Missionarischer Eifer im Tamino Klassikforum (1) - Die Komponisten

  • Liebe Forianer


    Tamino ist in gewisser Hinsicht bereits eine kleine aber feine "Medienmacht", wir werden von mehr Leuten gelesen, als so manche Klassikzeitschrift - und die Einschaltquote steigt langsam aber stetig


    Das bedeutet, daß wir - gewollt oder ungewollte einen gewissen Einfluß auf die deutschsprachige "Klassikszene" ausüben.


    Dies ermöglicht jedem einzelnen von uns /in beschränktem Ausmaße) auf unbekannte Komponisten oder Interpreten aufmerksam zu machen - bzw vor dem Vergessenwerden zu bewahren oder zurück ins Bewußtsein zu rufen.


    Viele von uns wird das überhaupt nicht interesssiern - Andere jedoch werden sich mit mehr oder weniger Erfolfg als "Missionare" versuchen und (hier ist das Limit vorgegeben) an Hand von (oft spärlichen) vorhandenen Tonaufnahmen für ihren "Schützling zu werben.


    Auch ich habe solche "Favoriten" - und ich werde nicht müde sie immer wieder zu Präsentieren. Welche das sind - die meisten Forianer wissen es ohnedies - werde ich im Laufe des Threads verraten.


    Und nun die Frage an die "Missionare" i, Forum:


    Welche - eurer meinigen nach zu Unrecht vergessenen - oder verdrängten Komponisten habt ihr Euch auf die Fahnen geschrieben ? - und WARUM ?


    Ein ähnlicher Thread im Interpretenbereich ist angedacht und wird bei Bedarf folgen


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • An dieser Stelle möchte ich für Bruckner sprechen. Irgendwie steht er im Schatten Beethovens als Sinfoniker und zum anderen schwebt irgendwie über ihm, Wagner abgekupfert zu haben. Bruckner hat wirklich großartige Sinfonien geschrieben und eher hat der Wagner vom Bruckner abgeschrieben, als andersrum.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Mein Panier ergreife ich - kaum verwunderlich - für Christoph Willibald Gluck. Obwohl Wert & Bedeutung seiner Musik immer mehr anerkannt werden, fehlt noch ein gutes Stück Weges, ihn allgemein ins Bewusstsein zu bringen - und ihm den Ruf des "Ein-Stück (aber das in drei Fassungen, von denen die eine gar nicht von ihm ist)-Komponisten zu nehmen.


    LG Peter

  • Von Veraccini würde ich gerne mehr hören (jedenfalls, was die Barockmusik betrifft). Im 20. Jh. lassen sich hundsgemein sträflich Vernachlässigungen der Ostblock-Komponisten ausmachen. Peiko, Sviridov, Arutiunian, da würde ich gerne mehr und in guten Aufnahmen von hören.


    Und weil ich vorhin eine Weihnachts-LP aus der DDR in meinen Rechner überspielt habe: von Hans Naumilkat würde ich gerne seine Chorlieder hören und die Kantaten von Siegfried Köhler, das wäre was, wofür sich mein Geldbeutel öffnen würde.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Welche - eurer meinigen nach zu Unrecht vergessenen - oder verdrängten Komponisten habt ihr Euch auf die Fahnen geschrieben ? - und WARUM ?


    Salü,


    bei mir ist das - man kann es sich beinahe denken - der schwedisch-odenwäldische Mozart. Zum Glück aber hat er auch einen eigenen Namen, der da lautet: Joseph Martin Kraus. Seine Musik hat mich vom ersten Ton an fasziniert - diese meist düstere und nachdenkliche Stimmung, kaum überschwengliche Freude, in sich gekehrt. Natürlich gibt es auch ebenso wunderschöne Ausnahmen wie z.B. seine von mir über alles gehobene cis-moll-Sinfonie, die eher spritzig als düster ist. Aber auch seine Es-Dur-Sinfonie und das Flötenquintett sowie das Klaviertrio sind eher heitere Werke. Wenn man den Beinahmen "schwedischer" oder "odenwälter" Mozart als Anerkennung ansieht, dann stimme ich dem absolut zu, obschon ich solche Vergleiche nicht mag. Vergleichbar sind Mozart und Kraus wohl auch kaum, nur die Lebensdaten stimmen weitestgehend überein. Für Kraus reise ich sogar [fast :D ] bis ans Ende der Welt...



    Joseph Martin Kraus mit Amadeus-Naturtrüb


    Ich meine aber zu beobachten, dass Kraus zunehmend ernst genommen und repsektiert wird. Er steht jetzt wirklich häufiger mal auf Konzertprogrammen und CDs gibt es mittlerweile auch schon eine ganze Menge - natürlich ist die Auswahl an Einspielungen pro Werk noch nicht hinreichend abgedeckt. Aber auch das wird kommen...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ich würde spontan - allerdings mit Einschränkungen - ein gutes Wort für Kurt Atterberg einlegen wollen. Wer sich gerne in der Sinfonienwelt Nielsens und Sibelius' bewegt, sollte dem Schweden eine Chance einräumen. Neun Sinfonien hat er geschrieben, alle sind erhältlich.



    Ich mag seinen enormen Ideenreichtum an Melodien, den ungestümen Wechsel zwischen Drama und Idyll. Nach jetzt doch längerem wiederholten Hören erkenne ich auch eine sehr eigene Tonsprache, die unverwechselbar klingt.


    Das "Aber": Der Mann ist um Jahrzehnte zu spät! Wie man vor allem 1944 in der Art und Weise Musik schreiben kann: Rätselhaft. Dennoch habe ich vielen Leuten Atterbergs Musik "inkognito" vorgespielt und durchweg positive Resonanz erfahren. Allerdings gingen die zeitlichen Tipps immer Richtung Ende des 19. Jahrhunderts... Lediglich die Neunte ist für die Verhältnisse Atterbergs ein Werk, das den musikalischen Entwicklungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rechnung trägt. Die Orchestrierung: Nun ja, da gibt es größere Könner. Wohl ebenso in der Konstruktion einer Sinfonie.


    Vergisst man dieses, hat mein einen sehr geschlossenen Zyklus vor sich, der so manchen großartigen Moment bereithält, mit großem Pathos nicht geizt aber auch die leisen Zwischentöne zelebriert. Nimmt man noch das Violin- und das Klavierkonzert sowie die Streichersinfonien hinzu, kann man sich über einen ordentlichen Brocken an (post-)romantischer Ochestermusik freuen, der alles andere als zeitgemäß, erst recht nicht innovativ war, aber ein Füllhorn an tollen Melodien bereithält. Und allen, die gerne in die sinfonische Welt der skandinavischen Komponisten eintauchen, eine unerwartet große Bereicherung beschert.


    LG
    B.

  • Ich habe drei Meister die ich ständig versuche Publik zu machen
    Die passenden Threads habe ich als Verweise noch angefügt:



    Jean Baptiste de Lully


    das dürfte mittlerweile jedem aufgefallen sein :rolleyes:
    In Frankreich wird er ja inzwischen wieder regelmäßig gespielt, neue CD Einspielungen gibt es auch ab und zu - nur in Deutschland machen die Theater einen Bogen um die frz. Musik.


    Jean Baptiste Lully - der Begründer der frz. Nationaloper


    LULLY - Die Ballette


    Lully - die Opern


    Lully - die geistlichen Werke



    Agostino Steffani


    den ich für den interessantesten Opernkomponisten um 1700 halte.
    Er verband die beiden droßen Nationalstile der Barockoper auf so vollkommene Weise, dass es eine wahre Schande ist, dass er so gut wie nicht gespielt wird.


    Steffani, ein italienischer Lullist in Deutschland



    Pietro Antonio Cesti


    Cesti ist für mich eine der genialsten Opernkomponisten des 17. Jahrhunderts. Die bisherigen Aufführungen seiner Werke, insbesondere von jacobs und anderen haben das stets bewiesen.
    Er gehört zu den größten Komponisten des Barock - das er so gut wie vergessen ist und es fast keine Aufnahmen seiner Musik gibt, ist noch unbegreiflicher als bei Steffani.


    Antonio Cesti - Meister des italienischen Frühbarock

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Mein Panier ergreife ich - kaum verwunderlich - für Christoph Willibald Gluck. Obwohl Wert & Bedeutung seiner Musik immer mehr anerkannt werden, fehlt noch ein gutes Stück Weges, ihn allgemein ins Bewusstsein zu bringen - und ihm den Ruf des "Ein-Stück (aber das in drei Fassungen, von denen die eine gar nicht von ihm ist)-Komponisten zu nehmen.


    LG Peter


    Hallo Peter!


    Ich halte es da mit einem angeblich von Debussy stammenden Ausspruch:
    "Nieder mit Gluck, es lebe Rameau!" :untertauch::D


    (Nein, Gluck ist ein großer Komponist - ebenso wie Rameau)


    :hello:

  • Hallo!


    Es gibt auch bei mir einige dem Vergessen anheim gefallene Maestros, denen ich aus der Versenkung helfen möchte:
    1. Georg Donberger (1709-1768 ), Komponist geistlicher Werke und Festmusik, welche unter anderem Kaiserin Maria Theresia entzückt hat. Ich hatte schon die Gelegenheit über ihn in der Brucker Stadtzeitung zu schreiben, aber die Resonanz war äußerst gering! X(


    2. Gaetano Donizetti (1797-1848 ), Schöpfer der größten, beeindruckendsten und schönsten Opern der Musikgeschichte, der meiner Meinung nach "nur" als Vorläufer Verdis ernst genommen wird und von dem außer 3-4 Opern kaum jemand was kennt.


    3. Antonio Salieri (1750-1825), dessen schlechtes Bild absolut ungerechtfertigt ist, und der viel beeindruckendere Opern schreiben konnte als der große Mozart


    4. Johannes Simon Mayr (1763-1845). Großmeister aus Bayern, für den fast dasselbe gilt wie für Donizetti


    5. Gioacchino Rossini (1792-1868 ), der kaum ernst genommen wird und als leicht und seicht abgetan wird!


    LG joschi

  • ZU Joschis Ausführungen gäbe es jede Menge zu sagen, aber das mache in in eignen Threads - hier würde nur der Threadfluss zerstört.


    Bei der Gelegenheit gleich MEINE "Protektionskinder"



    Beginnen wir bei Antonio SALIERI:


    Hier möchte ich mich im Großen und Ganzen Don Basilio anschliessen - Salieri ist uinterschätzt.
    Immer wieder betone ich, daß es keine FEINDSCHAFT zwischen Mozart und Salieri gab - allenfalls Spannungen (auch Salieri hat bereits einen eigenen Thread), die gerade wegen seine qualitativen Nähe zu Mozart - und seiner höheren Stellung gegenüber Mozart - auftraten.


    Ob die zahlreichen Legenden um seine Person, Salieris Nachruhm genutzt oder geschadet haben, das ist eine schwer zu beantwortende Fraf, sind doch auich andere Größen der Mozartzeit in Vergessenheit geraten.


    Vielleicht sollte man darauf hinweisen, daß Salieri vorwiegend auf die Oper fixiert war, sein restliches Oueuve ist eher klein.



    Danach kommmt bei mir Ferdinand RIES


    Seine Beethovennähe ist in den Sinfonien unverkennbar, bei anderen Werken weniger ausgeprägt, er hat durchaus etwas zu sagen, auch wenn ich persönlich die Klavierkonzerte und -Sonaten als nicht allzubedeutend einstufen würde. Riess Meisterleistung sind die Sinfonien, die IMO wie unbekannte Beethoven werke klängen, wäre da nicht noch eine recht ausgeprägte persönliche Komponente, die allerding beim Ersthören kaum wahrgenommen wird, weil man von den "Beethovenstellen" (positiv oder negativ) beeindruckt ist.
    Wie dem auch sein: Ries wäre eine Bereicherung des Konzertlebens- seine Sinfonien sind ein (edles) Vergnügen -IMO der fünfte Wiener Klassiker von Bedeutung.




    Joseph Joachim RAFF (1822-1882


    Ich sehe in RAFF einen Sinfoniker, dessen Sinfonien einen gewissen volkstümlichen Ton ausstrahlen, mit Volksliedthemen vermischt sind - und
    durchaus neben denen seiner Zeitgenossen bestehen können. Raff ist IMO weniger spröder als Brahms, weniger bombastisch als Bruckner, weniger dick instrumentiert, als Tschaikowsky. Er liebt Hörnerklang und ist ein Meister im Instrumentieren....
    Es bedarf - wie so oift wenn man einen Komponisten kennenlernen will, mehrfachen Hörens bis es "Kliclk" macht und die Begeisterung eintritt - Ich erinnere mich noch genau, daß die Sinfonie Nr 5 "Leonore" - eines der bekannteren Werke Raffs - bei mir beim Ersthören keinen bleibenden Eindruck hinterließ.Ich empfand sie als "belanglos". Erst ein Jahr später erkannte ich deren Schönheit und sehe mich seither als Anhänger RAFFinierter Tonkunst..... ;).
    Interessant ist auch der Unterschied zwischen den Marco-Polo Einspielungen (teilweise auf Naxos wiederveröffentlicht) und jenen des Labels "Tudor"
    Die Tudor Einspielungen sind dynamisch weiter und feuriger, aber auch rauher - jene von MarcoPolo/Naxos bringen den harmonischen Klang von Raffs Instrumentationskunst besser zur Geltung. Zumindest EIN Werk sollte man in doppelter Ausfürung besitzen oder kennen um Interpretation und Komposition trennen zu können.



    Anton RUBINSTEIN (1829-1884)


    Kein Wunder daß er derzeit wenig gefragt ist, grob und wuchtig sind seine Klavierkonzerte.
    Ich habe mir immer die Frage gestellt, warum Tschaikowsky anerkannt ist und Rubinsten nicht (mehr)
    Inzwischen hat sich die Frage erübrigt. Wuchtige Sinfonien des 19. Jahrhunderts (Brucklner und Mahler ausgenommen) sind derzeit wenig gefragt - und bombastisch Virtuosenkonzerte schon gar nicht...



    Auf diese vier verteile ich - mit unterschiedlicher Intensität - meine Promotionversuche.


    Hiebei unterstützen mich dankenswerterweise die Label cpo, Naxos/Marco Polo, Tudor und einige andere. Ohne das Vorhandensein von Tondokumenten (als Beispiel sei hier Cypriani Potter genannt - seine in meinem Besitz befindliche Aufnahme von 2 Sinfonien ist längst gestrichen) ist jede Promotion/Missionierung völlig zum Scheitern verurteilt.



    Es gibt allerdings noch weitere Komponisten, die ich gerne etwas bekannter machen möchte: Sie sind im Bereich der Oper angesiedelt.


    Nach Dittersdorffs komischer Oper "Doktor und Apotheker", welche einen meiner Lieblingskomponisten, nämlich Lortzing vorwegnimmt kommen dann noch Auber, Meyerbeer, Pacini, Mayr und Paisiello an die Reihe. Aber alles schön der Reihe nach. Tamino braucht auch in den kommenden Monaten und Jahren "Futter"


    Mir persönlich geht es weder darum "verkannte Meisterwerke" zu entdecken, noch spröde unverdauliche Musikwerke unters Volk zu bringen - sondern effektvolle, eindrucksvolle Werke, ebenso wie jene mit Ohrwurmquaitäten , die einst das Publikum zu Beigeisterungsstürmen hinrissen, heute aber aus den verschiedensten Ursachen vergessen sind, wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu holen und so vor dem endgültigen Vergessenwerden zu bewahren....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Bei mir ist es Johann Friedrich FASCH.


    Zu seinen Lebzeiten ein hochgeschätzter Komponist, ist er sehr bald nach seinem Tode 1758 in Vergessenheit geraten. Etwa 90% seines Vokalwerks und etwa 45% seines instrumentalen Schaffens müssen als verloren gelten. Dabei war er ein sehr bedeutender Musiker, der am Zerbster Hof, einem der zahlreichen Fürstenhöfe in D im 18.Jahrhundert, Bedeutendes leistete. Seine Musik "geht sofort ins Ohr" und nimmt französische und italienische Elemente auf.


    Ich lese gerade die Biographie, geschrieben vom Fasch-Fachmann Rüdiger Pfeiffer.


    Im Forum sind zwei parallele Threads zu Fasch eröffnet worden (2006 und 2007), die ein Moderator mal zusammenfassen sollte. Wenn ich das Buch durchhabe, möchte ich evtl. noch ergänzende Informationen posten.


    Faschs Werke waren lange Jahre fast nur in Zusammenstellungen a la "Die 1000 schönste Trompetenkonzerte des Barock mit Ludwig Güttler" zu hören. Wie so oft, hat cpo auch hier vieles ausgegraben und veröffentlicht. Es schaut nicht mehr so schlecht aus, wenngleich immer noch große Lücken im Fasch-Repertoire vorhanden sind.

  • Auch ich habe einige Komponisten, die mir besonders am Herzen liegen. Allesamt nicht vergessen - aber dennoch nicht so im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie es ihnen eigentlich zustehen würde.


    Da ist erstmal Heinrich Ignaz Franz Biber, der zwar in den letzten Jahren deutlich an Bekanntheit gewonnen hat, aber eigentlich immer noch nicht so sehr im Spotlicht der Hörerschaft steht, wie es sein sollte. Für meine Begriffe gehört Biber zu den wirklich außergewöhlichsten und interessantesten Tonsetzern überhaupt. Daher bin ich auch unermüdlich darin »Werbung« für seine Werke zu machen: für die Harmonia artificiosa-ariosa, die gewitzt-witzige Sonata representativa, seine geistlichen Werke (naklar die Missa Salisgurgensis, aber auch die beiden Requien und anderes), die wundervollen Violinsonaten und insbesaondere natürlich sein unerreichtes Meisterwerk: die Rosenkranz-Sonaten.


    Der zweite, den ich gerne protegiere ist Georg Muffat, dem immer so ein wenig das Vorurteil des staubigen Lullisten anhängt. Sicherlich ist Muffat ein Lullist - aber keineswegs ein staubiger, sondern ein überaus spritziger. Dies kann man an seinen Concerti grossi (in denen französischer und italienischer Stil sehr hübsch verkreuzt werden) und den Violinsonaten erleben. Sicherlich spürt man in diesen Werken zwei große Vorbilder - Lully einerseits, Corelli andererseits - aber es findet sich doch viel eigenständiges Esprit in diesen schönen Werken. Naja, und dann stammt aus seiner Feder auch eine fanszinierende Gruppe von Orgelwerken: Der Apparatus Musico-Organisticus.


    Dann mal ein Sprung ins 20. Jahrhundert: Da wäre zu nennen Karl Amadeus Hartmann - ein Feuerball, der ein Werk voller zum Bersten gespannten Expressivität geschaffen hat. Leider ist dieser Mann, dessen Symphonien tatsächlich durch ein Alleinstellungsmerkmal gekennzeichnet sind, der ein so wundervoll schmerzhaftes Violinkonzert (das Concerto funebre) und die grandiose Oper Simplicius Simplicissimus komponierte, irgendwie immer ein Außenseiter geblieben: den einen zu sehr in der Tradition der Mahlerschen Symphonik, den anderen zu nah an der Neuen Wiener Schule. Er verdient vielleicht gerade deshalb besondere Aufmerksamkeit.


    Der nächste wäre Leonard Bernstein, dessen kompositorisches Werk leider immer noch so sehr auf die West Side Story beschränkt wird (vielleicht noch mit einem Seitenblick auf Candide), während seine anderen Bühnenwerke (etwa die wirklich witzige und hintersinnige Kammeroper Trouble in Tahiti und ihre große Fortsetzung A Quiet Place), seine drei Symphonien und seine weiteren Orchesterwerke eher unbeachtet bleiben. Zudem wir sein diasporistischer Stil oftmals als Eklektizismus mißverstanden.


    Dann wäre da noch Heitor Villa-Lobos - ein musikalischer Vulkan, dessen immenses Werk eigentlich nur rudimentär bekannt ist. Aber neben den bekannten Bachianas hat er so viel wunderbares komponiert - ein zugleich so disparates wie unverwechselbares Oevre hat vielleicht kein anderer Komponist vorzuweisen. Aber dazu wird sicherlich Frank noch etwas zu sagen haben.


    Ja und zuletzt ist da natürlich - jetzt springe ich wieder durch die Zeit zurück - Alessandro Scarlatti. Ein Komponist der IMO gar nicht hoch genug geschätzt werden kann! - der ein gewaltiges Werk hinterlassen hat, wobei jedes einzelne der mir bekannten Werke eine Offenbarung ist; dem es stets gelingt strengste Kontrapunktik mit einer einzigartigen Ausdruckskraft ja Emphase zu verbinden. Das gilt für sein Opernschaffen (bis heute ja immer noch nur rudimentär auf Tonträger erschlossen), für seine überwältigenden Oratorien und für seine Orchesterwerke - wobei seine sechs strengen, ungeheuer dunklen Concerti grossi für mich persönlich ein Höhepunkt der Istrumentalmusik vor 1750 sind.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Selbst wenn der Eindruck entstehen sollte, ich spreche dem Ulli nach dem Mund, so stimmt das nicht, wenn ich auch Joseph Martin Kraus erwähne, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte.
    Insoweit fühle ich mich missioniert!
    Padre :yes:

  • Vielleicht bin ich nicht der einzige, der zunächst den Eindruck hatte, die Musik vor Beethoven, nicht zuletzt Haydn und Mozart, leide an persönlichem Ausdruck und sei doch wohl nicht ganz so ernsthaft wie dann die Romantiker und spätere Epochen.
    Von diesem Vorurteil hat mich Luigi Cherubini mit seiner Medee (bzw. die italienische Fassung "Medea") geheilt. Diese spannungsgeladene Oper bietet für mich ein Vorbild oder eine Folie, die mich auf starke Affekte auch bei Haydn und Mozart aufmerksam machte.
    Zwar hat Maria Callas durch ihr Engagement für die von ihr hervorragend verkörperte Medea dafür gesorgt, dass Cherubini nicht ganz vergessen ist (sich auch immer wieder auf dem einen oder anderen Sampler findet). Dennoch wird er - verglichen mit den nachdrücklichen Referenzen von Beethoven und Brahms - m. E. sträflich unter Wert gehandelt. Sein Name verschwindet in der zweiten oder dritten Reihe der Komponisten seiner Zeit, obwohl er auch hervorragende Streichquartette und zwei Requiems geschrieben hat, die ich Mozarts Requiem vorziehe.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Wilhelm Friedemann Bach - dem man überhaupt nicht gerecht wird, wenn man in an seinem Vater mißt; als Orgelvirtuose soll er ihn nach Ohrenzeugenberichten ja sogar übertroffen haben. Ich halte ihn für eine faszinierende Gestalt, die das Pech hatte, zwischen die von uns zu sehr strapazierten Stilkategorien zu fallen, die so gar nicht auf ihn passen wollen, und wie kaum ein anderer Musiker von Romanen und Filmen mit einem Klischeebild überlagert zu werden, das mit seinem Leben und seiner Person kaum zu tun hat.


    Johann Schobert Mozart hat ihn zu recht geliebt. Seine Melodien gehen mit nicht mehr aus dem Kopf - Goethes Schwester soll ihn fast täglich gespielt haben.

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  • Zitat

    Original von Klawirr
    Der zweite, den ich gerne protegiere ist Georg Muffat, dem immer so ein wenig das Vorurteil des staubigen Lullisten anhängt. Sicherlich ist Muffat ein Lullist - aber keineswegs ein staubiger, sondern ein überaus spritziger. Dies kann man an seinen Concerti grossi (in denen französischer und italienischer Stil sehr hübsch verkreuzt werden) und den Violinsonaten erleben. Sicherlich spürt man in diesen Werken zwei große Vorbilder - Lully einerseits, Corelli andererseits - aber es findet sich doch viel eigenständiges Esprit in diesen schönen Werken. Naja, und dann stammt aus seiner Feder auch eine fanszinierende Gruppe von Orgelwerken: Der Apparatus Musico-Organisticus.


    Ja und zuletzt ist da natürlich - jetzt springe ich wieder durch die Zeit zurück - Alessandro Scarlatti. Ein Komponist der IMO gar nicht hoch genug geschätzt werden kann! - der ein gewaltiges Werk hinterlassen hat, wobei jedes einzelne der mir bekannten Werke eine Offenbarung ist; dem es stets gelingt strengste Kontrapunktik mit einer einzigartigen Ausdruckskraft ja Emphase zu verbinden. Das gilt für sein Opernschaffen (bis heute ja immer noch nur rudimentär auf Tonträger erschlossen), für seine überwältigenden Oratorien und für seine Orchesterwerke - wobei seine sechs strengen, ungeheuer dunklen Concerti grossi für mich persönlich ein Höhepunkt der Istrumentalmusik vor 1750 sind.


    Der Wahl dieser beiden Komponisten kann ich mich nur anschließen!

  • Auch ich finde schon einige Komponisten genannt, die ich gerne verstärkt hören möchte, nämlich die Herren Fasch, A.Scarlatti und natürlich den Biber.


    Meines Erachtens gehört auch Johann Joseph Fux unbedingt mehr (ein-) gespielt. CPO ist gar nicht genug zu rühmen für die inzwischen schon recht zahlreichen Aufnahmen von Fuxens Musik (immerhin 4 :wacky: ). Der alte Bach hatte schon Recht damit, dass - laut CPEs Überlieferung - die Werke von Fux ganz oben in seiner Gunst standen.


    Auch viel zu wenig auf den Spielplänen vorhanden, sind die Opern von Jean Philippe Rameau, vor allem außerhalb Frankreichs (siehe oben bei Lully).


    Und schließlich hätte ich gern mehr von den Thomaskantoren vor Bachs, sprich von Knüpfer, Schelle, Kuhnau, Schein etc.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Tach,


    ich hatte im Komponistenforum schon auf Antonio Casimir Cartellieri aufmerksam gemacht ->hier. Leider bisher ohne Resonanz. Anscheinend ist er tatsächlich weitgehend vergessen und aus dem musikalischen Gedächtnis verdrängt. Das ist mehr als schade, denn seine Musik ist einfach nur schön (aber vielleicht liegt auch da das Problem).


    Ich glaube, meine erste Begegnung mit ihm fand über einen Sampler mit klassischer, "audiophiler" Musik von MDG statt. Das Stück - ich weiss jetzt nicht mehr welches es war, glaube aber, dass es ein Klarinettenkonzert mit Dieter Klöcker war - hat mich sofort beeindruckt und ich habe mir dann alle erreichbaren Aufnahmen zugelegt. Sei Oevre ist wegen seines frühen Todes mit nur 35 Jahren recht überschaubar.


    Wenn ihr Gelegenheit findet: hört ihn euch einfach mal an.


    VG, Bernd

  • meiner bescheidenen meinung nach wird hanns eisler sträflich gemieden...


    in diesem netten weihnachtsgeschenk:




    ist allerdings immerhin die Deutsche Sinfonie drin...
    ich glaube aber kaum, dass die mehrheit der klassikhörer diese meinung teilt.


    lg, Max

  • Mein unbescheidener missionarischer Eifer (einfach ertragen diesmal, lieber Wulf !!) spricht sich natürlich für diese beiden Komponisten aus, die selbstverständlich zu den ganz Großen gehören und gemessen an ihrer überreichen kompositorischen Substanz im Musikleben viel zu sehr vernachlässigt werden (Werke von R. Strauss sind dagegen viel zu sehr überrepräsentiert). Und das sind – wie sollte es denn anders auch sein:


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Arnold Schönberg und Luigi Nono !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Beide haben u.a. uns Kammermusik unvergleichlichen Ranges geschenkt. Schönberg komponierte zwei der schönsten Instrumentalkonzerte überhaupt: Sein Violinen- und sein Klavierkonzert. .......


    Ferner ist es überfällig, dass endlich das Spätwerk von Egon Wellesz :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    endlich Platz im Konzert-Repertoire findet (auch seine späte Kammermusik) :yes: :yes: :yes: :yes: und der größte lebende Komponist Elliot Carter :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    sollte nicht bloß zu irgendwelchen Geburtstags-Jubiläen gespielt werden
    Auch Pfitzner :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    und Zemlinsky :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    werden viel zu sehr vom Musikbetrieb ignoriert. Obwohl beide mit den „Palestrina“ :jubel: :jubel: :jubel: und die „Kleider machen Leute“ :jubel: :jubel: :jubel: große Opern geschrieben haben, die den Vergleich z.B. mit der „Pelleas. “ nicht zu scheuen brauchen...


    :hello:

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  • Zitat

    Original von Amfortas08
    Ferner ist es überfällig, dass endlich das Spätwerk von Egon Wellesz Platz im Konzert-Repertoire findet


    Wieso nur das Spätwerk??? -
    Die frühen Ballette und Opern der 10-er und 20-er Jahre interessieren mich sehr viel mehr als das ziemlich spröde und sperrige Spätwerk des Komponisten.


    :hello:
    Johannes

  • Ich habe nicht nur gesagt, aber das Spätwerk von Wellesz fetzt am meisten. . Es ist für mich viel interessanter als seine früheren Arbeiten. So spröde und sperrig empfinde ich Wellesz Spätwerk gar nicht und wenn es dennoch so spröden und sperrigen Charakter hat (ich wage es zu bezweifeln), vielleicht ist das gerade der Reiz seines Spätwerkes. Ein anderer Forianer hat es mal als zerklüftet bezeichnet und diese Bezeichnung gefällt mir am besten


    .... für mich ist der typische Wellesz der


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    späte Wellesz.. ...
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello:

  • Aha! Interessant!
    Demnach kennst Du also seine Ballette:
    Das Wunder der Diana 1914; Persisches Ballett 1920; Achilles auf Skyros 1921; Die Nächtlichen 1923


    und die Opern:
    Die Prinzessin Girnara; 1919/20; Alkestis 1922/23; Die Opferung des Gefangenen 1924/25 ???


    Daß es irgendwelche Einspielungen dieser Werke gibt, wäre mir neu.


    :hello:
    Johannes

  • Meine Lieben


    Euer missionarischer Eifer in Ehren - und letztlich habe ich auch dazu aufgerufen.
    Aber ich persönlich versuche nur solche "vergessenen" Komponisten zu präsentieren, wo ich der Meinung bin, ihr "Vergessensein" wäre auf unglückliche Zufälle zurückzuführen (wie beispielsweise im Fall Boccherini, dessen Dienstherr so versessen auf seine Musik war, daß er den Komponisten vor aller Welt abschirmte - nur um ihn nicht mit irgendjemanden teilen zu müssen, bzw ihn an jemand anderen zu verlieren. Nach Boccherinis Tod wanderte der Nachlass ins Archiv....)


    Wenn aber ein Komponist auf Grund seiner (nicht ich habe das gesagt :stumm:) "Sperrigkeit", Melodienarmut, Inkompatibilität zum Publikum etc... Jahrzehnte BEWUSST ignoriert wurde - dann sehe ich wenig Hoffnung auf Wiederbelebung seines Ruhms, bzw
    auf eine lebende Aufführungspraxis seiner Werke.


    Ich persönlich missioniere ja eigentlich nicht in dem Sinne Überzeugungsarbeit zu leisten, ich versuche beispielsweise Hörer die gerne Mozart hören auf Werke ähnlich klingender Komponisten aufmerksam zu machen, von denen ich annehme, daß sie beigestert reagieren würden, wenn Sie diese Werke nur kennen würden.....


    Dennoch: Meine guten Wünsche begleiten Euch... :hello:


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred Schmidt
    Aber ich persönlich versuche nur solche "vergessenen" Komponisten zu präsentieren, wo ich der Meinung bin, ihr "Vergessensein" wäre auf unglückliche Zufälle zurückzuführen


    Eben solch ein Fall trifft auf Wellesz zu, dessen Rezeptionsgeschichte ab 1938 (Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland) abrupt abbrach und nach 1945 (wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen wie Zemlinsky, Schreker, Schulhoff) nur in wenigen Ansätzen wieder aufgenommen wurde. Die Qualität der Kompositionen hat damit nichts zu tun.


    :hello:
    Johannes

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  • Einst auch in meiner Heimatstadt Kassel künstlerisch sehr aktiv gewesen, Louis Spohr 1784 - 1859! Er war Komponist und zudem ein hervorragender Violinvirtuose, Dirigent, Hofkapellmeister und Pädagoge. Obwohl er sehr vielseitig begabt und recht erfolgreich war, ist er inzwischen leider doch ziemlich in Vergessenheit geraten. Darum hier meine Erinnerung an ihn!
    Hier ein Auszug aus Wikipedia


    Spohr wurde als das älteste Kind des Medizinalrates Dr. Karl Heinrich Spohr (1756–1843), der 1786 als Physikus nach Seesen am Harz versetzt wurde, und seiner Frau Ernestine Henke (1763–1840) geboren. Das Kind zeigte früh sein musikalisches Talent, so dass es schon im fünften Jahr gelegentlich in den musikalischen Abendunterhaltungen der Familie mit seiner Mutter Duette singen konnte. Mit zwölf Jahren wurde Spohr nach Braunschweig geschickt, um sich bei gleichzeitigem Gymnasialunterricht in der Musik auszubilden. Hier wurden Kunisch und später Maucourt seine Violinlehrer, während ihn der Organist Hartung, jedoch nur kurze Zeit, in der Komposition unterrichtete. Nach Spohrs eigener Versicherung war dies die einzige Unterweisung, die ihm in Harmonielehre und Kontrapunkt je zuteil wurde, so dass er also die bedeutenden Fähigkeiten, die er gerade auf diesem Gebiet besaß, hauptsächlich dem eigenen Fleiß zu danken hatte.


    Mit 15 Jahren ernannte ihn der Herzog von Braunschweig zum Kammermusiker und versprach ihm, ihn zu weiterer Ausbildung noch irgendeinem großen Meister zu übergeben. Die Wahl fiel endlich auf Franz Eck in München, als dieser eben im Begriff war, eine Kunstreise nach Russland anzutreten. Spohr begleitete ihn und kehrte erst im Juli 1803 nach Braunschweig zurück. Hier traf er Pierre Rode an, dessen Spiel nachhaltigen Einfluss auf seine weitere Entwicklung ausübte. Spohrs Ruf als Violinvirtuose verbreitete sich nun infolge einiger Kunstreisen so rasch, dass er schon 1805 die Konzertmeisterstelle in Gotha erhielt. In dieser Stellung verblieb er, nachdem er sich ein Jahr später mit der Harfen- und Klaviervirtuosin Dorette Scheidler verehelicht hatte, abgesehen von mehreren mit seiner Gattin unternommenen Kunstreisen, bis 1813, als er einem Ruf als Kapellmeister des Theaters an der Wien folgte. Zwistigkeiten mit dem Direktor des Theaters, Graf Ferdinand von Pálffy, waren die Ursache, dass er dies Amt bereits nach zwei Jahren niederlegte und wiederum Kunstreisen antrat, die sich diesmal auch auf die Schweiz, Italien und Holland erstreckten, bis er im Winter 1817 die Kapellmeisterstelle am Theater in Frankfurt am Main und die Leitung des Orchesters der Frankfurter Museumsgesellschaft übernahm. Hier brachte er 1818 seine Oper Faust und 1819 Zemire und Azo zur Aufführung, welche beide enthusiastischen Beifall fanden; gleichwohl verließ Spohr schon im September d. J. Frankfurt und begab sich von neuem auf Kunstreisen nach Belgien, Paris und 1820 nach London.
    Louis Spohr 1824 in Kassel von Johann August Nahl
    Louis Spohr, frühe Daguerreotypie um 1840, Fotograf unbekannt
    Einweihung der Beethovenhalle und 100. Todestag Spohrs


    Nach viermonatigem Aufenthalt ruhmgekrönt zurückgekehrt, ließ er sich in Dresden nieder, erhielt jedoch schon im folgenden Jahr auf Veranlassung Carl Maria von Webers die Berufung als Hofkapellmeister nach Kassel und trat im Januar 1822 in sein neues Amt ein. Größere Virtuosenreisen unternahm er von nun an nicht mehr; dagegen machte er sich sehr um das Musikleben der Stadt Kassel verdient, wobei er das Niveau des Orchesters auf eine nie zuvor erreichte Höhe brachte und außerdem einen Gesangverein für Oratorienmusik gründete.


    Nicht minder bedeutend war seine Tätigkeit als Lehrer und Komponist. In ersterer Eigenschaft wurde er das Haupt einer Violinschule, wie sie Deutschland seit Franz Benda nicht besessen hatte, und von allen Teilen Europas strömten ihm die Schüler zu. Gleichzeitig entwickelte er eine erstaunliche Produktionskraft auf allen Gebieten der Komposition und betätigte sich als Dirigent zahlreicher Musikfeste in Deutschland und England. Auch der Verlust seiner Gattin (1834), für die er in einer zweiten Ehe mit der Klavierspielerin Marianne Pfeiffer nur einen annähernden Ersatz fand, vermochte seinen Arbeitseifer und seine Pflichttreue nicht zu vermindern, so wenig wie die kleinlichen Schikanen, die er später von seinem Fürsten zu erdulden hatte, dies namentlich nach dem Jahr 1848, obwohl er im Jahr zuvor durch die Ernennung zum Generalmusikdirektor ausgezeichnet worden war. 1857, gegen seinen Wunsch und mit teilweiser Entziehung seines Gehalts pensioniert, blieb er bis zu seinem Tod am 22. Oktober 1859 als Mensch wie als Künstler eine Persönlichkeit allgemeiner Verehrung.


    Als Komponist hat Spohr die musikalische Literatur auf jedem ihrer Gebiete durch Meisterwerke von unvergänglichem Wert bereichert. Auf dem der dramatischen Musik wurde er neben Carl Maria von Weber und Heinrich Marschner der Hauptvertreter der romantischen Oper, wenn er auch hinsichtlich des szenisch Wirksamen hinter diesen beiden zurücksteht und infolgedessen seine Opern, mit Ausnahme von Jessonda, noch zu seinen Lebzeiten von den deutschen Bühnen verschwanden. Auch in seinen Oratorien Die letzten Dinge, Der Fall Babylons u. a. folgt er ausschließlich seinem subjektiven Naturell, um auf die Nachwelt zu wirken, wiewohl hier seine Neigung zum Elegischen und das konsequente Festhalten eines erhabenen Pathos sowie endlich der für alle seine Arbeiten charakteristische, nicht selten in Überfülle ausartenden Reichtum der Modulation die Wirkung weniger beeinträchtigen als in seinen Opern. Unbedingte Bewunderung verdienen seine zahlreichen, ausnahmslos durch Adel der Empfindung und formale Abrundung hervorragenden Instrumentalwerke, sowohl für Orchester als auch für Kammermusik, unter den ersteren die Symphonien in c moll und Die Weihe der Töne, unter den letzteren die Quintette und Quartette, sowohl für Streichinstrumente allein, als auch mit Klavier. Den größten und verdientesten Erfolg aber haben die speziell für sein Instrument geschriebenen Werke und seine 15 Violinkonzerte gehabt, darunter namentlich das 7., 8. („in Form einer Gesangsszene“) und 9., sowie seine Violinduette. Seine große Violinschule steht noch heute an klassischem Wert unübertroffen da.


    Er ist Ehrenbürger der Stadt Kassel, wo sich auch das Loius-Spohr-Museum in der Schönen Aussicht 2 befindet.


    Die Stadt Braunschweig vergibt zwei nach ihm benannte Musikpreise.[1] Die Stadt Seesen verleiht die Louis Spohr Medaille.


    Werke [Bearbeiten]
    Das Ständetheater in Prag, in dem Spohrs Faust 1816 uraufgeführt wurde


    Mehr als 200 Werke hat Louis Spohr hinterlassen, u. a.:


    * Oper Jessonda (1823),
    * Oper Der Berggeist (1825),
    * Oper Pietro von Abano (1827),
    * Oper Der Alchymist (1830),
    * Oper Die Kreuzfahrer (1845)
    * Oper Faust (Synopsis:[1])
    * Oper Zemire und Azor
    * Acht Ouvertüren zu Bühnenwerken
    o Macbeth
    o Die Prüfung
    o Alruna
    o Faust
    o Jessonda
    o Der Berggeist
    o Pietro von Abano


    * Kantate Das befreite Deutschland (1814)
    * Oratorium Das jüngste Gericht (1812)
    * Oratorium Die letzten Dinge (1826)
    * Oratorium Des Heilands letzte Stunden (1835)
    * Oratorium Der Fall Babylons (1842)
    * 18 Violinkonzerte
    * 10 Sinfonien
    * 33 Streichquartette
    * 7 Streichquintette
    * 4 Doppelquartette für 2 Streichquartette
    * Nonett F-Dur op.31 für Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott
    * Oktett E-Dur op.32 für KLarinette, 2 Hörner, Violine, 2 Violen, Violoncello und Kontrabass
    * Lieder
    * Lieder für Singstimme, Klarinette und Klavier (Texte)
    * 4 Klarinettenkonzerte



    An Louis Spohr erinnert ein Denkmal auf dem Friedrichsplatz, dass ihn in Lebensgröße mit der Violine unterm Arm, für jedermann sichtbar, auf einen hohen Sockel stehend, zeigt.
    Mit lieben Grüßen,
    Diotima

  • Guercoeur
    Nein ich meine natürlich seine frühen Sinfonien, die Bakchantinnen (Marc Albrecht 24.08.03), Leben, Traum und Tod op. 55, Lied der Welt op. 55, Sonette der E. Browning op. 52 oder sein 2. Trio.
    Und da ziehe ich sein Spätwerk vor. Mir ist aber nicht klar, warum Wellesz großes Spätwerk - das vom Musikbetieb in fast perfider Art und Weise ignoriert wird - besonders spröde sein soll.


    @Alfred
    "Wenn aber ein Komponist auf Grund seiner (nicht ich habe das gesagt ) "Sperrigkeit", Melodienarmut, Inkompatibilität zum Publikum etc... Jahrzehnte BEWUSST ignoriert wurde - dann sehe ich wenig Hoffnung auf Wiederbelebung seines Ruhms, bzw
    auf eine lebende Aufführungspraxis seiner Werke."

    Der späte Webern ist wesentlich sperriger als der späte Wellesz und wird dennoch wesentlich häufiger aufgeführt.


    Unbescheidener missionarischer Eifer muss sich unbedingt auch auf die Werke richten, die sperrig oder unbekannt oder beides und deren kompositorische Qualitäten über jeden Zweifel erhaben sind bzw. die im Musikleben viel zu unterrepräsentiert sind. Dazu zähle ich Schönberg :jubel: :jubel:, Nono :jubel::jubel:, die zwar zurecht Prestige besitzten, aber viel zu selten gespielt werden. Und gleiches gilt für Pfitzner :jubel:, Zemlinsky :jubel:, Elliot Carter :jubel:und wie gesagt für den späten Wellesz :jubel:.
    Diese Aufzählung beansprucht keine Vollständigkeit.


    Mit freundlich-missionarischen Grüßen


    :hello:

  • @Amfortas


    :hahahaha:


    War mir schon klar, daß Du früher oder später in diesem thread auftauchst... :rolleyes:


    Oohhhm, oooohhhmmm...ich übe mich in Geduld, ooohmmm......


    Mist. Ich muss Dich einfach auf einen kleinen Fehler Deinerseits hinweisen.Der Fehler der Deplatzierung Deines Beitrags. :stumm:


    Hast Du Alfreds Eröffnungs-Posting durchgelesen? Siehste.


    Es geht um Komponisten, die kurz vor der Versenkung in die Archive sind, Komponistem, die dringendst eines Advokaten bedürfen.


    Bei aller Überrepräsentanz Dir (und mir) eher ungeliebter Komponisten, kann wohl vom Vergessen zweier wichtiger Komponisten wie Schönberg und Nono nicht die Rede sein.


    :angel:
    Wulf

  • Ich finde der


    superspäte Debussy


    ist auch etwas unterrepräsentiert.


    Nein, mal im Ernst: mich wundert seit langem, warum es zig Einspielungen der Preludes gibt, aber sich so wenige große Namen an die Etudes gewagt haben. Warum nicht???


    Schönbergs Moses & Aron wird auch selten gegeben, dabei kann die Oper es fast mit dem Pelleas aufnehmen. Na ja.


    :hello:
    Wulf

  • Wenn ich dem hier angesprochenen zeitgenössischen und sämtlich zwischen seinen übergroßen Vorläufern und Nachfolgern zerriebenen Trio aus Cherubini, Spohr und ... noch den Dritten hinzufügen darf:


    Gaspare Spontini (1777 - 1851)


    Seine Lebenszeit begann kurz vor Mozarts IDOMENEO und endete kurz vor Berlioz' LES TROYENS, und diese beiden Werke rahmen diesen in Italien, Frankreich und Deutschland mit gutem Grund zu großem Ruhm gekommenen Komponisten künstlerisch wie thematisch sehr gut ein.


    Sein Meisterwerk LA VESTALE ist dank Maria Callas wieder sporadisch ins Repertoire gekommen, aber wer meint, Spontini sei eines jener Ein-Werk-Wunder gewesen, welche die Musikgeschichte immer wieder mal hervorbringt, höre sich einmal diese Aufnahme seiner OLYMPIE an, die diesem Dreiländermeister ihm den Weg nach Deutschland ebnete:


    [jpc]5218507 [/jpc]


    Ich höre sie gerade erstmals mit wachsender Aufmerksamkeit und Begeisterung und weiß schon jetzt, dass ich von Spontini noch viel mehr hören möchte. Leider gibt es neben den beiden nur noch eine alte AGNESE DI HOHENSTAUFEN. Wo aber sind FERNAN CORTEZ oder seine frühen italienischen Buffoopern? Ich bin sicher, da entgeht uns noch viel, denn nicht von ungefähr waren so grundverschiedene Komponisten wie Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Wagner und Berlioz von ihm begeistert.


    Und wenn das klappt, sollte man vielleicht auch noch an Ferdinando Paer denken, aber von dem muss ich erst noch mehr hören, soweit das derzeit überhaupt geht.


    :hello: Jacques Rideamus

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