STRAUß, Johann (Sohn) - WIENER BLUT

  • Johann STRAUß (Sohn)
    WIENER BLUT


    Operette in drei Akten


    Musikalisches Arrangement von Adolf Müller jun., Libretto von Viktor Léon und Leo Stein. Uraufführung am 26.Oktober 1899am Carl-Theater in Wien. Das Werk fand zunächst wenig Resonanz und wurde erst 1905 durch die Aufführung am Theater an der Wien zum Erfolg.


    Personen:


    Fürst von Ypsheim-Gindelbach, Premierminister von Reuß-Schleiz-Greiz (Baßbuffo/Bariton)
    Balduin Graf Zedlau, Gesandter von Reuß-Schleiz-Greiz in Wien (Tenor)
    Gabriele, seine Frau (Sopran)
    Graf Bitowski (Sprechrolle)
    Demoiselle Franziska Cagliari, Tänzerin am Kärntnertor-Theater in Wien (Soubrette)
    Kagler, Karussellbesitzer, ihr Vater (Baßbuffo/Bariton)
    Pepi Pleininger, Probiermamsell (Soubrette)
    Josef, Kammerdiener des Grafen Zedlau (Tenorbuffo)



    1.Akt


    Josef, der Kammerdiener des Grafen Zedlau, ist auf der Suche nach seinem Herrn, denn dessen Vorgesetzter, der Premierminister des deutschen Miniaturstaats Reuß-Schleiz-Greiz, Fürst Ypsheim-Gindelbach, ist in Wien eingetroffen, um auch am Wiener Kongreß teilzunehmen. Der Graf hat seine Gesandtenpflichten bisher nicht allzu ernst genommen. Früher ein eher tugendhaft-trockener Ehemann hat er sich im Wiener Milieu in einen flotten Schürzenjäger verwandelt. Während seine Gattin sich einsam auf dem Schloß ihrer Eltern langweilt, genießt er das süße Wiener Leben. Seine Geliebte, die Tänzerin Franziska Cagliari, die eigentlich Kagler heißt und Tochter eines Karussellbesitzers ist, hat er in der Villa seiner Frau etabliert. Franzi ist aber bereits argwöhnisch und mutmaßt wohl nicht mit Unrecht, daß ihr Graf Balduin nicht immer treu ist. Sie versucht Josef auszufragen, hat aber keinen Erfolg. Da trifft endlich der Graf selbst ein und beschwichtigt sie mit dem Hinweis, daß er sich ab und zu doch auch um seine Frau kümmern müsse. Tatsächlich aber hat der Graf gerade an einer Probiermamsell Feuer gefangen und läßt Josef nun einen Brief an diese schreiben („Mein lieber Schatz, ich muß es dir gesteh’n“), in dem er das Mädchen nach Hietzing ins Kasino einlädt. Josef, der selbst mit einer Probiermamsell liiert ist, zeigt augenzwinkerndes Verständnis. Er ahnt nicht, daß seine Mamsell und die des Grafen ein und dieselbe sind. Just kommt auch eben diese Pepi, um der Cagliari die bedauerliche Mitteilung zu machen, daß das Kostüm, in dem diese beim Ball des Grafen Bitowski tanzen sollte, nicht zu ändern sei. Da dieses Kostüm auf die Maße Pepis geschnitten ist, bestimmt die Cagliari, daß diese statt ihr tanzen wird, da sie bei den Proben ohnehin immer mitgewirkt hat. Pep verabredet sich mit Josef ebenfalls für einen gemeinsamen Abend in Hietzing.
    Da erscheint plötzlich der Premierminister, welcher der ihm noch unbekannten Gräfin Zedlau seine Aufwartung machen will. In seiner drolligen Dummheit hält er, Franziskas schüchterne Aufklärungsversuche ignorierend, diese für die Gräfin und erregt sich wohlmeinend, aber wenig taktvoll über das Lotterleben der des Grafen, über das er schon einiges gehört hat, und den er heute schon mit einer anderen Dame im Wagen gesehen hat. Er versucht die vermeintliche Gräfin zu trösten und versichert ihr, daß das Verhältnis des Grafen mit der Balleteuse Cagliari sicher keinen Bestand habe. Empört und zutiefst getroffen zieht sich Franziska zurück. Jetzt geht dem tapsigen Premierminister endlich ein Licht auf, daß er da nicht sehr diplomatisch-taktvoll agiert hat. Verlegen folgt er der Gekränkten, um seinen Fauxpas wieder auszubügeln.
    Da taucht plötzlich die Gräfin Zedlau in der Villa auf („Grüß dich Gott, du liebes Nesterl“), der die auffälligen Ablenkungsversuche ihres Gatten verdächtig geworden sind. Natürlich trifft sie auf den Premierminister. Der erkennt in ihr die Dame aus dem Wagen und glaubt, die Cagliari vor sich zu haben, worauf er sie der Taktlosigkeit beschuldigt, sich hier einzudrängen. Als der Graf wieder erscheint, flüstert ihm Fürst Ypsheim empört zu, er möge seine Geliebte sofort entfernen. Doch die Gräfin denkt nicht daran, zu verschwinden, da sie noch nicht durchschaut, was hier gespielt wird. Zu allem Überfluß tritt auch noch Franzi ein. Geistesgegenwärtig bittet der Graf seinen Chef, ihm als loyaler Kavalier aus der Bredouille zu helfen und die Dame als seine Gattin vorzustellen. Der Premierminister ist zwar willig, begreift den Grafen aber nur halb und präsentiert statt der Cagliari die Gräfin als seine fürstliche Gemahlin, mit der er eiligst gleich wieder verschwindet. Graf Zedlau ist konsterniert, denn nun sind Gabriele und Franzi natürlich beide in ihrem Mißtrauen aufs höchste gespannt, wenngleich durch den Verlauf der Dinge auch entsprechend verwirrt.


    2.Akt


    Ball beim Grafen Bitowski. Franzi stellt Zedlau zur Rede , weil sie dem Premierminister die falsche Gattin natürlich nicht abgenommen hat. Sie hält die Gräfin für eine neue Geliebte des Grafen. Als der Graf, ausnahmsweise die Wahrheit sagend, ihr erklärt, es habe sich um seine Frau gehandelt, und der Minister - um Hilfe gebeten, um die peinliche Szene zu entschärfen - habe die Damen im Eifer verwechselt, glaubt sie auch das nicht.
    Die Gräfin macht ihrem Gatten gleichfalls, freilich sanftere Vorwürfe, daß er sie abgeschoben und dafür in Wien ein flottes Leben mit Mätressen begonnen habe. Dabei sei er früher doch grundsolide gewesen. Sie, die doch ein echtes Wiener Blut sei, sei aber für das eintönige Leben nicht geschaffen. Der Graf gibt zwar zu, auch ein echtes Wiener Blut geworden zu sein, doch die Mätressen streitet er ab. Gabriele gibt ihm aber zu verstehen, daß er ihr als flotter Weltmann weit lieber ist denn als steifer Stock. Nachdenklich geht der Graf ein wenig in sich („Als ich ward ihr Mann“) und muß sich selbst eingestehen, daß er ein ziemlich loser Vogel geworden ist. Trotzdem merkt er, daß er dabei ist, sich wieder in seine eigene Frau zu verlieben. Die Gelegenheit dennoch nützend, steckt der Graf Pepi, die tatsächlich als Tänzerin beim Ball erschienen ist, das Billett zu und bittet sie, mit ihm am Abend nach Hietzing zu kommen. Pepi hat aber wenig Lust, weil sie ja schon mit ihrem Josef verabredet ist. Erst als sie von diesem erfährt, er werde am Abend keine Zeit haben, fühlt sie sich verschaukelt und entschließt sich in eifersüchtigem Trotz, doch dem Grafen zu folgen und Josef so eifersüchtig zu machen..
    Inzwischen war Fürst Ypsheim nicht untätig, um die Verhältnisse des Grafen wieder in Ordnung zu bringen. Tollpatschig, wie der Premierminister aber nun einmal ist, bringt er alles noch mehr durcheinander. Einerseits verspricht er Franzi, der vermeintlichen Gräfin, ihrem vermeintlichen Mann die Geliebte wegzuschnappen, andererseits stellt er den Grafen zur Rede. Der verspricht heuchlerisch, sich zu bessern, wird aber just in diesem Moment von seiner Frau weggerufen. Der verdutzte Minister, immer im Glauben die Gräfin sei die Geliebte, denkt natürlich, daß man ihn zum besten hält. Er warnt also Franzis Vater (der nebenberuflich im Ballorchester spielt und daher auch präsent ist), den er für den der Gräfin hält, daß der Graf eine Geliebte habe. Daraufhin bedrängt Kagler, der bisher nur das Verhältnis Zedlaus zu seiner Tochter kannte und über die angebliche Konkurrenz begreiflicherweise keine Freude empfindet, die Gräfin, Zedlau aufzugeben, wird aber abgewiesen.
    Jetzt bittet die Gräfin ihren Mann, mit ihr das Hietzinger Volksfest zu besuchen. Zedlau behauptet aber, mit seinem Chef arbeiten zu müssen. Um des Grafen Treue auf die Probe zu stellen, verlangt jedoch auch Franzi von ihm, nach Hietzing zum Volksfest geführt zu werden. Zedlau schützt erneut Arbeit mit dem Fürsten vor. In beiden Fällen findet er keinen Glauben. Erbost beschließt Franzi nachzuforschen, mit welcher anderen Geliebten ihr Galan denn nun wirklich nach Hietzing fahren will. Die Gräfin hingegen wendet sich an den Premierminister, der den Verdacht jeglicher Arbeit weit von sich weist. Kokett gibt ihm Gabriele zu verstehen, daß er bei der Komödie am Vormittag nur dem Grafen aus der Patsche helfen wollte, und daß die fremde Dame sicher die Geliebte Zedlaus gewesen sei. Fürst Ypsheim, die Gräfin ohnehin schon heimlich bewundernd, verfällt ihrem Charme immer mehr. Ohne zu ahnen, daß er deren heimliche Absicht erfüllt, sagt er zu, mit ihr nach Hietzing zu fahren. Entzückt berichtet er der Cagliari, erfolgreich gewesen zu sein. Nun gehöre die Geliebte des Grafen ihm „Ich habe gewonnen, ich habe gesiegt“). In seiner Seligkeit glaubt er nun, einen effektvollen Augenblick inszenieren zu können. Er erklärt der Gräfin und Franzi, sich heute geirrt zu haben und dies nun berichtigen zu wollen. Er stellt die Cagliari der Gräfin als Gräfin und die Gräfin als Cagliari der Cagliari vor. Die Überraschung der Damen weicht rasch einem Heiterkeitsausbruch. Die Gräfin versichert dem Premierminister, nicht die Cagliari zu sein und meint, das sei doch Pepi. Pepi wiederum verweist auf die richtige Cagliari. Jetzt kennt sich der Fürst überhaupt nicht mehr aus. Der zur Identifizierung gerufene Josef ist schlau genug, sich herauszuhalten, und behauptet, die Cagliari sei gar nicht da. Nun kommt auch noch der Graf hinzu, sieht alle seine drei Flammen beisammen beim Minister und weicht geschickt dessen Fragen aus (die der Graf vorgeblich nur für scherzhafte hält). Zedlau gibt nur zu, daß seine Gattin unter den dreien ist. Beim Einzug der Fürstlichkeiten stellt sich allerdings sofort heraus, wer die wirkliche Gräfin ist. Fürst Ypsheim glaubt, in den Boden versinken zu müssen. Die einsetzenden Walzerklänge („Die Wienerstadt, sie hat ein Symbol“) ertränken aber, wenigstens für den Augenblick, alle Verwirrnisse.


