Beethoven: Streichquartett e-moll op.59/2 - „Si tratta questo pezzo con molto di sentimento“

  • Hallo, Beethovenquartettfreunde!


    Nun gibt es endlich zu jedem der Meisterwerke unseres Meisters einen thread! :jubel:


    Beethoven komponierte sein Streichquartett e-moll wie die anderen aus op. 59 in 1806; die Druckausgabe erschien 1808. Das Datum der Uraufführung ist nicht bekannt, denn wahrscheinlich gab es bereits vor der ersten öffentlichen Aufführung durch das Schuppanzigh-Quartett am 9.4.1807 eine private Aufführung im Wiener Palais des Widmungsträgers Graf Rasumowsky.


    Das Werk beginnt mit zwei markanten Akkorden (ähnlich wie die Es-dur-Symphonie; hier gehören sie allerdings bereits zum Thema), worauf sich ein recht zerklüfteter und kontrastreicher erster Satz (Allegro) entfaltet, der zwar nicht die Düsternis und Extreme des „Quartetto seioso“ aufweist, aber einen recht krassen Kontrast zum kantablen, harmonischen ersten Satz aus op. 59/1 darstellt. Der melodische Fluß wird immer wieder durch Zäsuren oder schroffe Akkorde unterbrochen, thematische Gestalten zerfallen in Motivsplitter. Ich persönlich konnte mich mit diesem Satz nie so ganz anfreunden, auch wenn mich der leidenschaftliche Gestus nicht unbeeindruckt läßt.


    Der zweite Satz (Molto adagio, E-dur) hingegen ist ein sehr innig-ruhender, fast zerbrechlicher Satz (von wenigen Zäsuren und der dramatischen Steigerung in der Durchführung abgesehen) mit choralhaftem Thema. Beethoven ist auf dieses angeblich beim Betrachten des Sternenhimmels gekommen. Die notierte Spielanweisung hierzu habe ich im Titel des Beitrags zitiert: Mit viel Gefühl ist dieser Satz also zu behandeln.


    Der dritte Satz (Allegretto) ist eines meiner Lieblings-Scherzi, hat ein schwungvoll-bizarres Synkopenthema. Im Trio fugiert Beethoven eine russische Volksweise, derer sich später auch Mussorgki (Boris Godunow) und Tschaikowsky (Mazeppa) bedienen werden.


    Das Finale (Presto) steht größtenteils in C-dur mit nur gelegentlichen Moll-Einschüben. Heiter und schwungvoll geht das Quartett zu ende.


    Für einen detaillierten Aufnahmenvergleich hatte ich leider noch keine Zeit (vielleicht macht das jemand anderes?), ich wollte den thread noch dieses Wochenende fertig- und ins Forum stellen.


    Ich hatte mir die Aufnahmen des Emerson Quartets (DGG), Guarneri Quartets (Brilliant) und Gewandhaus-Quartetts (NCA) aber die letzten Tage mal angehört, und die Emerson-Aufnahme begeistert mich nach wie vor am meisten. Die Emersons spielen am schnellsten und energischsten, der Funke springt über. Hier hatte ich dazu ja schon geschrieben.
    Das Gewandhaus-Quartett ist zumindest im Scherzo ebenso schwungvoll, ansonsten etwas zurückhaltender, aber auch sehr gut und gefühlvoll. Zudem spielen sie die von Beethoven so gewollte Wiederholung von Durchführung und Reprise im 1. Satz.
    Das Guarneri-Quartett steht eher für einen Beethoven der ruhigen Hand, klangschön und ausgewogen. Vor ein paar Jahren hätte ich nicht arg viel damit anfangen können, aber inzwischen höre ich solche Interpratationen immer lieber.


    Ich hätte da noch etwas zum diskutieren. Da es keinen übergeordneten thread zu op. 59 gibt, kann das ja hier geschehen. Im Reclam Kammermusikführer steht:


    Zitat

    Das zweite Quartett aus op. 59 verhält sich zum ersten insgesamt wie ein Gegenentwurf – die zyklische Idee der drei Werke beruht auch auf der Reihung These – Antithese – Synthese.


    Hat da jemand zuviel Hegel gelesen? Das mit der Antithese zum op. 59/1 sehe ich bezogen auf die jeweiligen Kopfsätze ein, aber das wars auch schon. Und wieso soll das C-dur-Quartett eine Synthese der anderen beiden sein?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius und alle Beethovenquartettfreunde überhaupt,


    lange Zeit kannte ich dieses Quartett nur in der Emerson-Aufnahme und hatte den Eindruck, dass der erste Satz eigentlich Musik ganz nach meinem Geschmack wäre, aber der Funke wollte noch nicht so recht überspringen. Bisher nur einmal habe ich es neulich in der Interpretation durch die Juilliards (GA 1964-70) gehört. Da fand ich den Satz weitaus überzeugender.
    Aber nun muss ich das Quartett noch einige Mal hören, um da was Substanzielles sagen zu können.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Hallo,


    nun, jetzt haben wir die Beethovenquartettsammlung zusammen.


    Wie Du, Pius, liebe auch ich den Eröffnungssatz nicht sehr, schätze ihn aber natürlich wegen seiner, wie in den Quartetten dieses Komponisten üblich, Raffinesse und Gewandtheit hoch.


    Bevor ich später vielleicht zu inhaltlichen Angelegenheiten etwas beisteuern kann (ich habe die 59-er längere Zeit zugunsten der Späten sehr vernachlässigt), möchte ich auf Folgendes kurz vorab hinweisen:


    Von op. 59 1/2/3 besitze ich z. Zt. zwei Aufnahmen des Melos Quartetts (Intercord und DG), sowie die des Guarneri Quartetts (Brilliant) und des Talich Quartetts. Alle Aufnahmen sind gut (wir sind bei den Einspielungen der Beethovenquartette ja wirklich verwöhnt; es gibt da fast nur gutes). Die Melos – Intercordaufnahme spricht mich von diesen vier Aufnahmen am wenigsten an; sie ist in Ordnung, aber ohne Besonderheiten. Die Guarneris spielen, wie ich finde, ziemlich fein und elegant; nicht mit schnellem, aber mit gestrafft wirkendem Tempo. Das Talich Quartett spielt um einiges flotter – das finde ich im Eröffnungssatz eine interessante Alternative. Aber warum, wenn sie doch so schnell sind, wiederholen die Musiker, ebenso wie die der vorhergenannten Aufnahmen, entgegen Beethovens Anweisungen lediglich die Durchführung, nicht aber die Reprise? Auch in diversen Konzerten habe ich das so erlebt.


    Lediglich das Melos Quartett in seiner DG-Einspielung lässt uns das Werk in voller Länge hören. Die DG-Aufnahme ist kräftig, lebendig und deutlich.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Pius
    Das Werk beginnt mit zwei markanten Akkorden (ähnlich wie die Es-dur-Symphonie; hier gehören sie allerdings bereits zum Thema), worauf sich ein recht zerklüfteter und kontrastreicher erster Satz (Allegro) entfaltet, der zwar nicht die Düsternis und Extreme des „Quartetto seioso“ aufweist, aber einen recht krassen Kontrast zum kantablen, harmonischen ersten Satz aus op. 59/1 darstellt. Der melodische Fluß wird immer wieder durch Zäsuren oder schroffe Akkorde unterbrochen, thematische Gestalten zerfallen in Motivsplitter. Ich persönlich konnte mich mit diesem Satz nie so ganz anfreunden, auch wenn mich der leidenschaftliche Gestus nicht unbeeindruckt läßt.


    Es ist gewiß ein recht schroffer, andererseits auch verästelter Satz, sehr dicht und kompromißlos. Ich mag ihn sehr!


    Zitat


    Der zweite Satz (Molto adagio, E-dur) hingegen ist ein sehr innig-ruhender, fast zerbrechlicher Satz (von wenigen Zäsuren und der dramatischen Steigerung in der Durchführung abgesehen) mit choralhaftem Thema. Beethoven ist auf dieses angeblich beim Betrachten des Sternenhimmels gekommen. Die notierte Speilanweisung hierzu habe ich im Titel des Beitrags zitiert: Mit viel Gefühl ist dieser Satz also zu behandeln.


    Ich sehe den Satz als einen etwas "weltlicheren" Vorläufer des "Heiligen Dankgesangs" in op.132. Kerman weist auf etliche weitere Parallelen des Werks mit op.95 und op.132 hin.
    (Man vgl. etwa auch den Kopfsatz mit den Finalsätzen dieser Werke)


    op. 59,2 & 3 waren mit die ersten Beethovenschen Kammermusikwerke, die ich mit etwa 17 Jahren kennenlernte. Von Anfang an zog ich das e-moll dem wohl beliebteren C-Dur vor.


    Zitat


    Der dritte Satz (Allegretto) ist eines meiner Lieblings-Scherzi, hat ein schwungvoll-bizarres Synkopenthema. Im Trio fugiert Beethoven eine russische Volksweise, derer sich später auch Mussorgki (Boris Godunow) und Tschaikowsky (Mazeppa) bedienen werden.


    Das Trio ist sehr interessant; ich kann gerade nicht nachschlagen, aber Kerman hat eine ganz witzige These hierzu. Er meint u.a. ironische Anteile in der schulmäßig kontrapunktischen Behandlung zu sehen, die die Melodie (die der Fürst angeblich Beethoven aufgedrückt hätte, da bin ich eher skeptisch) "in den Boden rammt". Ebenso könnte man vermuten, dass die Kontrapunktik mit leisem Spott bedacht wird. Es ist jedenfalls eine eigenartige und mitreißende Mischung aus Witz und Energie.


    Zitat


    Das Finale (Presto) steht größtenteils in C-dur mit nur gelegentlichen Moll-Einschüben. Heiter und schwungvoll geht das Quartett zu ende.


    Ob das so eine weitgehend ungebrochene Heiterkeit ist wie im Finale des C-Dur, wage ich zu bezweifeln. Die ständigen Dur-Moll-Wechsel und das außerordentlich schnelle Tempo zielen m.E. nicht nur auf eine gewisse exotische Wirkung, sondern auch auf eine "emotionale Instabilität"


    Zitat


    Ich hätte da noch etwas zum diskutieren. Da es keinen übergeordneten thread zu op. 59 gibt, kann das ja hier geschehen. Im Reclam Kammermusikführer steht:



    Hat da jemand zuviel Hegel gelesen? Das mit der Antithese zum op. 59/1 sehe ich bezogen auf die jeweiligen Kopfsätze ein, aber das wars auch schon. Und wieso soll das C-dur-Quartett eine Synthese der anderen beiden sein?


    Das verstehe ich auch nicht... Ich würde eher sagen, dass auch das 3.Quartett wieder ein ganz anderes Werk ist. Als einziges bringt es keine originale "russische Melodie", dafür russische Melancholie im 2. Satz, eine klassizistische Reminiszenz im Menuetto (dem einzigen langsamen Menuett in allen Beethovenquartetten!) und das Fugato-Finale weist ebenfalls in gewisser Weise zurück. Es erfüllt also cum grano salis die Tradition, mit einem etwas leichteren (und deutlich kürzeren) Werk zu schließen.


    Die Kopfsätze von 1 und 2 sind aber wirklich sehr antithetisch. Beethoven hebt das durch ein äußerliches Merkmal hervor, indem er die übliche Wdh. der Exposition im F-Dur wegläßt, im e-moll dagegen (wie sonst nur in den Kopfsätzen von op.18,5&6) noch einmal die Wdh. von Durchf. und Reprise fordert (es folgt noch eine Coda).
    Leider wird, wie bereits anderswo gesagt, diese Wdh. sehr selten beachtet. Von meinen ca. 7 Aufnahmen machen nur das Melos Q. (DG) und das Wiener Musikvereinsquartett diese Wdh. (Diese extrem rare CD habe ich z. Zt. im Tradecenter im Angebot, weil ich mir die Gesamtaufnahme des Ensembles (Platz/Denon Japan) gegönnt habe.)
    (Unverständlicherweise fehlt dafür beim Musikverein Q. die Expositionswdh. in op.130; ich bin nicht so obsessiv wie Khampan, aber das ärgert mich wirklich!)


    Ohne jetzt noch einmal anzuhören, muß ich u.a. wegen dieser Wdh. die beiden zu meinen Favoriten rechnen, zumal sie an Verve und Ausdruck (und schierer Geschwindigkeit im Finale) dem Emerson sicher gleichkommen. Aber auch dieses und natürlich Juilliard sind eine gute Wahl. Das Suske-Q. war mir dagegen hier deutlich zu lasch und zu langsam (wer ihr op.59,1-3 + 74 haben will -> PN))


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    Zitat

    Original von Pius
    Ich persönlich konnte mich mit diesem Satz nie so ganz anfreunden, auch wenn mich der leidenschaftliche Gestus nicht unbeeindruckt läßt.


    Diese Bewertung teile ich; irgendwie nimmt der Satz mich nicht so richtig mit, das mag unter anderem an der Wiederholung der Reprise liegen, die m.E. Längen erzeugt (das Gewandhausquartett, meine einzige Aufnahme, spielt sie). Für mich passt das irgendwie nicht zu diesem dramatischen Satz. Ich muss aber dazusagen, dass dieser einer der Sätze ist, wo ich mir vom GQ eine weniger nüchterne Herangehensweise wünschen würde.



    Zitat


    Der zweite Satz (Molto adagio, E-dur) hingegen ist ein sehr innig-ruhender, fast zerbrechlicher Satz (von wenigen Zäsuren und der dramatischen Steigerung in der Durchführung abgesehen) mit choralhaftem Thema. Beethoven ist auf dieses angeblich beim Betrachten des Sternenhimmels gekommen. Die notierte Speilanweisung hierzu habe ich im Titel des Beitrags zitiert: Mit viel Gefühl ist dieser Satz also zu behandeln.


    Dieser Satz ist mir einer der liebsten langsamen Sätze überhaupt, mehr will ich da auch gar nicht zu sagen. :)



    Zitat


    Der dritte Satz (Allegretto) ist eines meiner Lieblings-Scherzi, hat ein schwungvoll-bizarres Synkopenthema.


    Das ist eines dieser Themen, die bei mir eine ganz eigenartige Stimmung erzeugen. Ich denke, "bizarr" trifft es. Irgendwie würde der Rhythmus ein heiteres Thema implizieren, aber dieses ist eher melancholisch. Andere Beispiele, bei denen ich die gleiche Empfindung habe, sind diverse Menuette in Moll, z.B. das aus Haydns 95ter Symphonie.



    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ob das so eine weitgehend ungebrochene Heiterkeit ist wie im Finale des C-Dur, wage ich zu bezweifeln. Die ständigen Dur-Moll-Wechsel und das außerordentlich schnelle Tempo zielen m.E. nicht nur auf eine gewisse exotische Wirkung, sondern auch auf eine "emotionale Instabilität"


    Ich empfinde das Thema des Satzes als übermütig heiter, gerade im Kontrast zum Vorangegangenen. Da das Ende des Satzes diese Stimmung aufgreift, würde ich ihn trotz der dramatischen Anteile insgesamt auch so einordnen. Im Gesamtzusammenhang des Quartetts finde ich Deine These allerdings passend, da die verinnerlichte Stimmung des zweiten Satzes und der "wilde" erste Satz emotional so weit vom Finale entfernt sind.



    Gruß,
    Spradow.

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  • Hallo!


    Das mit dem Anecken am 1. Satz scheint also nicht nur mir so zu gehen, gut zu wissen.


    Uwe: Die Intercord-Aufnahmen des Melos-Quartetts sind die ganz alten, als das Ensemble relativ neu war und noch Stuttgart im Namen führte? Davon hatte ich mal die frühen und späten Quartette vom Billig-Label Concerto Royale. Hat mir aber nicht gefallen.


    @JR: Die Parallelen zwischen den langsamen Sätzen von op. 59/2 und op. 132 standen auch im Konzertführer, ich kann es teilweise nachvollziehen. Op. 95 empfinde ich als noch schroffer und v.a. knapper.


    Zitat

    Es erfüllt also cum grano salis die Tradition, mit einem etwas leichteren (und deutlich kürzeren) Werk zu schließen.


    Das sehe ich auch so - nix mit Synthese. Op. 59/2 ziehe ich op. 59/3 auch vor (sowie die meisten anderen Quartette ebenfalls).


    Spradow: Dein Argument mit den vielen Wiederholungen im 1. Satz kann ich nachvollziehen (hoffentlich liest Khampan das nicht), andererseits finde ich es auch wichtig, zumindest eine Aufname zu haben, in der sie gespielt werden.


    Den zweiten Satz magst Du noch lieber als den aus op. 132 ?
    Das Scherzo aus op. 131 finde ich noch bizarrer.


    Also, pure Heiterkeit verströmt das Finale nicht, vielleicht habe ich mich da falsch ausgedrückt. Aber die düsteren Klänge sind doch klar in der Unterzahl.
    Könnte man von einem "per aspera ad astra" sprechen - ich weiß nicht recht.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo,


    Zitat

    Pius schreibt: Die Intercord-Aufnahmen des Melos-Quartetts sind die ganz alten, als das Ensemble relativ neu war und noch Stuttgart im Namen führte?


    Ja, Pius, die Aufnahnmen sind von ca. 1970. Diese Aufnahmen sämtlicher Beethovenquartette gehören zu meinen ersten CD überhaupt. Die Aufnahmen sind sauber und korrekt, aber, wie ich mittlerweile feststellen konnte, fehlt es im Gegensatz zu vielen anderen Einspielungen etwas an Lebendigkeit und Kraft. Die etwas 15 Jahre spätere Einspielung der selben Quartettformation, die ich durch einen Vorschlag Johannes Roehls kennengelernt und erworben habe, ist da um einiges stärker, oder besser: richtig gut. In dem Fall war es eine gute Entscheidung des Melos Quartetts, den Zyklus noch einmal aufzunehmen.


    Zitat

    Johannes Roehl schreibt: Ich sehe den Satz als einen etwas "weltlicheren" Vorläufer des "Heiligen Dankgesangs" in op.132. Kerman weist auf etliche weitere Parallelen des Werks mit op.95 und op.132 hin.


    Das ist interessant, ich kann dies allerdings zur Zeit gar nicht nachvollziehen. Um welche Art von Parallelen handelt es sich da (besonders zu op. 132)? Die Aussage, dass es sich um einen weltlicheren Vorläufer handelt, kann ich dagegen gut nachvollziehen.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Pius
    Den zweiten Satz magst Du noch lieber als den aus op. 132 ?


    Hmmm, was für eine Frage. Vielleicht würde ich den Dankgesang vorziehen, aber eigentlich verspüre ich kein großes Bedürfnis, da Rangfolgen aufzustellen....


    Zitat


    Das Scherzo aus op. 131 finde ich noch bizarrer.


    Ja, ich auch, aber es erzeugt doch eine andere Stimmung. Ich habe hier Moll-Menuette als Vergleich gewählt, aber das trifft es zugegebenermaßen auch noch nicht ganz, schwer, das in Worten auszudrücken.
    Bei op. 131 meine ich, einen gewissen sorglosen Übermut zu hören, durch die fünffache Tonwiederholung am Ende des Themas schon ins Stumpfsinnige abgleitend. Ein ironischer Blickwinkel von Beethoven, nehme ich an.



    Gruß,
    Spradow.

  • Den schroffen ersten Satz mag ich sehr, vor allem ist in ihm die thematische Arbeit in der Durchführung durch die charakteristischen Themen gut nachvollziehbar und erkennbar für mich.


    Der 2 Satz gehört wie der 3. von Op.106 zu meinen Lieblingssätzen.
    Mit dem Dankgesang aus Op. 132 hätte ich ihn nie verglichen, denn der ist völlig singulär meiner Meinung nach und viel klarer, eigentlich einfacher gegliedert.


    Der 3. Satz hat eine entzückende, rhythmisch interessante Melodie, eine von denen, die ich unter "Originelle Stücke" gespeichert habe.
    Ich kenne keinen Komponisten, dem wie Beethoven so viele originelle Themen eingefallen sind. Dazu gehört auch der 3. Satz von Op. 74 - einmalig!


    Diesem Satz folgend wirkt die Thematik des 4. Satzes wieder viel einfacher gestrickt. Allerdings ist die Behandlung der Themen wie im 1. Satz wieder voller Einfälle und Modulationen in Dur und Moll.


    Ich kann nicht sagen, welches der 3 Quartette ich bevorzuge.
    Überhaupt ist jede Klaviersonate, jedes Quartett usw. singulär, immer ganz anders. Mein Staunen darüber hat trotz der Vertrautheit nicht nachgelassen.


    Gruß aus Bonn :hello: :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Ihr erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Jetzt hab ich nach mehrmaligem Hören der mittleren Quartette (die ich noch nicht lange kenne) mir die Werke endlich mal so langsam erschlossen (bin mit Quartetten wie schon anderswo erwähnt nicht allzu vertraut und mir fällt der Zugang oft immer noch schwer im Vergleich zu beispielsweise Sinfonien oder Konzerten), und siehe da: der Satz, der mir bisher von allen 5 Quartetten am meisten zusagt und dessen Motiv mir Tag für Tag im Kopf rumschwirren, sagt euch am wenigsten zu.
    Mich beindruckt vor allem die kraftvolle Fortepassage mit ihrer fesselnden Harmonik in der Exposition, und das danach folgende Seitenthema, wenn es nach G-Dur kehrt. Magisch!
    Deswegen kommt es mir auch gerade Recht, dass die Exposition wiederholt wird...
    Noch total unbewegt lässt mich dagegen z.B. der 1. Satz aus dem 59/1 Quartett - das Hauptthema empfinde ich zurzeit noch als vollkommen uninspiriert, aber ich hoffe, dass sich das noch ändert.


    Ich hab übrigens auch die Aufnahme mit dem Emerson String Quartet.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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  • Also ich möchte doch mal fürs Protokoll festhalten, daß ich mich niemals negativ über den Kopfsatz geäußert habe :D
    Die Emersons lassen leider die Wdh. von Durchf. & Reprise weg, wie fast alle :evil:


    Das Seitenthema des Satzes erinnert mich immer ein wenig an das aus dem Finale von op.132.


    Es stimmt, das adagio ist hier ein Sonatensatz, während der Dankgesang eine ABA'B'A''-Variationenform hat. Aber auch im op.59,2 hat man ein "Choralthema" und durch die Triolen kommt ein lebhafterer Kontrast hinzu usw. Ich finde die Stimmung nicht unähnlich, wenn auch natürlich nichts so jenseitig wie der Dankgesang.


    Die anderen Gemeinsamkeiten, auf die Kerman abhebt, sind allgemeinerer Art und auch sicher nicht unumstritten. Ich weiß die Details nicht mehr und habe gerade auch keine Energie, sie nachzuschauen.


    Und hör Dir mal op. 132 an. Du wärst nicht der erste, der es zugänglicher fände als die Rasumovskys. op. 59,1 ist für mich die "Eroica der Streichquartette", eine der Pointen ist gerade das stellenweise sehr schlichte Material (in den ersten beiden Sätzen), das aber zu gigantischen Entwicklungen führt.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Nachdem ich hier über den ersten Satz gelesen hatte, er sei "zerklüftet" und "kontrastreich" war ich mir schon fast sicher, dass er mir nicht besonders zusagen würde. So kann man sich täuschen, ich mag erstaunlicherweise gerade diesen Satz sehr. Wenn ich seinen Charakter mit einem Wort beschreiben sollte, so würde ich ihn als äußerst spannend bezeichnen. Mir ist nicht eine Sekunde langweilig in den 14:22 Minuten, die das Gewandhaus-Quartett für dieses Allegro braucht. Der Partitur folgend wiederholt dieses Ensemble nicht nur die Exposition, sondern auch Durchführung und Reprise, im Gegensatz zum Alban-Berg-Quartett und den meisten anderen.


    Indorf geht in seinem Handbuch auf diesen Punkt ausführlich ein. Er betont die Wichtigkeit der Wiederholung auch von Durchführung und Reprise, da sonst die Symmetrie des Satzes empfindlich gestört sei. Werden sämtliche Wiederholungen gespielt, haben nicht nur Exposition und Reprise genau die gleiche Länge, auch die Proportionen zwischen Kopfsatz und langsamen Satz sind, laut Indorf, so deutlich stimmiger (S. 272).


    Am meisten berührt mich an diesem Satz die Passage kurz nach dem Ende der Reprise, in der Coda also. Ab Takt 218 (Gewandhaus-Quartett ab 13:10) wird es plötzlich sehr leise und verhalten, geradezu zart; man beginnt womöglich schon, mit einem versöhnlichen Ausklang des Satzes zu rechnen. Doch sehr schnell gibt es auch hier wieder einen Wechsel ins Fortissimo und die Atmosphäre ist erneut vollständig verändert (ab Takt 235). Sehr beeindruckend.


    Auch der zweite Satz, das Adagio, gefällt mir außerordentlich gut. Dieses feierlich-choralartige ist ganz nach meinem Herzen, zumal durch den immer wieder auftauchenden punktierten Rhythmus auch Abwechselung und Kontrast in die Sache kommt. Ob Beethoven bei der Komposition nun tatsächlich an die "Harmonie der Spähren" dachte und den "gestirnten Himmel betrachtete", als ihm dieser Satz einfiel, wie es die Anekdote will, mag dahingestellt sein. Passen würde es schon. Indorf gibt den Hinweis, dass Beethoven das "B-A-C-H"- Thema in den Satz eingebaut hat, besonders gut zu hören und sogar vom Cello in Originalhöhe gespielt in Takt 63 f (Gewandhaus-Quartett ab 15.:09).


    Beim dritten Satz lässt meine Begeisterung dann schon deutlich nach. Der ersten Teil, das Minore, gefällt mir mit seinem hüpfenden (Indorf schreibt "hinkenden") Thema noch durchaus gut. Aber dann, das "Maggiore" mit seinem russischen, demonstrativ rustikalem Thema. Ähnlich wie Kerman sieht auch Indorf in der ostentativen und "provozierend schlichten" Fuge, die aus diesem Thema entwickelt wird, eine "bizarre Laune" Beethovens, die parodistische Züge trage. Nun denn...


    Gänzlich unsympathisch ist mir der letzte, der vierte Satz. Das Problem ist das Hauptthema, das mir überhaupt nicht zusagt. Dass dieses Hauptthema dann im ganzen elfmal fast unverändert wiederholt wird, macht die Sache aus meiner Sicht nicht unbedingt besser. Indorf spricht wegen dieser häufigen Wiederholung hier von einem "Sonatenrondo", also einem Zwitter zwischen Rondo und Sonatensatz (es gibt ein schönes Seitenthema und Elemente einer Durchführung).


    Fazit: Wie bereits bei manchen anderen Streichquartetten Beethovens gefallen mir auch hier die ersten beiden Sätze sehr gut, von da an geht´s bergab...


    Mit Gruß von Carola