Hallo, Beethovenquartettfreunde!
Nun gibt es endlich zu jedem der Meisterwerke unseres Meisters einen thread!
Beethoven komponierte sein Streichquartett e-moll wie die anderen aus op. 59 in 1806; die Druckausgabe erschien 1808. Das Datum der Uraufführung ist nicht bekannt, denn wahrscheinlich gab es bereits vor der ersten öffentlichen Aufführung durch das Schuppanzigh-Quartett am 9.4.1807 eine private Aufführung im Wiener Palais des Widmungsträgers Graf Rasumowsky.
Das Werk beginnt mit zwei markanten Akkorden (ähnlich wie die Es-dur-Symphonie; hier gehören sie allerdings bereits zum Thema), worauf sich ein recht zerklüfteter und kontrastreicher erster Satz (Allegro) entfaltet, der zwar nicht die Düsternis und Extreme des „Quartetto seioso“ aufweist, aber einen recht krassen Kontrast zum kantablen, harmonischen ersten Satz aus op. 59/1 darstellt. Der melodische Fluß wird immer wieder durch Zäsuren oder schroffe Akkorde unterbrochen, thematische Gestalten zerfallen in Motivsplitter. Ich persönlich konnte mich mit diesem Satz nie so ganz anfreunden, auch wenn mich der leidenschaftliche Gestus nicht unbeeindruckt läßt.
Der zweite Satz (Molto adagio, E-dur) hingegen ist ein sehr innig-ruhender, fast zerbrechlicher Satz (von wenigen Zäsuren und der dramatischen Steigerung in der Durchführung abgesehen) mit choralhaftem Thema. Beethoven ist auf dieses angeblich beim Betrachten des Sternenhimmels gekommen. Die notierte Spielanweisung hierzu habe ich im Titel des Beitrags zitiert: Mit viel Gefühl ist dieser Satz also zu behandeln.
Der dritte Satz (Allegretto) ist eines meiner Lieblings-Scherzi, hat ein schwungvoll-bizarres Synkopenthema. Im Trio fugiert Beethoven eine russische Volksweise, derer sich später auch Mussorgki (Boris Godunow) und Tschaikowsky (Mazeppa) bedienen werden.
Das Finale (Presto) steht größtenteils in C-dur mit nur gelegentlichen Moll-Einschüben. Heiter und schwungvoll geht das Quartett zu ende.
Für einen detaillierten Aufnahmenvergleich hatte ich leider noch keine Zeit (vielleicht macht das jemand anderes?), ich wollte den thread noch dieses Wochenende fertig- und ins Forum stellen.
Ich hatte mir die Aufnahmen des Emerson Quartets (DGG), Guarneri Quartets (Brilliant) und Gewandhaus-Quartetts (NCA) aber die letzten Tage mal angehört, und die Emerson-Aufnahme begeistert mich nach wie vor am meisten. Die Emersons spielen am schnellsten und energischsten, der Funke springt über. Hier hatte ich dazu ja schon geschrieben.
Das Gewandhaus-Quartett ist zumindest im Scherzo ebenso schwungvoll, ansonsten etwas zurückhaltender, aber auch sehr gut und gefühlvoll. Zudem spielen sie die von Beethoven so gewollte Wiederholung von Durchführung und Reprise im 1. Satz.
Das Guarneri-Quartett steht eher für einen Beethoven der ruhigen Hand, klangschön und ausgewogen. Vor ein paar Jahren hätte ich nicht arg viel damit anfangen können, aber inzwischen höre ich solche Interpratationen immer lieber.
Ich hätte da noch etwas zum diskutieren. Da es keinen übergeordneten thread zu op. 59 gibt, kann das ja hier geschehen. Im Reclam Kammermusikführer steht:
ZitatDas zweite Quartett aus op. 59 verhält sich zum ersten insgesamt wie ein Gegenentwurf – die zyklische Idee der drei Werke beruht auch auf der Reihung These – Antithese – Synthese.
Hat da jemand zuviel Hegel gelesen? Das mit der Antithese zum op. 59/1 sehe ich bezogen auf die jeweiligen Kopfsätze ein, aber das wars auch schon. Und wieso soll das C-dur-Quartett eine Synthese der anderen beiden sein?
Viele Grüße,
Pius.