Die Welt der baltischen Chormusik

  • In den nordeuropäischen Ländern, entlang der Ostsee, hat sich eine ganz besondere Form der Chortradition entwickelt, welche ich hier vorstellen möchte.


    Inwiefern unterscheidet sich die Chormusik der baltischen Länder bspw. von der unsrigen?
    Zum einen ist hier die Klangkultur zu nennen. Das baltische Klangideal ist ein sehr gerader und kräftiger Chorklang. Eine nahezu ohne vibrato geführte Stimme ist der ohrenfälligste Unterschied. Dies trifft nicht nur auf die vielen Laienchöre, sondern auch auf die professionellen Vokalensembles zu. Zum anderen ist die Stimme recht hell, also obertonreich, geführt. Dies erzeugt in der Summe der einzelnen Chorsänger einen sehr glänzenden, silbrigen und vor allem durchdringenden Sound. Zuletzt verfügen die Chöre dort, ähnlich wie in Russland, über ausgeprochen "schwarze" Bässe mit eine unglaublichen Tiefe, welche sie sehr warm aber profund einsetzen können.


    Als zweiter wesentlich Unterschied ist die intensive Pflege der baltischen Chorliteratur, insbesondere jene der Moderne zu erwähnen. Auf diesem Gebiet sind viele Komponisten jener Regionen sehr aktiv. Zu nennen sind (ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben) hier bspw. Arvo Pärt, Per Norgard, Alfred Schnittke, Urmas Sisask, Veljo Tormis, Sven-David Sandstrom, Peteris Vasks, Einojuhani Rautavaara, Knut Nystedt und viele viele andere..


    Die Aufführung der Werke von zeitgenössischen baltischen Komponisten verleiht der Probenarbeit der Chöre zudem eine sehr spannende Möglichkeit: Die Stücke mit dem Komponisten zu erarbeiten, zu entwickeln. Schöpfer und Ausführende stehen so in einem Dialog, der in jedem falle der Musik selbst zu gute kommt. Dies ist sicherlich kein baltisches Phänomen, jedoch wird dies aus bereits oben genannten Gründen besonders häufig praktiziert.




    Einen guten Einblick in die baltische Chormusik gibt die CD-Reihe: Baltic Voices


    Auf drei CDs stellt der Estonian Philharmonic Chamber Choir unter der Leitung des ausgesprochen bekannten Chordirigenten Paul Hillier (unter anderem langjähriger künstlerischer Leiter des Hillard Ensembles sowie Gründer von Theatre of Voices) die ganze Bandbreite der baltischen Chormusik in einer wunderschönen Zusammenstellung vor. Eine absolute Kaufempfehlung! :jubel:



    In der Folge möchte ich (und hoffentlich auch ganz viele andere Taminos :yes:) hier verschiedene baltische Komponisten bzw. spezielle Chorwerke vorstellen.



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo


    heute möchte ich die CD eines lettischen Komponisten vorstellen: Peteris Vasks.


    Der 1946 geborene Vasks ist wohl eiener der bekanntesten lettischen Komponisten unserer Zeit. Besondere Bekanntheit erlangte sein Violinenkonzert Distant Light.


    Hier soll es jedoch um folgende CD gehen:


    Das wichtigste und auch bekannteste Werk auf der CD ist zweifellos Dona nobis pacem für Streichorchester und Chor. Diese von einigen gern minimalistisch bezeichnete Musik spinnt die Melodie zwischen dem Streichorchester und Chor hin und her. Nach einer Steigerung bis zu einem Höhepunkt erfolgt ein besinnlicher Abgesang.
    Die Musik bewegt sich durchweg in einem engen tonalen Rahmen (daher der Begriff "minimalistisch"), oft kommen Orgelpunkte zum Einsatz, in denen sich Harmonien über einem gehaltetn Grundton entwickeln.
    Eine Besonderheit des Stücks ist der Text: "Dona nobis pacem." Mehr Text gibt es nämlich nicht. Aber gerade die stete Wiederholung lässt die textliche Aussage auch besonders intensiv wirken. Vasks schreibt dazu: Nur drei Worte, aber brauchen wir eigentlich mehr? Es ist eines der kürzesten Gebete, aber vielleicht auch das inbrünstigste.


    Des weiterin sind auf CD ein Werk namens Pater noster zu finden (auf welches ich nicht weiter eingehen möchte) sowie Missa, eine komplette Messe, ebenfalls für Chor und streichorchester. Der Gestus ist stellenweise ähnliche wie bei dona nobis pacem, jedoch ist die Musik deutlich abwechslungsreicher. Während bspw das Sanctus sehr munter, fast heiter wirkt, ist das Benedictus sehr ruhig und getragen gehalten. Bei alle dem bleiben die Harmonien stets in einem tonalen Rahmen, Dissonanzen treten wenig und wenn dann nur als Farbe auf.


    Einige Worte zu den Ausführenden. Die Sinfonietta Riga macht, sowiet ich das beurteilen kann, ihre Sache sehr gut. Herauszuheben ist der wieder einmal hervorragend aggierende Lettische Rundfunkchor Riga. Der vibratloarmen und dennoch kräftigen Sound des Chores passt wunderbar zu den Streichern und mischt sich sehr gut.


    Wiedermal also eine Empfehlung für eine wirklich schöne CD mit (baltischen) Chorwerken :)


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Passend zum Thread möchte ich auf eine CD verweisen, welche ich bereits vor längerer Zeit im Thread Chormusik der Moderne vorgestellt habe. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von geistlichen Chorwerken des recht bekannten norwegischen Komponisten Knut Nystedt.


    Zu finden ist die CD-Vorstellung >>> hier <<<.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo Thomas,
    da ich mich auch regelmäßig in den schönen Melodien der baltischen Komponisten verliere kann ich deinen Faden nur begrüßen.
    Mir hat es besonders Rautavaaara angetan.
    Begeistert haben mich diese Scheiben:


    Bei Tormis bin ich noch nicht so weit


    Mäntyjärvi find ich zugänglicher, teilweise sehr lustige Sachen dabei..


    Von Anti Marguste hab ich nur ein paar Liedchen


    Unbedingt hörenswert ist das komplette Gloria Patri und das Magnificat von Sisask


    Pärt ist ja wohl bekannt und brauch man nicht extra erwähnen oder doch?
    In letzter Zeit schwebe ich dahin bei dieser Scheibe


    Die 3 von dir bereits empfohlenen Hillier CDs kann ich auch nur weiter empfehlen.
    Das ist phänomenaler Chorgesang :yes:


    Vielleicht fallen mir ja noch ein paar Namen ein...


    :hello:
    embe

  • Zitat

    Original von embe
    Bei Tormis bin ich noch nicht so weit


    Hübsch und ebenfalls empfehlenswert ist auch diese CD von Tormis:




    Zitat

    Mäntyjärvi find ich zugänglicher, teilweise sehr lustige Sachen dabei..


    Oha! Diese CD besitze ich auch..und ich kann mich wirklich überhaupt nicht erinnern, wie sie klingt! 8o :no: Ist also bereits fest in meinem Hör-Plan einsortiert. Bin gepannt!


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Eine CD mit Werken von Veljo Tormis möchte ich hier noch erwähnen:



    Wunderschöne Lieder in der typischen klangstarken Art nach Tormis.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • habe inzwischen alle 3 CD mit Baltic Voices gekauft und kann die Empfehlung nur nachdrücklich unterstützen !! Bei BV 3 gibt es einen etwas größeren leicht atonalen Teil, der mir nicht so liegt, aber auch diese CD halte ich insgesamt für empfehlenswert.


    Auf BV 2 gibt es zudem mit der Nr. 4 ein absolutes Gipfelstück (Score: 9) !!, das allein die Anschaffung aller 3 CDs rechtfertigt.

  • Schön das ich Dich begeistern konnte :D Ich begeistere mich übrigens ebenso für das gleiche Stück auf der CDs wie Du.


    Davon abgesehen hier meine Lieblingsstücke der drei CDs:


    CD1: Titel 5: Sven-David Sandström - Hear my prayer, O Lord


    CD2: Titel 4: Urmas Sisask - Oremus (aus Five songs from Gloria Patri


    CD3: Titel 4: Rytis Mazulis - The dazzled eye lost its speech



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Mir fällt gerade auf, dass hier eine ganz wichtiges Werk von Rautavaara:



    Diese Messe erklingt vor dem Hintergrund anderer Werke von Rautavaar etwas ungewöhnlich. Unkonventionelle aber sehr wirkungsvolle Hamronien und Harmoniewechsel prägen diese Musik. Herrliche nordische Klänge mit strahlenden Frauenstimmen und sehr vielen profunden bassstellen machen die Vigilia zu einem wirklich Ohrenschmauss. Der hervorragende Chor und die ebenfalls hervorragenden Solisten tragen auf obiger (einziger ?!) Einspielung zu diesem Genuss bei.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

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  • Seit wenigen Monaten gibt es übrigens eine weitere CD mit werken von Veljo Tormis im Handel:



    Sie liegt zwar schon auf meinem Tisch, muss aber erst noch durchgehört werden, bevor ich mich äußern kann. Aber die Namen Holst Singers und Stephen Layton sprechen eigentlich für sich..


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Klasse Thread mit vielen tollen Empfehlungen - Bestellung läuft! Was ich ein bißchen vermisse, ist häufiger eine kleine Bewertung der jeweiligen Aufnahmequalität. Natürlich höre ich ein interessantes Stück von einem sehr guten Ensemble aus musikalischem Interesse auch in einer nicht spitzenmäßigen Aufnahmequalität - aber nur dann, wenn es nichts Besseres gibt!
    Ich gehöre zu den merkwürdigen Menschen, die hochwertige Musik ungern nur nebenbei hören. Da ich auch noch zu 80% mit Kopfhörer höre, fallen mir Mängel in der Aufnahmequalität oft sehr unangenehm auf und verderben mir ein wenig die Freude an mancher musikalisch wertvollen Einspielung. Und gerade Chormusik kann unter KH ein Traum sein!
    Dies nur zur Erläuterung meiner Bitte um eine - subjektive - Bewertung der Klangqualität! Danke Euch!
    Liebe Grüße :)

  • Zitat

    Original von Reiner_Klang
    Dies nur zur Erläuterung meiner Bitte um eine - subjektive - Bewertung der Klangqualität!


    Hallo Reiner,


    zumindest allen von mir vorgestellten CDs in diesem Thread kann ich eine sehr gute bis herorragende Klangqualität attestieren. Ausgewogener aber nie übertriebener Hall; offensichtlich große Aufnahme-Hallen die nie ein akkustisches Schuhkarton-Gefühl aufkommen lassen; quasi keine Nebengeräusche.


    Wenn es mal doch eine CD mit Abstrischen bei der Tonqualität geben sollte, werde ich dies in Zukunft erwähnen :)


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo Thomas,
    ich hatte Deiner Empfehlung folgend die drei "Baltic Voices"-Aufnahmen bei jpc als SACDs bestellt. Trotz der Angabe "lieferbar in 1-3 Tagen" dauerte es nun eine gute Woche, bis ich wenigstens Nr.2 u. Nr.3 erhielt. Kurioserweise in völlig unterschiedlichen CD-Hüllen: Nr.2 in einer schweren transparenten Hülle mit abgerundeten Ecken und Nr.3 in einer außen bedruckten Papp-Klapphülle. Wo sie die wohl hergeholt haben?? ?(


    Die Nr.1 läßt weiter auf sich warten ("im Rückstand"). :angry:


    Nachdem die Sendung gestern eintraf, mußte ich bei aller zeitlichen Knappheit wenigstens per KH die erste Hälfte von Nr.2 hören. Erster Eindruck: Sehr schön! Besonders das "Oremus" von Sisask (Du hast es bereits weiter oben positiv erwähnt) ist zum Dahinschmelzen. Was für ein sensibles Agieren der Einzelstimmen im Gesamtklang, was für eine wundervolle Atemtechnik bei den endlos langen Klanggeflechten! Ich hätte das Stück am liebsten fünfmal nacheinander gehört. Toll! Kleine Intonations-Unschärfen fielen mir nur bei wenigen dissonanten Durchgängen oder "eingesprungenen Querständen" auf. Gäbe es solche minimalen Imperfektheiten überhaupt nicht, wäre das ja fast schon übermenschlich! Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die anderen Stücke.


    Auch die Aufnahmequalität der SACD ist sehr gut (durchgehend DSD). Nachteil der hochwertigen Aufnahmetechnik und meiner sensiblen Wiedergabetechnik: das Knistern des Notenpapiers nervt an manchen leisen Stellen! Aber das ist so nebensächlich, daß es den sehr guten Gesamteindruck kein bißchen beeinträchtigt.


    Liebe Grüße :hello:

  • Zitat

    Original von Reiner_Klang
    [..]Kurioserweise in völlig unterschiedlichen CD-Hüllen: Nr.2 in einer schweren transparenten Hülle mit abgerundeten Ecken und Nr.3 in einer außen bedruckten Papp-Klapphülle.


    Bei mir ist die Baltic Voices I in einer normalen SACD-Hülle (also die mit abgerundeten Ecken), während BV II und BV III eine Papphülle mit eingeklebtem Booklet haben. Ehrlich gesagt gefallen mit die Papphüllen besser, sie sehen einfach hochwertiger aus..


    P.S.: Schön dass Dir die CDs bzw. das besagte Stück gefallen. Für mich ist die BV I die beste CD Serie, die anderen CDs beinhalten dafür Stücke, die man wohl nicht so schnell an anderer Stelle eingespielt vorfinden wird. Für eine Sammlung also echte Leckerbissen! :yes:


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello: