der Sinfonie "Der Abend" bis zum "Vogelquartett".


    Zitat

    Eine Stelle wie das "Und es ward Licht" aus der Schöpfung ist eher auf eine direkte, elementare Weise beeindruckend, nicht weil sie das Geschilderte so gut darstellt (da niemand bei der Erschaffung des Lichtes zugegen war, wäre auch schwierig zu beurteilen, wie angemessen die Darstellung ausgefallen ist :D)


    Wobei Du elegant das Dutzend Stellen in der "Schöpfung" oder in den "Jahreszeiten" übergehst, wo es eine direkte Nachahmung gibt, aber die brauche ich Dir doch nicht zu nennen ;)


    Liebe Grüße Peter

  • Hallo Peter,
    ich muss mich nun doch mal ein wenig wehren, und darauf aufmerksam machen, dass Rideamus der Themenstarter ist. Ich habe gefragt, was er damit meint. Seine Antwort war sehr moderat....( wäre nicht uninteressant). Damit ist das Thema für mich durch, da ich keinen vernüftigen Beitrag dazu leisten kann, was Rideamus in diesem Fall tatsächlich meint.
    Ich habe bei dir oft den Eindruck, dass du die Themen zu stark an dich reißt. Natürlich kann ich oft deinen Einlassungen nicht folgen, dazu fehlt mir halt in vielen Dingen der Sachverstand Wenn du allerdings glaubst, es wäre notwendig, bei dir ein Seminar belegen, um zu erfahren was man unter Lautmalerei versteht, dann irrst du dich!! :hello:
    Padre

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner