Günther Ramin - Ein großer Thomaskantor

  • Mit dem Namen Günther Ramin (1898-1956) verbinde ich noch heute mustergültige Aufnahmen der beiden Bach-Passionen (Mt-Passion 1941, Joh-Passion 1954), dazu unzählige weitere Aufnahmen von Bach-Werken, v.a. etlicher Kantaten. Ramin war von 1940 bis zu seinem frühen Tode 1956 infolge eines Hirnschlags Thomaskantor zu Leipzig. Unter ihm gelangte der altehrwürdige Thomanerchor nach dem Krieg schnell wieder zu hohem Ansehen in In- und Ausland.



    M.E. erwähnenswerte Aufnahmen Ramins sind:



    Die legendäre Matthäus-Passion von 1941.



    Die Johannes-Passion von 1954.



    Eine Ramin-Kollektion.
    Inhalt: Johannes-Passion BWV 245; Kantaten BWV 12, 24, 36, 41-43, 51, 57, 65, 67, 72, 73, 79, 92, 95, 103, 106, 111, 119, 128, 131, 137, 138, 144, 177, 179; Orgelwerke: Toccata & Fuge BWV 565; Präludien & Fugen BWV 540 & 545; Präludium, Largo & Fuge BWV 545 (frühe Fassung).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Als Kind und Jugendliche habe ich ihn noch bei den Aufführungen in der Thomaskirche "zu denen man hinging" erlebt - Weihnachtsoratorium und Matthäuspassion.


    Sind diese gezeigten Aufnahmen mono - was ich annehme - oder stereo ?


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Original von Stabia
    Als Kind und Jugendliche habe ich ihn noch bei den Aufführungen in der Thomaskirche "zu denen man hinging" erlebt - Weihnachtsoratorium und Matthäuspassion.


    Wow, das sind sicher unvergessliche Erlebnisse!


    Zitat

    Original von Stabia
    Sind diese gezeigten Aufnahmen mono - was ich annehme - oder stereo ?


    Laut der Angabe auf der Ramin-Kollektion ist alles Mono. Aber das ist an sich kein Wunder. Stereo wurde m.W. 1955 erfunden - nur ein Jahr vor Ramins Tod.
    Allerdings ist der Klang wirklich erträglich, manchmal sogar gut, selbst in der 1941er-Mt-Passion.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Johannespassion ist zwar mono, aber klanglich ordentlich und auch wirklich heute noch hörenswert, u.a. wg. Haefliger und Giebel, die erstklassig sind.
    Es gab/gibt sie mit der Matthäuspassion der Mauersbergers, dem ersten Stereo-Weihnachtsoratorium (unter dem Nachfolger Kurt Thomas) und einer recht neuen h-moll-Messe unter Rene Jacobs in einer spartanischen, aber sehr preiswerten Box.


    Die Matthäuspassion ist verständlicherweise klanglich wesentlich schlechter, wiewohl für 1941 noch o.k. außerdem ziemlich gekürzt, m.E. eher was für Spezialisten.
    Auch eine einzelne CD mit Kantaten fand ich u.a. wg. der Klangqualität so unbefriedigend, dass ich von weiteren Anschaffungen Abstand genommen habe. Für diejenigen, die die Bach-Rezeptionsgeschichte o.ä. interessiert, natürlich sicher interessant.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke für die Auskunft.
    Als ausschließlicher Kopfhörerhörer sicher nicht das Beste.


    Ich habe die Aufnamen von den Brüdern Mauersberger, die ich auch selbst erlebt habe.
    Für Leipzig war das damals eine einmalige Sache, da Kreuz- und Thomanerchor immer eine Konkurrenz hatten, die in diesem Falle mal zum Zusammensingen geführt hat.


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • coverowkh5.jpg


    Eine für den Liebhaber historischer Bach-Interpretationen wichtige Ergänzung zu den offiziellen Eterna-Platten diverser Kantaten erschien bereits 2008 beim Label Antiphon. Es handelt sich um die Kantaten BWV 21 "Ich hatte viel Bekümmernis" sowie BWV 110 "Unser Mund sei voll Lachens", die bis dahin in der Diskographie Günther Ramins fehlten. Die Mitschnitte aus der Leipziger Thomaskirche, die offenbar nur durch Zufall überlebt haben, datieren auf den 6. September 1947 (BWV 21, Sätze 1-6) und den 4. Oktober 1947 (BWV 21, Sätze 7-11) sowie auf den 20. Dezember 1947 (BWV 110, Sätze 1, 3, 6 & 7) und den 8. Dezember 1950 (BWV 110, Sätze 2, 4 & 5).


    Die Besetzung neben den Thomanern und dem Gewandhausorchester wie folgt:


    Ein Thomaner, Sopran (BWV 21)

    Elisabeth Meinel-Asbahr, Sopran (BWV 21)

    Gertrud Birmele, Sopran (BWV 110)

    Lotte Wolf-Matthäus, Alt (BWV 110)

    Gert Lutze, Tenor (BWV 21 & 110)

    Friedrich Härtel, Bass (BWV 21 & 110)


    Kuriosität am Rande: Am Cembalo in BWV 110 agiert niemand Geringerer als der damals blutjunge Karl Richter.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kuriosität am Rande: Am Cembalo in BWV 110 agiert niemand Geringerer als der damals blutjunge Karl Richter.

    Hierbei hat Joseph II. genau hingesehen. Ich finde solche Details auch sehr interessant. Sie belegen, dass bei der Bach-Pflege in Leipzig große Meister klein angefangen haben. Sie hatten eine sehr gute Schule. In den 1930er Jahren gab es einen vielversprechenden Versuch, unter Leitung des damaligen Thomaskantors Karl Straube alle Kantaten von Bach im damaligen Mitteldeutschen Reichssender, der seine Technik ausgebaut hatte, an den jeweiligen Sonntagen zu übertragen. Als die Nazis an die Macht kamen, wurde das Projekt erst begrenzt, schließlich eingestellt. Ihnen passten vor allem manche Texte nicht. Einige dieser Übertragungen haben sich als Mitschnitte erhalten, teils nur bruchstückhaft. In Ausschnitten aus "Ich ruf' zu dir, Herr Jesu Christ" (177) und bei "In allen meinen Taten" (97) spielt Karl Münch (Charles Munch) die Violine, in letzterer kommt noch Rudolf Kempe mit der Oboe hinzu. Günther Ramin, dem dieser Thread gewidmet ist, sitzt jeweils an der Orgel. Diese Dokumente sind bei Querstand sehr gut dokumentiert herausgekommen. Vor nunmehr fünf Jahren hatte ich dazu mal ein Thema eröffnet.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich muss zugeben, dass mich (wahrscheinlich!) die evtl. vorhandenen Tondokumente nicht interessieren, finde aber solche historischen Textausgrabungen immer interessant zu lesen. Auch der Hinweis auf den fünf Jahre alten Beitrag von Tamino Rheingold1876 ist wichtig, habe ich ihn heute doch mit großem Interesse gelesen. Warum ist mir das nicht schon viel früher aufgefallen? Da kommen einem nicht nur musihistorische Gedanken, sondern auch politische ins Gehirn.

    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER