Musikunterricht

  • Salut,


    mich interessiert heute einmal, wie die Forenmitglieder die finanzielle Seite von weiterführendem Musikunterricht (z. B. an Musikschulen) sehen. Sollte der Unterricht kostenlos, also staatlich gefördert sein, quasi wie „normaler“ Schulunterricht? Das hätte zumindest DEN Vorteil, dass die Lehrer nicht permanent mit irgendwelchen Viren und/oder Bakterien konfrontiert werden, weil die erkrankten Kinder dann mal daheim blieben… aber das liebe Geld… es ist ja bezahlt, also schickt man Sarah, Kevin & Consorten in den Geigen-, Blockflöten- oder Klavierunterricht. Das aber nur am Rande. :wacky:


    Das Thema hat schon mit „klassischer Musik“ zu tun, Alfred! :yes: Weil: Ohne diese musikalischen Aus-/Weiterbildungen würden wesentlich weniger Jugendliche mit klassischer Musik in Berührung kommen.


    Da wären wir auch schon beim nächsten Thema:


    Sollte der Unterricht an Musikschulen ganz klassisch sein, also Bach, Händel, Beethoven, Schubert, Mozart usw. als festes Fundament, oder sollten die musikinteressierten Kinder gleich mit „Pop-Schnulzen“ (z.B. Richard Clayderman, André Rieu – keine Bewertung!!) anfangen?


    Nun, ich bin gespannt auf Eure Meinungen.


    Liebe Grüße, Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    was den deutschen Musikunterricht bzw. Schule im Allgemeinen anbelangt (sofern dieser stattfindet) bekomme ich leichte Hassgefühle gegenüber den Verantwortlichen.
    Generell würde ich sagen so wie ich das erlebt habe ist es verschendete Zeit und es wurde inkompetentes Personal finanziert.
    Soweit ich es mitbekommen habe findet Musik nur noch an Gymnasien statt, an sehr wenigen Realschulen und an Hauptschulen gar nicht.
    Weil ja das Vorurteil herrscht das dort die eher "geistig Benachteiligten" unterrichtet werden, was brauchen die Musik und Kunst...
    Ich will hier mit Sicherheit keine politische Diskusion ins Leben rufen, aber es ärgert mich wie eben sozial benachteiligten Menschen Kunst und Kultur vorenthalten wird.
    So wie ich die klassische Musik in der Schule kennen gelernt habe - und wäre das mein erster Kontakt gewesen - würde ich sie inbrünstig hassen!


    Man lese nur mal ein Buch für den Musikunterricht (sofern es noch welche gibt die einem nicht in der Hand zerfallen), mit soetwas kann kein Kind etwas anfangen. Oder kennst Du ein 12 jähriges Kind das sofort weiß was mit Kontrapunkt, Sonatenform und Fuge gemeint ist?
    Was bringt es für jemanden der kein Instrument spielt, bzw. musikalisch tätig ist Noten auswendig zu lernen?! Alles Blödsinn!


    Um es mal allgemein zu formulieren, außer lesen, schreiben und rechnen habe ich in der Schule nichts sinnvolles gelernt, mein eigener Drang nach Wissen - selbstständig lesen, forschen, ausprobieren hat mich dazu gemacht was ich Heute bin.
    Das Schulsystem ist veraltet und unzeitgemäß, es selektiert schon früh die Kinder nach sozialem Hintergrund - und das habe ich selbst erlebt.
    In meiner Kunsthochschule gibt es nur noch einen greisen Professor der noch in der Lage ist realistisch zu malen, d.h. die alten Techniken beherrscht.
    Geschichtsunterricht - ein Thema das zwangsläufig für mich mit Musikunterricht verbunden ist: Ich wurde dafür bestraft weil ich Fragen "überbeantwortet" habe, mit anderen Worten, ich wusste mehr las der Lehrer - ungünstig wenn man das auch noch dem Lehrer zeigt.
    Über das was andere und ich erlebt haben könnte man Romane verfassen, so wie Schule jetzt abläuft ist das gezielte Verdummung!


    Ich glaube man würde seine Kinder besser auf's Leben vorbereiten, wenn man sie selbst unterrichtet, aber das geht ja leider nicht...

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    mich interessiert heute einmal, wie die Forenmitglieder die finanzielle Seite von weiterführendem Musikunterricht (z. B. an Musikschulen) sehen. Sollte der Unterricht kostenlos, also staatlich gefördert sein, quasi wie „normaler“ Schulunterricht?


    Nein, ich denke das würde zu weit gehen!
    Da würde die Frage nach anderen "bildungswürdigen" Interessen aufkommen und irgendwo hört nun auch die Pflichten des Staats einfach auf!
    Immerhin sollte jeder Mensch eine "Eigenleistung" für das erbringen was ihn persönlich interessiert!
    Genau dieses Selbverständnis das der Staat alles "regelt" ist eins der fundamentalen Probleme in unserer Gesellschaft.


    Zitat


    Da wären wir auch schon beim nächsten Thema:


    Sollte der Unterricht an Musikschulen ganz klassisch sein, also Bach, Händel, Beethoven, Schubert, Mozart usw. als festes Fundament, oder sollten die musikinteressierten Kinder gleich mit „Pop-Schnulzen“ (z.B. Richard Clayderman, André Rieu – keine Bewertung!!) anfangen?


    Nein, denn Musik ist nicht nur Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Schumann usw. usw.
    IMO müssen/sollten Kinder und Jugenliche möglichst alle Spektren der Musik kennenlernen.
    Damit meine ich das einfach Volkslied, über Klassik bis hin zu Pop, Rock, Jazz. Punk usw. usw.


    Rieu als "Phänomen" kann man durchaus im Unterricht besprechen im Bezug auf Einfluss der kommerziellen Interessen und der Medien.


    Gruß

  • Der Lullist berichtete:


    Zitat

    Ich wurde dafür bestraft weil ich Fragen "überbeantwortet" habe, mit anderen Worten, ich wusste mehr las der Lehrer - ungünstig wenn man das auch noch dem Lehrer zeigt.


    So ähnlich erging es mir auch im Musikunterricht.
    In einer Klausur über Werkskenntnisse war mein Lehrer nur damit beschäftigt, meine angeführten Musikbeispiele nachzuhören, weil er sie nicht kannte.
    Zudem hatte ich mit ihm eine Diskussion, weil er mir nicht glauben wollte, dass Richard Wagner eine Sinfonie geschrieben hat. Und die auch noch in der einfachen Tonart C-Dur!


    Trotzdem war er der beste Musiklehrer, den ich hatte.
    Und ich wohl sein bester Schüler...



    Gruß, Peter.

  • Zitat

    Original von petemonova
    Und ich wohl sein bester Schüler...
    Gruß, Peter.


    Irgendwie wittere ich so einen Geruch von Eigenlob! :stumm:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • @Lullist, mein lieber Sonnenkönig,
    Du sprichst mir (Thomas Bernhard) aus der Seele! In meiner (Thomas Bernhards) Eigenschaft als österreichischer Staatsschriftsteller habe ich (Thomas Bernhard) gegen das staatliche Schulsystem einige böse Bücher verfasst, ich möchte "Alte Meister" diesbezüglich empfehlen.


    Daß aber die undankbaren Kinder von neunmalschlauen Schnorrern staatssubventioniert und unendgeldlich auf die Musikschulen geschickt werden sollen, ds geht zu weit, das würde ja noch mehr instrumentallehrer in den Freitod treiben! Der übelriechende Volksmund sagt: was nix kost, iss nix - und so würden die Kinder dann auch ihre Lehrer behandeln. Nein, die Kunst - d.h. der luxus eines Instrumentalunterrichts muß einem schon ein bisschen was wert sein, auch finanziell benachteiligte aber verantwortungsvolle Eltern lassen sich die Ausbildung ihrer Kinder was kosten.
    Dass man die Liebe zur Musik in den Schulen nicht verordnen kann, ist doch klar. Aber für die dafür empfänglichen kann ein guter Lehrer und beispielsweise ein Schulchor die richtigen Weichen stellen. Wenn dann die Liebe entflammt, muß man sich eh selbst bilden. Ich wäre ja auch sonst der dümmste Vollidiot, wenn ich nur die Allgemeinbildung hätte, die mir wärend meiner unnützen schulischen Zwangsbeglückung verabreicht worden wäre.


    Ich reg mich wieder ab, da kam grad lediglich der ThomasBernhard durch, hatte vor ein paar Jahren eine Überdosis Bernhard, die mich an den Rand des Wahnsinns getrieben hat - meine ich übrigens nahezu ernst, das.


    Gruß, Markus

  • Hui, jetzt sind wir aufgeregt...


    denn dieses Thema hat auch direkt mit unserem Thread "kann klassische Musik den Charakter beeinflussen " zu tun... Spricht genau das an, was wir fühlen - nur können wir es IMMER noch nicht richtig in Worte fassen... (und wischi-waschi heisst es zu vermeiden ;) )


    Hallo Taminoianer,


    wir können Lullist absolut zustimmen. (Zumindest einer von uns hat schon einen Verweis wegen "Einmischung im Unterricht erhalten - bloß weil er die Muttersprache verteidigt hat) - Musikunterricht wie Kulturgeschichte hat in den Unterrichtsplänen absolut KEINEN Stellenwert mehr. Und wird auch staatlich nicht unterstützt.

    Was Richard meint - es ginge zu weit DIESE Bildung der Schule zu überlassen, dem können wir uns einfach nicht anschließen. Denn GERADE wenn es darum geht, Kindern aus "einfacheren" Häusern Kunst zu vermitteln, ist in erster Linie die Schule an der Reihe. Wer soll es denn sonst tun? Schule ist dazu da um WISSEN zu vermitteln. Zumindest ein Grundwissen. Und das geschieht heutzutage definitiv nicht mehr. Also dieses Thema ist ein absolutes Reizthema für uns. Wir sehen den Mangel an Erziehung fast täglich, und sind fürchterlich genervt dadurch...


    Um nochmal auf Ulli zurück zu kommen: Wir glauben das Musikschulen nur dann genutz werden, wenn schon ein gewisses Talent vorhanden ist - ob man das jetzt von sich selbst behauptet bzw annimmt, oder ob es mittels Schule(!) in Erfahrung gebracht wurde.


    Wir könnten hier noch stundenlang weiterquasseln (ist Bayerisch) möchten aber erst mal Eure Antworten abwarten...


    Liebe Grüße


    B&W

  • Zitat

    Original von Bettina und Wilfried
    Um nochmal auf Ulli zurück zu kommen: Wir glauben das Musikschulen nur dann genutzt werden, wenn schon ein gewisses Talent vorhanden ist - ob man das jetzt von sich selbst behauptet bzw annimmt, oder ob es mittels Schule(!) in Erfahrung gebracht wurde.


    Hallo Bettina und Wilfried,


    euer Wort in Manitus Ohr, aber aus meiner praktischen Erfahrung heraus kann ich eure Vermutung leider nicht bestätigen. Von dem "gewissen Talent" will ich jetzt mal garnicht reden, aber oft ist noch nicht mal ein gewisses Interesse bei den Kindern da. Die Eltern meinen es natürlich gut ("wenn ich früher die Gelegenheit gehabt hätte..."), aber was können die Kinder dafür?!


    Wenn Kinder nicht von sich aus Interesse an der Musik haben, dann soll man ihnen den Musikunterricht auch nicht aufdrängen. Das sag ich jetzt mal als Musiklehrer. Mit dem Musikunterricht an der allgemeinen Schule stehts oft nicht zum Besten, da habt ihr recht. Aber das hängt eben vom einzelnen Lehrer ab. Da wird man mit Anweisungen von oben wenig bewirken.


    Nette Grüße
    Heinz

  • Ich formuliers mal ganz krass:


    Persönlich glaube auch ich nicht, daß Musikunterricht die Liebe zur Musik bzw. zur Klassik heben kann, bestenfals kann ein begabtes, oder aber auch nur Intertessiertes Kind, besser ausgebildet werden, so es das will.
    Ich weiß nicht, ob nicht zahlreiche potentielle passive Musikkfreunde vergrault würden, wenn man sie zwänge Noten lesen zu lernen, oder ein Instrument zu spielen. etwas, daß ja nicht lediglich mit "Musikalität" sondern IMO noch mehr mit manuellem Geschick zu tun hat. Ich kannte Leute, die konnten enorm schnell Klavier spielen, und natürlich fehlerfrei, aber mit Musikalität wars bei denen nichts. Kritiker ´hingegen (ich nehm mal den idealisierten Fall) wüssten genau, wie man ein Werk spielen sollte (zumindest behaupten sie das), sind jedoch manuell nicht in der Lage.


    Ich vertrat schon immer die Ansicht, und tu es heute noch, daß die Liebe zur Musik angeboren ist, allerdings bricht sie nicht immer durch.
    Wie man immer wieder lesen kann, finden etliche Leute erst jenseits der dreißig zu klassischen Musik, ungeachtet ihrer Herkunft und Ausbildung, selbst gegen den Widerstand ihrer Umgebung,


    Natürlich kann man den Übelstand beklagen, daß klasische Musik von der breiten Masse nicht geschätzt ist. Aber das war schon zu Mozarts Zeiten so, über 10 % der Bevölkerung wird man auch nicht erreichen können, klassische Musik ist elitär (da werden mich jetzt etliche prügeln wollen) und sie wird es meiner Einschätzung nach auch immer bleiben.
    Es ist eben leichter einen Saal zu füllen, wenn volksdümmelnde Musik auf dem Programm steht, als bei sogenannter "schwerer Musik"
    (Man bedenke, diese Musik ist ja nicht nur "ernst", sondern auch "schwer", wer will das schon :D )
    Selbst in adeligen Kreisen vergangener Zeiten war Musikalität keine Selbstverständlichkeit, wie mancher leidgeprüfte Musicus sicher betätigen würde.


    Was allerdings ein Übel ist, daß die "klassische Musik" derzeit keinen Stellenwert in der Gesellschaft hat, weil an den "Schalthebeln der Macht" und bei den sogenannten "Opinion Leaders" oft Leute sitzen deren Geschmack und Musikalität in etwa so ausgeprägt ist wie ihr Intellekt, - eine fatale Verknüpfung.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich finde, dass, wenn man ein Instrument wirklich außerordentlich gut erlernen will, und man die Leidenschaft und Begabung dafür hat, man aller finanzieller Sorgen entbunden sein sollte. Hört sich simpel an, und ich bin auch dafür, dass Schüler, die keinen Einsatz zeigen, nicht mit dem Unterricht belastet werden sollten. Ich habe dies auch „ehrgeizigen“ Eltern von Schülern gesagt, und natürlich keinen großen Beifall dafür geerntet, auch wenn ich privat, Schülern, die den Willen und das Zeug hatten, aber kaum Zeit, den Weg erleichtert habe.
    Bei mir war es so, dass ich mich nicht um Finanzielles kümmern musste, am Konservatorium war es schlicht so, dass wer bei den Prüfungen nicht 2 Punkte weniger als die Höchstnote schaffte, „entlassen“ wurde.
    Ich selbst wurde gefördert, dass es mir oft peinlich war, da man ja an sich eher zweifelt, und dies auch sollte.
    Eine rein persönliche Meinung, die vielleicht nicht sehr zeitgemäß erscheinen mag.
    LG
    Mike

