Die Bachkantate (139): BWV99: Was Gott tut, das ist wohlgetan

  • BWV 99: Was Gott tut, das ist wohlgetan
    Kantate zum 15. Sonntag nach Trinitatis (Leipzig, 17. September 1724)




    Lesungen:
    Epistel: Gal. 5,25-6,10 (Mahnung zur Brüderlichkeit: Einer trage des anderen Last – Was der Mensch sät, das wird er ernten)
    Evangelium: Matth. 6,24-34 (Aus der Bergpredigt: Aufforderung, nicht nach Essen, Trinken und Kleidung zu trachten, sondern nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 21 Minuten


    Textdichter: unbekannt; inspiriert aber vom titelgebenden Choral
    Choral (Nr. 1 und 6): Samuel Rodigast (1674/75)



    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Traversflöte, Oboe d’amore, Horn, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Choral SATB, Traversflöte, Oboe d’amore, Horn, Streicher, Continuo
    Was Gott tut, das ist wohlgetan,
    Es bleibt gerecht sein Wille;
    Wie er fängt meine Sachen an,
    Will ich ihm halten stille.
    Er ist mein Gott,
    Der in der Not
    Mich wohl weiß zu erhalten;
    Drum lass’ ich ihn nur walten.


    2. Recitativo Bass, Continuo
    Sein Wort der Wahrheit stehet fest
    Und wird mich nicht betrügen,
    Weil es die Gläubigen nicht fallen noch verderben lässt.
    Ja, weil es mich den Weg zum Leben führet,
    So fasst mein Herze sich und lässet sich begnügen
    An Gottes Vatertreu und Huld
    Und hat Geduld,
    Wenn mich ein Unfall rühret.
    Gott kann mit seinen Allmachtshänden
    Mein Unglück wenden.


    3. Aria Tenor, Traversflöte, Continuo
    Erschütt’re dich nur nicht, verzagte Seele,
    Wenn dir der Kreuzeskelch so bitter schmeckt!
    Gott ist dein weiser Arzt und Wundermann,
    So dir kein tödlich Gift einschenken kann,
    Obgleich die Süßigkeit verborgen steckt.


    4. Recitativo Alt, Continuo
    Nun, der von Ewigkeit geschloss’ne Bund
    Bleibt meines Glaubens Grund.
    Er spricht mit Zuversicht
    Im Tod und Leben:
    Gott ist mein Licht,
    Ihm will ich mich ergeben.
    Und haben alle Tage
    Gleich ihre eig’ne Plage,
    Doch auf das überstand’ne Leid,
    Wenn man genug geweinet,
    Kömmt endlich die Errettungszeit,
    Da Gottes treuer Sinn erscheinet.


    5. Aria Duetto Sopran, Alt, Traversflöte, Oboe d’amore, Continuo
    Wenn des Kreuzes Bitterkeiten
    Mit des Fleisches Schwachheit streiten,
    Ist es dennoch wohlgetan.
    Wer das Kreuz durch falschen Wahn
    Sich vor unerträglich schätzet,
    Wird auch künftig nicht ergötzet.


    6. Choral SATB, Traversflöte, Oboe d’amore, Horn, Streicher, Continuo
    Was Gott tut, das ist wohlgetan,
    Dabei will ich verbleiben.
    Es mag mich auf die rauhe Bahn
    Not, Tod und Elend treiben,
    So wird Gott mich
    Ganz väterlich
    In seinen Armen halten;
    Drum lass ich ihn nur walten.






    Der Choral, der dieser Choralkantate als Motto und „Leitfaden“ dient, gehört zu den von Bach offenbar besonders geschätzten Chorälen – geht man zumindest von der Häufigkeit aus, mit der Bach diesen Choral in seinen Kantaten eingesetzt hat, kann man ohne Weiteres zu diesem Rückschluss kommen:
    Bach hat außer in dieser Kantate hier auch in seinen Kantaten BWV 144, BWV 12, BWV 75, BWV 69a und BWV 98 Strophen dieses Chorals verwendet und mit der Kantate BWV 100 sogar noch eine weitere Choralkantate (diesmal mit dem unveränderten Text aller 6 Strophen von Samuel Rodigast) über “Was Gott tut, das ist wohlgetan“ komponiert!
    Der Text des Chorals passt zugegebenermaßen auch besonders gut zu sehr vielen verschiedenen Anlässen – vielleicht liegt auch darin die Häufigkeit begründet, mit der dieser Choral in so vielen Bachkantaten auftaucht.


    Zur Aussage des Sonntagsevangeliums verweise ich an dieser Stelle auf das im Kommentar zur Kantate BWV 138 bereits Geschriebene.
    Auch in der hier besprochenen Kantate dreht sich alles um die Hoffnung auf die liebende Fürsorge Gottes, die mächtiger ist als das irdische Leiden und die täglichen großen und kleinen Nöte.


    Die Kantate besitzt eine farbige Bläserausstattung, die zur üblichen Streicher- und Continuobesetzung hinzutritt. Gleich im Eingangschor nutzt Bach die Bläserstimmen, um ein ausgesprochen konzerthaftes Element in den Satz zu integrieren. Der Chorsopran trägt – wie meistens in derartigen Choralbearbeitungen – die Choralmelodie vor, diesmal unterstützt vom Horn. Die übrigen drei Chorstimmen begleiten den Sopran. Es entsteht ein wirkungsvoller Gegensatz zwischen dem eher gemächlichen Choralvortrag (plus die Füllstimmen des Restchores) und dem bewegteren Orchestersatz, die einander abwechseln.


    Die Arie Nr. 3 ist ein weiterer Beitrag Bachs zur reizvollen – und von ihm anscheinend auch sehr geschätzten - Kombination des Solo-Tenors mit der Traversflöte (siehe z. B. auch die entsprechenden Arien in den Kantaten BWV 102, BWV 113 oder BWV 78).


    Wie bereits mehrfach geschehen, setzt Bach auch in dieser Kantate ein Duett zwischen Alt und Sopran (mit der aparten Begleitung von Traversflöte und Oboe d’amore) an vorletzte Stelle (siehe z. B. auch die Kantaten BWV 186, BWV 101 oder wiederum BWV 113). Wenn man den obligatorischen Schlusschoral mal als letzten Schlusspunkt voraussetzt, stellt dieses Duett am Ende des Werkes damit jedes Mal so etwas wie den (solistischen) Höhepunkt der jeweiligen Kantate dar – sowohl vom Text her als dramaturgisches Resümee der zuvor getroffenen Aussagen und Erkenntnisse, wie eben auch musikalisch als besonders reizvolle Kombination gleich zweier Solostimmen, was ja im Barock, wo die (Solo-)Arie die dominierende Gesangsform darstellt, stets etwas Besonderes ist. Viele Barockopern besitzen meist ein nur oder zwei Duette und die sind fast ausnahmslos prominent und wirkungsvoll an einem Aktschluss platziert!


    Man verzeihe mir die zahlreichen Querverweise auf andere Bachkantaten, aber ich finde solche Parallelen äußerst interessant und aufschlussreich - und hier bietet sich die bequeme Möglichkeit, durch einfaches Anklicken direkt zur gemeinten Kantate zu kommen, das sollte man ausnutzen... :yes:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)