Pedro Calderón de la Barca y Barreda González de Henao Ruis de Blasco y Riaño

  • ...so heißt ein ganz hervorragender spanischer Schriftsteller des 17. Jahrhunderts (genauer: geb. 1600, gest. 1681). Der Einfachheit halber nenne ich ihn einfach "Calderon" (so wie die meisten anderen auch).


    Erst kürzlich habe ich Calderons "Der Richter von Zalamea" gelesen, und ich war wieder beeindruckt. Zwei Drittel des Stücks sind komödienhaft (bzw. eine Schein-Komödie), bevor plötzlich die Tragik hereinbricht. Doch das Ende ist wieder versöhnlich, wie bei Calderon üblich (aber kein kitschiges Happy-End!). Dadurch unterscheidet er sich von Shakespeare mit seinen niederschmetternden Tragödien-Schlüssen.
    Diese Gegenüberstellung mit Shakespeare birtet sich durchaus an, eine Gleichstellung wohl nicht, wenngleich Calderon IMO nicht so weit vom Rang des großen William weg ist, wie die allermeisten anderen.


    Calderons größtes Meisterwerk ist IMO "Das Leben ein Traum", das durch die Adaptionen Grillparzers und Hofmannsthals im deutschen Sprachraum bekannter ist.
    Veraltet mutet zunächst "Das große Welttheater" an, aber auch das läßt sich mit viel Gewinn lesen.


    Wer hier mag sonst noch den "spanischen Shakespeare"?


    Wenn mein Lob nicht reichen sollte, euch zum Lesen zu überzeugen, dann lasse ich mal unseren Dichterfürsten Goethe sprechen:
    Seine Stücke sind durchaus bretterecht, es ist in ihnen kein Zug, der nicht für die beabsichtigte Wirkung kalkuliert wäre. Calderon ist dasjenige Genie, das zugleich den größten Verstand hatte.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Lieber Pius,


    eine schöne Idee dieser Thread! Ich muss gestehen, dass ich Calderon nur via Goethe und dem Kindler kenne. Was würdest Du denn als Einstieg empfehlen?


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Christian!



    Ich schlage vor, Du fängst gleich mit seinem IMO besten Werk an:



    "Das Leben ist ein Traum" ist ein großartiges, vielschichtiges und vielsagendes Theaterstück, das im shakespeareschen Sinne zeitlos ist.
    Bei den Büchern, die man gelesen haben sollte, hatte ich es auch aufgelistet.
    Ich hatte es auch mal im Theater gesehen, eine moderne Inszenierung, die leider nciht so ganz nach meinem Geschmack war... (schlimm wars aber auch nicht).


    Oder lies "Dame Kobold", gibts auch bei Reclam, das kenne ich noch nicht. Dann kannst Du ja hier berichten...


    :hello:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Erst kürzlich habe ich Calderons "Der Richter von Zalamea" gelesen, und ich war wieder beeindruckt. Zwei Drittel des Stücks sind komödienhaft (bzw. eine Schein-Komödie), bevor plötzlich die Tragik hereinbricht. Doch das Ende ist wieder versöhnlich, wie bei Calderon üblich (aber kein kitschiges Happy-End!). Dadurch unterscheidet er sich von Shakespeare mit seinen niederschmetternden Tragödien-Schlüssen.


    Ein glänzendes Stück, lieber Pius, das erste, das den Konflikt zwischen Bauer und Adel bühnenwirksam und mit großer Ausdruckskraft behandelt. Deren Protagonisten, Crespo, der Bauernrichter, und der General Don Lope sind prachtvoll charakterisiert. Die tragische Handlung entwickelt sich, als ein Offizier sich in die Tochter Crespos verliebt, sie entführt und missbraucht. Die beiden Monologe der Isabel, der eine am Beginn des dritten Akts, der andere ihrem Vater gegenüber, der von dem adligen Schurken an einen Baum gefesselt wurde, haben nichts an ihrer Kraft und ihrer Wahrhaftigkeit verloren


    Qué he de hacer? Dónde he de ir?
    Si a mi casa determinan
    volver mis erradas plantas,
    será dar nueva mancilla
    a un anciano padre mío,
    que otro bien, otra alegría
    no tuvo, sino mirarse
    en la clara luna limpia
    de mi honor, que hoy desdichado
    tan torpe mancha le eclipsa.
    Si dejo, por su respeto
    y mi temor afligida,
    de volver a casa, dejo
    abierto el paso a que diga
    que fui cómplice en mi infamia;
    y ciega e inadvertida
    vengo a hacer de la inocencia
    acreedora a la malicia.


    Was beginnen? Wohin fliehn?
    Wenn mein irrer Fuß die Schritte
    Lenkt zur Rückkehr in mein Haus,
    Bring ich neue Kümmernisse
    Meinem schon bejahrten Vater,
    Dem kein andres Glück hinieden
    Übrig war, als sich zu weiden
    An dem reinen Mondenschimmer
    Meiner Ehre, den unselig
    Solch ein Schandfleck jetzt verfinstert.
    Wen aus Achtung gegen ihn
    Und aus Furcht ich mich entschließe,
    Nicht zurückzukehren. laß ich
    Offnen Weg der Lästerstimme,
    Ich sei meiner Schmach Mitschuld'ge;
    Und verblendet, unvorsichtig,
    Laß ich dann die Unschuld selbst
    Als der Lästrung Bürgschaft dienen.


    (dt. Übersetzung von Johann Diederich Gries)


    Crespo versucht Don Alvaro zu einer Ehe mit seiner Tochter zu bewegen. Als er dies aus Adelstolz verweigert, selbst ein Kniefall Crespos nichts fruchtet, lässt Crespo Don Alvaro verhaften. Nun droht es zu Zwistigkeiten zwischen Bauern und Soldaten zu kommen. Der König trifft ein, bestätigz Crespo - selbst als sich am Ende herausstellt, dass Don Alvaro zum Tode verurteilt und schon hingerichtet ist. Der König bestätigt das Urteil und ernennt Crespo zu Richter auf Lebenszeit.


    LG Peter

  • Hola, Peter!


    Irgendwo hatte ich mal gelesen, daß „Der Richter von Zalamea“ das allererste Theaterstück war, in dem alle gesellschaftlichen Stände mit größeren Rollen vertreten waren. Das ist sicher sehr bemerkenswert und wohl mit ein Grund, daß es zum beliebtesten Calderon-Stück wurde. Ich ziehe allerdings „Das Leben ist ein Traum“ vor, es hat IMO mehr Tiefgang und Zeitlosigkeit.
    Ach ja, und die Dialoge im „Richter“, da fallen mir zuerst die Dialoge zwischen Crespo und Don Lope in den komödiantischen zwei Dritteln des Stücks ein – köstlich!


    Muchos recuerdos,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Irgendwo hatte ich mal gelesen, daß „Der Richter von Zalamea“ das allererste Theaterstück war, in dem alle gesellschaftlichen Stände mit größeren Rollen vertreten waren. Das ist sicher sehr bemerkenswert und wohl mit ein Grund, daß es zum beliebtesten Calderon-Stück wurde. Ich ziehe allerdings „Das Leben ist ein Traum“ vor, es hat IMO mehr Tiefgang und Zeitlosigkeit.
    Ach ja, und die Dialoge im „Richter“, da fallen mir zuerst die Dialoge zwischen Crespo und Don Lope in den komödiantischen zwei Dritteln des Stücks ein – köstlich!


    Lieber Pius,


    es ist ein Vergleich wie: ob einem der "Faust" oder der "Egmont" besser gefällt. Gut, dass es beide gibt. "Der standhafte Prinz" war übrigens der Grund, warum ich Spanisch lernte, denn ich fand nur eine spanische Ausgabe des Stückes und keine deutsche. Ich war damals in der Klasse, die man heute 11. nennt, und begeistert vom spanischen Theater. Von "El príncipe constante" hatte ich bei Eichendorff gelesen: "Einen Triumph des Ewigen über das Irdische von so tragischer Gewalt, wie sie kein Schauspiel aller anderen Nationen aufzuweisen hat". Zu den Bewunderern gehörte Goethe (der so erschüttert war, dass er nicht weiterlesen konnte), E.T.A. Hoffmann und Richard Wagner. Zu empfehlen wäre aus diesem Stück der Dialog der von tiefer Schwermut überschatteten Prinzessin Phönix mit dem als Sklaven arbeitenden Prinzen, eine Begegnung von Christentum und Islam auf höchstem Niveau.


    LG Peter


    (Den spanischen Text findet man übrigens unter http://www.coh.arizona.edu/spa…ia/calderon/princo1a.html