  • llllllll

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • In den USA waren meine Kinder in einer Privatschule (was in Florida wegen Strukturproblemen einfach unumgaenglich war).
    Dort gabe es Musikunterricht- mit Notenlesen und Singen. Einmal im Jahr pro Jahrgangsstufe ein wirklich schoenes Musical, etc. Der Lehrer fuehrte ein Streichorchester- und jede Klassenstufe hatte eine halbe Stunde pro Woche Geigenunterricht- und ab 8 Jahren konnten die Kinder im Schulorchster mitspielen. Es ist unglaublich, welche Talente durch einen liebevollen Musikpaedagogen entedeckt werden koennen. Ganz offensichtlich waren die Kinder durch das ERLEBNIS motiviert, welches jeder fuer sich hatte, das Lernen, das Meistern, die Gemeinsamkeit...
    Inhaltlich konnten sich die Kinder sowohl mit zeitgenoessischen Musicals anfreunden, aber eben auch Klassiker haben sie gerne gelernt und gespielt. Haeufig waren die Eltern (und einige ehrgeizige Lehrer) wegen des zunehmenden Zeitaufwandes gegen Proben, die auch mal in Unterrichtstunden stattfinden mussten. Das konnte ich nie verstehen, denn die A-Studenten, die ja in USA vierteljaehrlich geehrt werden rekrutierten sich hauptsaechlich aus den Orchesterteilnehmern aller Altersstufen, und die Kinder opferten gerne Freizeit fuer das Ensemble.
    Hier in Italien gibt es derzeit ein Modell Konservatorium mit eingegliederter Mittelstufe (also 6-9 Klasse) wo regulaerer Unterricht stattfindet- und Musikunterricht. Dafuer bedarf es einer Aufnahmpruefung, und dann ist's eben "free". Das finde ich gut. Ebenso gut finde ich, dass es in unserem Dorf eine stark subventionierte Musikschule gibt, und die armen Paedadgogen seufzen manchmal wegen der Schueler, die nicht immer ueben, aber sie sehen den Broterwerb in der Musik eben als Privileg an, nicht als Beleidigung ihrer Faehigkeiten ;).
    Das Schoene ist ja auch, dass man mit allen Kindern ueber Musik sprechen kann- das ist ein Thema, wo man mit etwas Toleranz immer ein Thema hat, das ihnen am Herzen liegt- und um die Kinder geht es ja, das Weiterfuehren von Tradition geht doch nur ueber Herzen, nicht ueber Institutionen.

  • Hallo,


    wünschenswert wäre absolute Chancengleichheit. Und die ist nur gegeben, wenn Instrumentalunterricht kostenlos ist. Für meine Eltern waren vor zwanzig Jahren monatlich 80 DM für Einzelunterricht viel Geld, und ich kenne viele Leute, die allein wegen dieser Kosten keinen Instrumentalunterricht genossen haben. Wie man kostenlosen Instrumentalunterricht finanzieren soll? - Ich weiß es nicht! Meinetwegen kann man die Polizei-Eskorten bei Bundesliga-Fußballspielen kostenpflichtig machen und das gesparte Geld umschichten...


    Sonst denke ich niemals "sozialistisch", aber was Bildungsangebote betrifft, die nicht unmittelbar für hohe Einkommen qualifizieren (berufliche Fortbildung etc., ohnehin steuerlich absetzbar), bin ich der Meinung, dass der Staat ein offenes, kostenloses Angebot vorhalten müsste. Das gilt nicht nur für Musik, sondern auch für den Breitensport. Es muss nicht jedes Kind eines Hartz IV-Empfängers sein eigenes Pferd plus Reitunterricht kriegen, aber jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, zwischen 6 und 16 Jahren ein Instrument zu erlernen und eine Sportart auszuüben, ohne dass das Einkommen der Eltern eine Rolle spielt.


    Jetzt könnte man überlegen, zu welchen Einsparungen ein solches Angebot in Bereichen wie Erziehungshilfe, Strafvollzug, Drogentherapie etc. führt. Aber das ist Spekulation. Ich vermute, dass es Einsparungen gäbe, kann das aber nicht belegen.


    Freundliche Grüße


    Heinz Gelking


    PS: In Frankreich zahle ich als Erwachsener im Jahr 2005 nur 210 Euro für Einzelunterricht im Fach Violine. In Deutschland waren das damals (1985) über 450 Euro (80 DM/Monat). Da stimmt doch etwas nicht!?

  • Nun, über die Fragen und Probleme zu "progressivem Musikunterricht" kann ich wohl nicht ganz mitdiskutieren. Mein alter ungarischer Lehrer (Privatunterricht) verfolgt da nämlich eine ganz klare Linie:



    1. Viertelstunde Skalen
    2. Viertelstunde Bach
    3. Viertelstunde Etüden (sei es Czerny, sei es Dohnanyi, sei es Bartók) und Prima-Vista-Spiel
    4. Viertelstunde Vortragsstück(e)



    So jedenfalls laufen die Stunden ab, mein autodidaktischer Beitrag bei der ganzen Sache beläuft sich natürlich auf mehrere Stunden am Tag - je nach privatem und beruflichen Zeitkonto.


    Also eine ganz programmatisch, und zwar sowohl im Sinne von "dem klassischen Programm entsprechend" als auch im Sinne von "vorbildlich", denn ich spüre mein Weiterkommen am eigenen Leibe, auch wenn es teilweise geistige Schwerstarbeit ist, Bach tadellos in die Tasten zu schicken. Überdies ist es auch im meinem Sinne einen "alten Meister" vor mir zu haben, der zeitlebens Bach gespielt und ein Kapellmeisterstudium in Ungarn absolviert hat. Man kann in dieser Art von Unterricht zweifelsohne nur das Konservative per se sehen, gleichermaßen aber viel Nützliches entdecken.


    Nun bin ich als eingefleischter Hörer des entsprechenden Musikstils in diesem Milieu glücklich, kann mir allerdings vorstellen, dass ein 8-jähriger, der im Jahre 2005 und eben nicht "1700soundsoviel" lebt daran zu Grunde geht.


    Es hängt ganz von der Person ab, meist finden junge Menschen auch erst später zu klassischer Musik. Will man nun aber um jeden Preis einen guten Musiker aus dem Zögling machen, könnte man sagen: Wenigstens den Fingern hat der André genützt, wenn nicht dem Gehör. :D



    In diesem Sinne
    Thomas

    "Noten haben einen zumindest ebenso bestimmten Sinn wie Wörter, wiewohl sie durch diese nicht zu übersetzen sind." (Felix Mendelssohn-Bartholdy)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Natürlich wäre es klasse,wenn in Deutschland die Musikschulen staatlich gefördert werden und der Unterricht kostenlos ist.


    Denn ich kenne so einige Musikschulen,die jedes Jahr Ärger haben mit den Kommunen und den Subventionen. :(
    Das nervt auf Dauer, und hält viele Lehrer (selbstverständlich) nicht lange in der Stadt.
    Desweiteren sollte doch jeder die Chance haben, es zu probieren.
    Denn vielleicht hat ein armer Türke verdammt viel Talent beim Musizieren...
    ...aber ohne anzufangen, wüßte ja niemand etwas davon.


    Zum:
    Der Unterricht sollte vielseitig und flexibel sein.


    Klassik und drumherum (Barock,Romantik) sollten genauso viel unterrichtet werden wie Jazz und Pop.


    Denn gerade aus Klassik und co. folgte ja schließlich Jazz,pop etc.


    ABER: Als Basis sollte eben ERST Klassik und DANACH Pop unterrichtet werden. (Schule wie auch Musikschule)

  • Da ich gerade die Jahresrechnungen für den Instrumentalunterricht meiner beiden Kinder in der städtischen Musikschule bekommen habe, bekomme ich wieder leichten Zorn wegen des von öffentlicher Seite angeordneten langsamen Absterbens des kulturellen Lebens und der kulturellen Bildung (habe ich das übertrieben formuliert?).


    Für jedes Kind zahle ich für eine halbe Schulstunde Unterricht (Violine bzw. Klavier) 49,- Euro pro Monat. Ich habe fast das Gefühl, man will uns Eltern davon abhalten, unseren Kindern kulturelle Bildung zuteil werden lassen. Aber natürlich - meine Kinder gehen gerne, und ich zahle. Allerdings hat meine Tochter, das muss ich hinzufügen, die Möglichkeit, im Kinderorchester mitzuspielen. Letzte Woche war sie zum ersten Mal dabei und ist von dem Gesamtklang der vielen Streicher sehr begeistert (woran man merkt, dass ihr Papa hauptsächlich Kammermusik hört).


    Was ich gerne von Euch erfahren möchte: Wie sehen bei Euch die Bedingungen (finanziell und auch sonst) im städtischen Musikunterricht aus?


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Salut Uwe,


    die [nach uns] größere MuSchu in der Nähe [wohlgemerkt in D-Land] verlangt für:


    Einzelunterricht 45 min. 73,-- € mtl. durchbezahlt
    Einzelunterricht 30 min. 50,-- € mtl. durchbezahlt
    2 Pers. Gruppenunterricht 45 min. 39,-- € mtl. durchbezahlt p.P.
    2 Pers. Gruppenunterricht 30 min. 27,-- € mtl. durchbezahlt p.P.
    4 Pers. Gruppenunterricht 45 min. 30,-- € mtl. durchbezahlt p.P.
    5 Pers. Gruppenunterricht 45 min. 22,-- € mtl. durchbezahlt p.P.


    und dann gibts noch ein paar "Extras"...


    Wir "verlangen" natürlich das gleiche, bieten aber keinen Gruppenunterricht [weil Schwachsinn und Abzocke + unnötiger Stress], haben aber nicht den Verwaltungsaufwand plus dessen Kosten einer städtischen Musikschule.


    :baeh01:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Wir haben bei uns (fast) immer einen Minister und (s)einen Staatssekretär.
    Vor ungefähr drei Wochen gab es im Fernsehen einen Dokumentar über Musikunterricht bei uns. Darin wurden auch die zwei Brüder Jussen (10 und 12 Jahre alt) gezeigt. Sie haben offenbar soviel Talent, daß Maria João Pires sich ihnen annahm. Bei ihr in Portugal dürfen sie ein Jahr studieren. Und sie hat bereits bei ihrem letzten Recital im Concertgebouw diese zwei Buben mitgenommen und in wechselnder Zusammenstellung wurden dann Quatremains gespielt.


    Der Produzent des Dokumentars hat öfters (wurde auch gefilmt) versucht mit dem Kulturminister oder ihrem Staatsekretär zu reden. Er fand daß solche Talente vom Staat Unterstützung bedürften. Keiner der Angerufenen war dafür verantwortlich, so sagten die Beamten letztendlich. :kotz: :kotz:
    Bei euch ist das offenbar noch besser als bei uns.


    LG, Paul

  • Hallo Ulli,


    Zitat

    die [nach uns] größere MuSchu in der Näh


    wer ist "uns"? Bist Du Mitarbeiter einer privaten Musikschule oder so?



    Hallo Paul,


    Zitat

    Bei euch ist das offenbar noch besser als bei uns


    ...und ich dachte, das sei genau umgekehrt. Was mir an den Niederlanden in der Vergangenheit imponiert hat, war besonders (auch in der Musikerziehung) die Pflege des Minderheitengeschmacks (zumindest mehr als bei uns). Da gab es, so mein Eindruck, Ensembles mit Besetzungen, die bei uns keine Chance hätten. Wie es bei Euch allerdings heute aussieht, das weiß ich nicht, da ich das praktische Musikleben nicht mehr so intensiv verfolge.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Hallo Uwe,


    Du mußt unterscheiden zwischen Unterricht und das Ausüben des Berufes.
    Die Verantwortlichen weigern zB Geld zu Verfügung zu stellen um eine Schule - analog zu jener in England von Yehudi Menuhin - zu stiften.
    Es hat fast ein halbes Jhdt gedauert, bevor endlich die superintelligente Kinder eine eigen Schule mit Sonderprogramm haben dürften. Das wird übrigens von den Eltern bezahlt.


    Dies alles der niederländischen Tradition zufolge "Stecke Dein Haupt nicht über das Mähfeld heraus" oder "Benehme Dich normal, denn dann benimmst Du Dich ja schon abnormal". Wir haben eine Menge solcher Redensarten. :kotz:


    Ja, wenn man bereits eine Schule hat, dann wird da experimentiert bis zum :kotz: :kotz:
    Das ist ja auch nicht gut.
    Ein kleines Beispiel: Personen, die sich fürs Lehreramt entschieden, kennen ihre 1 + 1 schlechter als die heutige 12-jährigen. Das wurde vor einige Wochen konstatiert. Erst jetzt wird man - Gott sei Dank - vernünftig.


    LG, Paul

  • Zitat

    die Pflege des Minderheitengeschmacks


    Hallo Uwe,


    Noch eine kleine Ergänzung. Die Pflege des Minderheitengeschmacks ist verwandelt in den Terror der Minderheiten, wobei Minderheit bedeutet: Herkunft nicht aus Europa; Gottesdienst jedenfalls nicht Christlich; Muttersprache am liebsten alles, wenns nur nicht holländisch ist; Kultur jedenfalls nicht Europäisch; usw.


    Es gab bei uns ein Politiker, der vor 10 Jahre dagegen warnte. Sofort wurde er beschuldigt von "Unterleibgefühle" (sic).
    Glücklich ist man bei uns noch ziemlich nüchtern, denn sonnst wimmelte es von Extremisten.


    LG, Paul