Ernestine Schumann-Heink: Alto in excelsis

  • Liebe Rückwärtsgewandte,


    hiermit eröffne ich den Thread zu einer meiner absoluten Favoritinnen, der unvergleichlichen Ernestine Schumann-Heink. Eine klüger geführte Altstimme, akzentuiert, agil zum Staunen, wunderbar verblendet und mit besonderem Charme, gab es wohl nie. Nicht so warm wie der Alt Sigrid Onegins, dafür nuancierter. Grandios war sie als Erda, als Orsini, in Meyerbeers Le Prophète, als Liedsängerin (wieder einmal Referenz: Der Erlkönig); ein besonderes Schmankerl: Millöckers I und mei Bua, mit einer jodelnden Virtuosa.
    Zudem beeindruckt, wie lange sie ihre Stimme auf höchstem Niveau halten konnte (Debüt 1878, letzte Erda 1932, mit immer noch sehr guten Kritiken); dafür sprechen auch ihre Aufnahmen.


    Mitverehrer oder Kritiker, meldet Euch!


    LG,



    Christian

  • Hallo, Christian,


    wahrscheinlich haben wir die gleiche Aufnahme, einen Transfer von Schellack auf CD von Nimbus Records von 1990. Wirklich phänomenal, wie vielseitig diese Stimme war.


    LG


    Ulrica

  • Liebe Ulrica,


    genau die Platte habe ich, dazu noch (wohl aus der gleichen Überspielung) einige Schnipsel auf Compilations.
    Auch in der Rolle Deiner Namensvetterin dürfte Schumann-Heink sensationell gewesen sein.
    Ich habe gestern nochmals "O prêtres de Baal" gehört - das ist schlicht einmalig, eine perfekte Koloraturstimme im Altbereich.


    LG,


    Christian

  • Lieber Christian,


    danke, dass Du die Erinnerung an diese großartige Künstlerin wieder aufleben lässt!


    Clara Butt mag die faszinierendere Stimme gehabt haben, und der Alt der Sigrid Onegin hat vielleicht etwas mehr leuchtende Farbe gehabt, aber Ernestine Schumann-Heink ist für mich unübertroffen in ihrer Verbindung von hoher Virtuosität und gestisch-expressivem Singen.


    Wenn sie Orsinis "Il segreto" anstimmt, möchte man aufstehen und mitfeiern, und die Klage der Fidès "Ach, mein Sohn" bewirkt bei mir regelmäßig einen dicken Kloß im Hals. Es ist wirklich ein archaischer Klagegesang ohne naturalistische "Drücker", und ein kleiner in die Gesangslinie eingebauter Schluchzlaut verstärkt die Wirkung noch. Man nimmt ihn erst wahr, wenn er schon vorbei ist, ähnlich wie bei Carusos Canio.


    Dass sie liebevoll "Mother Schumann-Heink" genannt wurde, liegt wohl nicht nur an ihrer privaten Rolle als siebenfacher Mutter: Auch ich assoziiere mit ihrem Singen oft das "Mütterliche" oder das "Innige". Als Carmen kann ich sie mir nicht recht vorstellen, obwohl sie diese Rolle auch gesungen haben soll.


    LG
    Petra

  • Hallo zusammen,


    die wohl selbe Sammlung von Ernestine Schumann-Heink-Aufnahmen (Nimbus NI 7811) liegt mir auch vor, und auch ich bin begeistert!


    Was die alte Technik noch "herüberbringt" ist auf der einen Seite beeindruckend (offensichtlich ging die tiefe Stimme der Sängerin mit der vorsintflutlichen Aufnahmetechnik recht gut zusammen), und doch bleibt auf der anderen Seite anzunehmen, dass die "reale" Stimme um noch Einiges beeindruckender war.


    "Der Erlkönig" - in Hinsicht auf stimmliche Darstellung der "verschiedenen Rollen" in diesem Kurz-Drama: das ist tatsächlich eine Referenz - bis auf die Tatsache, dass die Orchesterbegleitung doch etwas gewöhnungsbedürftig ist.


    Auf Grund dieses Threads habe ich die Aufnahmen des "Lascia ch'io pianga" aus Händels Rinaldo mit der ebenfalls großartigen Interpretation von Cecilia Bartoli (aus der Gesamtaufnahme unter Christopher Hogwood) verglichen: natürlich ist auch hier die Aufnahmetechnik bei Ernestine Schumann-Heink historisch - aber die Stimme!! - das ist einfach glorios.
    Während Cecilia Bartoli die Auszierungen ein wenig "präziser" nimmt und ihre ganze Pianokultur einbringt, überzeugt Ernestine Schumann-Heink mit pastoser Fülle. Im Übrigen fällt auf, dass Cecilia Bartoli immer ein ganz klein wenig aspiriert (was vielleicht aber nur durch die extrem nahe Mikrofonaufstellung zu hören ist, "live" würde man dies nicht bemerken).
    Interessanterweise macht auch die Aufnahme von Ernestine Schumann-Heink durchaus den Eindruck der "historischen Informiertheit", trotz des geschmackvoll eingesetzten, aber doch dem Zeitgeschmack geschuldetet Portamento. Das Leiden der Figur der Almirena bringt Ernestine Schumann-Heink dank der dunkel-glühenden Farbein ihrer Stimme eher glaubwürdiger auf die akustische Bühne, als es der Sängerin unserer Zeit gelingt.


    Letzten Endes: zwei wundervolle Aufnahmen - aber könnte man sich von Cecilia Bartoli die Erda vorstellen? - ich hoffe und bin zugleich überzeugt, dass sie die Finger von dieser Rolle lässt. Ernestine Schumann-Heink aber sang die Erda - mit machtvoller Altstimme. Ihr "Weiche, Wotan, weiche!" kann ich mir besser nicht vorstellen. Und sie sang auch im italienischen Fach und auch zum Beispiel die Carmen - alles sehr erfolgreich. Diese stimmliche Vielseitigkeit ist wirklich ein Phänomen, von der musikalischen gar nicht zu reden.


    Gruß
    Pylades

  • Wieder möchte ich das einhalten, was weiter oben versprochen wurde - nämlich die Erinnerung an ene großartige Stimme aufleben zu lassen, die natürlich mit ihrer Zeit verhaftet war...
    Was eignet sich hier besser als Hinweise auf CDs oder aber auf Youtube Tonclips.
    Der von mir gewählte Clip mag vielleicht einige verwundern - ist er doch so "unklassisch" - aber er stammt aus dem Jahre 1929 - und ist eine ELEKTISCHE Aufnahme. Diese Technik - seit etwa 1925 im Einsatz - bietet einen höeren Frequenzumfang und lässt die Stimme unverfärbter erklingen



    Immerhin gibts auch noch - selten aber doch - CDs von ihr



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wirklich phänomenal, wie vielseitig diese Stimme war.

    Ernestine Schumann-Heinks Stimme war wirklich phänomenal - alleine schon ihr Umfang, der vom tiefen D bis zum hohen B reichte. Obwohl sie an der MET fast nur Wagner-Rollen gesungen hat, bewies sie auch ihre Koloraturgewandheit. Man höre nur das "Brindisi" aus "Lucrezia Borgia" von Gaetano Donizetti (Track 1 der Hörprobe auf der von Alfred eingestellten Nimbus-CD).

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
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