salute.
ich weiß, dass es schon einen thread über bernstein, einen über karajan gibt. ich war mir auch nicht sicher, ob mein thema im experten-klassik-fragen-unterforum besser aufgehoben wäre. aber ich poste es versuchsweise erstmal hier; ansonsten kann es ja von einem der moderatoren verschoben werden.
jedenfalls habe ich mehrmals aufgeschnappt, dass karajan und berstein soetwas wie "konkurrenten" gewesen seien sollen, also konkurrenten nicht in dem sinne, dass sie beide berühmte werke interpretierten, die auf dem schallplatten-markt konkurrierten, sondern vielmehr ganz entgegengesetzte musikalische ansätze hatten, sozusagen zwei diametral entgegengesetzte pole waren - und ich meine, in dem forum auch schon das eine oder andere zu diesem thema gelesen zu haben.
...bisher konnte ich mir das nicht erklären, bzw: ich kann es mir auch jetzt nur schwer erklären und versuchte, mir etwas zusammenzureimen, das in die richtung karajan gleich "elitär", bernstein gleich "populär" geht, oder es heißt ja immer, karajan wäre so ein großer fan der technik und neuer errungeschaften et cetera gewesen wohingegen ich in einem buch von bernstein einmal gelesen habe:
Zitat(...) gelegentlich kommt es mir in den sinn, dass an irgendeinem fernen tag musik, die völlig von der tonalität losgelöst ist, denkbar wäre. ich kann in meinem kopf solche musik nicht hören. (...) ich kann nicht umhin, zwischen dem tod der tonalität und dem gleichfalls ausposaunten gottesuntergang eine parallele zu ziehen. ist es nicht merkwürdig, dass nietzsche jene botschaft gerade 1883 verkündete, im selben jahr, in dem wagner starb, der, wie man annimmt, die tonalität mit ins grab nahm? lieber leser, ich möchte ihnen schlicht vorschlagen, an keinen der beiden tode zu glauben (...)
(zitiert aus: bernstein, von der unendlichen vielfalt der musik, 1967)
...natürlich müsste man auch hier fragwürdige zusammenhänge an den haaren herbeiziehen, etwa was das verhältnis von technischer errungenschaft und gottesglauben, "völlig von der tonalität losgelöster" musik betrifft. [ich dachte immer, "atonal" wäre "völlig von der tonalität losgelöst"? und atonale musik gab es doch schon, bevor bersteins buch 1967 herauskam oder??]
nunja: jedenfalls las ich vorhin in der "jungle world" (die einzige "linke zeitung", die man lesen kann, ohne krämpfe zu bekommen und das nur deswegen, weil sie kilometerweit von dem entfernt, was heutzutage so als "links" gilt) einen artikel über leonard berstein, und ... nunja, ich zitiere:
ZitatAlles anzeigen
Der Anti-Karajan
Leonard Bernstein hat sich nie um die Demarkationslinie zwischen E und U gekümmert. Eine Reihe neuer CDs erinnert an sein Schaffen als Dirigent.
(...)
Mit seinen »Omnibus«-Fernsehkonzerten (1954 bis 1958 ) und den »Young People’s Concerts« (ab 1958 ) hat er schließlich Öffentlichkeit ebenso definiert wie einen Begriff von populärer Ästhetik, fundiert in einem sozialistischen Humanismus. Die Sympathien für die kommunistische Bewegung teilte Bernstein indes mit anderen Komponisten
(...)
Seine Arbeit mit den Wiener Philharmonikern wirkt nach; gegen die bodenständige Echtheit, gegen den Historismus des Originals, wie sie im Einfluss Karajans propagiert wurde, setzt Bernstein eine Authentizität, mit der Geschichte von der Gegenwart aus entschlüsselt wird. So legt er das Unabgegoltene einer Vergangenheit frei, die hinter dem Traditionalismus und der Ideologie der Werktreue verborgen war.
(...)
http://www.jungle-world.com/seiten/2004/37/3921.php
jedenfalls bin ich jetzt völlig verwirrt: vorallem wegen der textstellen, die ich fett-markiert habe und die ... mich irgendwie überrascht haben, oder verwundert haben oder von denen ich dachte: häh? karajan und "historismus des orignals"? bernstein und "sozialistischer humanismus", überhaupt: "anti-karajan"???
nunja: fragen über fragen und vielleicht will einer von euch mal bissi was dazu sagen