• Liebe Taminos,


    ich wollte einen Thread über John McCormack anstoßen, da er 1. zu meinen 3, 4 Lieblingstenören gehört und 2. schon häufiger in Diskussionen aufgetaucht ist, ohne daß er eigens gewürdigt worden wäre.



    Daher hier meine Ausgangsposition:


    Für mich ist McCormack der Tenor mit der natürlichsten Tonproduktion, die manchmal an ein Wunder grenzt. Noch heute (die meisten meiner Aufnahmen sind um 1910 herum entstanden) klingt die Stimme frisch, rund und reizvoll, z. T. vielleicht etwas zu keusch. Drei Rollen messe ich stets an seinem Maßstab: Ottavio, Alfredo und Edgardo. Das sind gesangstechnische Meilensteine.


    Seine folkloristischen Ausflüge habe ich bislang noch nicht auf der Konserve; sollten sie aber dem Durchschnittsniveau seiner sonstigen Aufnahmen genügen, wäre ich sehr neugierig darauf.


    Auch berühmte Anekdoten über den "Naturburschen", der angeblich im Moment des Welterfolgs ausschließlich Champagner getrunken haben soll, sind gern willkommen.


    Also, alle Freunde des kultivierten Tenorgesangs, auf, auf zum Feste!


    Liebe Grüße an alle,



    Christian

  • Vielen Dank für die Erinnerung an McCormack. Ich sehe ihn ähnlich wie Du. McCormack hatte eine der schönsten Naturstimmen seit es Schallaufzeichnungen gibt. Ich selbst stehe vor den Arien-Aufnahmen der drei von Dir genannten Partien immer wieder sprachlos da angesichts solcher Schönheit und Perfektion.


    McCormack kommt in einem der großen Romane des 20. Jahrhunderts vor: In Joyces' Ulysses. Da wird er von Bloom bzw. dem Hobbysänger Joyce (der seine angeblich sehr schöne Tenorstimme am liebsten in Pubs erklingen ließ) als der beste Tenor bezeichnet, den es gibt.


    Joyce wußte also offensichtlich, wovon er schrieb. ;)


    :hello:
    M.

  • John McCormack


    Hallo zusammen,


    mein ganz persönlicher McCormack-Favorit:


    die Aufnahme der Arie "O sleep, why dost thou leave me?" aus Händels Semele, aufgezeichnet im Jahre 1920. Immer wenn ich diese Aufnahme höre, glaube ich, dass nie schönerer Gesang verströmt worden ist.


    Vom Gesangstechnischen her ist die Aufnahme interessant, weil sie ein Paradebeispiel für ökonomischen Einsatz des Atems darstellt: die Melismen, die McCormack auf einem Atem singt sind wahrhaft atemberaubend - allerdings, so scheint es, nur für den Hörer, er selbst produziert sie mit der größten Natürlichkeit, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt. Unglaublich!


    Dieser bei uns halb-vergessene Tenor ist in seiner irischen Heimat nach wie vor sehr präsent, wohl deshalb, weil die von Christian angesprochenen "folkloristischen Ausflüge" eigentlich keine "Ausflüge" waren, sondern das "zweite Standbein" neben der Opernkarriere, und weil sich McCormack es hier nicht leicht mache, sondern für ein irisches Volklied die selbe sängerische Sorgfalt walten ließ wie für eine Opernarie.
    In seiner Geburtsstadt Athlone, in der ich anlässlich eines Wanderurlaubs einmal einen Abend im Pub verbrachte, hat mir so ziemlich jeder an der Theke vorgesungen, wie es bei McCormack geklungen haben soll. Für die ernsthaften Gesangsfreunde: auf CD klingt es besser (aber schön war's doch!).


    Gruß
    Pylades

  • Ich habe soeben meine Nimbus-McCormack-CD (McCormack in Opera) erhalten und war sofort wieder begeistert, insbesondere von dem, was ich lange nicht gehört hatte.
    Auch als Herzog von Mantua ist McCormack durchaus eine gute Wahl, zwar ist das Organ etwas schmaler als bei den großen Herzögen (wie z.B. Pavarotti), die Eleganz des Lebemanns und die fast schon übernatürlich natürliche Tonproduktion über die schnellen Läufe von "Questa o quella" bietet niemand sonst wie McCormack.


    Grüße an alle,


    Christian

  • Noch zwei Eindrücke aus meiner Neuerwerbung:


    Die Faust-Cavatina ist hinreißend gesungen, mit einem perfekt in die gesangliche Linie integrierten C in der voix mixte. Auch die Tonio-Arie aus La fille du régiment ist quasi der lyrische Gegenentwurf zum eher prunkenden Pavarotti. Wenn nicht die Schlußkadenz in "Fra poco a me ricovero" etwas angestrengt wäre, stünde uns hier der optimale Donizetti-Tenor vor Ohren!


    LG,


    Christian



    PS: Mich stört allerdings etwas die Diktion bei Händel, mit bemüht rollenden R's.

  • Liebe Fangemeinde!


    Schön, dass es noch McCormack-Freunde gibt. Ich bin einer von ihnen und oute mich auch sofort als einer, der auch des Counts Kunst auf dem Gebiet der "leichteren Muse" liebt.


    So besitze ich 10 CDs des britischen Labels Pearl mit seinerzeit äußerst populären Aufnahmen des Hünen mit der seidenen Stimme und dem subtilen irischen Akzent, darunter McCormack in Irish, English and American Song, The final Recordings 1941 & 1942, Complete surviving Recordings by Edinson 1904-1906, natürlich die Kreisler/McCormack-Einspielungen oder kleine Nachtmusiken...





    Von "Pop-Songs" jener Tage über Kirchen- und Volks- bis hin zu Kunstliedern ist alles vertreten.


    Sehr bewegend, manchmal gar skurril, auch der Beitrag über den großen Iren in "Belcanto", einer Reihe, die Kesting für die ARD produzierte und die ich einmal günstig auf VHS erstehen konnte.





    Hier singt McCormack sein damals alle Verkaufsrekorde brechendes "I hear you calling me". Zum Heulen schön...



    Gruß in die 78 UpM - Zeit,



    audiamus



    .

  • Ich oute mich als jemand, der leider noch viel zu wenig von John McCormack kennt, diese Lücke aber unbedingt auffüllen will. Ich kenne in erster Linie einige seiner Liedaufnahmen, auch auf dem Gebiet der leichteren Muse, weshalb er für mich auch unbedingt zu den "Großen Liedinterpreten auf Schellack" gehörte.


    McCormack singt für meine Empfindung immer fast "überirdisch schön"; dies mag wie ein abgegriffener Topos klingen, ich meine aber, hier trifft er zu. Nicht nur eine wunderbar reine Stimme, sondern auch eine Eleganz und Stilsicherheit, die ihn meiner Meinung nach aus seiner Zeit heraushebt, gerade weil er nicht versuchte, der veristischen Manier und dem Ideal des baritenore zu folgen, sondern immer etwas in der "Alten Schule" vor Caruso verhaftet blieb.


    Max de Schauensee sagte über ihn: "Wenn ich an das Wort ´Sänger´, herausgelöst aus allen zusätzlichen dramatischen Konnotationen denke, an den Sänger im reinsten Wortsinne, sehe ich John McCormack auf dem Podium vor mir."


    Ich stelle mir, wenn ich ihn höre, den mythischen Sänger Orpheus vor, nicht die Opernfigur, sondern einen Orpheus, der seine Euridice noch nicht verloren hat und noch mit leichter, lächelnder Stimme singen kann.
    Und da liegen meiner Meinung nach die Grenzen McCormacks: In seinen Opernaufnahmen steht weniger ein Don Ottavio, Alfredo oder Duca vor mir, sondern JohnMc Cormack, der diese Arien wunderbar singt. Das gestische Singen fehlt mir da ein wenig. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich in erster Linie auf seine Liedaufnahmen zurückgegriffen habe. Aber dieser thread ist eine gute Gelegenheit, mich hinsichtlich der Opernaufnahmen eines Besseren zu belehren; ich werde mich mit Sicherheit in dieser Hinsicht in nächster Zeit etwas genauer um- und einhören.


