Karajan vs. Bernstein - Kampf der Giganten ?

  • salute.
    ich weiß, dass es schon einen thread über bernstein, einen über karajan gibt. ich war mir auch nicht sicher, ob mein thema im experten-klassik-fragen-unterforum besser aufgehoben wäre. aber ich poste es versuchsweise erstmal hier; ansonsten kann es ja von einem der moderatoren verschoben werden.


    jedenfalls habe ich mehrmals aufgeschnappt, dass karajan und berstein soetwas wie "konkurrenten" gewesen seien sollen, also konkurrenten nicht in dem sinne, dass sie beide berühmte werke interpretierten, die auf dem schallplatten-markt konkurrierten, sondern vielmehr ganz entgegengesetzte musikalische ansätze hatten, sozusagen zwei diametral entgegengesetzte pole waren - und ich meine, in dem forum auch schon das eine oder andere zu diesem thema gelesen zu haben.


    ...bisher konnte ich mir das nicht erklären, bzw: ich kann es mir auch jetzt nur schwer erklären und versuchte, mir etwas zusammenzureimen, das in die richtung karajan gleich "elitär", bernstein gleich "populär" geht, oder es heißt ja immer, karajan wäre so ein großer fan der technik und neuer errungeschaften et cetera gewesen wohingegen ich in einem buch von bernstein einmal gelesen habe:


    Zitat

    (...) gelegentlich kommt es mir in den sinn, dass an irgendeinem fernen tag musik, die völlig von der tonalität losgelöst ist, denkbar wäre. ich kann in meinem kopf solche musik nicht hören. (...) ich kann nicht umhin, zwischen dem tod der tonalität und dem gleichfalls ausposaunten gottesuntergang eine parallele zu ziehen. ist es nicht merkwürdig, dass nietzsche jene botschaft gerade 1883 verkündete, im selben jahr, in dem wagner starb, der, wie man annimmt, die tonalität mit ins grab nahm? lieber leser, ich möchte ihnen schlicht vorschlagen, an keinen der beiden tode zu glauben (...)


    (zitiert aus: bernstein, von der unendlichen vielfalt der musik, 1967)


    ...natürlich müsste man auch hier fragwürdige zusammenhänge an den haaren herbeiziehen, etwa was das verhältnis von technischer errungenschaft und gottesglauben, "völlig von der tonalität losgelöster" musik betrifft. [ich dachte immer, "atonal" wäre "völlig von der tonalität losgelöst"? und atonale musik gab es doch schon, bevor bersteins buch 1967 herauskam ?( oder??]


    nunja: jedenfalls las ich vorhin in der "jungle world" (die einzige "linke zeitung", die man lesen kann, ohne krämpfe zu bekommen und das nur deswegen, weil sie kilometerweit von dem entfernt, was heutzutage so als "links" gilt) einen artikel über leonard berstein, und ... nunja, ich zitiere:



    jedenfalls bin ich jetzt völlig verwirrt: vorallem wegen der textstellen, die ich fett-markiert habe und die ... mich irgendwie überrascht haben, oder verwundert haben oder von denen ich dachte: häh? karajan und "historismus des orignals"? bernstein und "sozialistischer humanismus", überhaupt: "anti-karajan"???


    nunja: fragen über fragen und vielleicht will einer von euch mal bissi was dazu sagen ;)

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Original von Marc
    ...
    nunja: jedenfalls las ich vorhin in der "jungle world" (die einzige "linke zeitung", die man lesen kann, ohne krämpfe zu bekommen und das nur deswegen, weil sie kilometerweit von dem entfernt, was heutzutage so als "links" gilt) einen artikel über leonard bernstein, und ...


    Grundätzlich: echte und vermeintliche Rivalitäten gab es immer, und sie werden auch gerne von der Presse zusätzlich hochgespielt, weil das Publikum sich brennend dafür zu interessieren scheint.


    Die Rivalität zwischen Bernstein und Karajan ist in meiner Wahrnehmung etwa so authentisch wie seinerzeit die zwischen Callas und Tebaldi: es ist was dran, weil beide sehr unterschiedliche Ansätze der Musikausübung repräsentierten, die sich zwangsläufig in der gegenseitigen Wertschätzung bzw. blinden Stellen darin ausdrückten, sie wurde aber auch maßlos übertrieben.


    Immerhin glaube ich dem Bekannten, der sehr viel Fernsehen mit Bernstein produziert hat und mir sagte, dass Karajan niemanden mehr für eine eigene Aufnahme verpflichten wollte, der mit Bernstein zusammen gearbeitet hatte. Wenn ich richtig erinnere, war Gundula Janowitz ein Opfer dieser Eifersucht. Diese war aber keineswegs auf Bernstein begrenzt.


    Was auch immer daran stimmen mag, die inhaltlichen und theoretischen Überlegungen, die Du zitierst, dürften dabei kaum eine so gewichtige Rolle gespielt haben wie der Wettbewerb um die Position der Nummer 1 unter den Dirigenten, soweit es die öffentliche Meinung und vor allem die Absatzzahlen betraf. Gerade wegen der Letztgenannten wurden solche Anekdötchen auch gerne von den Medienvertretern und Plattenfirmen der beiden lanciert, denn sie hielten ihre Protagonisten auch bei den Teilen der Allgemeinheit im Gespräch, die sich sonst nicht für klassische Musik interessierten. Beim Kauf des nächsten Geschenks zahlte sich das oft aus.


    Was einzig zählt, und heute, wo beide nicht mehr unter uns sind, sowieso, sind ihre hinterlassenen Aufnahmen, und da haben sicher beide ihre Meriten, auch wenn Bernstein "moderner" bleiben dürfte als HvK, was aber nichts mit dessen angeblichem Historismus zu tun hat, was immer man darunter verstehen mag. Originalklangfetischist war er jedenfalls nicht - eher konservativ in der Gegenrichtung und viel konsequenter als Bernstein dem Schönklang verpflichtet, zuweilen auch gegen den Duktus der Musik, wie Strawinsky einmal bissig illustrierte, als er Karajans Aufnahme seines SACRE DU PRINTEMPS mit der Darstellung eines tanzenden Zirkuselefanten verglich.


    Was die Lesbarkeit der mir unbekannten "jungle world" betrifft, kann und will ich nichts dazu sagen, weil sie mir nichts sagt, aber wenn aus Deinem Zitat auf die Qualität der Zeitschrift geschlossen werden soll, so scheint mir mindestens im Musikbereich nomen omen zu sein. Wirrer geht es kaum.


    Zu den Fakten: Bernsteins angebliche Sympathie für den Kommunismus erstreckte sich auf kaum mehr als einen Flirt mit der Ideologie und Treffen mit ihren aktuellen Repräsentanten, zu denen sogar die Black Panther gehörten. Bezeichnenderweise begann dies zu der Zeit als die Hexenjagd McCarthys am erfolgreichsten war und mehrere seiner Freunde, die zum Umfeld der "Hollywood Ten" gehörten, ins Gefängnis mussten, und endete mit dem Vietnahmkrieg, der bekanntlich auch unter intelligenten Menschen zu sehr extremen Solidaritätsbekundungen führte. Die Öffentlichkeitswirkung dieser Solidaritätsbekundungen war enorm, aber letztlich genau so unreflektiert wie Bernsteins angeblicher Kommunismus, für den es, ebenso wie übrigens für den Chaplins, keine ernsthaften Belege außer vagen Sympathiekundgebungen gibt, die mehr gegen die eigene Regierung der Eisenhower-Zeit (und später LBJs) ging (und das völlig zu Recht), als ein Verständnis für oder auch nur gesteigertes Interesse daran signalisiert, wofür der Kommunismus in der Praxis stand.


    Ideologie und Musikkritik waren aber schon immer eine höchst unbekömmliche Kombination, und unsinnige Äußerungen sind weder für rechts noch für linbks exklusiv reserviert.


    :hello: Rideamus

  • Hallo!


    Einige heutige Beiträge zeigen mir, daß dieses Thema noch nicht ganz ausdiskutiert ist. Dies wäre der richtige thread für SACHLICHE (!!!) Diskussionen zur Karajan-Bernstein-Rivalität.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Rideamus,

    Zitat

    Bernsteins angebliche Sympathie für den Kommunismus erstreckte sich auf kaum mehr als einen Flirt mit der Ideologie und Treffen mit ihren aktuellen Repräsentanten, zu denen sogar die Black Panther gehörten.


    Konkret war Bernstein ein typischer Vertreter einer Schicht linker Intellektueller, die mit Leidenschaft diskutierten und sich mit Ideologien zahlreicher Orientierungen auseinandersetzten. Bernstein war Pazifist und engagierte sich gegen alle Kräfte, der er als aggressiv empfand, wobei er seine Mitstreiter mitunter nicht so genau aussuchte.
    Obwohl Bernstein nie wirklich Kommunist war, hatte er keine Berührungsängste und förderte auch Komponisten, die sich zum Kommunismus bekannten, etwa Marc Blitzstein.
    :hello:

    ...

  • Ich glaube, daß heute bewiesen wurde welch interessante Threads ungelesen in Taminos Archiven schlummern - auch solche die Bernstein betreffen......


    Man kann nun auf verschiedene Art versuchen sich dem Thema zu nähern, der mir fernstehendste (aber immerhin mögliche) wäre zu argumentieren, welcher Dirigent der "Bessere" gewesen sei.......


    Ich hingegen würde lieber versuchen die Unterschiede herauszuarbeiten.


    Karajan war ein kluge Analytiker, der jedes Detail im voraus plante und klangwirksam realisierte. Dabei verlor er auch nicht den Überblick über den großen Bogen. Eine Eigenheit Karajans war, jegliche Komposition zu "karajanisieren", ihr jenen Feinschliff zu verleihen, welche eine Karajan-Interpretation nun mal ausmacht. Dies wurde einst bejubelt, wird aber in unserer Zeit zunehmend kritisch gesehen.Ich würde sagen, daß ich diese Lesart durchaus schätze, beispielsweise bei Beethoven, wenngleich es Werke gibt, welche sich diesem Stil entzogen, wenn nicht gar widersetzten.
    (Berlioz, Strawinsky, Shostakowitsch, Mahler)


    Bernstein war spontaner, unbekümmerter, mitunter aber auch (zu ?) gefühlsbetont. Ich würde sagen, er war des öfteren ausser Kontrolle.
    Wenn ich Bernstein schätze, dann wegen seiner für CBS gemachten Aufnahmen - sie waren - hier gibt es eine Parallelle zu Karajan - ungleich beeindruckender, als seine Reprisen für DGG.


    Ob Bernstein Kommunist war oder nicht - er wird implizit dem linken, Karajan dem konservativen politischen Lager zugeordnet. - und ich fürchte, da wird schon a priori ein "musikalisches Urteil" gefällt, bevor noch der erste Ton erklungen ist....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ....wobei mir Bernsteins Flirt mit dem Kommunismus entschieden sympathischer ist als Karajans Schulterschluss mit dem Nationalsozialismus. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich Lennie auch als Dirigent vorziehe.
    lg Severina :hello:

  • Liebe Severina,


    jetzt bin ich aber froh, dass wir endlich einmal einer Meinung sind.


    Leider muss ich auch hier wieder gestehen, dass ich Lenny niemals live erlebt habe.


    LG :hello:


    Emotione

  • Liebe Severina,
    Liebe Emotione,
    in diesem Punkt sind wir wohl einig.
    Ich habe übrigens beide Dirigenten live erlebt - und ich kann nur meinen ganz subjektiven Eindruck wiedergeben: Wenn sie das Podium betraten, war bei beiden die Ausstrahlung sehr groß. Im Verlauf des Konzerts wurde dann Karajan für mich immer kleiner und Bernstein immer noch größer.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von severina
    ....wobei mir Bernsteins Flirt mit dem Kommunismus entschieden sympathischer ist als Karajans Schulterschluss mit dem Nationalsozialismus.


    Da wird es Wenige geben, die nicht mit Dir darin einig sind. Ich gebe aber zu bedenken, dass man es sich manchmal etwas leicht macht mit der Verurteilung einer Handlung, die einem vom Zufall der Geschichte in den Lebensweg geworfen wurde, aber erst im Nachhinein in ihrer ganzen abgründigen Dummheit entlarvt wird. Das soll keine Entschuldigung sein, nur ein Hinweis auf die vielen Unbekannten, die heilfroh sein können, dass ihnen nie eine derartige Entscheidung abverlangt wurde.


    EDIT zur Klarstellung: wie Edwin weiter unten richtig ausführt, war Karajan kein in der Wolle gefärbter Nazi, sondern ein mehr oder weniger eifriger Mitläufer, der sicher auch seine guten Seiten hatte und Taten getan hat. Bernstein war auch kein überzeugter Kommunist, sondern ein Sympathisant der zuweilen auch radikalen Linken zu einer Zeit, als dies nicht nur unschick, sondern gefährlich war. Sein Werk reflektiert das. Auch und gerade der CANDIDE, vor allem in der nie aufgeführten Urfassung, welche die Kommunistenjagd McCarthys, die den Impuls zu diesem Werk gab, expliziter ansprach als die aus Vorsicht gekürzte Premierenversion. Da sehe ich einen erheblichen Unterschied, den man auch moralisch bewerten darf, sogar muss.

    Was also in der Tat gegen Karajan spricht, ist sein rückhaltloser Opportunismus, den er erst ablegte, als er ihn nicht mehr nötig hatte, während Bernstein bis zuletzt zur Unabhängigkeit seines Denkens stand, auch wenn er dabei nicht immer klug beraten war.


    Ich finde, das merkt man auch an Bernsteins Art, Musik zu machen, und deshalb ziehe auch ich ihn vor, obwohl mir manche Karajan-Aufnahmen nach wie vor lieb und wert sind. Die aber werden weniger, weil zunehmend von anderen übertroffen, während mindestens viele Einspielungen Bernsteins mit und wegen ihrer Eigenheiten bestehen bleiben, auch wenn man nicht immer mit seinen Entscheidungen einverstanden ist.


    :hello: Rideamus

  • Ich kann jetzt auch nur ganz subjektiv mein "Bauchgefühl" beschreiben, schon einmal deshalb, weil ich viel zu wenig vom "Dirigiertechnischen" verstehe, um mir eine Kritik erlauben zu dürfen:
    Karajan: eine "akademische Weihestunde", die mich immer seltsam unberührt gelassen hat
    Bernstein: ungebändigte Freude am Musizieren, die unweigerlich auf das Publikum übersprang und einem, ich sag's jetzt kitschig, das Herz erwärmte. Bei ihm war nichts Pose, nichts Berechnung, alles war spontane, unmittelbare Empfindung. Zumindest wirkte es auf mich so.
    Außerdem war Bernstein auch als Mensch eine Kategorie für sich, denn in meinen vielen Salzburger Jahren war er der einzige, der ein Herz für Musikenthusiasten mit schmalem Geldbeutel hatte, die sich keine regulären Karten leisten konnten, sondern auf öffentliche GPs angewiesen waren, um die Großen der Musikwelt live erleben zu dürfen. (Ich war in meinen ersten Jahren Studentin, und schon die 20 Euro für einen Stehplatz im Kleinen Festspielhaus waren damals viel Geld für mich) Lennie kam, strahlte uns Häuflein Unverdrossener am Bühnentürl an, zählte uns durch, und spätestens nach 10 Minuten hatte jeder einen Einlassschein für die GP in der Hand. Das werde ich ihm nie vergessen.
    Karajan hat mE nach nie eine öffentliche GP gemacht, weil er an der plebs misera, die sich die horrenden Eintrittspreise nicht leisten konnten, sowieso völlig desinteressiert war.
    lg Severina :hello:

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  • Zitat

    Original von Rideamus
    Was aber in der Tat gegen Karajan spricht, ist sein rückhaltloser Opportunismus, den er erst ablegte, als er ihn nicht mehr nötig hatte, während Bernstein bis zuletzt zur Unabhängigkeit seines Denkens stand, auch wenn er dabei nicht immer klug beraten war.


    Man könnte sogar die Frage stellen ob Karajans dirigieren auch opportunistisch ist. Damit meine ich, daß er Musik oft soo brachte, daß es die Masse der Menschen gefiel. Ich suche ein Wort, und das einzige, daß ich jetzt finde, ist "ölig".


    LG, Paul

  • Zitat

    Zitat Rideamus
    Was aber in der Tat gegen Karajan spricht, ist sein rückhaltloser Opportunismus,


    Genau diesem Opportunismus entsprang(en) ja auch Karajans NSDAP-Beitritt(e) (wieviele es waren, ist in der Literatur umstritten, die karajan-hörige will von einem etwas wissen, der mir immer noch vertrauenerweckendere Prieberg weist zwei nach). Denn eines ist klar: Karajan war weder ein glühender Nazi noch ein begeisterter Antisemit. Er merkte, daß die bedeutenderen Kollegen, gegen die er rein musikalisch wenig auszurichten gehabt hätte, flüchten mußten oder ins Abseits gestellt waren und ergriff die Gunst der Stunde, um sich den Starverbrechern der Geschichte anzudienen und auf diese Weise Karriere zu machen.
    Bernsteins Flirt mit dem Kommunismus hingegen war zur herrschenden Mehrheitsmeinung in den USA in Opposition. Bernstein stand immer auf der Seite der Erniedrigten und Rechtlosen, während sich Karajan als Aristokrat verstand, zu dem die Menschen aufzusehen hatten.
    Man muß wahrlich kein Linker sein, um Bernstein sympathischer zu finden...


    ***


    Zitat

    Zitat Paul
    "ölig".


    Welch treffende Wortwahl!!!


    :hello:

    ...

  • In Szene setzen vermochten sich beide, eben nicht nur der alternde Karajan - dem wird das ja meistens vorgeworfen.
    Die späten Bernstein-Videos wollen mir genauso narzißstisch und voll Selbstinszenierung erscheinen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von musicophil
    Man könnte sogar die Frage stellen ob Karajans dirigieren auch opportunistisch ist. Damit meine ich, daß er Musik oft soo brachte, daß es die Masse der Menschen gefiel. Ich suche ein Wort, und das einzige, daß ich jetzt finde, ist "ölig".


    Natürlich kann man diese Frage stellen. Aber sie erstaunt mich schon ein wenig, denn du solltest wissen, dass man auf diese Weise nie etwas von Bedeutung vollbringen kann. Karajan hat einen neuen Stil geprägt, der von vielen begeistert aufgenommen wurde. Stilbildner sind Leitfiguren und keine Opportunisten.


    So gesehen halte ich auch die Bemerkung von Rideamus einfach für falsch. Karajan war nicht nur ein hervorragender Dirigent, sondern auch einer mit einem strategischen und langfristig denkenden Karrierebewusstsein (das hatten aber auch viele andere; nur hat man das bereits vergessen, oder es fiel nicht so auf, weil sie einfach nicht vergleichbar erfolgreich waren). Er hat immer versucht, seine eigenen Regeln aufzustellen, wobei er jedoch die politischen Gegebenheiten berücksichtigt und - wenn möglich - auch benutzt hat. Dieses Verfahren hat er natürlich im Laufe der Zeit perfektioniert, er wurde auch auf diesem Gebiet besser, und wenn man weiß, wie wichtig die Geldgeber - also letztlich die Politiker - im Musikgeschäft sind, hat er sich ihnen sogar erstaunlich wenig angebiedert, sondern sich im Gegenteil von ihnen hofieren lassen.


    Zumindest bei Insidern ist ja die Jet-Affäre berühmt und bezeichnend. Da er ständig zwischen Berlin, Mailand, Wien und Salzburg pendeln musste (dazu kamen noch Abstecher in andere europäische Destinationen), hat er sich als vermutlich erster Dirigent einen Privat-Jet angeschafft, um die Reisezeiten drastisch zu reduzieren. Jetzt war er aber zumeist mehrere Tage an einem Ort, während dessen der Jet ungenutzt am Flughafen herumstand. Da hatte er die Idee, den Jet während der Standzeiten zu vermieten, wozu er einen Mitarbeiter abstellte, der für die Organisation zu sorgen hatte (Spitzname "Karajan-Air"). Jedermann mit genügend Kleingeld konnte Karajans Jet zu einem fixen Tagessatz inklusive Crew mieten! Dieses Angebot wurde auch angenommen, und eines Tages kam ein Anruf, wo sich der Anrufer als Kanzleichef des Bundesministers für Finanzen der Republik Österreich zu erkennen gab. Dieser wollte den Jet für eine Dienstreise des Ministers haben, was sich auch zeitlich ausging. Aber Karajans Sekretär machte nicht den (womöglich sogar erwarteten) Kotau und offerierte den Jet nicht zu irgendwelchen Sonderkonditionen oder gar umsonst, nein, der Herr Bundesminister musste haarscharf das gleiche zahlen wie jeder andere! Eine im damaligen Österreich fast unglaubliche Geschichte (und meines Wissens hat sich auch kein weiterer Politiker getraut, eine Abfuhr zu holen).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Karajan war nicht nur ein hervorragender Dirigent, sondern auch einer mit einem strategischen und langfristig denkenden Karrierebewusstsein


    Lieber Theophilus,


    Gerade diese Tatsache hat - nach meiner Meinung - sein dirigieren beeinflußt. Und daß mich persönlich ein solches Benehmen nicht gefällt, kommt noch dazu.
    Um nicht Bernstein zu nennen, gebe ich Dir das Beispiel von Eduard van Beinum. Der tat das nicht. Auch im WK 2 hat er sich nicht benommen wie Mengelberg. Beide waren damals 1. Dirigent des Concertgebouworchesters. Deshalb bekam Mengelberg ein Berufsverbot für einige Jahre. Karajan übrigens auch.


    Aber das persönliche Benehmen ist nicht gleichzustellen mit dem Dirigieren. Und da vermisse ich bei Karajan vieles. Ob es Bach, Mozart, Mendelssohn oder Brahms ist, alles wird gleich dirigiert.
    Warum denkst du, daß es Menschen gibt, die sagen "er hätte nie Bach dirigieren sollen" oder sage ich "er hätte seine Hände von Mozart fernhalten sollen"? Weil der Karajansound da kontraproduktiv ist.


    LG, Paul

  • Hallo.


    Die Sympathie von jemandem zu bemessen, den man nicht persönlich hat kennenlernen können, ist ein schwieriges Unterfangen. Den Menschen kann man ja eigentlich nicht beurteilen, man zieht eben Rückschlüsse.


    Da ich mich der Musik üblicherweise auf einer emotionalen Ebene nähere, ist mir grundsätzlich Bernstein der liebere der beiden vergangenen Pult-Großmeister.
    Von meiner Mutter wurde ich früher nahezu dazu verdonnert, mir Bernsteins Auftritte und nicht zuletzt Aufzeichnungen sein Probenarbeiten oder seiner Musik-Programme für Kinder anzusehen/anzuhören. Dafür kann ich nur dankbar sein.
    Die Haltung, die Bernstein mir ganz persönlich (jeder andere mag das ja anders sehen) vermittelte, war die eines tiefen Respekts vor der Leistung des Komponisten. Und dann das Sich-Einlassen auf ein Kunstwerk, später das Nachempfinden (insofern steht er für mich interessanterweise für ein Zitat, das ich hier an anderem Ort entdeckt habe: "If ya ain't got it in ya, ya can't blow it out."). Er nimmt die Ehrfurcht vor dem heiligen Werk des unerreichten Künstlers, sondern überlässt es mir, den für mich richtigen Zugang zu finden. Das ist sehr viel.


    Demgegenüber war meine Mutter bei Karajan eher ablehnend eingestellt. Dieser unbedingte Wille zur Größe, zum Unnahbaren war ihr, und damit in der Konsequenz auch mir, suspekt. Insofern verdanke ich Karajan eigentlich auch nur Fernseh-Erlebnisse, bei denen ich das erblickte, was mir gleichsam als Karikatur eines Dirigenten erschien.


    Mit einem gewissen Abstand und der Lektüre des einen oder anderen Buchs halte ich allerdings auch Karajan für eine interessante, eine schillernde Persönlichkeit. Sperrig, eben gerade nicht sympathisch - aber das macht ihn ja noch nicht uninteressant. Mittlerweile möchte ich schon einiges seiner, man könnte vielleicht sagen, mittleren Schaffensperiode (die ich vom Beginn seiner Tätigkeit als Chef-Dirigent der Berliner bis Anfang der 1970er-Jahre ansetzen würde) genauer kennenlernen. Womit ich nach wie vor Probleme habe, ist die dann folgende Phase reinen Schönklangs, wo Karajan seinem Schönheitsideal wissent- und willentlich die zugrundeliegende Musik nachordnete. Es mag interessant sein, wie konsequent er das umsetzte, emotional erreicht er mich zumindest damit in keiner Weise.


    Aber auch Bernsteins spätes Schaffen begeistert mich weniger als seine früheren Arbeiten. Vielleicht ist er sich da selbst einfach über den Kopf gewachsen, hat er mehr und mehr die Kontrolle verloren (wenn ich an Erzählungen von Freunden denke, wie Bernstein sich vor allem auch hinter den Kulissen des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals - ich stamme von dort - aufgeführt haben soll, dann ist dieser Kontrollverlust, der sich ja nicht selten in sehr unangenehmer Weise auf seine Umwelt auswirkte, fatalerweise wohl durchaus auch prägend für seine letzten Jahre).


    Demgegenüber wurde mir Karajan von Bekannten meiner Eltern als ein im persönlichen Umgang zwar distanzierter, aber ungemein höflicher Mensch geschildert. Ein Intellektueller sei er nicht gewesen. Selbstironie sei demnach ebenfalls nicht seine Sache gewesen.


    So betrachtet würde ich für mich dabei bleiben, dass Bernstein mir wohl sympathischer gewesen wäre - und das ist keine Frage, die ich mithilfe irgendwelcher -ismen beantworten möchte, da ich solchen politischen und gesellschaftlichen Absolutheitsmodellen grundsätzlich skeptisch gegenüber stehe.


    Davon unbeeinflusst bleibt für mich, dass beide Dirigenten waren, die eine klare, unverkennbare Handschrift hatten, die als Künstler schafften, was wohl jedem Künstler vorschwebt - sich genuin auszudrücken. Schon allein deshalb lohnt für mein Empfinden die Auseinandersetzung mit beiden. Warum die Sympathie für den einen gleichsam automatisch die Verteufelung des anderen nach sich ziehen sollte, leuchtet mir jedenfalls nicht ein.


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot


  • Soll das jetzt ein Beweis für Zivilcourage sein, oder was? Meines Wissens wurde in der 2. Republik niemand geteert und gefedert, weil er einem Minister den Kotau verweigerte, der ja auch gar nicht verlangt wurde. Der Minster wollte den JET mieten, wie viele andere auch, davon, dass er ihn GRATIS haben wollte, war damals in meiner Erinnerung keine Rede.
    lg Severina :hello:

  • Ich darf also zusammenfassen:


    Karajan- Charakterschwein
    Bernstein- Heiliger


    Einzig Rideamus hat hier

    Zitat

    Da wird es Wenige geben, die nicht mit Dir darin einig sind. Ich gebe aber zu bedenken, dass man es sich manchmal etwas leicht macht mit der Verurteilung einer Handlung, die einem vom Zufall der Geschichte in den Lebensweg geworfen wurde, aber erst im Nachhinein in ihrer ganzen abgründigen Dummheit entlarvt wird.


    Objektivität walten lassen.


    Trotzdem kann man folgendes


    Zitat

    Zitat Rideamus
    Was aber in der Tat gegen Karajan spricht, ist sein rückhaltloser Opportunismus,


    auch Herrn Bernstein nicht ganz absprechen:


    Dieser hat sich bekanntlich nur vermählt um seine Berufung auf den Posten des NYP Chefdirigenten nicht zu gefährden, obwohl er wußte, daß seine sexuelle Ausrichtigung eine andere war.


    Ich weiß nicht, ob das Zerstören der eigenen Familie nicht schlimmer wiegt als eine Parteimitgliedschaft...


    Dies und noch viel mehr ist nachzulesen hier:



    Aber ja nicht lesen, wenn man Bernstein weiterhin als Heiligen sehen möchte!

  • Zitat

    Original von flotan
    Ich darf also zusammenfassen:


    Karajan- Charakterschwein
    Bernstein- Heiliger


    So einen Unsinn hat doch niemand behauptet.....wo steht das denn bitte?

  • Ob Bernstein ein Heiliger ist, weiß ich nicht. Und bezweifle ich auch. Denn ich erinnere mich manchmal gehört zu haben, daß er auch "unsauber" sein konnte.
    Aber ein Opportunismus daß Karajan zeigte, hat er m.E. nicht. Und dabei meine ich Opportunismus negativ.
    Also nicht Charakterschwein, sondern Opportunist.


    LG, Paul

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Paul


    Zitat

    Original von musicophil
    Gerade diese Tatsache hat - nach meiner Meinung - sein dirigieren beeinflußt.


    Das ist - mit Verlaub - Unsinn! Man kann seine Karriere noch so gut planen, wenn nicht fast permanent erstklassige Leistungen geboten werden, hilft die ganze Planung nichts.



    Zitat

    Ob es Bach, Mozart, Mendelssohn oder Brahms ist, alles wird gleich dirigiert.


    Das ist schlicht und einfach nicht wahr!


    Richtig ist, dass Karajan - besonders mit den Berlinern - einen erkennbaren Klang hatte. Und wie ich schon mehrfach geschrieben habe, war dies damals ein angestrebtes Ideal. Vor 40 Jahren konnte ein Musikkenner ein Spitzen-Orchester nach wenigen Takten an seinem Klang erkennen (das gab es bei Hör-Sessions quasi als Gesellschaftsspiel). Das hat aber nichts damit zu tun, dass man nicht werkgetreu gespielt hätte - was ja aus deinem Vorwurf folgert. Es ist schon bemerkenswert, wie immer wieder die gleichen falschen Meinungen aufgewärmt werden. Besonders die negativen Vorurteile scheinen unausrottbar zu sein...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Und genau diese Haltung ist es, die ich so verabscheue. Wäre er ein überzeugter Nazi gewesen, könnte man noch Entschuldigungsgründe im Sinne von Rideamus finden, so aber wusste er genau, dass ihm ein menschenverachtendes Regime eine Karriere ermöglichte, indem es "netterweise" seine Konkurrenten ausschaltete. "Das Gemeine zulassen ist schlimmer als es tun," lässt Zuckmayer seinen General Harras sagen, der sich ebenfalls aus Karrieregründen als "Des Teufels General" verdingt, obwohl er die Nazis verabscheut. Nur, der bezahlt die Rechnung.....
    lg Severina :hello:

  • Hallo flotan,


    selbst viele Bernstein-Skeptiker räumen ein, dass es in Frau Peysers Buch von fragwürdigen und mindestens tendenziös zusammengestellten Anekdoten nur so wimmelt.


    Mir erschien zwar auch Peter Gradenwitz' Hagiographie, die im Gegensatz zu Peysers Tratschbuch immerhin sehr viel Musikanalyse bringt, suspekt, aber nach Frau Peyers Buch empfand ich Ekel - und nicht vor Bernstein. Dennoch ist es lesenswert, wenn man das richtige Gegengift zur Hand hat, etwa das Buch von Humphry Burton (s.a. im Geburtstagsthread).


    Es freut mich ja, dass Du meinen Versuch einer objektiven Betrachtung lobst, aber dass Du auf so dünner Basis ein so vernichtendes Urteil über Bernsteins Beziehung zu seiner Familie fällst, deren Überlebende das ganz anders sehen, trübt diese Freude gewaltig.


    Im übrigen bin ich der Meinung, dass man mit Generalisierungen positiver wie negativer Art höchst vorsichtig umgehen sollte. Soweit ich mir dazu ein Urteil zutraue, war Karajan kein Charakterschwein (jedenfalls meistens), Bernstein beileibe kein Heiliger (bestimmt nie). Beide waren Menschen, die enorm gut Musik machen konnten. Nur machte eben Bernstein das Menschliche zum Angelpunkt seiner Musikausübung und nahm dafür auch Unebenheiten in Kauf, während Karajan menschliche Schwächen zu eliminieren versuchte, wo immer er konnte.


    Wer musizierte da wohl lebendiger und bleibt deshalb nachhaltiger?
    Um nichts anderes sollte es eigentlich in diesem Thread und Forum gehen.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Bernstein stand immer auf der Seite der Erniedrigten und Rechtlosen, während sich Karajan als Aristokrat verstand, zu dem die Menschen aufzusehen hatten.
    Man muß wahrlich kein Linker sein, um Bernstein sympathischer zu finden...


    Na ja, wollen die Menschen nicht oft jmdn., zu dem sie aufblicken können? :untertauch:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von severina
    Soll das jetzt ein Beweis für Zivilcourage sein, oder was? Meines Wissens wurde in der 2. Republik niemand geteert und gefedert, weil er einem Minister den Kotau verweigerte, der ja auch gar nicht verlangt wurde. Der Minister wollte den JET mieten, wie viele andere auch, davon, dass er ihn GRATIS haben wollte, war damals in meiner Erinnerung keine Rede.


    Ist das jetzt Realitätsverweigerung deinerseits? Natürlich wollte er Sonderkonditionen, ist abgeblitzt und war höchst verärgert, keine zu bekommen (man ist ja schließlich wer!). Das war ja auch der Grund dafür, dass die Geschichte nach außen gesickert ist, sonst wäre sie ja für niemandem bemerkenswert gewesen.


    Außerdem solltest du wissen, dass es fast eine Todsünde ist, Politikern, von denen man etwas haben will, kleine Gefälligkeiten abzuschlagen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Um Zivilcourage geht es hier nicht, sondern um den Vorwurf des Opportunismus. Karajan war seinem Wesen nach nichts weniger als ein Opportunist, aber er hat sein politisches Umfeld realistisch eingeschätzt und in seine Karriereplanung einbezogen. Aber er hat eigentlich immer nach seinen eigenen Regeln gespielt, er versuchte immer zu schieben und nicht geschoben werden.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von severina
    Und genau diese Haltung ist es, die ich so verabscheue. Wäre er ein überzeugter Nazi gewesen, könnte man noch Entschuldigungsgründe im Sinne von Rideamus finden, so aber wusste er genau, dass ihm ein menschenverachtendes Regime eine Karriere ermöglichte


    Liebe Severina,


    Trenne, bitte, Karajan als Mensch und Karajan als Dirigent.
    Ob er als Mensch verachtlich war oder nicht, sagt nichts über sein Dirigat.


    LG, Paul

  • Zitat

    Audiamus
    Es freut mich ja, dass Du meinen Versuch einer objektiven Betrachtung lobst, aber dass Du auf so dünner Basis ein so vernichtendes Urteil über Bernsteins Beziehung zu seiner Familie fällst, deren Überlebende das ganz anders sehen, trübt diese Freude gewaltig.


    Lieber Audiamus!
    Bernsteins Frau hat das allerdings nicht anders gesehen (gut, sie war auch keine Überlebende)...


    Im übrigen habe ich ein Beispiel gebracht (NYP- Chefdirientenposten), das "allgemein anerkannt" ganz deutlich Bernsteins Opportunismus zeigt, nicht mehr und nicht weniger.
    Vielleicht weißt Du hier mehr?
    :hello:

  • Hallo.


    Zitat

    Original von severina


    Und genau diese Haltung ist es, die ich so verabscheue. Wäre er ein überzeugter Nazi gewesen, könnte man noch Entschuldigungsgründe im Sinne von Rideamus finden, so aber wusste er genau, dass ihm ein menschenverachtendes Regime eine Karriere ermöglichte, indem es "netterweise" seine Konkurrenten ausschaltete. "Das Gemeine zulassen ist schlimmer als es tun," lässt Zuckmayer seinen General Harras sagen, der sich ebenfalls aus Karrieregründen als "Des Teufels General" verdingt, obwohl er die Nazis verabscheut. Nur, der bezahlt die Rechnung.....
    lg Severina :hello:


    Ein "überzeugter Nazi" Karajan wäre Dir lieber gewesen als der Karrierist Karajan?
    Ich muss gestehen, dass es mir schwerer fällt, dafür Entschuldigungsgründe herbeizusuchen, dass jemand durchdrungen ist von der menschenverachtenden Nazi-Ideologie, als dafür, dass jemand Karriere machen will. Letzteres ist zweifellos charakterlich fragwürdig, aber es ist für sich genommen nicht unbedingt ein Verbrechen. Leider kann doch nahezu jeder Beispiele für Karrieristen aus der Gegenwart benennen, die beispielsweise dank Mobbing oder sonstiger Intrigen auf Kosten anderer die Leiter hinaufpurzeln.
    Oder um in der Nazi-Zeit zu bleiben: Natürlich ist mir Sebastian Haffner auch eher ein Vorbild als ein überehrgeiziger Dirigent. Doch hätte sich in der damaligen Situation jeder so hoch anständig verhalten? Das muss man für sich beantworten - und letztlich kann es niemand als der, der sich in der Situation befindet.


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Das ist - mit Verlaub - Unsinn! Man kann seine Karriere noch so gut planen, wenn nicht fast permanent erstklassige Leistungen geboten werden, hilft die ganze Planung nichts.


    Ich weiß, und Du auch, daß es in totalitären Regimes nicht schwierig ist auf dem Leiter zu steigen. Ungeachtet die Kapazitäten. Und wenn man einmal bekannt ist, kommt das Weitere fast automatisch.


    Zitat

    Original von Theophilus
    Das hat aber nichts damit zu tun, dass man nicht werkgetreu gespielt hätte - was ja aus deinem Vorwurf folgert.


    Nee, Theophilus, das folgt nicht daraus.
    Man kann "werkgetreu" ?( spielen, und dennoch gegen ein Werk verstoßen.
    Mozart fragt nicht um den massiven Klang von Brahms oder Mahler. Das soll man sich bewußt sein. Um nur ein Punkt zu nennen.
    Meine Messe von Mozart (Karajan dirigiert) finde ich fürchterlich zu hören. Das ist meine Meinung. Und da ich sehr viel Mozarteinspielungen habe, kann ich gut vergleichen. Karajan schneidet als schlechteste ab.


    Und Bachs Dirigat von Karajan wurde nicht durch mich beurteilt, sondern (wenn ich recht habe) durch BBB.


    Karajans Mendelssohn fand ich auch nicht wunderbar. Aber seine Tschaikowsky Symphonien gefallen mir außerordentlich gut.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von severina


    Und genau diese Haltung ist es, die ich so verabscheue. Wäre er ein überzeugter Nazi gewesen, könnte man noch Entschuldigungsgründe im Sinne von Rideamus finden, so aber wusste er genau, dass ihm ein menschenverachtendes Regime eine Karriere ermöglichte, indem es "netterweise" seine Konkurrenten ausschaltete.


    Das ist für mich eine geradezu erschreckende Meinung. Ist dir eigentlich klar, wen du da alles zwangsläufig in Sippenhaft nimmst? Da kannst du gleich fast alle Künstler abschreiben, die es gewagt haben, nach 1933 in Deutschland zu bleiben...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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