Des Maestros Fehlgriff - Die ungeliebte Aufnahme vom geliebten Dirigenten

  • Vielleicht gibt es ein ähnliches Thema schon - wenn ja, dann habe ich es jedenfalls übersehen.


    Gibt es sowas, daß ihr eine Aufnahme eines von euch sehr geschätzten, ja geliebten Dirigenten kauft und diese dann für mißlungen erachtet?
    Hattet ihr schon derartige Erfahrungen?


    Ich habe jetzt kein konkretes Beispiel parat, aber z.B. wird ja Karajans Bach allgemein ziemlich schlecht bewertet - obwohl ich diesen Dirigenten ansonsten sehr schätze, kann ich das in dem Fall z.T. nachvollziehen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Von dem von mir überaus verehrten Ernest Ansermet gibt es so etwas. Allerdings nicht bei den von ihm für die DECCA aufgenommenen Platten. Der schweizereische Rundfunk hat allerdings ein recht großes Ansermet Archiv. Auch hat -nach seinem Tode- die Ansermet Gesellschaft eineige Rundfunkmitschnitte für die Mitgkieder der Gesellschaft als LP zugänglich gemacht. Letztere veröffentlichten auch einen Mitschnitt seines letzten Konzertes. Mit dem Wissen um diesen Umstand, daß Ansermet einen Monat später verstarb (das Konzert fand am 18.12.1968 statt), höre ich diese Aufnahme eines Werkes, das unter seiner Leitung auch als Studio-Einspielung vorliegt: die "Cantate de Noel" von Artur Honnegger. Dieser Mitschnitt ist gewiss kein Fehlgriff (am Rande angemerkt: für den Interessenten ohnehin ein nur teuer zu beschaffendes Rarissimum), eher wrd die Erwartung ein wenig enttäuscht, hier etwas Ultimatives vorzufinden, das die Studio-Aufnahme übertreffen könnte. Der große alte Meister dirigiert zum letzten Mal dieses Werk, das die große Hoffnung de 20. Jh auf Frieden und Neuanfang ausspricht. Es klingt nicht so bezwingend wie seine Studio-Aufnahme.


    Regelrecht enttäuschend dann aber eine Cascavelle-CD: Ansermet dirgiert de Fallas "Nuits" mit Roberts Casadesus am Klavier. Zum Dessert gibt's Mozart.
    Pianist und Dirigent finden hier überhaupt nicht zueinader. Ich schätze Casadesus, hätte hier aber gerne gehört, daß er sich auf Ansermets Lesart eingelassen hätte. Diesen Konzertmitschnitt hätte man besser nicht veröffentlicht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Santoliquido,


    Ansermet ist ein interessantes Thema.
    :yes: Ich schätze Ansermet sehr bei Debussy, Ravel und den anderen Französischen Komponisten.
    Auch seine Aufnahmen von russischen Komoponisten sind sehr schöne Ausflüge in die Welt der "Orchesterbilder aus dem alten Russland": Rimsky-Korsakow, Glinka, Liadow, Mussorgsy und Borodin sind einige Namen, die mir gleich positiv von meinen alten Decca-LP´s einfallen.
    Honegger ist mit Ansemet referenzwürdig ausgefeilt.
    De Falla-CD´s mit Ansermet sind große Schätze.


    :( Enttäuscht war ich seinerzeit vom Inhalt der Decca-LP-Kassette mit allen Balletten von Strawinsky:
    Le Sacre hatte ich von Swetlanow, Solti und Karajan nun wirklich anders kennengelernt. Es fehlt bei Ansermet die durchschlagende rhymische Perfektion; alles scheint irgendwie anders betont zu werden - es wirkt auf mich einfach zu lasch.
    Petruschka und einige Ballette waren auch nie das, was ich mir vorstellte und zahlreihe andere Dirigneten waren bei diesen Werken ungleich interessanter und für mein Empfinden vorzuziehen.
    ?( Gewundert hat mich dies schon sehr, da Ansermet Strawinsky persönlich kannte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    Zitat

    Es fehlt bei Ansermet die durchschlagende rhymische Perfektion


    gerade dafür wurde der Ernest doch immer gelobt. :yes:


    Ich habe keine Probleme mit seinem Strawinsky.
    Allerdings seit ich Chaillys Sacre habe hör ich keine andere Aufnahme mehr :angel:


    Dafür finde ich Solti beim Sacre seltsam holprig :stumm:


    Gruß
    embe

  • Hallo Wolfgang,


    an die Strawisnky-Box hatte ich gar nicht gedacht, aber das stimmt, die hat Schwächen. Besonders der "Sacre". Was mich daran allerdings am meisten stört, ist der für DECCA sehr untypische verwaschene Klang. Da geht sehr viel unter. Wo es dann wieder interessant wird ist der "Feuervogel" mit den Londonern (jene späte 2 LP-Box mit dem Probenmitschnitt). Im Vergleich zu der von mir beklagten, von Cascavelle posthim aus Rundfunkarchiven publizierte de-Falla CD (und DU hast zurecht angemerkt, daß Ansermet's Studio-Einspielungen von de Falla klasse sind) ist der "Sacre" immer noch von Referenzqualität :wacky: .


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Ich habe da so eine Aufnahme von Schumanns Klavierkonzert unter Bernstein mit Frantz (genau - Justus Frantz) am Flügel. Na jaaaa.......


    Die Frühlingssymphonie finde ich unter Bernstein (ich glaube mit den Isrealis) mindestens genau so fragwürdig. die EInleitung wird zur Wagnerschen Prohezeiung aufgeblasen - mir eindeutig zuviel des Guten.....

  • Zitat

    Ich habe da so eine Aufnahme von Schumanns Klavierkonzert unter Bernstein mit Frantz (genau - Justus Frantz) am Flügel. Na jaaaa.......


    Hallo wulf,


    Du meinst sicher die DG-Aufnahme mit den Wiener PH / Bernstein / Frantz.
    OK ich finde Fleisher / Szell (SONY) auch besser, aber dieser Thread sollte doch absolute Fehlgriffe eines Klassikkünstlers aufzeigen.
    :beatnik: Das paßt dann hier nicht, da Frantz / Bernstein eine gar nicht so schlechte Aufnahme vorlegten.


    Übrigens gibt es auch vom Schumann-Klavierkonzert eine ältere Frantz / Bernstein-CBS-Aufnahme (SONY) mit den New Yorker PH, die noch eleganter ist - die Beiden waren also schon gut eingespielt.


    ------------------


    Die Schumann-Sinfonien mit Bernstein schätze ich hoch - die Aufnahmen mit den New Yorker PH (SONY) genau so wie mit den Wiener PH (DG).
    :beatnik: Dies als Fehlgriff des Maestros zu bezeichnen wäre fatal und völlig daneben.
    Das Lenny eine Schumann-Aufnahme mit dem Israel PH gemacht hat wäre mir neu !?! Aber nur diese kann dann die sein, die weniger gut ist und die Du meinst.


    ---------------------------------------------------


    8) Es gibt nur zwei Bernstein-Aufnahmen mit denen ich mich nicht stark identifizieren kann:


    1.) Bruckner: Sinfonie Nr.9
    Bernstein war einfach kein Bruckner - Dirigent - mehr will ich dazu nicht sagen.
    2.) Liszt: Les Preludes
    An Fricsay und Karajan (beides DG) kommt Bernstein bei weitem nicht heran.


    Diese beiden Werkaufnahmen als Fehlgriff von Bernstein zu bezeichnen, wäre schon sehr überheblich. Aber sie sind IMO nicht so gelungen, wie es sein sollte und sein kann.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Vorweg möchte ich sagen, daß ich den Dirigenten Herbert von Karajan sehr schätze - aber nicht kritiklos verehre oder bewundere.



    Seine Ausflüge in den Bereich der Barockmusik möchte ich nicht tadeln, denn eine "romantische" Wiedergabe von Werken dieser Zeit hatte durchaus Tradition - und könnte ganzen Generationen von Dirigenten vorgeworfen werden.



    Jedoch halte ich seine "Sinfonie fantastique" für eine schwache Leistung, bei der er von den Tontechnikern der Deutschen Grammophon nach besten Kräften unterstützt wurde. Herausgekommen ist IMO eine flache, wenig räumliche und temperamentlose Einspielung.



    Ähnlich empfand ich die Einspielung von Schostakowitsch Sinfonie Nr 10 (ich besitze die analoge Einspielung)


    Wahrscheinlich - nein sicher - ist hier Mravinsky unerreicht....



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von teleton


    Die Schumann-Sinfonien mit Bernstein schätze ich hoch - die Aufnahmen mit den New Yorker PH (SONY) genau so wie mit den Wiener PH (DG).
    :beatnik:Dies als Fehlgriff des Maestros zu bezeichnen wäre fatal und völlig daneben.
    Das Lenny eine Schumann-Aufnahme mit dem Israel PH gemacht hat wäre mir neu !?! Aber nur diese kann dann die sein, die weniger gut ist und die Du meinst.


    Ne, sind doch die Wiener. Na ja, ich weiß, Du stehst auf Bombast-Interpretation. Bloß eignet sich das bei Schumann weniger..... :untertauch::D

  • Hallo,


    wenn ich überhaupt einen Lieblingsdirigenten haben sollte, dann wohl Gardiner. Allerdings betreibe ich keinen Dirigentenkult.
    Daß ich Gardiners Mozart-Symphonien vergleichsweise langweilig finde und mich seine Bachsche h-moll-Messe enttäuscht hat, darüber sehe ich großzügig hinweg.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Tja, so empfindet eben doch jeder anders...
    Ich kann es da mehr oder weniger so wie Pius halten: Wenn ich überhaupt einen Lieblingsdirigenten habe, dann dürfte das Bernstein sein.


    Und bisher bin ich nur von seiner Interpretation Tschaikowskijs 4.Symphonie gänzlich enttäuscht.
    Auch hier mag es Stimmen geben welche das Gegenteil behaupten, aber ich verspüre bei seiner Aufnahme mit den New Yorkern nicht das von mir geliebte Feuer. Es hat mich einfach nicht ergriffen.


    Ob das jetzt ein Fehlgriff Bernsteins ist - schwer zu sagen. Für mich war es einer, ja.
    Aber Bernstein konnte in meinen Ohren auch fantastischen Tschaikowskij dirigieren: ich denke da an die 1. und 2.Symphonie, auch mit den New Yorkern...


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo, Maik!


    Ist es eine ganz bestimmte Einspielung der vierten Tschaikowsky, die Dir mit Bernstein missfällt? Dann schau ich mal bei mir und versuche es nachzuvollziehen! :]


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo Wolfgang!


    Wenn Bernstein mehr als eine Einspielung mit den New Yorker Philharmonikern hat, dann müsste ich mal nach dem Aufnahmedatum schauen - ansonsten hatte ich ja geschrieben, dass es mir um die New Yorker geht ;) :baeh01:


    Wenn dir das Cover beim Suchen hilft:



    Derzeit sogar recht günstig zu bekommen :faint:


    Bin dann mal auf deine Einschätzung gespannt.


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Zitat

    Original von Maik
    Wenn Bernstein mehr als eine Einspielung mit den New Yorker Philharmonikern hat, dann müsste ich mal nach dem Aufnahmedatum schauen - ansonsten hatte ich ja geschrieben, dass es mir um die New Yorker geht ;) :baeh01:



    Es gibt tatsächlich noch eine zweite Bernstein-Vierte mit dem New York Philharmonic, nämlich die ungefähr 1986 (?) eingespielte Version - eine der polarisierenden superexhibitionistischen Aufnahmen der letzten drei Tschaikowsky-Symphonien durch Bernstein für die Deutsche Grammophon. Die Vierte hält sich aber noch im Rahmen, zumindest im Vergleich mit der gefürchteten Sechsten :D.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Gut, also obige Einspielung ist vom 30.September 1958.


    Eben lese ich noch, dass es seine (Bernsteins) Erstaufnahme ist.
    1975 hat er sie wohl ein weiteres Mal eingespielt.
    Was es mit der von 1986? auf sich hat weiß ich allerdings nicht...

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Jetzt habe ich nochmal auf der "offiziellen" Bernstein Web Site nachgeschaut. Es gibt in der Tat drei Aufnahmen der Vierten mit Bernstein und dem New York Philharmonic, nämlich die oben von Maik abgebildete von 1958, dann folgende von 1975:





    Und schließlich den von mir erwähnten Livemitschnitt vom 31.10.1989 (nicht 1986) aus der Avery Fisher Hall, der in folgender Box enthalten ist:





    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Wulf


    Ne, sind doch die Wiener. Na ja, ich weiß, Du stehst auf Bombast-Interpretation. Bloß eignet sich das bei Schumann weniger..... :untertauch::D


    Hallo wulf,


    Du machst es Dir oft einfach mit deinen Antworten: "Ich stehe auf bombast" und fertig - Quatsch.
    :yes: Ich stehe auf Interpretationen mir Herzblut - in denen ein Werk auf Siedehitze gebracht wird. Das ist bei Bernstein und Schumann auf jeden Fall gegeben.
    Ein Fehlgriff ist hier keinesfalls in irgend einer Form gegeben (daher ist Schumann mit Bernstein in diesem Thread völlig fehl am Platze).


    :hello: Wenn Du einen soften Schumann bevorzugst - gut dann höre Dir mal Marriner (Brillant) :faint: an, diese Doppel-CD habe ich lange weiterverhökert - das ist warscheinlich ein Ansatz für Schumann, der Dir näher kommt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo maik,


    der "andere Wolfgang" möchte Dir hier auch antworten.
    Mit Bernstein sind wir beide uns ja immer einig - das ist auch einer meiner 3 Lieblingsdirigenten.


    Der Ordnung halber möchte antworte ich Dir im Tschaikowsky-Thread, denn hier geht es um Fehlgriffe eines Dirigenten und das paßt IMO auf Bernstein nicht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    also für mich war das im September 58 schon ein Fehlgriff, den sich unser Bernstein da geleistet hat.


    Nur kommt in mir gerade die Frage auf, was man hier jetzt eigentlich genau als 'Fehlgriff' ansehen soll!?!


    ?(


    Vielleicht interpretiere ich da etwas anderes hinein, als es entweder vom Threadstarter gemeint und gewollt war oder gar generell so angesehen wird.


    In meinen Ohren fehlen mir bei dieser Aufnahme eben die Glanzpunkte, an denen ich mich sonst bei ihm immer so ergötzen kann: Fehlgriff seinerseits.
    Oder eben Geschmack meinerseits, aber bitte wo will man da genau die Grenze setzen!?


    Sicher dürfte das Wulf mit Schumann und Bernstein ähnlich sehen. Weiß ich nicht.


    Also vielleicht erst mal ein paar klärende Worte zum Hintergrund.


    Lieben Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Daniel Barenboim ist zwar kein Lieblingsdirigent von mir (deshalb spreche ich ihm seine Qualitäten aber nicht ab, als Pianist schätze ich ihn aber doch höher ein - jedenfalls für jene Zeiten, als er "nur" Pianist war), seine Aufnahme von "Don Giovanni" war aber ein echter Fehlgriff (das hat man davon, wenn man sich eine Aufnahme kauft, in der ein geschätzter Sänger- in diesem Fall Luigi Alva - mitwirkt). Ich habe dann auch gehört, dass die "echte" Produktion als Aufführung auch viel besser war, als die im Studio aufgenommene Platte. Das war eine der ersten (die erste ?) Opernproduktionen von Barenboim und das ist auch als Studioproduktion deutlich zu erleben.
    Keine Kaufempfehlung !


    Michael 2

    Einmal editiert, zuletzt von brunello ()

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  • Von Karajan könnte man hier viel nennen, das kommt wohl einfach davon, wenn man alles bekannte einspielen wollte. Ich mag bei Karajan Hoch- und Spätromantik eigentlich sehr, dagegen finde ich den Beethoven mit jeder neuen guten Aufnahme einer der Sinfonien, die ich neu hinzubekommen habe, zunehmenden belangloser, es klingt teilsweise einfach uninspiriert. Die 8. und 9. finde ich immer noch super, bei der 5. und 7. lässt Kleiber ihn wie ich finde klar im Schatten stehen und das lässt bei mir manchmal die Frage aufkommen, ob ich den Rest auch nur so gut finde, weil ich noch keine bessere Alternative gehört habe. Ich fand die 5. mit Karajan ja auch super, bis ich dann Kleiber gehört habe und gedacht habe: oh mein Gott, das ist ja ein ganz neues Werk.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo, Maik, hallo, miteinander!