    :hello: Petra

  • Liebe Petra,


    ich kann Dir da eigentlich nur beipflichten: McCormack singt stets McCormack, eine Verwandlung oder echte Interpretation findet kaum statt, vielleicht auch, weil ihm solche nicht lag (berühmt ist sein Ausspruch: Ich bin der schlechteste Schauspieler der Welt!). Das orphische Moment seiner Stimme genießt klar das Hauptaugenmerk.
    Warum ich dies allerdings so hoch ansiedle: Es ist eben keine Naturstimme, die uns da präsentiert wird, sondern eine trotz aller Finessen durch eine gewaltige technische Kontrolle so geführte Stimme, daß die Tonproduktion absolut natürlich und komplett unangestrengt wirkt (manchmal gleitet ihm dieser Aspekt in der Höhe etwas aus, da merkt man dann, wieviel Aufwand gerade das natürlich klingende Singen erfordert).
    Es hängt auch ein wenig von den Rollen ab: Einen Ottavio brauche ich nicht als Bühnenfigur, der ist ja so eine hohle Nuß! Den rettet allein die wundervolle Ausführung seines Notenmaterials. Daß ein Alfredo nicht mit dem üblichen prunkenden Verführer besetzt ist, entspicht für mich eher der jugendlichen Tapsigkeit des jungen Germont. Und ein eleganter, augenzwinkender Duca tut einer Rigoletto-Besetzung auch nicht schlecht!
    Dennoch: Die Grenzen McCormacks sind offensichtlich, ebenso wie seine Ausnahmestellung als tenore di grazia!


    LG,



    Christian

  • Lieber Christian,


    Zitat

    Zitat: Daß ein Alfredo nicht mit dem üblichen prunkenden Verführer besetzt ist, entspicht für mich eher der jugendlichen Tapsigkeit des jungen Germont. Und ein eleganter, augenzwinkender Duca tut einer Rigoletto-Besetzung auch nicht schlecht!


    ich schätze die prunkenden Verführer-Alfredos auch nicht (wie ich überhaupt den Typ des super-sinnlichen Verführer-Tenors nicht mag); eine derartige Interpretation entspricht der Rolle überhaupt nicht.
    Alfredo ist für mich eher ein jugendlicher Trotzkopf, der seine idealistische, ernsthafte Auffassung von Liebe der zunächst leichtlebigen Violetta entgegenstellt und ihr, als er sich enttäuscht sieht, voller Wut das Geld vor die Füße schleudert, und zum Schluss verzweifelt versucht, ihr die Vision eines schöneren Lebens zu geben, an die er wohl selbst nicht mehr glaubt. Das kann ein schmachtender Verführer nicht :no:!


    Ich habe von John McCormack das "Parigi" mit Lucretia Bori im Ohr, wunderbar gesungen, perfekter hat auch mein Lieblings-Alfredo Jussi Björling (in der Aufnahme von 1939 wirklich der junge, linkische Trotzkopf!) das nicht hinbekommen. John McCormack singt weicher, tröstender; vielleicht liegt es auch an dem schnellen Tempo der Aufnahme, dass für mich die emotionale Betroffenheit Alfredos deshalb nicht so stark spürbar wird.


    Beim Duca passt die lächelnde Eleganz besser, das sehe ich genauso.


    Und Grenzen hat jeder Sänger. Auch für mich stellt McCormack eine Ausnahmeerscheinung dar, gerade weil er in einer vom Verismo geprägten Zeit auf seinen Maßstäben beharrte und nicht einem Caruso-Ideal nachlief, das zu seiner Stimme und seinem Stil gar nicht gepasst hätte.


    :hello: Petra

  • Beim ersten Hören erschien mir McCormacks Stimme ungewöhnlich hell. Besonders schön finde ich sie jedoch wenn er deutsche Lieder singt. Man kommt dabei gar nicht auf den Gedanken dass McCormack eine andere Muttersprache hat. Ich habe einige seiner Aufnahmen von Kompositionen von Schubert, Schumann, Brahms, Wolf und Strauss.


    Letztes Jahr sind eine Reihe von Testpressungen seiner Platten angeboten worden, manche wohl aus McCormacks eigenen Sammlung. McCormack ist immer schon leidenschaftlich gesammelt worden und solche einzigartigen Aufnahmen sind heute unbezahlbar.


    Stephan

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  • Just, als ich im Laden noch überlegte, welche McCormack-CD aus der Naxos-Reihe ich als erstes kaufen sollte, fiel mir dann doch im selben Regal eine Prima Voce CD mit McCormack in die Hände.




    Da sie eine Reihe der berühmtesten Aufnahmen des Sängers enthält, schien sie mir zum Einstieg geeignet.



    Dem Allermeisten des hier schon Geschriebenen hinsichtlich der Vorzüge (und auch bezüglich der Grenzen) des Sängers kann ich so vollkommen zustimmen, dass ich mich auf einige wenige Anmerkungen beschränke.


    Es handelt sich in der Tat um eine der schönsten Tenorstimmen, die ich je hören durfte. Erstaunlich, wie viel Klang sich da durch die akustischen Aufnahmen doch noch übermittelt.
    Frappierend ist in der Tat die Natürlichkeit der Tonproduktion und die Tatsache, dass es dem Sänger gelingt, den großartigen Klang zumeist auch noch in schwierigsten Passagen vollkommen aufrecht zu erhalten. Dies auch aus meiner Sicht das wirklich großartige der Aufnahme von Il mio tesoro". Die Haltenoten sind nicht nur absolut ebenmäßig, sondern blühen geradezu klangschwelgerisch auf, während der Klang von vielen anderen Sängern an dieser Stelle nicht nur verschlankt, sondern leider auch reduziert wird. Die Melismen sind nicht nur großartig hinsichtlich der Verschmelzung von perfekt attackiertem Einzelton und vollendet gebildeter Linie, sondern das klingt auch unglaublich schön.


    Ein "Blockbuster" auch die von Pylades erwähnte Händel-Arie. Der Triller am Anfang ist delicious, die Atemtechnik nicht nur bewundernswert, sondern sie macht den Reiz dieser Komposition erst richtig deutlich.


    Über die tontechnischen Besonderheiten der Prima-Voce-Reihe hab ich mit GiselherHH per PN schon ein paar Worte gewechselt. In der Tat klingt das alles etwas hallig und Sänger und Begleitung scheinen
    perspektivisch noch etwas weiter in den Hörraum zurückgesetzt, als ohnehin schon bei akustischen Aufnahmen. Andererseits finde ich die Stimme an sich recht gut abgebildet.


    Wie auch immer: Der Sänger gefällt mir so gut dass ich nun - neben den Caruso-Aufnahmen - auch die Naxos-Reihe über McCormack komplett sammeln werde. Über Vergleiche mit den unterschiedlichen Überspielungen werde ich dann hier bei Gelegenheit berichten.


    Gruß
    Sascha

  • Na bestens. Freut mich sehr, daß Du so begeistert bist.


    petra: Bezüglich Alfredo und dem Herzog sprichst Du mir aus dem Herzen!


    sobinov: Ich erblasse regelmäßig beim Lesen Deiner Beiträge. Eine "echte" Schellack- und Zylindersammlung, das ist ja großartig. Wir armen Sünder müssen da auf die flache Digitalkonserve zurückgreifen, die ja auch ihre Vorzüge hat. Aber was Du beizusteuern hast, finde ich schlicht faszinierend. Chapeau!


    LG,


    Christian

  • Hallo zusammen,


    ich habe mir jetzt mal, als Einstieg in die geplante Anschaffung der nach und nach erscheinenden Naxos-Aufnahmen, den Balladen-Sänger McCormack vorgenommen.
    Dafür bietet sich Volume 4. "..with its focus on Irish songs and Victorian ballads" an. Einige Arien sind auch vorhanden, vor allem aber einige der berühmten Einspielungen, die er zusammen mit Fritz Kreisler gemacht hat.



    Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1913-14 und sind nach damaligen Maßstäben technisch ordentlich gelungen und gut erhalten.


    McCormack punktet wie immer mit einer großen technischen Souveränität, die absolute Natürlichkeit des Singens vermittelt. An den vielen kleinen Inflektionen und den schier zahllosen perfekt gestützten Mezza Voce-Passagen, mit denen er so viele Stücke ins Morendo beendet, kann man sich gar nicht genug satthören.
    Ein lehrreicher Vergleich führt von diesen sängerischen Finessen im vermeintlich trivialen Repertoire zu dem groben Fortissimo-Geholze auf der "3-Tenöre-WM-CD". Wenn also immer wieder angeführt wird, dass "früher" die ganz großen Sänger auch populäre Reißer aufgenommen haben, wird man hinzufügen müssen, dass es eben mit sehr großer künstlerischer Sorgfalt geschah.


    Freilich ist auch McCormack keine Maschine. Ein wenig geglücktes "En fermant les yeux", in dem vor allem das Legato sehr nachlässig behandelt wird, wird sogar im Booklet bemängelt. Und die eine oder andere Schärfe in der Vollhöhe fällt auf, tut dies aber auch vor allem deshalb, weil halt die Mittellage so exemplarisch gebildet wird.


    Ingesamt eine CD, für die man neben Muße eigentlich nur noch einen guten Single Malt und einen Kamin braucht, um McCormacks Version von "Molly Brannigan" zu lauschen.


    Gruß
    Sascha

  • Lieber Sascha,


    ich glaube, Du hast den entscheidenden Punkt angesprochen. Nicht immer ist es allein die Qualität bzw. der Anspruch des Gesungenen, der die Aufführung rechtfertigt, häufig genug ist es die virtuose, charmante oder aus anderen Gründen bemerkenswerte Ausführung des Interpreten, die einer Nummer ihre Legitimation verleiht. Nicht zuletzt verdanken viele, viele Arien auch berühmter Komponisten ihre Daseinsberechtigung weniger ihrem Gehalt oder auch nur ihrer künstlerischen Valeur, sondern allein der Kehlkopfakrobatik bzw. der Intonationskunst von Sängern und Sängerinnen, die so hervorragend sind, daß sie Belanglosigkeiten in den Rang von immerhin Kunsthandwerk erheben.
    John McCormack hatte diese seltene Gabe, in noch ausgeprägterem Maße Richard Tauber und Julius Patzak (das schelmenhafte "Ich knüpfte manche zarte Bande" ist schlicht zum Niederknien!), um im Stimmfach zu bleiben.


    LG,


    Christian

  • Liebe Taminos,


    in den letzten Wochen ist meine McCormack-Sucht wieder verstärkt aufgetreten, und ich habe munter die Naxos-Reihe bestellt. Bericht folgt sukzessiv!
    Noch einige exemplarische Aufnahmen: "Champs paternels" aus Méhuls Joseph leidet höchstens unter ein paar "ää"-Betonungen, ansonsten eine makellose, stilvolle und schlicht wunderschöne Interpretation. Und die beiden Arien auf Boitos Mefistofele sind von exemplarischer Finesse, von strömendem, elegantem Klang.


    Derzeit sitze ich sprachlos vor den Diminuendi des Sängers: einerseits von instrumentaler Perfektion, andererseits nicht kitschig-effekthascherisch! Vollendung, wunschlos glücklich!


    LG,



    Christian



    PS: Nette Anekdote auf der Preiser-Homepage: McCormack trifft Caruso in New York und fragt: "Enrico, was macht der größte Tenor der Welt denn so?" Carusos Replik: "Wieso, John, bist Du unter die Baritone gegangen?"

  • Liebe Leute,


    ich habe jetzt ein wenig Zeit gefunden, um in die Naxos-Reihe (Vol. 2-6) intensiver hineinzuhören.


    Es finden sich viele Belanglosigkeiten darunter, die dann (leider nicht alle) plötzlich unter McCormacks Behandlung zu sängerischen Höhepunkten werden, denn mit Kunstverstand eingesetzte Zierfiguren, die in ihrer Ausführung an Wunder grenzen, verdeutlichen das mögliche Nebeneinander von Händel und irischen Traditionals.


    Das Schubertsche Ständchen ist aufs feinste präsentiert, "It's a long way to Tipperary" singt er unnachahmlich mit Schmiß und einer irgendwo im Commonwealth anzusiedelnden Diktion (eben ein Ire mit schottischen Wurzeln).


    Ein Tip: "The Kerry Dance" aus der gleichen Aufnahmesitzung wie das wohl für immer unerreichte "Il mio tesoro" von 1916. Dagegen ist etwa die Aufnahme mit Ernestine Schumann-Heink ungelenk - McCormack singt den melancholischen Gassenhauer geradezu unwirklich schön und souverän.


    LG,


    Christian

  • Ich möchte aber auch nicht säumen, dem großen Künstler etwas Kritisches vorzuhalten:


    Die Aufnahme von "Numero quindici" aus dem Barbiere ist wenig überzeugend, die Koloraturen für McCormacks Verhältnisse schludrig (heute könnten sie vermutlich in der Spitzenliga mithalten und geneigte Ohren finden), der tänzerische Charme gelingt weder Sammarco noch McCormack selbst. Auch so etwas gibt es, solch nachlässiges Finish aber ist die absolute Ausnahme.


    LG,


    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore


    Es finden sich viele Belanglosigkeiten darunter, die dann (leider nicht alle) plötzlich unter McCormacks Behandlung zu sängerischen Höhepunkten werden, denn mit Kunstverstand eingesetzte Zierfiguren, die in ihrer Ausführung an Wunder grenzen, verdeutlichen das mögliche Nebeneinander von Händel und irischen Traditionals.


    Lieber Christian,


    ich hangle mich auch gerade durch die Naxos-Reihe, begünstigt durch den Umstand, dass meine Frau zunehmend zum McCormack-Fan wird, und mir somit Bugetfreiheit gewährt. :D


    Bezüglich der musikalischen Belanglosigkeiten geben ich Dir recht, vieles wird zu Gold, leider nicht alles.
    Ich gestehe eine Schwäche für die Aufnahme mit Kreisler der "Angels Serenade" ein. Finde es doch eindrucksvoll, wie so eine Schnulze zu berührender Musik mutieren kann - wobei da auch nicht wenig die Verschmelzung von Violine und Stimme beiträgt, die im Verlauf immer intensiver wird. Ansonsten ist es eigentlich abseits virtuoser Effekte einfach wieder dieser verblüffend natürliche Gesang...und natürlich ist der letzte Ton einfach vom Feinsten.


    Keine Chance hat jedoch das Bach/Gounodsche Ave Maria...das hat sich durch frühkindliche Traumatisierung seitens einer LP meiner Großmutter (Ich will gar nicht wissen, wers damals geschluchzt hat!)
    unweigerlich irgendwo in einen Teil des Gehirns eingebrannt, wo es selbst McCormack nicht mehr in ungequälte Teile meiner neurotischen Seele verschieben kann. :D


    Gruß aus Berlin nach Berlin.


    Sascha

  • Lieber Sascha,


    da siehst Du einmal wieder, wie sich die nachhaltige Klasse Deiner Brautwahl bestätigt!


    Ich habe mittlerweile meinen wehrlosen zweijährigen Filius auf McCormack gespitzt, den er mit der treffenden Vokabel "Sänger" identifiziert und bis jetzt auch wiederhören will (vor allem den Méhul).


    Impfung in kleinen Dosen, das ist der Weg zum Erfolg!


    Was hältst Du davon, einige Stücke etwas genauer zu rezensieren? Jetzt, da wir beide die gleiche Kollektion als Maßstab haben.


    LG,



    Christian

  • Lieber Christian,


    ich habe aktuell Volume 2 und 4 aus der Naxos-Reihe, Nr. 3 ist verborgt...und dann noch den "Prima Voce"-Sampler McCormack in Opera. Über die können wir uns gerne austauschen.
    Allerdings bin ich aktuell zeitlich etwas verknappt zwischen Staatsexamen und Berufseinstieg. Ich schaue aber mal, was geht. :yes:


    Gruß
    Sascha

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  • McCormack hat in Mailand studiert - bei wem nur..? Daher auch sein gutes italienisch. Er hat nur einige Jahre auf der Opernbühne gesungen. Sein schauspielerisches Talent war mehr als dürftig - auch nach eigenen Angaben! Daher ist er vielen auch "nur" von irischen Balladen und zum Teil musikalisch nicht gerade höchstwertigen Liedern bekannt.
    "Il mio tesoro" wird immer wieder als perfekte Aufnahme zitiert.
    Meine Lieblinge "Per viver vicino a Maria" Regimentstochter, "Tu che a Dio" aus Lucia, "Ideale" und "Venetian song" von Tosti.

  • Durch meine Archivierungs- und Registrierungsarbeiten im "Stimmenforum" und im "Schellackforum" bin ich heut wieder auf diesen Thread gestoßen - und habe mich erinnert, daß ich einst von John Mc Cormack ziemlich angetan war.

    So habe ich eine Preiser CD der Sereie "Lebendige Vergangenheit", die schon lange in meinem Besitz ist (und die ich ich ursprünglich als Langspielplatte der Preiser Serie - "Court Opera Classics" besessen habe)in den CD Player gelegt. Ich war überrascht, wie überraschend frisch die alten AKUSTISCHEN Aufnahmen doch klingen, und wie charakterischisch die Stimme rüberkommt. Dazu muß gesagt werden , daß RCA (von da stammen die Originalaufnahmen) um 1910/20 federführend war, was die Wiedergabe von Singstimmen betraf.
    Auf der von mir gezeigten Aufnahme finden wir nur Opernarien, keine irischen Volkslieder oder dergleichen.
    Dass McCormack eine gewisse Vorliebe für diese Lieder gezeigt hat wurde ihm oft angekreidet - zu Unrecht meiner Meinung nach - Auch Adelina Patti, Nellie Melba und Enrico Caruso - von späteren Sängergenerationen ganz zu schweigen hatten eine Affinität zu neapolitanischen und anderen Volksliedern.
    Interessanterweise habe ich im Bereich Oper ausschliesslich "akustische" Aufnahmen gefunden, was mich irgendwie verwundert, der Sänger überlebte die Einführung der "elektrischen Aufnahme" um über 20 Jahre.


    Eine derartige Aufnahme mit irischem Repertoire hat mich indessen vom Timbre der Stimme weniger überzeugt, als seine akustischen Aufnahmen von denen ich geradezu hingerissen bin.(persönlicher Favorit: "Camps paternel"(Mehul). Hat inzwischen die Stimme gelitten oder ist der "Trichter" Mc Cormacks Timbre entgegengekommen ?


    Schliesslich beantworte ich "La Giocondas" offensichtlich fiktive Frage, bei wem denn MacCormack in Mailand studiert hat - im Gegensatz zu ihr bin ich mir nicht sicher, dass das jedermann weiß - es war Vincenzo Sabbatini


    Vielleich solle man noch erwähnen, daß er einer der wenigen Sänger war, der verdient mit Enrico Caruso in einem Atemzug genannt zu werden, das war auch letztgenanntem wohl bewusst......


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielleich solle man noch erwähnen, daß er einer der wenigen Sänger war, der verdient mit Enrico Caruso in einem Atemzug genannt zu werden, das war auch letztgenanntem wohl bewusst......


    Enrico Caruso hat mit John Mc Cormack zusammen sogar Konzerte gegeben, z. B. in New York am 31.08.1918. Im Juni des gleichen Jahres gab es in New York ein Konzert, in dem neben Mc Cormack und Caruso auch noch Giovanni Martinelli, Hipólito Lázaro, Pasquale Amato, Giuseppe de Luca, Claudia Muzio und Frances Alda auftraten. Das hätte ich mal gerne "live" gehört!!

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Wenn er keine Lieder von Hugo Wolf singt, ist er hinreißend. Was für eine Stimme!


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent


  • John McCormack (Icon Series)
    4 CDs
    Arien & Lieder von Mascagni, Puccini, Donizetti, Verdi, Gounod, Brahms, Kreisler, Wolf
    +Traditionals


    Künstler: John McCormack u. a.
    Label: EMI, ADD, 1906-1941

    Erscheinungstermin: 1.2.2013


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Das ist sehr viel "guter Gesang" für sehr wenig Geld!

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
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    Giuseppe di Stefano

  • Ich habe mir gestern Aufnahmen mit McCormack rausgesucht, ebenfalls auf CD. Sie stammen aus den Jahren 1910 bis 1915, d. h. daß sie "in den Trichter" gesungen wurden. Die Stimme klingt jugendlich frisch trotz der 100 Jahre alten Aufnahmen. Überzeugend für mich die französisch gesungene Blumenarie aus "Carmen" und aus "Faust" in italienisch "Salve, dimora casia e pura".

    W.S.

  • Ich habe mir gestern Aufnahmen mit McCormack rausgesucht, ebenfalls auf CD. Sie stammen aus den Jahren 1910 bis 1915, d. h. daß sie "in den Trichter" gesungen wurden. Die Stimme klingt jugendlich frisch trotz der 100 Jahre alten Aufnahmen. Überzeugend für mich die französisch gesungene Blumenarie aus "Carmen" und aus "Faust" in italienisch "Salve, dimora casia e pura".

    Referenzaufnahmen für mich auch "Fra poco a me ricovero" aus "Lucia" oder "Per viver vicino a Maria" aus der "Regimentstochter" oder "Il mio tesoro"(Don Giovanni) oder Tostis "Ideale" oder "O sleep, why dost thou leave me" - lauter Perlen.

  • Referenzaufnahmen für mich auch "Fra poco a me ricovero" aus "Lucia" oder "Per viver vicino a Maria" aus der "Regimentstochter" oder "Il mio tesoro"(Don Giovanni) oder Tostis "Ideale" oder "O sleep, why dost thou leave me" - lauter Perlen.

    So ist es! Nicht zu vergessen sein "Tu che a Dio spiegasti l'ali". Die Stimme geht absolut mühelos durch die mörderisch hohe Tessitura. Phrasierung und Diktion sind perfekt.

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

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