Höhe- und Tiefpunkte der Spielzeit 2006/2007

  • Seit gestern ist es amtlich: "Opernhaus des Jahres" wurde das Stadttheater in Bremen (für mich etwas überraschend) und die "Komische Oper" zu Berlin, was mich ehrlich gefreut hat.


    Letztere stellt auch mit Kyrill Petrenko den "Dirigenten des Jahres".


    Bei den Inszenierungen überzeugte die Kritiker an meisten der "Don Giovanni" in Essen in der Regie von Stefan Herheim.


    Jetzt würde mich interessieren: was sind denn eure persönlichen Höhepunkte der vergangenen Spielzeit? Was hat euch gut gefallen, was bleibt hängen - und: was missfiel oder hat euch gar geärgert?


    Kurze Begründung wäre schön. Ich selbst warte mal ab, ob es Beiträge hier geben wird, bevor ich meine Eindrücke der letzten Spielzeit einbringe.


    :hello:

  • Hallöchen !!
    Mit meinen grademal 3 - 4 jährlichen Opernbesuchen fühle ich mich eigentlich nicht kompetent für diesen Thread :yes:
    Alviano mag`s mir aber nachsehen, dass ich die Gelegenheit nutze, um mir zum 2.mal DAS Frusterlebnis der letzten Spielzeit ein wenig von der Psyche zu schreiben.........


    Die Rede ist von 17 (!!) Zuschauern in der von mir besuchten Vorstellung von Poulencs "La voix humaine" in den Meininger Kammerspielen :(
    ...wurde übrigens kombiniert mit der Vorlage von Cocteau - an einem uninteressanten "Beiprogramm" konnte es also nicht liegen...


    DAS blieb wahrlich hängen - zumal wir vor ca. 3 Wochen (als ich mir zum 2.mal Christoph Loys duisburger "belle helene" angesehen habe) auch nur geschätzte 65 Leute waren: Und das bei ganzen 3 Aufführungen in 07/08 !!!!!!!


    Diese Erfahrungen (die hier ein wenig OT sein mögen SORRY) bestärken meine Befürchtungen, dass in ca. 15, 20 Jahren bloss noch allbekanntes Repertoire rauf- u. runtergespielt wird.............
    Wäre schon klasse :yes::yes:, falls mich Leute hier diesbezüglich etwas BERUHIGEN könnten !!!!!


    CIAO !!
    piet

  • Hallo Alviano,



    bei mir sind es interessanterweise zwei Repertoirevorstellungen, die ich für mich als Höhepunkte der vergangenen Spielzeit bezeichnen würde:



    Die (zeitlich) erste war Flotows MARTHA an der MuKo in Leipzig am 3. März.


    Gesungen haben unter Leitung von Roland Seiffarth Eun Yee You (Lady), Kathrin Göring (Nancy), Milko Milev (Lord Tristan), Stanley Jackson (Lyonel) und Andre Eckert (Plumkett)
    in einer wunderschönen, spielfreudigen Inszenierung von Ralf Nürnberger, in der mit wenigen moderneren Andeutungen das Stück (!) als klassische Komödie inszeniert wurde. So gut gesungenes Deutsch habe ich trotz vieler nicht-muttersprachlicher Sänger selten gehört!




    Die (zeitlich) zweite war die Vorstellung von Verdis LA TRAVIATA an der Bayerischen Staatsoper am 26. April.


    Angekündigt für diese Vorstellung waren ursprünglich Stefania Bonfadelli, Roberto Aronica, Franco Vasallo und Marco Armillato.
    Erlebt habe ich u.a. Anna Samuil (die im Sommer die Tatjana in Salzburg sang), Ramon Vargas und Paolo Gavanelli.


    Eine schlüssige Inszenierung (die bereits 1993 Premiere hatte) und ein packendes Dirigat des begnadeten Sängerdirigenten Ivan Anguélov, der die Vorstellung zu jedem Zeitpunkt mit aufmerksamen Blicken und sparsamer, aber deutlicher Gestik im Griff hatte, seine Sänger quasi auf Händen trug und dabei auch dem altbekannten Werk noch völlig neues zu entlocken vermochte.



    LG, Elisabeth


    PS: Schade, dass die von piet genannte Vorstellung in Meiningen so schlecht besucht war - die soll nämlich sehr gut gewesen sein - Aber vielleicht schreibt uns unser Meininger Tamino noch etwas dazu?

  • Höhepunkte waren für mich zweifellos unsere Wiener "La Fille du Regiment": Eine witzige Inszenierung (Laurent Pelly) und eine Sängerriege, die einfach nicht zu toppen ist. Dessay & Florez haben mich für alle weiteren Filles in meinem Leben nachhaltig geprägt oder soll ich besser sagen: verdorben??
    Rang 2: Händels "Semele" in Zürich in der Inszenierung von Robert Carsen (Carson? Das merk ich mir nie :O :O ), der die "antike Klamotte" äußerst geschickt und klug in die Gegenwart geholt und mit vielen witzigen Details ausgestattet hat. Auch hier ließen die Sänger, allen voran eine umwerfende Cecilia Bartoli und ein fulminanter Charles Workman, keine Wünsche offen.
    Enttäuschung der Saison war unser "Boris", wo Regisseur Jannis Kokkos wirklich alle Möglichkeiten verschenkt hat, sich für keinen Regiestil entscheiden konnte und die Sänger mehr oder weniger sich selbst überlassen blieben. Von wenigen Ausnahmen (Furlanetto, aber auch er mit Abstrichen, Eröd) abgesehen, überzeugte mich diese Produktion auch musikalisch nicht.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Wikipedia meint:


    Robert Carson (April 7, 1918 - March 24, 2006) was a British numismatist. He was a leading expert on Roman coins, and was employed as Keeper of Coins and Medals at the British Museum from 1978 to 1983.


    Als Eselsbrücke :D


    :hello:
    Sascha

  • Zitat

    Original von Antracis


    Als Eselsbrücke :D


    :hello:
    Sascha


    Danke :lips: Hübsche Eselsbrücke: Das "o" erinnert an eine Münze, also ist "mein " Carsen der ohne ;)
    lg Severina :hello:

  • Hallo


    Das ist für Graz eine leichte Frage! Peter Konwitschnys Fliegender Holländer war punkto Inszenierung der Höhepunkt der Saison, dazu musikalisch auch sehr erfreulich! Das Gegenstück war eine katastrophale Rigoletto-Inszenierung, die ich nach Möglichkeit verdränge...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Meine Höhepunkte in der letzten Saison waren "Wozzek" in Klagenfurt (Regie: Olivier Tambosi, Marie: Christiane Boesiger und ein grandioser Ernst-Dieter Suttheimer als Hauptmann) und "Il Giustino" in Schwetzingen (die Wiederentdeckung eines zu seinen Lebzeiten höchst prominenten Komponisten) mit Elisabeth Kulman in der Titelrolle.


    Die Tiefpunkte habe ich hoffentlich erfolgreich verdrängt.



    Michael 2

  • höhepunkt:"don giovanni" essen aalto.eine inszenierung die spass macht.(hab´ für jan. wieder karten gekauft)


    tiefpunkt:gab´s eigentl. keinen richtigen,viell.,dass ich f. anna netrebko keine karten in wien bekommen habe(viell. klappts ja in dieser saison)


    lg yago

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  • Hallo Alviano,


    hier ein paar Notizen zu meiner Opernsaison 2006/2007


    "Aus einem Totenhaus" in Amsterdam
    Janacek/Boulez/Chereau - muss nicht weiter erläutert werden: neben den "Soldaten" meine Aufführung des Jahres!


    "Die Soldaten" in Bochum / Ruhrtriennale
    Besser geht's nicht, intensiver auch nicht. Sicher eine gigantisch teure Produktion mit Riesenorchester(n), Riesenbühne (120 m lang!), Riesenensemble, Riesentechnik (fahrbare Zuschauerplätze). Aber kein "Event", sondern eine ernsthafte, absolut dem Werk dienende unvergessliche Glanzleistung (dieses Jahr ist die Reprise total ausverkauft, nächstes Jahr geht die Produktion auf Reise in die USA!)


    "Hercules" in Amsterdam
    Händels Oratorium, inszeniert von Luc Bondy, dirigiert von Christopher Moulds (ein hervorragendes Solistenteam in einem nicht ganz spitzenklassigen Ensemble).


    "Carmen" in Maastricht, inszeniert vom Regieschreck Calixto Bieito. Musikalisch nicht allzu grossartig, die teils brutalen Überrumpelungsszenen waren jedoch für meine Begriffe bezwingend, "wahr" und "richtig" für die hundertmal gesehene und eigentlich immer wieder unbegreiflich brutale Geschichte.


    "Giulio Cesare in Egitto" / Oper Köln
    Christopher Moulds dirigierte hervorragend, Inszenierung war Geschmackssache, das kleine Barockensemble war hoffnungslos zu leise für die hinteren Plätze in der Akustikgrotte des Opernhauses.


    "Billy Budd" / Oper Köln
    sehr ernsthaft, sehr ergreifend. Musikalisch grossartig, ganz klar ohne Mätzchen inszeniert, eine Glanzleistung!


    "Fairy Queen" / Theater Aachen
    Purcells Reißer in einer zu recht ausverkauften, putzmunteren Barocktravestie. Einfach Spitze!


    Ebenfalls Aachen: "La clemenza di Tito" - vorige Spielzeit, aber da als Mozart-Trilogie gemeinsam mit "Idomeneo" (und demnächst Mitridate) angelegt, gilt ein kurzer Kommentar vielleicht doch ;): sehr plastisch inszeniert. Als Allzweckwaffe wieder mal umwerfend präsent Romelia Lichtenstein als Vitellia, sehr realistisch der Titus des Andreas Scheidegger.
    Den "Idomeneo" mag ich eigentlich sehr, in Aachen blieb alles für mich zu blass. Das lag vielleicht am verworrenen Bühnengeschehen oder an der etwas verhuschten musikalischen Gestaltung, schade, aber ich war nicht überzeugt.


    Nochmal Aachen: "Lohengrin"
    Der gelungene Einstieg in eine Wagneroper. Marcus Bosch und sein Orchester auf der Höhe ihrer Kunst. Das ist glücklicherweise nicht ein Einzelfall geblieben: in der aktuellen Spielzeit ist Wagners "Holländer" so klangsatt, dramatisch, tonschön, wie man ihn sich nur wünschen kann (die Inszenierung ist leider für meine Begriffe allzu bemüht, um wirklich zu überzeugen).


    "Saul" / Oper Bonn
    besucht im Dezember 2006: die Reprise des Oratoriums als Oper in der zwingenden Regie von Dietrich Hilsdorf. Großartig inszeniert, großartig gesungen und - wie der Jephtha vom gleichen Regisseur - ergreifend gespielt.


    Hab' ich nichts vergessen? Ach, es waren wieder wunderbare Momente, auch wenn nicht alles gelungen, einiges schiefgegangen aber vieles einfach grossartig war! Und wieder mal habe ich das meiste nicht sehen können!

    Beste Grüße!

  • Höhepunkte der Spielzeit waren für mich "Simon Boccanegra" und "Germania" an der DOB;
    Tiefpunkte waren die musikalische Leitung des "Fidelio" an der Berliner Staatsoper durch Salemkour und die des "Freischütz" an der DOB durch Palumbo (der die DOB zum Glück verlässt).


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zitat

    Original von rita
    Mei Tiefpunkt war an der DOB die Inzenierung
    des Simone Boccanegra.


    Zitat

    Original von heldenbariton
    Höhepunkte der Spielzeit waren für mich "Simon Boccanegra" und "Germania" an der DOB



    Gut zu wissen. :D



    Alviano wird ja eventuell noch "Simone Boccanegra" an der Frankfurter Oper als Tiefpunkt benennen - aus reinem Widerspruchsgeist könnte ich mich vielleicht bereitfinden, diese Aufführung als Höhepunkt der Saison zu bezeichnen :D.


    Naja, besser nicht... :wacky:



    Viele Grüße


    Bernd

  • Jetzt hab ich ja tatsächlich dieses Thema etwas aus dem Blick verloren - bestimmt auch, weil ich mich von Bernd so durchschaut fühle... :wacky:


    Es ist schon richtig: der "Simone Boccanegra" in Frankfurt gehört für mich klar zu den Tiefpunkten der zurückliegenden Saison (Regie: C. Loy). Ebenfalls ein Tiefpunkt: "Antigonae" und "Oedipus" von Carl Orff in Darmstadt - konventionell-langweiliges Theater von John Dew in den Sand gesetzt.


    Bei den Höhepunkten habe ich mich nach langem Überlegen für die "Don Carlo"-Inszenierung von Calixto Bieito in Basel entschieden - trotz mancher Überzeichnung die packenste und aufregenste Inszenierung, die ich in der vergangenen Spielzeit gesehen habe.


    Dicht gefolgt von Stefan Herheim , der Mozarts "Don Giovanni" in Essen fulminat auf die Bühne gebracht hat.

  • Obwohl ich gar nicht so der Opernbesucher bin: der Höhepunkt für mich war Billy Budd in Frankfurt. Da ich die Oper zuvor weder gehört, noch gesehen habe, muß ich mich mit Superlativen zurückhalten, als persönliches Erlebnis war der Besuch in Frankfurt zutiefst ergreifend. Zumal auch musikalisch alles perfekt gepasst hatte.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Obwohl ich gar nicht so der Opernbesucher bin: der Höhepunkt für mich war Billy Budd in Frankfurt.


    Hallo Thomas,


    der Frankfurter "Billy Budd" gehört allerdings schon in die Saison 2007/2008 - und die läuft ja nun noch ein Weilchen... :D


    Hast Du denn die Kölner Produktion von "Billy Budd" gesehen (ich glaube, in der Regie von W. Decker)? Da ist Frankfurt stärker?


    Wenn ich schon mal dabei bin (die Antwort muss ja nicht hier erfolgen): wie zufrieden sind denn die Kölner so mit der Entscheidung für Uwe-Eric Laufenberg?


    LG

  • Der Höhepunkt war für mich eindeutig die
    WALKÜRE am Theater in WEIMAR.


    Tolle Sänger, tolle Regie, tolles Orchester.
    Alles hat a l l e s gepaßt und da schimpfe ich nie
    mehr über die sogenannte Provinz.


    :pfeif::pfeif::pfeif:

    mucaxel

  • Hallo Alviano,


    den Frankfurter Bily Budd habe ich vom Radio aufgenommen, den Kölner habe ich gesehen.


    Wenn ich vergleiche: musikalisch finde ich die Frankfurter Aufführung großartig und hab sie jetzt zum dritten Mal gehört. Was Ihr alle über das Live-Erlebnis geschrieben habt, konnte ich hier zuhaus natürlich leider nur bedingt nachvollziehen.


    Köln dann: "nach einer Inszenierung von Willy Decker", quasi realistisch angesetzt, mit historisierender Kleidung, Schiffsszenen und einer grandiosen "Todesverkündigung", dem Publikum und also auch mir stockte der Atem.


    Im Orchester etliche Bläserwackler, auf der Szene einige weniger geglückte Momente (Personal steht sich im Weg oder Schiffssegel verhaken sich) - aber egal: ergreifend fand ichs doch.


    Vielleicht noch was im Vergleich: in Köln war Douglas Nasrawi der Kapitän, ein hervorragender, der Rolle entsprechend etwas abgedunkelter Tenor, damit wirkte er etwas älter als der hochgeschätzte John Mark Ainsley, was ich für den alten Käptn absolut passend fand. Der Kölner Billy Budd war Miljenko Turk (ich hab das Programmheft hier liegen), ein strahlender Held, sehr imponierend!


    Übrigens Laufenberg: es gibt wohl etliche Kölner, die jetzt schwer aufatmen und "endlich" seufzen, eine solche monatelange Hängepartie für eine Groß- und Kulturstadt ist ja echt unmöglich!

    Beste Grüße!