    3.Akt


    Gräfin Gabriele besteht darauf, von Fürst Ypsheim nach Hietzing begleitet zu werden. Dem ist jedoch aller Enthusiasmus vergangen. Er fürchtet den Skandal und die Eifersucht des Grafen, der ihn womöglich zum Duell fordern könnte. Doch die Gräfin läßt keine Ausflüchte gelten, und so landen die beiden in Hietzing, wo sie sich in einer Laube niederlassen, der Fürst, um nicht gesehen zu werden, die Gräfin, um heimlich beobachten zu können, was ihr Hallodri von Mann anstellen wird. Eine weitere Laube wird von Franzi bezogen, die sich Josef als Begleiter gefunden hat. Der Graf ist auch schon da und wartet auf Pepi („Hier sind die Lauben, hier sollt’ sie warten“). Allerdings nährt er jetzt echte Besserungsvorsätze und denkt ein wenig wehmütig, daß das sein letztes Rendezvous sein wird. Pepi erscheint, verhält sich aber zugeknöpft und gestattet dem Grafen keine Zärtlichkeiten. Umsonst setzt dieser Champagner ein („Stoß an, stoß an, du Liebchen mein“). In drei Lauben sitzen also jetzt drei Paare; ohne voneinander zu wissen. Rasch kommt jedoch Bewegung in die Szene. Josef hat bald heraus, daß sein Graf da ist. Er läßt ihn durch den Kellner herausholen und warnt ihn, daß die Demoiselle auch da sei und eine Riesenkrach zu befürchten sei. Der Graf befiehlt seinem Diener, sich um die Probiermamsell zu kümmern, während er selbst Franzi fortschaffen will. In der Laube des Grafen gibt es daraufhin ein unerwartetes Wiedersehen zwischen Josef und Pepi. Josef zerspringt sofort vor eifersüchtiger Wut, während Pepi vergebens ihre Unschuld beteuert. Sie sei doch nur gekommen, weil sie seine Schrift erkannt habe. Doch Josef läßt sich nicht beruhigen und will sie verlassen.
    Inzwischen ist der Fürst infolge des Alkohols und der Angst eingeschlafen. Gabriele und die Cagliari sind auf der Suche nach dem Grafen. Dabei treffen sie aufeinander und nun erfahrt die Gräfin endlich, daß ihr Vis-à-vis die Tänzerin ist. Aber mit wem ist der Graf hier? Listig tauschen sie die Laubenplätze („So wollen wir uns denn verbünden“). Franzi schlüpft zum Fürsten, während sich Gabriele von ihrem Gemahl absichtlich vor der im Moment ja leeren Laube der Cagliari überraschen läßt. Argwöhnisch fragt der Graf, mit wem seine Gattin denn hier sei. Als Gabriele scheinbar verlegen ausweichend antwortet, verfällt Zedlau in wilde Eifersucht und dringt, Morddrohungen gegen den vermuteten Verführer ausstoßend, in die Laube. Da er dort nichts findet, wird er von seiner Gattin tüchtig ausgelacht. Beschämt gesteht der verunglückte Don Juan und Othello, die Cagliari herbestellt zu haben, um mit ihr Schluß zu machen. In Zukunft werde er ein treuer Gatte sein. Schon scheint sich alles in Wohlgefallen aufzulösen, als Pepi plötzlich Josef hereinschleift und vom Grafen fordert, ihr zu bezeugen, daß zwischen ihnen nichts vorgefallen sei. Jetzt ist das wahre Rendezvous entlarvt. Pepi stellt allerdings keine echte Rivalin dar, sodaß die Gräfin dem Sünder also verzeihen kann. Die cagliari ist schon auf halbem Weg, sich mit dem Fürsten zu trösten. Der ist erwacht und und bemerkt, daß sich alles um ihn drehe. Das käme nicht vom Champagner, sondern vom Wiener Blut, das nun alle gemeinsam noch einmal besingen.

  • Zur Entstehungsgeschichte ist anzumerken: Als der das Carl-Theater leitende Franz Jauner 1898 an Johann Strauß mit der Bitte herantrat, eine neue Operette zu liefern, fühlte sich dieser auf Grund seiner Altersbeschwerden der Aufgabe nicht mehr gewachsen, stellte aber bereitwillig den Fundus seiner Kompositionen zur Verfügung. Strauß erlebte selbst die Uraufführung nicht mehr. Die Musik ist daher einerseits authentisch, andererseits in ihrer Zusammenstellung etc. primär von Adolf Müller (mit einigen Ratschlägen von Strauß im Hintergrund).

  • Beim Stöbern in meiner Vinyl-Sammlung habe ich eine Alternativ-Aufnahme zu meinen häufig gespielten "Wiener Blut"-Aufnahmen gefunden. Mit Rita Streich, Irma Beilke, Fritz Hoppe und Sebastian Hauser auch bestens besetzt. Begleitet werden sie von Chor und Orchester der Berliner Städtischen Oper unter der Ltg. von Hans Lenzer. Diese Einspielung gibt es auch bei Amazon als CD. Leider konnte ich das Cuver nicht einstellen.

    W.S.