Hallo allerseits
angeregt durch das wunderschöne und bislang noch nicht fertig gelöste Kleines ornithologisches Oper(ette)nrätsel sowie diverse Beiträge zum Thread Lachende Musik fiel mir ein Thema wieder ein, das mich immer wieder mal beschäftigt: wie hältst Du es mit der Lautmalerei?
Offensichtlich gibt es ein starkes Bedürfnis, das mit zunehmender Entfernung von echtem Musikverständnis zu wachsen scheint, musikalische Eindrücke bildhaft zu machen oder Geschichten erzählen zu lassen (dazu passt dieser Thread, der aber etwas anderes aus der Nachbarschaft dieses Themas meint: Erzählen stücke geschichten?). Umgekehrt hat es Komponisten immer wieder gereizt, Bilder in Musik auszudrücken. Die Beispiele beginnen bei dem schlichten "Kuckuck, Kuckuck - Eierschluck", das für mich und später meine Kinder in SEHR jungen Jahren das am spontansten begeisternde und behaltene Element von Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL war, und endet, um in der Ornithologie zu bleiben, noch lange nicht bei Respighis bezaubernder Suite GLI UCCELLI (Die Vögel) nach Stücken verschiedener Barockkomponisten, bei denen wohl erstmals dieser Kunstgriff der Naturimitation auftaucht (oder gibt's das doch noch früher?).
Für den nur vage an Musik interessierten Laien stellt sich die Lautmalerei ähnlich faszinierend dar wie die trompe l'oeil - Malerei für Kunstbanausen wie mich. Man bewundert die technische Fertigkeit, Illusionen zu erzeugen und hält sie gerne für wahre Kunst, weil - im Gegensatz zu einem Pollock - ein mit einem Pinsel bewaffneter Affe nie in der Lage wäre, so etwas zu malen. (Achtung! Ironie Parallelen zur Kritik an der modernen Musik sind nicht unbeabsichtigt).
Der (vielleicht zu) selbstbewusste Musikkenner rümpft dagegen über derartige Versuche, die Wirklichkeit lautmalerisch nachzuäffen, herablassend die Nase und beschimpft sie als Mickymausing, weil die frühen Zeichentrickfilme der Walt Disney - Produktion gerne ihre Bilder durch entsprechende Ton- und Rhythmusfolgen verdoppelten. Bekanntlich führte das in den FANTASIA - Filmen sogar zu dem umgekehrten Fall, dass Musikstücke, die gar keine Programmmusik sein wollten, teils einfallsreich und unterhaltsam, teils monumental kitschig "illustriert" wurden (andere sehen darin einen leider nicht justiziablen Musterfall von Musikvergewaltigung). Ich habe jedenfalls ziemlich lange gebraucht, bei Beethovens sechster Symphonie nicht mehr an saccharintrunkene Pegasusse oder bei Strawinskys SACRE nicht mehr an wandernde Dinosaurier zu denken. Dennoch bekenne ich mich gerne dazu, diesen trotz allem charmanten Film und seinen Nachfolger mit wachsendem Abnstang immer mehr zu mögen.
Dabei haben die seriösesten Komponisten schon lange, bevor jemand überhaupt an Walt Disney gedacht hatte, gerne zu dem Stilmittel der Lautmalerei gegriffen, sei es als humoristische Tupfer oder als Abkürzung für die Fantasie des Hörers in bestimmten Programmmusiken wie etwa TSCHAIKOWSKY in der OUVERTÜRE 1812 mit ihrem Geschützdonner und den Zitaten der Marseillaise sowie der Zarenhymne, die Karajan mit dem Donkosakenchor gar nicht sooo unangemessen uminstrumentierte. Trotzdem gilt Programmmusik wie Richard Strauss' ALPENSYMPHONIE mit ihren lautmalerischen Naturschilderungen als minderwertig, wenn sie nicht den angenehmen Nebeneffekt hat, neue Klänge konsumierbar zu machen wie es vor bald hundert Jahren Arthur Honegger mit seiner symphonischen Lokomotivenmusik PACIFIC 231 vermochte. Selbst Berlioz' bildkräftige SYMPHONIE FANTASTIQUE oder HAROLD EN ITALIE wurden lange Zeit vom Musikestablishment wegen ihrer außermusikalischen Bezüge verachtet, dann trotz dieser Elemente geschätzt, weil sie eben nicht nur aus Lautmalerei bestanden.
Nun würde mich interessieren, wie Ihr darüber denkt und ob Ihr weitere Beispiele für einen derartigen Gebrauch von Musik kennt und bewerten möchtet, den die einen für ein legitimes Stilmittel halten und andere am liebsten in den Thread über Missbrauch der Musik (WIEGENLIEDER FÜR KNUT - MISSBRAUCH DER MUSIK) einordnen würden.
Mir bestem Gruß
Rideamus