Die Bedeutung von Felix Mendelssohn Bartholdy...

  • ...ist nicht nur im Tamino-Klassikforum heiß umstritten. Schon zu Lebzeiten galt er eher als "angenehmer" Komponist für den Salon, viele Stücke ("Lieder ohne Worte") wurden zu Schlagern der damaligen Masse. Auch ein Mythos vom tragischen Künstlerschicksal wie bei Beethoven, Schubert, Schumann... war mit Felix, dem "Glücklichen" nicht zu beschwören. Vielmehr galt er als "schöner Zwischenfall der deutschen Musik" (Nietzsche) und wurde fast schon giftig als "eleganter und gefälliger Notar" (Debussy) abgewertet.
    Besonders entscheidend für die historische Beschäftigung mit diesem Komponisten ist - leider Gottes - seine jüdische Herkunft. Mendelssoh nahm (widerwillig) den Namen seines Onkels "Bartholdy" als Zweitnamen an, um ein wenig von seiner schon damals problematischen, angefeindeten "Rasse" abzulenken. Die endgültige Verachtung seiner musikalischen Bedeutung fand natürlich unter der NS-Kulturpolitik statt. In Richard Eichenauers "Musik und Rasse" (1937) wird Mendelssohn die "gefällige Ausnützung bestehender Formen, ein gewisser Mangel an jenem Schwergewicht, das für nordisches Empfinden zu einem "großen" Menschen gehört", vorgeworfen. Sein Denkmal in Leipzig wurde zerstört, seine Musik verboten...


    Heutige "Mendelssohn-Verachter" haben zwar meist kein Problem mehr mit Mendelssohns Herkunft. Trotzdem haben sich die Vorurteile gegenüber dem "klassizistischen" Komponisten mancherorts gehalten. Welche Bedeutung messt ihr Felix Mendelssohn-Bartholdy zu? Welche Zeugnisse berühmter Menschen kennt ihr noch? Ist Mendelssohn wirklich nur angenehm, schön, gefällig oder steckt auch in ihm ein Genie mit allen dazugehörenden Facetten?


    Auf eine spannende Diskussion freut sich,
    Gerald

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerald ()

  • Ich denke, die antisemitisch gefärbte Kampagne gegen Mendelssohn kam gleich direkt nach seinem Tod mit Richard Wagner in Fahrt, der, so wirkt es zumindest auf mich, neidisch auf dessen Talent, familiäres Vermögen, Selbstbewusstsein und Erfolg war; musikalisch hat er bei ihm geklaut wie ein Rabe.


    Ich bin froh, Mendelssohns Musik zum ersten Mal gehört zu haben, bevor ich von diesen ganzen Vorurteilen gewusst habe, und ich bin immer noch von seiner Musik begeistert und berührt: Dieser Mann hat doch die schönste protestantische Kirchenmusik im ganzen 19. Jahrhundert komponiert! Z.B. seine Vertonung des Psalms "Wie der Hirsch schreit" ..... was mich nur verwundert, ist dass er nicht den Text der Übersetzung seines Großvaters verwendet hat. Aber das wäre vielleicht zu revolutionär gewesen.


    Ein Talent vom Range Mozarts, ohne Zweifel. Dieses ständige diskutieren um zu leicht, zu schwer, zu oder zuwenig Tiefgang: Ich nehme die Komponisten wie sie sind und erwarte nichts und vor allen nicht Dinge, die ich bei anderen besser bekomme. Wertungen stehen meiner Meinung nach nur dem Künstler selbst zu, wobei er selbst eher zu kritisch sein dürfte.
    Ich persönlich empfinde seine Musik als reines Licht, wobei der Schatten zu seinem Recht kommt, ohne zu dominieren: seien wir doch froh für diese wunderbare Qualität in seiner Musik. man lese seine Briefe und fühle den Menschen. Ich möchte sie nicht missen, und wir alle hätten es nicht besser schreiben können!


    Und zum Thema Judentum: Je mehr ich mich darüber informiere, umso weniger kann ich es nachvollziehen, wie vor allem bei denen, die sich als Deutsche empfunden und auch so verhalten haben, so ein Problem daraus gemacht wurde. Wie arm wäre Deutschland ohne die vielen großen Persönlichkeiten jüdischer Herkunft.

  • Das Urteil von Debussy erachte ich als zu hart, den Ausspruch Nietzsches als sehr treffend. Mendelssohn war kein "Genie mit allen dazugehörenden Facetten", aber er ist - man Verzeihe mir die Schematik - in die den wenigen Genies nachfolgende Klasse der erstklassigen Musiker zu rechnen, in die übrigens auch Debussy einzugruppieren wäre. Denn seine Musik ist außerordentlich gut komponiert. Er verstand sein Handwerk meisterhaft. Aber handwerkliches Können allein macht noch kein Genie. Alfred Einstein (in Sachen Mendelssohn wohl über jeden Zweifel erhaben) hat einmal geschrieben, was Mendelssohn letztlich zu wahrer Größe gefehlt habe, war der Mut, das "Letzte" zu sagen, im Erotischen, im Tragischen. Und ich jedenfalls kann das sehr gut nachvollziehen. Indem unter seinen Händen alles zu Form und klarer absoluter Musik wird, markiert sie den absoluten Gegenpol zur Musik Berlioz', bei dem alles Leidenschaft und kollosal pittoreske Darstellung ist. Beide wussten das und fochten diesen Gegensatz auf ihren Spaziergängen entspechend miteinander aus - fast wie im Tamino Forum! Dabei ist Mendelssohn Berlioz aus meiner Sicht als Komponist insgesamt überzuordnen, wenngleich dieser genialischer sein konnte.


    Mendelssohn war vielleicht die größte Frühbegabung der Musikgeschichte (noch vor Mozart und Schubert). Seinen schöpferischen Höhepunkt hatte er etwa zwischen 18 und 24. Danach scheint seine schöpferische Kraft langsam zu versiegen. Schumann schreibt in seinen Erinnerungen, dass Mendelssohn das gespürt habe. Seine "Geniestreiche", die Sommernachtsmusik, die Hebriden-Ouvertüre, die 4. Sinfonie oder die Erste Walpurgisnacht hat er nicht mehr wiederholen können. Sein zweites Klavierkonzert reicht nicht an das erste heran.


    Auch verändert hat er sich nicht mehr. Kennt man die genannten Werke, kennt man Mendelssohn, und zwar das Beste an ihm. Sein ganz spezifischer Klavierstil ist ebenfalls schon mit dem Rondo capricioso geprägt. Kennt man dieses, kennt man Mendelssohns Klaviermusik. Kennt man eine frühe Schubert-Sonate, hat man seine späten noch lange nicht erfasst. Kennt man Beethovens op. 18, ahnt man nichts davon, was er uns in seinen späten Quartetten bieten wird.


    Anders als bei Mozart war die unvergleichliche technische Begabung in Mendelssohn nicht mit einer "Güte des Herzens" gepaart. Er war zu rational. Wenngleich man ihn sich entsprechend seiner Musik als sachlich-zarten Menschen vorstellt, soll er (vermutlich weil ihm alles handwerkliche im Leben zugefolgen war und er deshalb wenig Verständnis für Minderbegabte aufbrachte) recht arrogant und zynisch gewesen sein. So soll er mit Vorliebe unbeholfe Examenskandidaten in deren Beisein vor dem übrigen professoralen Kollegium parodiert haben, wie u. a. aus der als verlässlich geltenden Darstellung eines von ihm examinierten Schülers hervorgeht.


    Sein Werk ist in seiner Art gleichermaßen singulär wie folgenlos geblieben. Es hat dabei etwas Unzeitgemäßes. Eine neue Welt wie Bach, Mozart, Beethoven oder Schubert oder die reifen Wagner und Verdi hat er uns nicht offenbart. Mendelssohns Musik ist für mich, um wieder zu Nietzsches Ausspruch zurückzukommen, der schönste Zwischenfall der Musikgeschichte - kein Genie.


    Loge

  • Wer die Genialität an Mendelssohns Musik nicht erkennt, hat keinen Sinn für Schönheit.
    Klar, Mendelssohn hat nichts großes ins Rollen gebracht, keine revolutionären Werke geschaffen - doch dies ist für mich nicht das einzige Kriterium für Genialität.


    Genialität äußerst sich für mich auch darin, aus vorhandenen Mittel Werke größter Perfektion und Schönheit zu schaffen. Mendelssohn hat dies geschafft. Seine 3. und 4. Sinfonie sind einzigartige Musterbeispiele für die Perfektion der hochromantischen Kunst. Musik, die noch nicht dem späteren philosophischen Druck unterfallen ist, aber gleichzeitig sich der vollständig entwickelten romantischen Tonsprache bedient - anders gesagt, Musik, die ganz singulär dasteht und ohne die es eine Kluft in der Musikgeschichte gebe - zumindest würde etwas wichtiges fehlen. Denn guckt man in die Zeit zurück, findet man Schuberts zwar geniale Sinfonien, die aber noch deutlich mehr klassische Züge vorzeigen (Frühromantik), guckt man in die spätere Zeit, findet man auf Grund von philosophischen Überzeugungen (z.b. Debatte der Neudeutschen Schule) konstruierte Kunst.


    Insofern sind Mendelssohns Sinfonien einfach Werke, die in ihrer einzigartigen Schönheit, ihrem Melodien- und Ideenreichtum, ihrer Logik und Geschlossenheit glänzen - die Musik fließt, sie klingt nicht konstruiert und nicht gewollt. So wie Mozart in der Wiener Klassik eben. Und wer möchte schon die herrlichen, zutiefst berührenden Themen aus einen Glanzwerken (z. B. Ende der Schottischen, Menuett der Italienischen, Violinkonzert e-Moll, etc.) nicht als Geniestreich bezeichnen?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Loge: Du schreibst sinngemäß "Kennt man den frühen Mendelssohn, dann kennt man auch den späteren"... Auch vermisst du (mit Einstein als Zitat) die letzte Größe, welche nur durch Tragisches oder Erotisches ausgedrückt werden könne.
    Ich möchte dir einmal ein ganz besonders packendes, tragisches Werk von Mendelssohn vorschlagen: Kennst du das f-Moll Streichquartett op. 80 (Requiem für Fanny)? Im eigenen Todesjahr komponiert lässt es erahnen, wozu Mendelssohn auch jenseits der Frühbegabung fähig war. Auch der "Elias" und der "Paulus" haben genial-dramatische Stellen: z.B. die Steinigung des Stephanus ("Paulus"), die Baal-Szene ("Elias")... fehlende Dramatik? Wo denn?


    Für mich ist Mendelssohn der Komponist der Romantik, welcher versucht hat, allgemein gültige Aussagen im Gegensatz zu Selbstoffenbarungen á la Schumann oder Berlioz zu treffen. Daher hat Mendelssohn Bedeutung, die weit bis in unsere Zeit - in der oft jede objektive Gültigkeit fehlt - hineinreicht.


    Liebe Grüße,
    Gerald

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Also ich kenne bis dato seine italienische, die schottische, die zwei Cellosonaten, die Duos für Violine und Klavier (sind nur ein paar Frühwerke), die Sommernachtstraum Ouvertüre und die beiden Klavierkonzerte und ich muss sagen, wirklich begeistert hat mich davon nichts.


    Die italienische Symphonie ist kurze nette Unterhaltung, mehr aber auch nicht, die Schottische gefällt mir da schon etwas besser.
    Bei den beiden Cellosonaten finde ich lediglich einzelne Sätze interessant (letzter Satz beim Ersten und 2. Satz beim Zweiten).
    Die Duos für Violine und Klavier waren zum Gähnen, wenn ich mich recht erinnere hat er sie mit 12 oder 13 Jahren geschrieben, vielleicht bin ich nur mit falschen Erwartungen ran gegangen.
    Die Ouvertüre ist gut, keine Frage, auch bezweifle ich gar nicht die technische Meisterleistung des ersten KK, die Klavierkonzerte insgesamt können mich jedoch nicht rühren, fragt mich nicht warum, ich weiss es auch nicht (oberflächliche Brillanz? :X).


    Ich kann daher wohl im Großen und Ganzen Loges Ausführungen am ehesten zustimmen.


    Nachtrag:
    Ach ja, mit einigen seiner Soloklavierwerken (außer der Variationen) habe ich mich kurze Zeit auch beschäftigt, klingt mir zu belanglos, von Schubert ist das leider meilenweit entfernt.

  • ...romantische Musik liegt mir ja i.A. eher weniger...
    ...weshalb ich`s fairer finde, mich da mit Beiträgen zurückzuhalten !!
    EINERSEITS


    ANDRERSEITS
    finde ich keine Orgelmusik des 19.Jahrhunderts (C.Franck eingeschlossen !!) so packend wie die 6 Sonaten von Mendelssohn !!!!


    (Bei diesem knappen Hinweis belasse ich es hier - zu dessen Orgelwerk gibt`s hier schliesslich einen eigenen Thread )


    Tschö jetzt ... das schöne Herbstwetter ruft...........
    :hello:
    Micha

  • Also ich bin doch recht erstaunt (und war dies auch in dem Thread, wo die Diskussion begann), wie wenig hier das Vokalschaffen Mendelssohns Erwähnung findet!
    Außer seinem Spätwerk dem Elias - und dann jetzt hier auch dem Paulus - nichts.


    Wenn ich mir persönlich Mendelssohn betrachte, dann gefällt mir von der Kammermusik nur das Oktett, ein bisschen das Klaviertrio. Die Streichquartette sagen mir weniger zu.
    Die Symphonien gefallen mir - allerdings kann ich sie auch nicht ständig hören (gerade die Italienische...).
    Doch habe ich mir den Schwerpunkt auf seine herrlichen Chorwerke gelegt - welch fantastischen Werke hat dieser Mann dort geschaffen - gerade auch abseits des Elias und Paulus, welche Meisterwerke dieses Genres sind (und Paulus meiner Meinung noch mehr als der Elias).


    Psalmvertonungen oder andere geistliche Stücke komponierte er ja eigentlich sein Leben lang.
    Denkt man an die Motette 'Die Himmel erzählen' (1820), welche in sehr jungen Jahren entstand, dann gibt es schon hier einen Höhepunkt - doch folgten weitere: 'Singet dem Herrn ein neues Lied' u. 'Herr, Gott dich loben wir' (1843) oder auch 'Jauchzet dem Herrn alle Welt' (1842).
    'Wie der Hirsch schreit' wurde ja auch schon erwähnt...


    Auch seine Bühnenmusik 'Sommernachtstraum' ist erwähnenswert.


    Ich bin ganz froh, dass ich nach 'Die Himmel erzählen' nicht aufgehört habe, mich mit seinem Schaffen auf diesem Bereich zu beschäftigen, denn es würde ein herber Verlust sein.
    Und in diesem Genre kommt Mendelssohn meiner Meinung nach jedenfalls seine größte Bedeutung zu...

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Zitat

    Original von Maik
    Also ich bin doch recht erstaunt (und war dies auch in dem Thread, wo die Diskussion begann), wie wenig hier das Vokalschaffen Mendelssohns Erwähnung findet!
    Außer seinem Spätwerk dem Elias - und dann jetzt hier auch dem Paulus - nichts.



    Lieber Maik,


    ganz so schlimm ist es denn dann doch nicht: :D:D


    Miguel hat weiter oben geschrieben:


    Zitat

    Dieser Mann hat doch die schönste protestantische Kirchenmusik im ganzen 19. Jahrhundert komponiert! Z.B. seine Vertonung des Psalms "Wie der Hirsch schreit" .....


    Dem kann ich mich nur anschließen! Mendelssohns geistliche Kirchenmusik ist großartig. Die Motetten, Psalmenvertonungen, "Der Lobgesang"- und natürlich die beiden "großen Oratorien" sind an klanglichen Schönheiten, subtiler Textausdeutung kaum zu überbieten.


    Und auch für das Klavier hat Mendelssohn ja nicht "nur" die Lieder ohne Worte komponiert. sicher, ob die Klavierkonzerte mit denen Mozarts oder Beethovens auf einer Stufe stehen? Das mag ich nicht entscheiden. Aber beeindruckende Schöpfungen sind es alle Mal.


    Und das das "Dramatische" bei Mendelssohn zu kurz käme, kann ich auch nicht finden. Die beiden Oratorien wurden schon genannt, aber auch in den geistlichen Chorwerken gibt es genügend "Dramatisches" zu entdecken- und da muss man nicht lange suchen.



    Mendelssohn also "[...] wirklich nur angenehm, schön, gefällig [...] ?"


    Mitnichten möchte ich meinen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:



    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)


  • Auch in meinen Augen ist Mendelssohns Schaffen für die Chormusik von herausragender Bedeutung. Wem die Dramatik fehlt, der soll sich z.B. den Dialog Elias-Witwe anhören, die schon erwähte Baal-Szene, oder die Tenor-Arie in der Lobgesang-Sinfonie, bei deren "Hüter, ist die Nacht dahin?" es zumindest mir den Schauer über den Rücken jagt. Oder die Motette "Warum toben die Heiden", in der sich zwei Chöre "giftige" Phrasen zuwerfen.
    Elias halte ich eh für eine Oper und nicht für ein Oratorium!
    Mendelssohns Motetten sind ein Genuss für jeden Sänger. Dramatik und Schönheit schließen sich in seinen Werken eben nicht aus. Herreweghe hat zu einer seiner Einspielungen von Mendelssohn Motetten folgenden Spruch geprägt: "Mitten im 19. Jhd. hatte er das Unglück, ein ausgeglichener Mensch zu sein. Sein Musik ist nicht Sublimation irgend einer Neurose, sondern spiegelt ganz seine Liebe zum Leben wider." Ist er deswegen ein "schlechterer" Komponist?!? Und hat nicht selbst Schumann über ihn gesagt: "Er ist der Mozart des 19. Jhd......"?!


    So, und jetzt lege ich den Elias in den CD-Spieler!!!


    LG
    Rosenkavalier

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich halte es ebenfalls für ziemlich fruchtlos zu streiten, inwiefern z.B. Schubert größer oder wichtiger wäre als Mendelssohn. Wenn Mendelssohn in die zweite Liga gehören sollte, dann einige nicht ganz unbekannte Komponisten in die Kreisklasse...
    Es ist auch etwas schräg aufgrund der zerrissenen und emotional beeindruckenden Lieder und wenigen Spätwerke Schuberts die Unmenge seiner Musik zu vernachlässigen, der man ähnlich wie Mendelssohn leichtfüßige Oberflächlichkeit vorwerfen könnte, angefangen mit dem Forellenquintett, "Ständchen", den frühen Sinfonien und Quartetten usw.
    Der Oberflächlichkeitsvorwurf ist eben dies: oberflächlich :D


    Ich würde eine gute Handvoll Werke aus Schuberts Instrumentalmusik persönlich zwar auch etwas höher einschätzen als fast alles von Mendelssohn (Streichquintett, G-Dur-Quartett, die C-Dur-Sinfonie und drei oder vier Klaviersonaten, vielleicht die beiden Trios), aber demgegenüber stehen das berühmteste und auch beste Violinkonzert zwischen Beethoven und Brahms, die Sinfonien 3-5, die ich denen Schumanns für gleichwertig halte, die drei großen Ouverturen (außer dem Sommernachtstraum noch Melusine und die Hebriden), die ich fast jeder sinfonischen Dichtung vorziehe. Die beiden Klavierkonzerte sind nicht mit Beethoven zu vergleichen, aber durchaus mit Chopins oder mit Webers f-moll-Konzertstück
    Die Chormusik, die Oratorien, Lobgesang usw. wurden ja schon genannt. Die Lieder erreichen sicher nicht Schuberts oder Schumanns, was nicht heißt, dass sich einige sehr schöne Stücke darunter befänden (u.a. nach Heine).
    Vom Oktett und dem ersten Trio abgesehen scheint mir die Kammermusik Mendelssohns immer noch unterschätzt zu werden. Die beiden ersten Quartette sind absolut erstaunliche Werke eines 18 bzw. 20jährigen, der sich souveräner mit den schwierigsten Vorbildern, nämlich Beethovens letzten Quartetten auseinandersetzt als irgendein anderer Komponist des Jahrhunderts. Die drei op. 44 halte ich für weniger interessant, aber das schon genannte op. 80 zeigt, dass von Mendelssohn, so er länger gelebt hätte, gewiß auch wieder "leidenschaftlichere" Musik zu erwarten gewesen wäre.


    Von der Klaviermusik kenne ich jedoch außer den Variations serieuses und ein paar Kleinigkeiten kaum etwas.


    Auch ich habe allerdings das vage Gefühl, daß Mendelssohn aus irgendwelchen Gründen sein Potential (das die frühen Werke versprechen) nur selten voll realisiert hat. Die Erklärung, dass es ihm "zu leicht gefallen" wäre oder gar, dass die Lebensumstände nicht bedrückend genug gewesen seien, ist jedoch nicht zufriedenstellend. Es dürfte sich um ein Kombination mehrerer Faktoren handeln.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wer übrigens Schuberts Quintett schätzt, sollte sich unbedingt das von Mendelssohn einmal anhören: zumindest die beiden Kopfsätze stehen unbedingt auf selber Stufe. Selten so ein kraftvolles und strahlendes Thema gehört, wie das, womit Mendelssohns Quintett beginnt.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Johannes Roehl,


    wenn ich Dich richtig verstehe, sind wir uns insgesamt einig. Auch Deine Wertungen, die Du ja auch auf Deine Weise ebenfalls zu genüge vornimmst ;), kann ich teilen. Seine Sinfonien mit denen von Schumann zu vergleichen und des weiteren Vergleiche zu Chopin und Weber zu ziehen, ändert an meiner Wertung nichts. Alle Genannten können mit Beethoven oder Schubert nicht auf eine Stufe gestellt werden, wobei Chopin von diesen noch am ehesten ein Kandidat wäre :D. Auch der Hinweis, dass Mendelssohns Violinkonzert womöglich das Beste zwischen Beethoven und Brahms ist, besagt zunächst mal nicht viel. Zentral ist für mich Deine Feststellung, dass Mendelssohn seinen frühen "Geniestreichen" später nicht mehr voll gerecht wurde. Das war mein Punkt. Und dass es dafür sicherlich mehrere Gründe gibt, teile ich auch. Mein Hinweis auf seine Höchstbegabung und die daraus folgende Leichtigkeit erfolgte ja auch nur im Zusammenhang mit seinem menschlichen Verhalten.


    Loge

  • Ein Wort noch zu Mendelssohns Chorwerken, die hier zwischenzeitlich mehrfach in Erinnerung gerufen wurden:


    "Dramatische Stellen" machen noch keine dramatische Welt.


    "Hüter, ist die Nacht dahin?" aus der Lobgesang Sinfonie verfehlt kaum ihren Effekt. Aber was besagt das schon. Die Sinfonie ist insgesamt schwach und ein wenig maniriert.


    Der "Paulus" und der "Elias" enthalten Stellen und Chöre, die zur schönsten Chormusik der Romantik zu zählen sind (z. B. "Siehe, wir preisen selig", "Wie lieblich sind die Boten", "Hebe Deine Augen auf" u. a.). Aber Schönheit allein macht noch kein Genie. Wir verleihen ja auch nicht Frans Snyders das Prädikat "Genie", nur weil er vermutlich schönere Erdbeeren und Fasane malen konnte als Rembrandt. Ein Oratorium bedarf, wenn es sich an Händel messen will, denn das ist die "Geniesphäre", einer werkübergreifenden Dramaturgie. Aber Mendelsohn hatte leider kein dramaturgisches Talent. Andernfalls hätte Mendelssohn wohl merken müssen, dass der "Paulus" der falsche Stoff für ein Oratorium ist. Es fehlen ihm die großen, gewaltigen Ereignisse, in denen sich das Schicksal von Nationen oder Weltanschauungen entscheidet. Ein Vergleich mit Händel schafft hier Klarheit. Der "Paulus" ist von der Bekehrungszene an zunehmend flach. Hinzu kommt die falsche Entscheidung Mendelssohns, ein und diesselbe Person durch die verschiedenen Stimmen hindurchzureichen, was einer fesselnden Dramaturgie zusätzlich abträglich ist und den Hörer verwirrt. Wäre nicht die auch hier meisterhafte Kompositionsweise Mendelssohns, wäre das Werk keiner Erwähnung wert. Aber auch meisterliches Komponieren macht noch kein Genie, wenngleich es auch kein Genie ohne Beherrschung der Form gibt. Wir finden auch hier die ganz spezifisch Mendelssohn'sche Musik (man denke etwa an seine kirchliche Hymne "Verleih uns Frieden"), der er eben ein Leben lang treu blieb, weil sein fehlendes Genie die Form nicht zu zerbrechen vermochte. Um in Johannes Roehls Gesang einzustimmen, bin ich jedoch gerne bereit einzugestehen, dass Mendelssohn zwischen Beethoven und Brahms der größte deutsche Meister in der Behandlung der Stimme war. Was aber nicht mehr bedeutet, als dass er technisch unbestritten der begabteste deutsche Komponist zwischen Beethoven und Brahms war.


    Typischerweise beruht der "Elias" auf denselben Grundsätzen wie der "Paulus". Man vergegenwärtige sich dagegen einmal die gewaltige schöpferische Spanne zu der Mozarts Genie mit seiner Trias "Figaro", "Don Juan" und "Cosi" fähig war. Es gibt bei "Elias" entgegen Geralds Behauptung ebenfalls keine übergreifende Dramaturgie. Die Ereignisse, die dargestellt werden, stellen eine Kette wichtiger Abschnitte aus dem Leben des Elias dar. Im Grunde werden unterschiedliche Zustände dargestellt. Es bleibt letztlich bei einzelnen Eindrücken und schönsten Stellen. Auch der musikalische Charakter des "Elias" mit seinen großen Elegien entspricht dem des "Paulus".


    Es kann nach alledem nicht verwundern, dass Mendelssohn mit diesen Werken nicht zum Wegbereiter für eine neue Blütezeit romantischer Oratorien werden konnte. Sie stehen singulär in der Zeit und in ihren Teilen, die einfach nur schön sind. Für "ganz oben" reicht das nicht.


    Loge

  • Der von mir schon einmal angesprochene Ausspruch Brahms' zur Hebriden Ouvertüre lautet übrigens wie folgt:


    "Alle meine Werke gäbe ich darum, wenn ich eine Ouvertüre wie die Hebriden von Mendelssohn hätte schreiben können."


    Ich glaube, wenn er sie in der folgenden, umwerfenden Einspielung Karajans gehört hätte, hätte er zudem sofort das Komponieren sein lassen. Hier erlebt man ein einziges großes, romantisches Gewoge:



    :jubel:


    Loge

  • Zitat

    Original von Loge
    "Hüter, ist die Nacht dahin?" aus der Lobgesang Sinfonie verfehlt kaum ihren Effekt. Aber was besagt das schon. Die Sinfonie ist insgesamt schwach und ein wenig maniriert.


    Eine kühne Feststellung. Da kannst Du nur hoffen, dass alle Deine Meinung teilen. Ich finde die Sinfonie von vorn bis hinten großartig.


    Du greifst oft das Wort Genie auf und stellst gewisse Maßstäbe daran und aufgrund dieser Basis versuchst Du dann ein allgemeingültigen Standard festzulegen, das funktioniert in meinen Augen nicht einhunderprozentig.


    Es geht hier nicht erstrangig um die Frage, ob Mendelssohn ein Genie war. Dieser Begriff ist sehr sehr schwammig, weil es keine Standards gibt, die ein Genie definieren.


    Wenn sich ein Genie so einfach definieren ließe, dann bräuchte man nur nach gewissen Grundregeln Noten setzen und hätte ein Meisterwerk geschaffen. Dem ist aber nicht so. Ob der Funke überspringt auf den Hörer oder nicht, macht das Wesentliche aus.


    Ich denke schon, dass gelegentlich die Übung des relativierens ganz nützlich sein könnte. Der eine mag den Mendelssohn eben mehr, als der andere. Ich entdecke ihn gerade und finde ihn wunderbar. :yes:


    Aus dem selben Grund möchte ich nicht näher auf Deine Darlegungen zum dramaturgischen Potential des Stoffes des Paulus eingehen. In der DDR hat man z. B. oft gesagt, man könnte aus Sch... Bonbons machen ;) (wenn man mal voraussetzt, dass diese absolute Behauptung, der Paulus sei ungeeignet, richtig ist, schließt dies aber noch nicht aus, dass man trotzdem was draus machen könnte).

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Loge
    "Hüter, ist die Nacht dahin?" aus der Lobgesang Sinfonie verfehlt kaum ihren Effekt. Aber was besagt das schon. Die Sinfonie ist insgesamt schwach und ein wenig maniriert.


    Du wagtest es damals mich davon zu beschuldigen voreilig ein Urteil zu fällen.


    Jetzt behaupte ich in aller Ernst "Wie schade, daß DU nicht empfindest wie unendlich groß z.B. die Worte "Ich harrete des Herrn, usw" sind.
    Da kann ich jetzt nur noch mein Beileid ausdrücken. Denn ich fürchte, Du wirst NIE die Tragweite des Werkes erfassen.


    Ich bedauere dies,
    Paul

  • Zitat

    Original von Loge


    "Hüter, ist die Nacht dahin?" aus der Lobgesang Sinfonie verfehlt kaum ihren Effekt. Aber was besagt das schon. Die Sinfonie ist insgesamt schwach und ein wenig maniriert.


    Ohne jetzt eine (hier zu recht nicht gefragte) Diskussion über Glaubensthemen beginnen zu wollen - ich sehe das anders als Du. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ein gewisses Glaubensempfinden nötig ist, um auch mit der Sinfonie etwas anfangen zu können...


    Ich finde sie sehr ergreifend!


    :hello:


    Elisabeth

  • Zitat

    Original von Masetto


    Eine kühne Feststellung. Da kannst Du nur hoffen, dass alle Deine Meinung teilen. Ich finde die Sinfonie von vorn bis hinten großartig.


    D´accord.


    Ich möchte jetzt hier keine Diskussion über den Genie-Begriff vom Zaume brechen, aber ich halte den Begriff "Genie" für sich genommen als Argument für untauglich. Ferner ist der Begriff an sich viel zu unscharf. Ferner stimme ich Joahnnes zu: diese Vergleiche sind wenig zielführend. Irgendeinen Pferdefuss haben sie immer- mindestens.


    Zunächst einmal teile ich Deine Ansicht zum Lobgesang nicht. Was an dem "Lobgesang" schwach und maniriert sein soll, bliebe wohl noch zu präzisieren. Vielleicht scheint einem das so, wenn man den "Lobgesang" als "klassische" Symphonie in der Tradition Beethovens betrachtet. Aber ein solcher Ansatz ginge am Thema vorbei, da der "Lobgesang" nicht in diese Kategorie passt.


    Inwieweit dem Paulus oder dem Elias das dramatische Potential fehlen soll? Erschließt sich mir auch nicht. Auch Händel hat Stoffe vertont, denen auf den ersten Blick das "dramatische Potential" abgeht. Welches "dramatische Potential" hätte denn dann der Messias, beispielsweise?


    Und Mendelssohns geistliche Musik auf einige schöne Stellen a la´"Hebe Deine Augen auf" zu reduzieren ist reichlich kurzgegriffen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • hallo, christian, du sprichst mir aus der seele!


    auch ich oute mich als großer mendelssohn-liebhaber. z.zt. entdecke ich auch die große schönheit der streichquartette ..


    zum lobgesang: natürlich kann man da die frage nach der 'form' stellen etc. vielleicht hat sie auch schwächen- wahrscheinlich sogar. aber ich liebe sie dennoch! und sie ergreift mich immer wieder.


    meines erachtens ein unterschätzter komponist.
    keiner der allergrößten, aber dennoch ein ganz, ganz großer. :jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Zitat

    Original von Loge
    in die den wenigen Genies nachfolgende Klasse der erstklassigen Musiker zu rechnen, in die übrigens auch Debussy einzugruppieren wäre.


    :hahahaha::hahahaha:


    Zitat


    Denn seine Musik ist außerordentlich gut komponiert. Er verstand sein Handwerk meisterhaft. Aber handwerkliches Können allein macht noch kein Genie.


    Da hast Du recht. Handwerkliches Können macht noch kein Genie. Allerdings ghatten zigtausende von Komponisten handwerkliches Können. Mendelssohn auf handwerkliches Könne zu reduizieren, weil Dir die subtile Schönheit Mendelssohns entgeht, ist nicht gerade schlüssig. (Genauso bei Debussy: vermutlich stürzt Du dich auf die Sept-und Nonenakkorde und kannst dadurch nicht (an)erkennen wieviel (bedingte)Freiheit in Debussys Werken auf allen Ebenen herrscht. )

    Zitat


    Alfred Einstein (in Sachen Mendelssohn wohl über jeden Zweifel erhaben)


    :hahahaha: Ich sag ja. Lies mal aktuellere, weniger zweifelhafte Schriften.... :hahahaha:


    Lieber Loge: über die Bedeutung Debussys für die Musikgeschichte und sein Genie (Debussy hat in vielen Dingen das Letzte gesagt, was zu sagen geht und Freiheit gebracht...)solltest Du vielleicht Büchern die Chance geben, die nach 1918 geschrieben wurden. :hahahaha:


    :hello:
    Wulf

  • Nunja, ich denke Mendelssohn ist gerade nicht der, der sich auf Handwerk reduzieren lässt. Komponisten, deren Fähigkeiten sich auf handwerkliches Können beschränken, sind solche, die zwar Form, Kontrapunkt, Instrumentierung usw. perfekt beherrschen, aber keine melodische Inspiration besitzen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Eben. Und ein Kriterium wie "hat das Letzte gesagt" ist höchst subjektiv und indes auch schwammig. Denn manche Werke sind in ihrer Wirkung unmittelbar und wirken sofort, andere benötigen etwas mehr "Arbeit" von Seiten des Rezipienten.
    @Loge:Und ich habe den Eindruck, daß Du letztere Kategorie als eher ungültige für das Wirken eines "echten Genies" erachtest. Deren Werke sollten alle unmittelbar in ihrer Wirkung sein.
    Deshalb nennst Du auch gerne Verdi in einem Atemzug mit Bach und übersiehst dabei, daß vor Verdi noch unbedingt fünf weitere Buchstaben gehören, damit - Deinen eigenen Theorien konsistent - nur echte Genies genannt werden. :baeh01:


    :hello:
    Wulf


  • Lieber Wulf,


    Hut ab! Das ist natürlich eine beeindruckende Gegenrede, die Du hier bietest. Vielleicht könntest Du versuchen, anstelle Deiner aus der Luft gegriffenen Unterstellungen und der vielen "Lacher" mal nachvollziehbare und halbwegs begründete Gedanken zur Bedeutung Mendelssohns zu formulieren.


    Loge

  • Zitat

    Original von klingsor
    keiner der allergrößten, aber dennoch ein ganz, ganz großer. :jubel: :jubel: :jubel:


    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nichts anderes habe ich geschrieben.


    Loge

  • Lieber Wulf,


    Zitat

    Original von Wulf
    @Loge:Und ich habe den Eindruck, daß Du letztere Kategorie als eher ungültige für das Wirken eines "echten Genies" erachtest. Deren Werke sollten alle unmittelbar in ihrer Wirkung sein.


    ich wüsste nicht, wo ich diesen Eindruck vermittelt haben sollte. Das kann aus meiner Sicht natürlich überhaupt kein Kriterium sein.



    Zitat

    Deshalb nennst Du auch gerne Verdi in einem Atemzug mit Bach und übersiehst dabei, daß vor Verdi noch unbedingt fünf weitere Buchstaben gehören, damit - Deinen eigenen Theorien konsistent - nur echte Genies genannt werden. :baeh01:


    das hatte ich Dir gestern schon einmal in einem anderen Thread erwidert und ausgeführt, dass ich Dir mit Monteverdi zustimme. Vor allem wegen seiner Madrigale. Verdi gehört aber auch dazu.


    Loge

  • Hallo,


    nun, für mich zählt Mendelssohn zu den größten Komponisten, und ich bringe seinen Namen in Verbindung mit dem Begriff „Genie“.


    Die Gründe dafür beziehen sich nicht nur auf die Beherrschung der Technik, wie es weiter oben geschrieben wurde, sondern darüber hinaus. Es ist wahr: Mendelssohn komponierte nicht für den Zirkus; knallige Effekte, gewagte Umwege und sonstige Versuche, auf sich aufmerksam zu machen, sind in seinen Werken selten oder gar nicht vorhanden. Mendelssohn war aber auch gar nicht so ein Mensch; er war wohl eher, was seine Werke angeht, eher introvertiert und weniger offensiv, wenngleich ihm seine Fähigkeiten natürlich bewusst waren. Er ist, was eine große Rolle spielt, in einem gutsituierten Elternhaus großgeworden, und die Aura seiner Vorfahren, so auch des Philosophen Mendelssohn, nahm bestimmt auch Besitz von ihm.


    Nicht ohne Grund bewunderte Goethe schon das Kind bzw. den Jugendlichen Felix, der bei ihm häufig zu Gast war und dort längere Zeit verbrachte. Im Briefwechsel Goethes mit Zelter sind die Gründe für Goethes Bewunderung für den Komponisten und seine Entwicklung spannend zu lesen.


    Das Besondere an der Musik Mendelssohns sind für mich neben einigen bereits von meinen Vorschreibern genannten Gründen die innere Ruhe und Stimmigkeit sowie das Selbstbewusstsein des jungen Komponisten, seine Werke so zu schreiben und zu belassen, wie sie empfunden werden und nicht durch zusätzliche Effekte zu „veredeln“. Er hatte dies, bei seinem enormen Formsinn, nicht nötig und konnte wohl auch nicht anders. Ich denke, dass dies ein Grund ist, weshalb viele seiner Werke so elegant und rein wirken. Äußere Emotionen drängen sich in seinen frühen Werken kaum besonders auf. Es sollte dabei bedacht werden, dass jeder Mensch und Künstler seine eigene Entwicklung nimmt. Mendelssohn hatte dafür nicht viel Zeit; wir wissen nicht, wie der Ausdruck in seinen nächsten Phasen in den kommenden Werken Platz gefunden hätten. Wie ja schon gesagt wurde, ist Mendelssohns letztes, kurz vor seinem Tod komponiertes Streichquartett enorm emotional, es verschlägt einem beim Hören fast den Atem.


    Viele Komponisten haben in ihrer Jugend aus (verständlichem) Mangel an Reife und Fähigkeit und damit verbunden aus Gründen, auf sich aufmerksam machen zu wollen, ihre ersten Werke mit großem emotionalen Ausdruck versehen; Bombastik, Humor, raffinierte Techniken oder Sentimentalitäten wurden zum eigentlichen Inhalt, um im Laufe des weiteren künstlerischen Lebens eher dem Ausdruck des Inneren allmählich zu weichen. Bei Mendelssohn fehlt diese erste Phase; ihm ging es fast schon von Kindheit an um die Struktur der Werke, um Verhältnismäßigkeit und um Einheitlichkeit.


    Ich denke, dass dieses für viele eher unscheinbar Wirkende bei Mendelssohn ein weiterer Grund dafür ist, dass sein Schaffen abgelehnt wurde bzw. wird, und ich kann das auch verstehen. Für mich ist er jedoch einer der vollkommensten Komponisten.


    Schöne Grüße,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von rappy
    Nunja, ich denke Mendelssohn ist gerade nicht der, der sich auf Handwerk reduzieren lässt. Komponisten, deren Fähigkeiten sich auf handwerkliches Können beschränken, sind solche, die zwar Form, Kontrapunkt, Instrumentierung usw. perfekt beherrschen, aber keine melodische Inspiration besitzen.


    Lieber rappy,


    ich habe Mendelssohn natürlich nicht auf Handwerk reduziert, sondern nur geschrieben, dass überragendes Handwerk allein noch kein "Genie" macht.


    Loge

  • Zunächst oute ich mich mal als Mendelssohn- Anhänger.
    Die italienisch vierte, von Hayate "niedergemacht ist mir eine der liebsten Sinfonien überhaupt.
    Die Schauspielmusik zum "Sommernachtstraum" ist einzigartig.
    Und nun könnte ich schreiben "einzigartig schön"
    Mendelssohn konnte nicht wissen, daß "Schönheit" im 20. und 21. jahrhunder dereinst als unwichtiger - ja von vielen sogar als störender- Faktor gesehen werden würde. Er schrieb ja fürs Publikum des mittleren 19. Jahrhundertes, dessen Ästhetikbegriff eben anders war.
    Stellt man Mendelssohn Berlioz gegenüber, so muß gesagt werden, daß dieser heute ja auch nicht allzu hoch eingeschätzt wird.
    Ich habe generell den Eindruck, daß man heutzutage nur Bach, Beethoven, Bruckner Mahler und Schostakowitsch gelten lässt, weil man sie zu "Genies" hochstilisieren kann.
    Ich werde noch heute einen Thread über musikalische "Genies" starten, damit dieser hier nicht entgleitet.
    Natürlich war Mendelssohn spöttisch und überheblich, Mozart war das auch, und wenn ich das Statement zur fünften "So klopft das Schicksal an die Tür" richtig deute war es Beethoven auch, er hatte sich gerade über einen Dummkopf lustig gemacht. Regers Bemerkung über eine Schülerin "Wenn sie keinen Flügel hätte, wäre sie ein Engel" war ja auch nicht grade gutmütig. Man war bis in die siebziger/achziger Jahre des 20. jahrhunderts spitz, wenn man sich überlegen fühlte - Erst das heuchlerische "Correctness"-Korsett machte dem (vorübergehend ?) ein Ende.


    Wir können Mendelssohn also hier nicht nach heutigen Maßstäben aburteilen. ZU Lebzeiten war er offensichtlich beliebt. Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, daß jemand anlösslich seines Todes schrieb: "Sie tun ja hier alle grade so, als sei die Sonne vom Himmel gefallen" (Die Quelle hab ich leider nicht mehr parat)



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es besteht eben ein Unterschied in der Schönheit beispielsweise von Mendelssohns 1. Klavierkonzert, bei dem man innerlich anfängt zu glühen, und in der von Brahms' 1. Klavierkonzert, bei dem man anfängt weinen.
    Nicht jeder Komponist hat sich gleich ausgedrückt. Wahrscheinlich ist man - das gilt für jeden und für alle Komponisten allgemein - oft zu sehr an die Sprache eines oder mehrerer Komponisten gewöhnt, so dass man Komponisten, die sich anders ausdrücken und die einem folglich nicht ins Bild passen, leicht abwertend gegenübersteht.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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