    Eben habe ich mir die vierte Tschaikowsky mit Bernstein wieder einmal angehört, und zwar in der Version von 1975; eine andere dieser Sinfonie mit diesem Dirigenten besitze ich nicht. Insofern ist es nicht diejenige, die Maik als missglückt betrachtet.



    Es handelt sich um einen Sampler von 2003, den ich, alles in allem, durchaus schätze.


    Die Vierte ist weder meine Lieblingssinfonie von Tschaikowsky, noch ist es wohl diese Einspielung (da würde ich Mrawinsky (vermutlich) vorziehen).


    Die Aufnahmetechnik ist für das Entstehungsjahr meines Erachtens nicht ganz zeitgemäß. Es ist jener wandernde Stereoklang, der zu exponierten und bisweilen unmotivierten Rechts-Links-Wirkungen führt. Auch fehlt mir der Bassbereich zugunsten eines eher grellen Gesamtklangs, der oft auch durchsichtiger sein könnte.


    Natürlich liefert Bernstein eine pathetische Deutung, aber anders wird man der Sinfonie wahrscheinlich gar nicht gerecht.


    Jetzt müsste ich nochmals gezielt vor allem mit Mrawinsky vergleichen.


    Als Fehlleistung betrachte ich die Einspielung nicht. Da es sich aber nicht um Maiks Aufnahme handelt, hat meine Meinung ohnehin an Witz verloren. :( :D


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Bernstein ist nun wirklich einer meiner Lieblingsdirigenten, und ich lasse ihm wahrscheinlich mehr durchgehen (an Pathos, Eigenwilligkeit, Temporückungen etc. etc.) als jedem anderen.
    Aber...
    Bernsteins Tschaikowski-"Sechste" in der DG-Aufnahme ist wirklich schlimm; auch seine Sibelius-"Erste" bei DG ist zumindest problematisch.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Bernstein ist nun wirklich einer meiner Lieblingsdirigenten, und ich lasse ihm wahrscheinlich mehr durchgehen (an Pathos, Eigenwilligkeit, Temporückungen etc. etc.) als jedem anderen.
    Aber...
    Bernsteins Tschaikowski-"Sechste" in der DG-Aufnahme ist wirklich schlimm; auch seine Sibelius-"Erste" bei DG ist zumindest problematisch.


    :hello:


    Ich mag Bernstein auch, aber die Kritik an seinem Tschaikowsky ist auch aus meiner Sicht berechtigt. Einfache Formel: Wenn ein Komponist wie Tschaikowsky, der zuweilen nahe am Wasser komponierte, durch einen anderen Komponisten/Dirigenten wie Bernstein interpretiert wird, dem es an solchen Stellen schnell ans Herzerl ging, dann geht das eben leicht schief. Die 4. und 5. Sinfonie unter Bernstein sind daher nicht weniger schlimm. Das Finale der 5. (vor und insbesondere nach der Generalpause) sind schier unerträglich. Im Grunde hat der große Lenny alles, was man mit gutem Geschmack an Tschaikowsky aussetzen kann (übermäßige Sentimentalität und Emotionalität), nochmals ins Unerträgliche (Geschmacklose) gesteigert. Die 6. hat er dabei quasi neu komponiert, denn die Abweichungen von der Partitur sind atemberaubend. So gesehen kann es nicht verwundern, dass der emotionale Tschaikowsky insbesondere dann gut gelingt, wenn er von einem ausgesprochen kontrolliert-ekstatischen Dirigenten wie Mravinsky oder Karajan interpretiert wird, wobei ersterer etwas härter und letzterer etwas schöner dirigiert.


    Loge

  • Zitat

    Original von Loge
    ... So gesehen kann es nicht verwundern, dass der emotionale Tschaikowsky insbesondere dann gut gelingt, wenn er von einem ausgesprochen kontrolliert-ekstatischen Dirigenten wie Mravinsky oder Karajan interpretiert wird, wobei ersterer etwas härter und letzterer etwas schöner dirigiert.


    Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass derartige Musik auch bei den Dirigenten gut aufgehoben ist, die allgemein als etwas "kühl" gelten. Ich habe z.B. Maazel bei Tschaikovskij ganz gut in Erinnerung...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Zitat Loge
    Die 6. hat er dabei quasi neu komponiert, denn die Abweichungen von der Partitur sind atemberaubend.


    Wobei mich die Abweichungen von den Partiturangaben innerhalb eines Satzes nicht einmal gar so wahnsinnig stören - das ist halt der alternde Bernstein. Mich stört wesentlich mehr diese verschwitzt sentimentale bis weinerliche Grundhaltung, die er der Musik aufzwingt. "Aufzwingt", weil sie tatsächlich in der Musik nicht vorhanden ist, das lehren Interpreten wie Mrawinskij und Swetlanow, die ja Tschaikowskij nichts wegnehmen, sondern einfach mit etwas mehr (Swetlanow) oder etwas weniger (Mrawinskij) Freiheit an den Noten bleiben.
    Am schlimmsten ist für mich dabei das Finale der Sechsten mit diesem absurd langsamen Tempo und diesen schluchzenden Violinen. Das ist eigentlich keine Fehlinterpretation mehr, das ist nur noch geschmacklos. Leider...!
    :hello:

    ...

  • Hallo maik, WolfgangZ und alle zu Tschaikowsky´s Sinfonie Nr.4,


    WolfgangZ hat Klarheit in die Angelegenheit gebracht, denn auch ich besitze die Aufnahme von 1975 in der abgebildeten SONY-GA.
    Ich war der Meinung das deine SONY-Bernstein-Century-CD (von 1958 ) die gleiche Aufnahme sei, die auch in der SONY-Columbia-Legends _ GA enthalten ist.


    Für die Aufnahme von 1975 kann ich voll und ganz WolfgangZ´s Worten anschließen:

    Zitat

    Als Fehlleistung betrachte ich die Einspielung nicht. Da es sich aber nicht um Maiks Aufnahme handelt, hat meine Meinung ohnehin an Witz verloren.


    :yes: Wie ich bereits im Tschaikowsky-Thread mitgeteilt habe, solltest Du aber unbedingt Bernsteins DG-Aufnahme von 1986 (mit Francesca da Rimini) kennenlernen, die Dich sicher nicht enttäuschen wird.


    Wie einige Taminoaner schon geschrieben haben, ist diese nicht mit solchen Extremen wie bei den Sinfonien Nr.5 und 6 (bei DG) ausgestattet (auch das ich Geschmackssache und ich würde da nicht wie Edwin (bei Nr,.6) von geschmacklos sprechen - es sind tiefe Gefühle die Bernstein leiteten).
    Aber eine hochemotionale Aufnahme der Sinfonie Nr.4, die die 1975er-CBS-Aufnahme (und offenbar auch die 1958er) um längen übertrifft, ist es allemal.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Zitat teleton
    es sind tiefe Gefühle die Bernstein leiteten


    Unbestritten - die rückhaltlose Emotionalität ist ja eines der Charakteristika Bernsteins.
    Aber: Der große Dirigier-Lehrer Hans Swarowsky pflegte zu sagen, man möge mit heißem Herzen und kühlem Kopf dirigieren. Bei dieser DG-VI. habe ich das Gefühl, daß auch Bernsteins Kopf heiß war; seine gefühle waren sicher echt, aber auf mich wirkt das Ergebnis leider relativ geschmacklos. In diese Orgie des Seelenstriptease kann ich Bernstein, trotz all meiner Faszination für diesen bedeutenden Musiker, nicht folgen.
    :hello:

    ...

  • Hallo,


    für mich ist die 5. Beethovens unter Bernstein mit den Wiener Philharmonikern von 1980 ein Fehlgriff - eine ungeliebte Aufnahme.


    Für mich sind die Tempi grundlegend falsch, was sich besonders bei der 5. besonders bemerkbar macht. Die Sätze sind vollkommen überdehnt (Liegt es an der grundlegenden Langsamkeit und/oder an den Rubati?), es fehlt die Verbindung der Sätze. Alles wirkt zeitlupenartig und zerrissen.


    'So schlecht habe ich die 5. noch nicht gehört.'


    Bis dann.

  • Mein neuer Co-Lieblingsdirigent hat bei einem meiner Lieblingswerke IMO leider eine schwache Aufnahme hingelegt:



    Und für nur 85,76 Euro kann man sich davon überzeugen...

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner