Lev Sibiryakov - nur ein Kellerbaß?

  • Liebe Freunde der Golden Era,


    bislang hatte ich lediglich zwei einzelne Aufnahmen von Lev Sibiryakov auf der Konserve, nun aber gleich eine ganze CD (Prima Voce). Wer den Sänger aus der Literatur nur als das Beispiel eines tiefen Basses ("cavernous tones", Orgeltöne etc.) kennt, wird hier eines Besseren belehrt. Der Stimmumfang, insbesondere die mühelose und kontrollierte Expansion in die Höhe, ist atemberaubend, den Fluß in der Tiefe kenne ich in vergleichbarer Ausdehnung nur noch von Ivar Andrésen. Womöglich sind die Stücke in interpretatorischer Hinsicht zum Teil etwas blaß, der Ton selten variiert, aber die Gesangskultur von Sibiryakov ist berauschend!




    Wer Wissenswertes oder Höreindrücke beisteuern kann, sei schon im voraus vielmals bedankt!



    LG,



    Christian

  • Sibirjakov, der zu meinen Favoriten gehört, zeigt zwar die kavernöse Tiefe, sang aber auch Partien des hoch gelegenen Bassfaches (Wanderer in "Siegfried").
    Er (geb.1870) studierte unter Rossi in Italien, wo er sich Leopoldo Spivacchini nannte.
    Eine internationale Karriere begann ab 1900 (Scala,Monte-Carlo,St.Petersburg...nach Beendigung seiner sängerischen Tätigkeit lehrte er am Warschauer Konservatorium.
    1938 sang er den "Boris" am Monnaie.
    Sibirjakov starb 1942.
    In der Pearl-Reihe "Singers of Imperial Russia"ist er zu erleben;
    seine Aufnahme von Schuberts "Wanderer" gehört für mich zu d e n Aufnahmen dieses Liedes.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Laut Kutsch/Riemens wurde Lev Michailowitsch Sibirjakow schon 1867 in der Ukraine geboren und sang 1897 sowie in der Saison 1899-1900 an der Scala. Nach 10 Jahren auf russischen Bühnen trat er 1910-11 in Boston auf und unter anderem 1912 auch in Berlin! 1917 flüchtete er vor der Oktober-Revolution nach Westeuropa. Gestorben ist er entweder 1938 oder 1942 in Antwerpen.


    Der Bariton Sergej Levik schildert Sibirjakow zwiespältig: einerseits als körperlich großen Mann mit gleichermaßen großer, wunderbar warmer Stimme mit dem dunklen Timbre eines erstklassigen Cellos, andererseits als schlechten Schauspieler ohne künstlerische Ausstrahlung oder Bühnepräsenz. Obendrein würde er lispeln sowie nachlässig und fehlerhaft pronunzieren. Als Levik jedoch mit ihm auf einer Bühne stand "vergaß" er angesichts Sibirjakows wundervoller Intonation diese Fehler.


    Anmerkung: Es ist bemerkenswert dass auch ein anderer stimmgewaltiger Russe, Ivan Yershov bei Ernesto Rossi studierte.


    Stephan

  • Mich beeindrucken vor allem folgende Aufnahmen:


    Iolanta von 1910 (My Lord, if I offend)


    La Juive von 1910 (Si la rigueur)


    Duett aus Rusalka von 1912 (Dargimizhsky)


    Pro Peccatis aus Rossinis Stabat Mater von 1913



    Nicht so idiomatisch ist sein Sarastro, so mühelos auch seine Stimme durch die tiefe Tessitura geht.


    Insgesamt bin ich wieder und wieder von der kultivierten, jederzeit unter Kontrolle gehaltenen Stimmführung begeistert, die manchen vielleicht als selbstgenügsame Schöntonbildung zu weit geht. Wer aber sonst hatte solche Möglichkeiten (Kipnis ausgenommen)? Mark Reizen etwa verfügte nicht über die gleiche pastöse Stimmgewalt, obwohl er viel aus seinem Material machen konnte.


    LG,


    Christian

  • Rejsen ist ein (positiv gesehen) Kapitel für sich...
    Wenn man sich an die nasale Tongebung Rejsens gewöhnt hat, ist viel Stimmpotenzial und Ausdrucksgewalt zu hören...


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB