Emanzipiert ? Das Frauenbild in der Oper

  • Wer hier argwöhnt, daß dieses Thema bereits durchgearbeitet wurde hat recht - und andrerseits auch wieder nicht.


    In der Tat gab es bereits mal einen Thread mit ähnlicher Thematik


    "Frauenzimmer" -Das Frauenbild in Mozart-Opern


    aber das Thema war auf Mozart fokussiert - wegen der Behauptung, seine Opern seien tendenziell frauenfeindlich.


    Vor kurzem hae ich jedoch Rossinis "Italienerin in Algier" gekauft und bewusst gehört - und musste feststellen, daß es sich im Kern um eine "Emanzipationsoper" handelt - recht nahe an Mozarts "Entführung" angesiedelt. Die weibliche Hauptrolle, isabella, agiert beinahe wie eine emanzipierte Frau des 20. Jahrhunderts.


    Es stellt sich die Frage inwieweit hier ein realistischer Spiegel der Zeit gezeigt wird, und ferne ob ähnliche Tendenzen in Werken anderer Komponisten des 18. Jahrhunderts auftauchen.....



    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    die klugen und listigen Frauen sind in den italienischen Opere buffe nicht selten, und waren es wohl auch in der Commedia dell'arte nicht (aber ich gebe zu, dass ich mich diesbezüglich wenig auskenne). In diesem Fall könnten wir davon ausgehen, dass das Motiv der "emanzipierten" Frau (sie ist natürlich nicht emanzipiert, das wäre eine moderne Deutung, die von ganz falschen Voraussetzungen - nämlich den heutigen - ausgeht!) ein bereits älteres ist und auf eine Zeit zurückgeht, wo die Frauen sowieso nicht im selben Ausmaß benachteiligt waren, wie das im Zuge der Aufklärung allgemein üblich wurde.
    Es kann natürlich auch sein, dass eine halbwegs intelligente und willensstarke Frau damals als "komisch" empfunden wurde und sich alle halb totgelacht haben über Isabella - so wie rund 2000 Jahre früher über Aristophanes' "Lysistrate" oder gar die "Thesmophoriazusen", die auch nicht so emanzipatorisch (ganz im Gegenteil!) gedacht waren, wie man sie heute verstehen könnte.


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Da gibt es, glaube ich, jede Menge Beispiele. Das fängt an bei der "La Serva Padrona" von Pergolesi über die "Norina" in Donizettis "Don Pasquale", Frau Fluth und Frau Reich in den "Listigen Weibern von Windsor" bis hin zu Wolf-Ferraris Frauen-Figuren (Susannens Geheimnis)...
    Bei längerem Nachdenken ließe sich diese Aufzählung sicher noch verlängern, Beethovens "Leonore" nicht ausgenommen!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • So nun mal eine Frau !
    Spannendes Thema con tanti variazioni.
    Besonders interessant finde ich, das Ganze mal nach Stimmfächern zu untersuchen. Und nach Epochen.
    Dei besonders Emanzipierten waren zu allen Zeiten die Soubretten. Ob Despina oder Norina oder Musetta oder Adele-das sind Mädels, die lassen sich nicht unterbuttern und sind raffiniert genug, ihre weiblichen Stärken gezielt einzusetzen und die Männer auszutricksen. Paradebeispiel ist hier Susanna: die hält die Fäden der Oper in der Hand!


    Dann gibt es die lyrischen Koloratursoprane die meistens fragile, abhängige Geschöpfe sind, deren einziger Lebenssinn sein soll, geliebt zu werden (oder im Wahn zu sterben.)
    Viele Belcanto-Heldinnen gehöre in diese Kategorie, Elvira und Amina bei Bellini,Lucia bei Donizett, Lakmé bei Delibes aber auch in gewisser Weise Pamina . Den lyrischen Sopranen in der Verismo-Epoche ging es nciht viel besser. Wenn man sich etwa fast all die Puccini -Tragödinnen von Mimi bis Liù ansieht.......
    Energischere Qualitäten bis zu Dominanz und Hysterie finden sich oft bei den dramatischen Koloratursopranen. Eine Königin der Nacht oder Donna Anna lassen sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen, auch eine Norma nciht.
    Die grossen lyrischen Soprane bei Verdi finde ich auch nciht sonderlcih emanzipiert :no:
    Und die ( jugendlich)dramatischen Soprane haben dann schon wieder ein anderes Charakterbild. Da finden sich etlcihe starke Frauen wie etwa Turandot oder die Marschallin.
    Bei den Mezzi sieht dei Sache insgesamt deutlich rosiger aus. Da das meist nicht die romantisch leidenden Heldinnen sind, können sich da allerlei dunkle Seiten des Weibes austoben. Von Eboli über Dalilah bis Carmen-sie haben einfach die besseren Karten.
    Und die Altisstinnen.......
    Hexen, weise Frauen , Mütter und alte Tanten-jedenfalls nicht mehr auf dem "Markt'" und dann ist Emanzipation schon viel leichter..... :D


    Das nur mal so als erste Gedankenschnipsel. Stark pauschalisiert. Feinheiten folgen.


    F.Q.

  • Auch von mir erst mal nur ein paar Gedankenschnipsel:


    Stark sind die Frauen in den Opern oft schon, aber ich frage mich dann auch immer: Woraus beziehen sie ihre Stärke?


    Sicherlich meist nicht, was hinsichtlich der Entstehungszeit der meisten Opern auch nicht zu erwarten wäre, aus aktiver Teilnahme am gesellschaftlichen (politischen, kulturellen) Geschehen. "Emanzipiert" kann also nicht an heutigen Maßstäben gemessen werden.
    Ausnahmen sind die dargestellten Herrscherinnen.


    List, Raffinesse, Zauberei, erotische Anziehungskraft, das Agieren aus dem Hinterhalt - das waren seit jeher die Waffen, die den Frauen zugeschrieben wurden. Da gibt es auch in der Oper zahlreiche Beispiele, allerdings, da gerade all dies ja auch sehr opernwirksam in Szene gesetzt werden kann, haben diese Eigenschaften auch oft männliche Opernhelden.


    Einige Frauen "dürfen" künstlerisch tätig sein. Adriana, Tosca und die Antonia bei Hoffmann fallen mir da spontan ein.
    Intellektuelle Frauen? Sind in der Oper dünn gesät (Ellen bei Peter Grimes?), aber auch hier fallen mir spontan nur wenige Männer ein (Faust, Sarastro).


    :hello: Petra

  • Liebe Alle,


    Intellektuelle Frauen, also Blaustrümpfe im Verständnis von seinerzeit, wird man tatsächlich schwer finden, außer wenn es um Satire geht. Aber List, Raffinesse und Zauberei können auf einer etwas höheren Ebene doch auch eine gewisse Autorität ermöglichen, nur heißt es dann nicht List oder Raffinesse oder Zauberei, sondern Weisheit oder Sehertum. Ich denke dabei an Typen wie die Ulrica im "Maskenball" oder die Czipra im "Zigeunerbaron" (Operetten nehme ich einmal ganz frech dazu, zumal opernmäßig angehauchte). Die stellen sozusagen Organe einer höheren Macht dar.


    Im 20.Jahrhundert ändert sich das Frauenbild aber doch schon merklich: Die Marschallin ist nicht mehr nur gefühlvoll Liebende, sondern besitzt unleugbar intellektuellen Durchblick - sie nimmt Merkmale des Philosophen an. Bezeichnenderweise zahlt sie dafür aber den Preis und muß ihren Octavian hergeben. Der traditionelle Antagonismus Gefühl/Verstand ist also noch nicht überwunden.


    LG


    Waldi

  • Mir will scheinen, dass intellektuelle Qualitäten in der Oper (jedenfalls vor dem 20. Jahrhundert) generell nicht sehr gefragt sind, also auch nicht bei Männern. Sarastros ziemlich papierene Weisheit würde ich da jedenfalls nicht einordnen. Selbst der "Philosoph" Don Alfonso aus COSI FAN TUTTE punktet für meine Begriffe eher mit Lebenserfahrung als intellektueller Schärfe. Dann würde ich noch eher den König Philipp im DON CARLO anführen.


    Wenn also schon die Männer eher durch ihre "spezifischen Qualitäten" Mut, Standfestigkeit und Treue zu was auch immer hervorstechen, ist es nur konsequent, die "emanzipierten" Frauen in der Verkörperung ihrer traditionellen Stärken zu erkennen. Es entspricht ja durchaus dem früheren Frauen(vor)bild, wenn die wirklich starken und konsequenten Frauen als hysterische Hexen und Zauberinnen erscheinen, etwa die Azucena im TROVATORE. So gesehen ist es ja auch nur konsequent, wenn eine der klügsten Frauen der Oper, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse durchschaut und in ihnen triumphiert, an ihren Konventionen und der herrschenden Doppelmoral zerbrechen muss. Ich spreche natürlich von Violetta Valérie, der TRAVIATA.


    Ansonsten ist Waldis Verweis auf die Operette sehr fruchtbar, denn dort gibt es viel mehr emanzipierte Frauen. Nicht nur die Pompadour und die Dubarry, die sich geschickter anstellen als Violetta, auch die schöne Helena Offenbachs kann da als Vorbild gelten, von der blaustrümpfigen öffentlichen Meinung in OPRPEUS IN DER UNTERWELT ganz zu schweigen.


    Halten wir aber ruhig fest: starke Frauen sind dem Musiktheater unheimlich und intellektuelle Männer für die Gattung untauglich, da sie dem benötigten Affekt zu wenig Vorschub leisten.


    Es gibt aber doch einen Komponisten, der (auch intellektuell) starke Frauen liebte und vorzüglich in Töne zu setzen wusste. Ich denke an Dido und vor allem Kassandra aus den TROYENS und vor allem an die Titelheldin von BÉATRICE ET BÉNÉDICT, beide komponiert von Hector Berlioz, wobei das intellektuelle Kaliber der Letztgenannten schon auf Shakespeare zurück geht, dem wir jau auch die lustigen Weiber von Windsor und Lady MACBETH verdanken.


    :hello: Rideamus

  • Lieber Rideamus,


    Zitat

    Zitat: Wenn also schon die Männer eher durch ihre "spezifischen Qualitäten" Mut, Standfestigkeit und Treue zu was auch immer hervorstechen, ist es nur konsequent, die "emanzipierten" Frauen in der Verkörperung ihrer traditionellen Stärken zu erkennen. Es entspricht ja durchaus dem früheren Frauen(vor)bild, wenn die wirklich starken und konsequenten Frauen als hysterische Hexen und Zauberinnen erscheinen, etwa die Azucena im TROVATORE.


    genau das meinte ich: Es waren traditionelle Männer- und Frauenbilder, und diesen waren meist auch die starken Frauen in älteren Opern unterworfen. Daher interessieren mich vor allem die Frauen- und auch Männerfiguren, bei denen diese Polarisierung schon ein wenig aufgehoben wird. Die Marschallin als "Philosophin" ist ein schönes Beispiel dafür; da ich Straussens Musik nicht besonders gern mag, habe ich sie meist nicht auf der Rechnung :O, obwohl die Figurenkonzeptionen bei Strauss sehr interessant sind.


    Liebe Alle,


    Frauen, die sich in gewissem Sinne "emanzipieren", wenn wir unseren Heutigen eine solche Emanzipation auch nicht wünschen, sind für mich paradoxerweise Lucia und Gilda.


    Lucia soll nach dem Willen ihres Bruders einen ungeliebten Mann heiraten. Sie entzieht sich diesem durch Tötung des Ungeliebten und "Flucht" in den Wahnsinn - für uns sicherlich keine akzeptable Lösung, aber eine sehr radikale Konsequenz der romantischen Liebesvorstellung.
    Nicht umsonst ist doch in irgendeinem Buch (Anna Karenina, Madame Bovary, ich weiß es nicht mehr genau) die Heldin nach einer Opernvorstellung der "Lucia" so aufgewühlt, dass sie beschließt, aus ihrer Ehe auszubrechen.


    Gilda kann man natürlich auch als "armes Hascherl" sehen,das wäre eine Deutung mit heutigen Maßstäben. Natürlich ist sie zuerst das naive Mädchen, das ganz in der Gewalt des Vaters ist, für den sie Freunde, Familie, Heimat, alles sein soll: ein zerstörerischer Anspruch.


    Dass sie sich letzten Endes opfert, um den treulosen Duca zu retten, kann man heute mit "schön doof" kommentieren (irgendeine moderne Sopranistin, deren Namen ich leider auch wieder vergessen habe, hat sich in einem Interview auch mal so geäußert), aus der Konzeption der romantischen Liebe heraus ist es wieder eine radikale Konsequenz. Außerdem: Würde sie ihrem Vater nach Verona folgen, bliebe sie weiterhin abhängig von ihm.


    Sowohl Lucia als auch Gilda sind für mich daher bei dramatischeren Sopranen (z. B. Callas) gut aufgehoben, oder aber, wenn lyrischer Sopran, dann einer der "zart-bitteren" Sorte wie Lina Pagliughi es in meinen Ohren war.


    :hello: Petra

  • Ich bin nicht der Auffassung, dass die Frauen emanzipiert waren. Immer wieder höre ich - in meinen Augen zu Recht, dass die Frauen es bis heute nicht sind, von Berühmten Ausnahmen einmal abgesehen. Wenn man hier von Emanzipation sprechen möchte, kann es sich nur um eine berufliche Emanzipation handeln. Die war zumindest, bei den hier infrage stehenden Frauen wohl vorhanden. Wenn es darum, dass Frauen sich im Kunstleben, zu recht eine Nische erkämpften und die Dominanz der Herren zurückgedrängt haben, dann ja.
    Ich denke es mehr handelt sich um privilegierte Frauen.
    Als Beispiel, möchte ich Maria Malibran, 1808-1836 anführen. Sie wird in der Musikwissenschaft als erster weiblicher Opernstar, als erste Diva genannt. Das war Anfang des 19. Jahrhundert. Wenn das so stimmt, dann ist Maria Malibran, die erste emanzipierte Frau im Operngeschäft.
    Ich finde, wir dürfen aber auch nicht dem Zeitgeist, der damals vorherrschte, nicht außer Acht lassen.
    Es gab gewiss viele begnadete Sängerinnen, von denen niemals etwas nach draußen gedrungen ist. Lange galt es als nicht schicklich, wenn Frauen öffentlich auftreten.
    Dass die Frauen langsam und stetig in diese Männer- Domäne eindrangen, hat für mich mehr praktische und ökonomische Bedeutung, als die Emanzipation selbst. Warum sollten man heute auf diese wunderbaren Stimmen verzichten?
    Es grüßt
    Padre :hello:

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  • Vielleciht sollte hier erstmal der Begriff "emanzipiert" geklärt werden?
    Ich habe den Eindruck, dass Jeder etwas Anderes darunter versteht.
    Petra z.B die persönlcihe Etnscheidungsfreiheit im Rahmen vorgegebener Zwänge, Andere vielleicht das Nichtvorhandensein dieser Zwänge oder gar die Gleichheit der Geschlechter
    ?( ?( ?(
    F.Q.

  • Hallo zusammen,


    Zitat


    origainal Fairy Queen


    Vielleciht sollte hier erstmal der Begriff "emanzipiert" geklärt werden?


    Das sehe ich auch so.


    laut Duden: emanzipiert - unabhängig, frei von überkommenden Vorstellungen


    Ich denke nicht, das Verschlagenheit und List, wie in den lustigen Weibern etwas mit Emanzipation zu tun hat. Diese Frauen wollen nicht unabhängig von ihren Männern sein, ja nicht einmal unabhängig von ihnen agieren, sie tun es zwar, aber im Geheimen. Sie fürchten sich zwar im gewissen Sinne nicht vor ihren Männern, aber das ist auch schon alles. Sie legen keine Wert darauf in die Rolle der Männer zu schlüpfen, frei zu sein im Denken wie im Handeln, oder gar ihre Herren zu ersetzen. Sie wollen sich einen Spass machen und im Fall von Frau Fluth die Eifersucht ihres Mannes bekämpfen. Sie sind listig, ja natürlich, aber emanzipiert?


    Es gibt in der Oper wie in der Operette viele Beispiele von Frauen, die durch List und Tücke zum Ziel gelangen, aber gibt es nicht ebensoviele Beispiele von List und Tücke auch bei Männern?


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Vielleciht sollte hier erstmal der Begriff "emanzipiert" geklärt werden?
    Ich habe den Eindruck, dass Jeder etwas Anderes darunter versteht.
    Petra z.B die persönlcihe Etnscheidungsfreiheit im Rahmen vorgegebener Zwänge, Andere vielleicht das Nichtvorhandensein dieser Zwänge oder gar die Gleichheit der Geschlechter


    Sooo weit sind wir da gar nicht auseinander, denke ich. Mein Begriff davon lässt sich jedenfalls ziemlich leicht erklären und deckt sich dann auch mit den Ansätzen Petras und anderer:


    Wenn man "emanzipiert" ausschreibt als "Ex-Mann - konzipiert" also frei von der Bevormundung und Gängelung des Mannes qua gesellschaftlichem und konventionellem Recht, in welcher Form die auch immer erreicht wird, dann hat man ein Bild von Eigenständigkeit, dem die hier genannten "emanzipierteren" (wirklich emanzipierte gibts in der Oper ja ewig nicht, wenn man bedenkt, dass selbst PENTHESILEA da an Grenzen stößt) Opernheldinnen zumindest zustreben.


    Historisch gesehen wurden viele gesteinigt, verbrannt oder anders geächtet und körperlich oder gesellschaftlich vernichtet, wie etwa die Kurtisanen und ihre Schwestern im Geiste (und zuweilen Körperlichen). Da blieb zunächst nur die Flucht in den "freiwilligen" Wahnsinn oder Tod. Das sehe ich genau wie Petra. Ihr Wahnsinn und/oder Tod war ein erfolgreicher Versuch der Loslösung von der Dominanz des Mannes. Wenn auch die jeweiligen Frauen entsetzlich wenig davon hatten, ihre Forderung haben sie mit allem erdenklichen Nachdruck vorgebracht, und damit auch einiges Nachdenken ausgelöst, sollte man meinen.


    Die Kurtisane zieht notgedrungen das Leben in gesellschaftlicher Ächtung dem Leben an der Seite eines dauerhaft dominierenden Mannes vor. Auch ein Emanziaptionsansatz.


    Am geschicktesten verhalten sich dann die listigen Frauen. Sie müssen jedoch akzeptieren, dass ihr Gewinn an Macht und Selbständigkeit nur ein begrenzter bleiben kann. Selbst wenn sie im Hintergrund die Fäden ziehen und die der Geldbörse kontrollieren, wahre Eigenständigkeit bekommen sie nie. Vielmehr bleibt ihre Bedeutung eine Funktion oder Ableitung der Bedeutung ihres Mannes (bzw. ihrer Männer) und ihre Eigenständigkeit nur begrenzt ausbaubar. Bezeichnenderweise war selbst das nur in Komödien möglich, die bis ins späte 19. Jahrhundert hinein niemand wirklich ernst nahm.


    Man kann daher Emanzipation nur als eine subjektive begreifen, solange die Gesellschaft keine äußerliche zulließ (absolutistische Monarchinnen einmal ausgenommen). Und da gibt es doch schon eine ganze Reihe, die das für sich in Anspruich nehmen können, und von denen viele in diesem Thread beispielhaft erwähnt wurden.


    @ Maggie


    Tatsächlich gibt es Beispiele von listigen (Figaro) oder verschlagenen (Jago) Männern, aber besonders zahlreich sind die nicht, denn die Flucht in die List galt als Eingeständnis von Schwäche, die der Frau zugestanden wurde, beim Mann aber eher unmännlich wirkt und nur in Konstellationen wie David und Goliath sanktioniert wird - oder eben in der prärevolutionären Konstellation Figaro-Almaviva. Die wahren Helden der ILIAS sind Hektor, Achilles und andere Haudraufs. Odysseus galt immer nur eine Mischung aus widerwilliger Bewunderung und leichtem Abscheu.



    :hello: Rideamus

  • Wenn es um die Verkörperung einer emanzipierten Rollen auf der Bühne geht, dann ist das beispielsweise, die Königin der Nacht.
    Es ist zu unterscheiden, ob eine Frau eine emnzipierte Rolle spielt oder sie selbst emanzipiert ist.
    Rideamus hat auf einige wichtige Aspekte bereits hingewiesen. Darauf brauch ich weiter nicht einzugehen. Tatsache ist, das können wir in den Lebensbiografien, verschiedener Komponisten, zum Beispiel bei Franz Liszt, in Ungarischer Rhapsodie, Zsolt von Harsa'anyi nachlesen. Verheirate Frauen die sich, mit anderen Männern einließen wurden geächtet. Dem Mann geschah nichts.
    Padre :hello:

  • Lieber Padre,


    Du bist viel mehr Mozartkenner als ich, aber gerade in der Zauberflöte habe ich mit dem Männer- und Frauenbild so meine Probleme.


    Die Königin der Nacht und Sarastro sind ja eigentlich zwei Klischeebilder dessen, was Männern und Frauen jahrhundertelang zugeschrieben und was im 19. Jh. z.B. bei Bachofen mit der Gegenüberstellung von Vater- und Mutterrecht zementiert wurde:


    Die (herrschende) Frau wurde konnotiert mit Nacht, Tod, Chaos, Rache, der Mann mit dem Hellen, Klaren, der Weisheit und Logik usw.
    Das Mutterrecht war nach dieser Vorstellung archaisch, chaotisch und mit dem Gesetz der Rache verknüpft; das Vaterrecht mit Vernunft und Rechtsprechung.


    Die Königin der Nacht ist zunächst stark, aber sie verliert ihr Kind und versinkt schließlich mitsamt ihrem weiblichen Gefolge.


    :hello: Petra

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Vielleciht sollte hier erstmal der Begriff "emanzipiert" geklärt werden?
    Ich habe den Eindruck, dass Jeder etwas Anderes darunter versteht.
    Petra z.B die persönlcihe Etnscheidungsfreiheit im Rahmen vorgegebener Zwänge, Andere vielleicht das Nichtvorhandensein dieser Zwänge oder gar die Gleichheit der Geschlechter


    Wenn ich mir die meisten Frauengestalten in der Oper so ansehe, kann ich nur finden, dass wahre Emanzipation dort nicht existiert bzw. besser: Nicht AKZEPTIERT wird.


    Es gibt zwar Frauengestalten, die sich emanzipiert verhalten (Paradebeispiel Carmen), in aller Regel werden diese dafuer aber auch auf irgendeine Art bestraft (meist sogar mit dem eigenen Tod, zumindest werden sie aber in aller Regel nicht sehr gluecklich), womit das maennliche Weltbild ja dann wieder "geradegerueckt" wird. In dieses Bild gehoert auch die Koenigin der Nacht, die, wie Petra schon richtig bemerkt, alles andere als emanzipiert ist - zumindest nicht im positiven Sinne, und sie kriegt ja auch eins auf den Deckel ...


    Gestalten wie Susanna z.B. haben zwar den Durchblick und vermeintlich die Faeden in der Hand - wenn man das aber mal tiefergehend kritisch hinterfragt, sind sie auch dort, wo sie nach damals gesellschaftlicher Sicht hingehoeren - entweder unter die Dienstboten, hinter den Herd oder eben als Frauchen irgendwann doch brav an der Seite des Mannes. Irgendeine Instanz, zu der eine Abhaengigkeit besteht, gibt es eigentlich immer. Wie sollte es aber auch anders sein? Auch die Oper spiegelt eben gesellschaftliche Begebenheiten wider ...

  • Hallo Petra


    Deine Einschätzung ist schon richtig. Ich denke nur, dass eine Königin schon emanzipiert ist, trotz menschlicher Schwächen. Wenn ich Begriffsdeutung von Maggie aufnehme- und ich gehe auch immer vom Ursprung des Wortes aus- dann heißt dass soziale Unabhängigkeit. Verheirate Frauen, die sich mit einem andern Mann einließen, wurden geächtet und waren wirtschaftlich ruiniert. Da hast darauf hingewiesen. Dies zeigt die tiefe soziale Abhängigkeit, der Frauen. Vielleicht hätte ich Anna Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar Eisenach anführen können. Diese Frau war bei mir emanzipiert.
    Gruß
    Padre

  • Hallo Padre,


    ich glaube, wir haben beide Recht, nähern uns dem Ganzen nur von unterschiedlichen Seiten.


    Zitat

    Zitat Maggie: laut Duden: emanzipiert - unabhängig, frei von überkommenden Vorstellungen


    Du betrachtest in diesem Fall die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit, und die ist bei dieser Königin sicherlich gegeben: Sie ist Herrscherin in ihrem finsteren Reich und Papageno oder die drei Damen sind ihre Erfüllungsgehilfen.


    Ich habe vielleicht nicht so sehr auf die Situation der Königin selbst, sondern auf das Frauenbild, das durch sie vermittelt wird, abgestellt und bin deswegen bei den alten Klischeevorstellungen gelandet.


    :hello: Petra

  • Guten Morgen Petra.
    Da hast du recht. Ob man das Pferd von links oder rechts besteigt ist doch egal.
    Alfreds Frage bezog sich ja ursprünglich auf Rossinis Oper ." Die Italienerin in Algier". Wenn ich die Handlung noch richtig im Kopf habe, geht es um folgendes ( Stichwortartig). Der Mustafa ist den unterwürfigen Frauen in seinem orientalischen Harem überdrüssig (diese Frauen können nicht emanzipiert sein). Er hat die Frauen seines Harams satt! Es muss was anderes her- eine Italienerin. Er ist hingerissen von der schönen Isabella, und verliert fast den Verstand. Er merkt vor lauter Leibesblindheit nicht, dass Isabella, seinen Harems Total auf den Kopf stellt. Zunehmend kommt Mustafas starre Männerwelt, immer mehr unter den Einfluss der schönen Isabella."
    Isabella würde man heute gewiss als emanzipiert, vielleicht auch als progressiv, unabhängig und mutig bezeichen.Vielleicht war sie auch revolutionär?
    Diese Emanzipation ergibt sich aber nur aus der Rolle, die sie zu spielen hat.
    Rosssini wollte mit dieser Figur, vielleicht ein lange fälliges Signal setzten, und die Frauen ermutigen, sich nicht mit ihrem Schicksal abzufinden. Wenn dass ein Signal, die Botschaft der Oper sein soll, um die Emazipation der Frau anzuschieben, dann bin ich damit einverstanden.
    Viele Grüße
    Padre :hello:

  • Zitat

    Original von Padre
    Guten Morgen Petra.
    Da hast du recht. Ob man das Pferd von links oder rechts besteigt ist doch egal.


    Das seh ich etwas anders. Mag sein, dass die Königin der Nacht als emanzipierte Frau dargestellt wird....Aber welche Botschaft wird denn über sie vermittelt? Dass solch eine Haltung (Anmaßung) zum Scheitern verurteilt ist! Man darf die Personen der Opern nie isoliert betrachten, sondern immer im Kontext der Handlung.
    Insofern stimmt es schon, was Eponine sagt:

    Zitat

    Es gibt zwar Frauengestalten, die sich emanzipiert verhalten (Paradebeispiel Carmen), in aller Regel werden diese dafuer aber auch auf irgendeine Art bestraft (meist sogar mit dem eigenen Tod, zumindest werden sie aber in aller Regel nicht sehr gluecklich), womit das maennliche Weltbild ja dann wieder "geradegerueckt" wird. In dieses Bild gehoert auch die Koenigin der Nacht, die, wie Petra schon richtig bemerkt, alles andere als emanzipiert ist - zumindest nicht im positiven Sinne, und sie kriegt ja auch eins auf den Deckel ...


    LG
    Rosenkavalier

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  • Hallo Rosenkavalier,
    ich wollte damit auch nur sagen, dass es verschiedene Wege gibt sich einer Frage zu nähern. Jeder gibt seine Meinung kund. Alle Mosaiksteinchen werden zusammengetragen. These -Antithese -Synthese.
    Was Eponini gesagt hat, steht nicht im Widerspruch zu meinen Aussagen. Bei Rossinis Oer die Italienerin In Algier, habe ich den Kontext hergestellt. Die ursprüngliche Frage:" Emanzipation? Das Frauenbild in der Oper?, kann man nach meiner Einschätzung unterstreichen.
    Gruß
    Padre

  • Opern sind natürlich keine expliziten Gleichberechtigungspamphlete.
    (eines der ersten A vindication of the rights of woman von Mary Wollstonecraft erschien 1792)


    Daher ist wohl selten ein völlig konsistentes Bild zu erwarten. Die Tatsache, dass am Ende vielleicht die üblichen Geschlechterrollen wieder eingenommen werden, läßt ja nicht vergessen, dass zwischendurch Frauen selbstbewußt aufgetreten sind bzw. durchsetzungsfähige Frauen die Sympathieträger und vergeblich polternde oder zaudernde und genasführte Männer eher die Witzfiguren sind.
    Man muß dabei sicher aufpassen, dass man das sehr alte Komödienmittel einer Verkehrten Welt, in der die sozialen Verhältnisse von Herr und Diener, Mann und Frau umgekehrt werden (daher vielleicht der Eindruck, dass in Operetten mehr Emanzipation herrscht), wobei aber die tatsächlichen Verhältnisse nicht wirklich in Frage gestellt werden, nicht mit einem Plädoyer für Gleichberechtigung verwechselt.


    In der Zauberflöte gibt es ganz verschiedene Aspekte. Die Königin repräsentiert nicht unbedingt ein Frauenbild, aber sie steht für die tendenziell frauenfeindlichen Priester für eine, die ihre Kompetenzen (oder ihre natürliche Rolle) überschreitet: "Ein Mann muß eure Herzen leiten, denn ohne Mann pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten." (Sarastro zu Pamina im 1. Finale). Eine andere Sache ist hier, dass nach zeitgenössischen symbolisch-politischen Deutungen die Königin reaktionäre Kräfte (die Kirche, Maria Theresia u.ä.) repräsentieren soll.


    Aber: trotz ihrer frauenfeindlichen Äußerungen behandeln die Priester Tamino und Pamina gleichberechtigt. Es ist nie die Rede davon, dass Pamina als Frau nicht eingeweiht werden dürfte. (Wirkliche Maurerlogen nehmen meines Wissens bis heute keine Frauen auf...)
    Und in dem berühmten Duett "Bei Männern, welche Liebe fühlen..." bleibt zwar eine traditionelle Rollenverteilung insofern gewahrt, dass die Männer den aktiven Teil übernehmen und es "Pflicht" der Frauen ist, die "süßen Triebe" mitzufühlen, aber letztlich kommt es auf eine harmonische Gemeinsamkeit an: "Mann und Weib, und Weib und Mann". Wenn nicht in der Gesellschaft, so herrscht doch in der Partnerschaft Gleichberechtigung.


    Dieses Loblied der bürgerlichen Ehe mag gegenüber der libertinage, die in den DaPonte-Opern zu herrschen scheint, eng wirken, aber sie bewahrt die Frauen immerhin davor Freiwild für Typen wie Don Giovanni oder Conte Almaviva zu sein.


    So zeigt sich also schon bei solch oberflächlichen Betrachtungen (Monostatos und Papageno haben wir noch weggelassen) kein einheitliches Bild. Und ähnlich dürfte es bei den DaPonte-Opern aussehen, wo der Kampf der Geschlechter ja noch viel zentraler ist.


    Ich sehe jedenfalls in der Oper dieser Zeit (und auch nicht im Barock oder im 19. Jhd.) eher selten ein simple Bestätigung der jeweiligen gesellschaftlichen und geschlechtlichen Machtverhältnisse. Allein die (oft genug als grundsätzlich anstößig empfundene, aber mehr und mehr gesellschaftlich akzeptierte Tatsache) von öffentlich in Theater und Oper auftretenden Frauen und ihre, auch in den reaktionärsten Opern, zentrale Rolle auf der Bühne, könnte man als emanzipatorischen Schritt werten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kann dir voll zustimmen, lieber Johannes, aber nicht mit der Formulierung Pamphlet. Möchtest du dir von dir selbst zitiere Oper, als Pamphlet bezeichnen? Dir brauche ich doch nicht zu erzählen, dass ein Pamphlet eine Schmähschrift ist, in der sich jemand polemisch zu zu einem bestimmten Thema äußert. Oder habe ich dich falsch verstanden?
    Gruß
    Padre

  • Ich möchte nun doch mal die Begriffe etwas klären, denn Manches scheint mir ein bisschen schwammig und dazu ist das Thema zu wichtig. :yes:
    Was ist aus unserem heutigen Blickwinkel gesehen eine emanzipierte Frau?
    Meine Antowrt dazu klingt zunächst mal sehr nüchtern und materialistisch, schliesst aber darin Alles Weitere als zweiten Schritt ein:


    eine Frau, die in zwei entscheidenenden Bereichen die
    Freiheit der Wahl
    besitzt: in Bezug auf ihren Körper
    in Bezug auf ihre wirtschaftlcihe Unabhägigkeit


    Zum ersten Punkt: eine Frau, die selbst entscheidet, wann und ob und von wem sie schwanger wird,
    ob, wann und mit wem sie sexuelle Beziehungen hat


    Zum zweiten Punkt: eine Frau, die die Möglcihkeit hat( vor allem durch vernünftge Ausbildung!) finanziell unabhägig vom Mann ihr Leben zu führen.
    Es geht um die Freiheit derWahl, sonst ncihts.
    Das heisst also keinesfalls dass Miutter mit drei Kindern vollkommen abhängig von Verdienst des Ehemannes WENIGER emanzipiert ist als berufstätige kinderlose Karrierefrau. Solche eindimensionalen Pauschalisierungen lehne ich strikt ab. :boese2:
    Aber das heistt: Mutter mit drei Kindern konnte sich diesen Weg selbst wählen, hat eine Schulausbildung hinter sich und kann notfalls auch selbst Geld verdienen, entscheidet sich aber aus freien Stücken dagegen.
    Und berufstätige Karreirefrau ohne Kinder kann trotzdem ein erfülltes Liebesleben haben, ohne schwanger zu werden oder von der Gesellschaft ausgestossen zu werden als "Un-Frau" . Auch sie durfte aus freien Stücken diese Wahl treffen .
    Und das heisst vor allem, dass es gesellschaftliche UND mentale Strukturen gibt, die diese Wahlfreiheit erst möglich machen.


    Von diesem heutigen Standpunkt aus gesehen, sind die Operndamen alles Andere als emanzipiert. Sie wurden zwangsläufig verheiratet, (ledige Frauen waren nciht vorgesehen und solche in "wilder" Ehe auch nciht)waren in vollkommener Abhängigkeit in Bezug auf Leib und Leben von Vater, Bruder, Ehemann. Es gab einfach die notwendigen Vorraussetzungen gar nciht, die ihnen Emanzipation ermöglicht hâtten. Weder materiell noch biologisch Sobald eine Frau sexuell aktiv war, konnte sie schwanger werden und damit war die Abhängigkeit bereits vorprogrammiert.
    Diese rein physiologische Tatsache hat alle Generationen vor uns in einem Masse un-emanzipiert, wie wir es uns nciht mehr vorstellen können. :no:
    Die Freiheit der Wahl war dann nur noch Kloster oder Ehe.
    Auch Königinnen waren von der Biologie nicht ausgenommen, hatten aber wenigstens Punkt zwei für sich, nämlich die materielle Unabhägigkeit.
    Was für ein revolutionäres Potential das Selbstbestimmungsrecht einer Frau über ihren eigenen Körper bedeutet, sollte man sich wirklich klar vor Augen führen. Dazu gehört neben wirksamen verhütungsmassnahmen auch die mentale Vorraussetzung, dass nciht Mutterschaft der alleinige Lebenszweck einer Frau ist.


    In der Oper bleibt meiner Ansciht nach nur Raum für partielle, emotionale Emanzipation und solche mit tragischem Ausgang (als Strafe..... siehe Traviata oder Carmen))-siehe Epo und Petras Posts.



    Fairy Queen

  • Naja, da jede Emanzipation wohl in Schritten verläuft, muß man nicht nur sehen, was heute als emanzipiert zählen würde, sondern auch das, was damals als Erschütterung traditioneller Bilder gesehen wurde.


    Susanna z.B. erfüllt doch schon beide Deiner Anforderungen. Sie ist von der Gräfin nur als Arbeitnehmerin abhängig (wie fast jeder auch zu heutigen Zeiten) und sie wählt ihren Ehemann aus freien Stücken. Die sexuelle Selbstbestimmung wird natürlich durch die Avancen des Grafen bedroht, ein wichtiges Plotelement der Oper ist ja gerade, wie das hintertrieben werden kann. Das alles geht nur, weil der Graf "offziell" auf das Herrenrecht verzichtet hat (und sich auf seine Verführerqualitäten verlassen will) und es für die Gräfin ebenfalls nicht akzeptabel ist (wie wohl bei den meisten ihrer tatsächlichen Zeitgenössinnen), sich mit seinen Eskapaden (u.a. wg. ihrer sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit) abzufinden. Und weder Susanna noch die Gräfin werden "bestraft", sondern es wird ziemlich deutlich gemacht, dass sie im Recht sind, nicht aber der Graf.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    ... weder Susanna noch die Gräfin werden "bestraft", sondern es wird ziemlich deutlich gemacht, dass sie im Recht sind, nicht aber der Graf.


    Das ist ja das Revolutionäre an dem Stück, auch wenn es vor den letzten Konsequenzen zurück scheut. Für Susanna ist es immerhin undenkbar, NICHT mit Figaro verheiratet zu sein, obwohl dieser immer wieder nicht nur seinen Witz, sondern auch seine tief sitzende Servilität an den Tag legt.


    Und natürlich zwiefelt niemand das RECHT des Grafen an, auf sein Privileg zu verzichten - oder auch nicht. Das wäre für Beaumarchais, DaPonte und Mozart ja auch noch ziemlich lebensgefährlich gewesen.


    Im Rahmen des damals Möglichen gehen Libretto und Vorlage schon enorm weit, und das wurde damals wohl auch von den meisten richtig verstanden.


    Emanzipation ist sicher nicht das Hauptthema der Gattung Oper, aber es ist schon bemerkenswert, wie oft sie sich im Rahmen der gesellschaftlichen Norm an die Grenzen des Verstoßes wagt und sich sogar traut, die "Missetäterinnen" moralisch zu sanktionieren.


    Um ebenfalls auf Alfreds Beispiel der ITALIENERIN IN ALGIER zurück zu greifen. Die Isabella darf sich ihre revolutionären Umtriebe ja nur erlauben, weil sie sie in einem Haren betreibt, der im damaligen Europa schon als rückständige Marotte einer schlechteren Gesellschaftsform galt. Das gleiche Verhalten an einem europäischen Königshof, wo es auch nicht gerade deplatziert gewesen wäre, hätte sicher weitaus schlimmere Folgen gehabt.


    Talleyrands berühmter Spruch "Hochverrat ist eine Frage des Datums" gilt auch für die Emanzipation der Frau.


    :hello: Rideamus

  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Zitat Johannes Röhl: In der Zauberflöte gibt es ganz verschiedene Aspekte. Die Königin repräsentiert nicht unbedingt ein Frauenbild, aber sie steht für die tendenziell frauenfeindlichen Priester für eine, die ihre Kompetenzen (oder ihre natürliche Rolle) überschreitet: "Ein Mann muß eure Herzen leiten, denn ohne Mann pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten." (Sarastro zu Pamina im 1. Finale). Eine andere Sache ist hier, dass nach zeitgenössischen symbolisch-politischen Deutungen die Königin reaktionäre Kräfte (die Kirche, Maria Theresia u.ä.) repräsentieren soll.


    Aber: trotz ihrer frauenfeindlichen Äußerungen behandeln die Priester Tamino und Pamina gleichberechtigt. Es ist nie die Rede davon, dass Pamina als Frau nicht eingeweiht werden dürfte. (Wirkliche Maurerlogen nehmen meines Wissens bis heute keine Frauen auf...)


    Für mich repräsentieren sowohl die Königin als auch Sarastro zeitgenössische Geschlechter-Klischees, vielleicht sogar im Sinne von Mutter- und Vaterrecht (auf der Ebene der Herrschaft). Heute kommt uns das arg klischeehaft und eindimensional vor, aber ich sehe es in diesem Fall wirklich mit einigen Vorstellungen verbunden, die bis ins 19. Jh. und darüber hinaus reichten.


    Und Pamina wird ja diesem dunklen "Herrschaftsbereich" entzogen und darf in die "männliche" Sphäre von Weisheit und Klarheit.
    hinüberwechseln - ebenso wie Papageno, obwohl männlichen Geschlechts, immer in der "weiblichen", d.h. im damaligen Verständnis auch in der Sphäre eines "natürlich-kreatürlichen Instinktmenschen" verbleibt.


    Nicht umsonst sind die drei Knaben dem Sarastro, die drei etwas intriganten und biestigen Damen der Königin zugeordnet.


    Hallo Fairy Queen,


    Zitat

    Zitat Fairy Queen: Das heisst also keinesfalls dass Miutter mit drei Kindern vollkommen abhängig von Verdienst des Ehemannes WENIGER emanzipiert ist als berufstätige kinderlose Karrierefrau. Solche eindimensionalen Pauschalisierungen lehne ich strikt ab.


    Das unterschreibe ich! :jubel: (Nur das Wort "Karrierefrau" mag ich nicht besonders, weil es oft negativ besetzt für jede erfolgreiche, berufstätige Frau angewendet wird, aber das wird jetzt OT)


    :hello: Petra

  • Ohne weiteres Johannes Ich denke auch, dass die Gedanken und Grundideen der französischen Revolution, mit dazu beigetragen haben, dass sich die Frauen ein wenig befreien konnten. Die Musik erfuhr meiner Auffassung nach ebenfalls eine Befreiung. Sie fand nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen ( von Ausnahmen abgesehen), sondern nun öffentlich statt. Und es keimte der Wunsch auch mehr Frauen auf der Bühne zu sehen.
    Grundsätzlich möchte ich bei solch komplexen Themen, Prof. Erich Valentin zitieren der bezüglich Mozart sagte :" Denn das Thema ist erwiesenermaßen so grenzenlos und vielschichtig, dass jeder, der sich damit befasst, das Recht für sich in Anspruch nehmen , "recht" zu haben, je nach dem Standort, von dem aus Betrachting und Meinung vorgenommen werden"
    Ich glaube das gilt auch hier.
    Padre

  • Ich unterschreibe sofort den Tallyrand -Satz von Rideamus !
    Den HEUTIGEN Begriff von Emanzipation habe ich zur Verdeutlichung in einer etwas unklaren Diskussion absichtlich gewählt. Mir schien, dass die Diskutierenden hier von sehr verschiedenen Prämissen ausgingen.
    Das es graduelle Abstufungen und historischfortschreitende Entwicklungen gibt, ist evident. Dennoch bleibt auch eine Susanna aus unsere Sicht eine abhängige Frau. Gezwungen, einen Ehemann zu finden und ihren Körper vor übergriffen der Männer zu schützen, die "Macht" mit f(r)u(r)chtbaren Folgen darüber ausüben könnten.


    Liebe Petra, ich sehe das wie Du, nur muss man in solchen Posts oft polariseren, sonst wird man nie fertig und verständlcih.


    F.Q.

  • hallo,


    eine kleine Wiederbelebung:


    ich meine doch, dass Opern, insbesondere aus dem Verismo und aus der gleichen Zeit etwa auch in Russland und z. T. auch Deutschland, den jeweils zeitgenössischen Frauen in ihrer gesellschaftlichen Lage im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme gegeben hat mein Bild ist naturgemäß unvollständig, weil ich leider nicht alles und jedes kenne, aber dieser Zug fällt m. E. auf.


    Meistens geht es doch darum, dass diesen ausgrprägten Figuren eben selbige Konvention und Zuweisung einer einengenden Gesellschaftsrolle im Wege steht, um ihr Glück in Form eigenständiger Entscheidungen über Ehepartner oder auch Einflussnahme auf die Politik etc. zu finden. Sie nehmen sich letztlich diese rechte aber und, wie im richtigen Leben auch, sind die Verhältnisse so zementiert, dass sie meistens dran scheitern. Sicher, die geschichte muss ja auch interessant sein und Tabubrüche garantieren dies, aber ich denke doch, dass die Librettisten sich in menschen einfühlen konnten, die blockiert und in ihrer freiheit eingeengt sind, wie eben die meisten Frauen. leider sehe ich kaum eine Weiterentwicklung des Frauenbildes in modernen Opern. Auch da definieren sich meistens die Frauen über irgendwelche Männer.


    Die Carmen - Geschichte, vom Inhalt her einer meiner größten Opern - Favoriten, geht ja sogar so weit, dass sie nicht nur frei entscheidet, wenn sie gerade als Partner will, sondern sie hat auch ein eigenes Auskommen durch Arbeit, und dies eben NICHT als Prostituierte.


    Überhaupt kommen dort viele Berufe der "kleinen" Leute zum Tragen (und man verliert ziemlich oft und schnell seinen Job:-): Soldaten, Fabrikarbeiterinnen, Bäuerinnen, Schmuggler, Kneipiers, Stierkämpfer (so richtig reich wurde der wohl auch nicht), was in Opern ja recht selten ist.


    Über eine Lehre, die man daraus ziehen soll, (etwa: Mädchen, Finger weg vom Gebrauch des eigenen Hirn, sonst Lebensgefahr), kann man doch nur spekulieren. Die Biedermeierei wollte das sicher so haben, aber wer hindert einen wirklich daran, die Ermordung Carmens auch als skandalösen Zustand einer unterdrückenden und gewaltbereiten gesellschaft zu betrachten?


    Oder: Wer kann es anhand der Indizien dafür widerlegen, dass Sarastro ein unerträglicher Heuchler, verantwortungsloser Vater und der eigentliche Ekelbatzen ist, der seine Tochter sehenden Auges der Obhut eines potentiellen Triebtäters überlässt und ganz bewusst eine Situation herbeiführt, die eine abratige Strafe zur Folge hat, die jeden vertreibt. Kennt man die Rache aber sehr gut!


    Und: Ist Monstratos nicht u.a. deswegen ein Triebtäter, weil man ihm als Schwarzen verwehrt, wie ein normaler Mann zu leben? Und, ist Pamina denn nichts anderes als eine Schachfugur? KDN ist zu Recht besorgt und erbost.


    LG


    Ulrica

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