Franz Xaver Richter [1709-1789]

  • Hallo,


    ich hab jetzt keine Lust mehr, auf die vom Namensvetter des Komponisten versprochene Threaderöffnung zu warten [ggfs. hole ich das dann selbst nach]. Bevor mein vorbereitetes Antwortposting als op. post. veröffentlicht werden muss:



    Aus den


    SIX
    QUATUOR
    POUR
    Deux Violons, Alto Viola et Basse.
    composés par
    MR. XAVERIO RICHTER
    Maître de Chapelle de Strasbourg


    werden in der oben gezeigten Einspielung des Quatuor Rincontro die Quartette Nrn. 1 bis 3 wiedergegeben.


    Quartetto Œuvre 5 n° 1 C-Dur


      1. Allegro con brio
      2. Andante poco
      3. Rincontro [Presto]


      Ein leichtes, eingängiges Werk, nach dessen dritten Satz sich das Ensemble Ricontro, bestehend aus


      Pablo Valeti, Violine
      Amandine Beyer, Violine
      Patricia Gagnon, Alto
      Petr Skalka, Violoncello


      benannt hat. Es ist faszinierend, dass die Musik Richters so ein Mittelding zwischen "Barock" und "Wiener Klassik" ist. Ein Stil, den Mozart sich hart erarbeiten mußte - und Richter komponiert ihn quasi "zwangsweise", weil er noch in diese Übergangszeit hineingeboren wurde. Das Rincontro, ein viereinhalbminütiges Fugato ist von mitreißender Brillanz mit PW 10.


    Quartetto Œuvre 5 n° 2 B-Dur


      1. Poco Allegretto
      2. Poco Andante
      3. Fugato [Presto]


      Dieses Werk ist mir besonders ans Herz gewachsen. Bereits der 1. Satz ist faszinierend. Der 2. Satz - in g-moll - beginnt mit einem Motiv, das jenem aus Mozarts KV 488, 2. Satz zum Verwechseln ähnlich ist. Außerdem tauchen Melodiefetzen aus der Violinsonate B-Dur KV 454, ebenfalls 2. Satz [[T. 56/57] auf. Nach diesem melancholischen Satz folgt ein fetziges Fugato ohne Nachgeschmack, eine wahre Aufhellung!


    Quartetto Œuvre 5 n° 3 A-Dur


      1. Allegretto
      2. Andante
      3. Tempo di Minuetto - Trio


      Das Andante in D-Dur hat mozartsche Wärme und Eleganz. Interessant, dass das Werk mit einem Menuett [getarnt mit "Tempo di...", enttarnt durch das fis-moll-Trio] endet. Da folgt Richter offenbar dem "Vorbild" Gossecs, der in seinem Opus XV viele kleine Betrügerquartette komponierte [in Wahrheit hat er nur die Hälfte an Quartetten komponiert: die meisten sind nur 2sätzig, zwei davon enden mit einem Menuett].


    Da bleibt nur die Hoffnung, dass die Quartette Nrn. 4-6 auch bald eingepielt werden. Am liebsten gleich wieder von diesem Ensemble!


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ah! Richter,


    Sehr schön. Zur Zeit kommt ja auch einiges auf den Markt. Ein nicht zu unterschätzender Komponist. Und für alle die ihn hören wollen (den gestrengen Herren, zumindest blickt er auf seinem einzigen mir bekannten Bild sehr ernst. Er hat wohl viel Freude an der Musik):












    Bleibt zu erwähnen, dass ich Richter für einen wenn zwar nicht in jdem Fall inovativen, so doch ausgesprochen anregenden Sinfoniker halte, gerade weil vieles in seinem Werk sehr spröde wirkt.


    :hello:

    HERNEN

  • Guten Tag



    Mittlerweile sind im die
    " Grandes Symphonies VII-XII (1744) Set 2 "



    ebenfalls mit dem famos spielenden Helsinki Baroque Orchestra
    und ihrem vom Cembalo aus dirigierenden Leiter Aapo Häkkinen auf dem Markt.
    Franz Xaver Richter war kein musikalischer Revoluzzer in seiner Zeit,
    seine Musik wirkt gegenüber den großen Mannheimer Neuerern wie Stamitz oder Cannabich eher konservativ.
    Die Sinfonien sind eine Synthese aus barockem Kontrapunkt und der gerade aufkommender galanter Melodik.
    Doch sind sie äußerst raffiniert komponiert und mit allerlei harmonischen Raffinessen gespickt.
    In der Interpretation des Helsinki Baroque Orchestra beginnt Franz Xaver Richters Musik zu atmen,
    ihre gewählten Tempi wirken frisch, manchmal frech aber immer zupackend.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Franz Xaver Richter war kein musikalischer Revoluzzer in seiner Zeit,
    seine Musik wirkt gegenüber den großen Mannheimer Neuerern wie Stamitz oder Cannabich eher konservativ.
    Die Sinfonien sind eine Synthese aus barockem Kontrapunkt und der gerade aufkommender galanter Melodik.
    Doch sind sie äußerst raffiniert komponiert und mit allerlei harmonischen Raffinessen gespickt.


    Richter konservativ und Cannabich revolutionär?
    Die Sinfonien - die ich allerdings (noch) nicht kenne, sind von 1744. Cannabich war da gerade mal 13 Jahre alt.
    Jedenfalls gehört Richter zu den Mannheimer Neuerern. Ich glaube auch, dass er die erste bekannte Streichquartettsammlung herausgegeben hat.
    Übrigens ist Deine Charakterisierung (Synthese aus barockem Kontrapunkt und gerade aufkommender galanter Melodik) ohnehin ein Argument für die Modernität seiner Tonsprache. Wobei mitunter das Unmotivierte seiner Sequenzen beanstandet wird - sonst wüßte ich nicht, was man ihm vorwerfen könnte. Schielt man nach Österreich hinüber, vertritt Monn, der 1749 gestorben ist, ebenfalls eine stark kontrapunktische Vorklassik und in den 50er Jahren hat der Mannheimer Beck, der wesentlich jünger ist als Richter, Johann Stamitz und Monn, in den zerklüfteten Eruptionen seiner Sinfonien op. 3 immer noch reichlich barocken Tonsatz im Sturm oder Drang.


    Vielleicht macht das ja die überragende Bedeutung der Sinfoniker Giovanni Battista Sammartini (ab 1730) und Johann Stamitz (gestorben 1757) deutlicher. Es bedurfte wohl eines ziemlich vom barocken Kontrapunkt freigefegten Stils, damit die Kontrapunktik auf eine neue Weise im "durchbrochenen Stil" Haydns Einzug halten konnte. Deshalb sind aber nicht alle Komponisten konservativ, die zur Jahrhundertmitte eine barocke Form der Kontrapunktik pflegen.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Helge Faller
    Ein nicht zu unterschätzender Komponist.
    :hello:


    Ist jetzt weder wichtig noch themarelevant noch aktuell, trotzdem:


    Müsste es nicht heißen:


    Ein nicht zu überschätzender Komponist.


    Irgendwie beißt sich hier eine Katze in den Schwanz und ich bin irritiert, solange ich auch darüber nachdenke.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Die Wirrungen des Hirns sind nicht zu unterschätzen.


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Helge Faller
    Ah! Richter,


    Sehr schön. Zur Zeit kommt ja auch einiges auf den Markt. Ein nicht zu unterschätzender Komponist.


    Genau, :jubel: :jubel:


    Franz Xaver Richter war böhmisch-mährischer Herkunft, stammte wohl aus Holleschau; jedenfalls wurde in der Liste der Mitglieder der Mannheimer Hofkapelle von 1758 der Ort Holleschau als Herkunftsort genannt. Über seine musikalische Ausbildung weiß man wenig, viel spricht für eine gründliche musikalische Berufsausbildung als Sänger, Instrumentalist und Komponist. Vermutet wird, dass er in Wien bei Johann Joseph Fux studierte und den selben Unterricht wie ein weiterer bedeutender Sinfoniekomponist der Zeit, Georg Wagenseil, genossen hat.
    1740 wurde er für die nächsten 4 bis 5 Jahre „Vicecapellmeister“ des Fürstabtes Anseln von Reichlin-Meldegg zu Kempten. 1747 erschien erstmals sein Name in der Liste der Hofmusiker des Mannheimer Kurfürsten Carl-Theodor von der Pfalz und zwar als Bassist -vituosa di camera- neben weiteren Bassisten wie Natale Bettinardi, Franz Anton Lutz und Giuseppe Giardini; in einer weiteren Quelle wird er als 2. Geiger aufgeführt.
    In Mannheim wird er als Mitglied der Hofkapelle –wie viele der Hofmusiker- u.a. auch Symphonien komponiert haben, er verfasste aber auch ein Menge bedeutender geistlicher Musik, bei den vielen Gottesdiensten am kurpfälzer Hof herrschte daran ein enormer Bedarf . Für den Karfreitag 1748 schrieb er auf Einladung des Kurfürsten das Karfreitagsoratorium "la deposizione dalla croce". Womöglich wurde er eigens zur Komposition geistlicher Musik am Hofe verpflichtet. F.X. Richter war auch als Lehrer tätig, er schrieb auf der Grundlage des Gradus ad Parnassum von J.J. Fux über Jahre eine Kompositionslehre, die er dem Kurfürsten Karl-Theodor widmete. Zu seinen Schülern zählten u.a. H.J. Riegel, Carl Stamitz Ferdinand Fränzl und Joseph Martin Kraus.
    1768 wurde er zum kurfürstlichen Cammercompositeuer ernannt, danach fehlt sein Name von der Liste der Hofsänger.
    Richter war viel auf Reisen –dies war den Mitgliedern der Mannheimer Hofkapelle gestattet-, er besuchte u.a. die Länder Frankreich, Holland und England.
    Anfang April 1769 übernahm er bis zu seinem Tode 1789 das Amt des Kapellmeisters am Straßburger Münster und komponierte dort hauptsächlich geistliche Musik. Richters Stellvertreter in Straßburg war Ignaz Pleyel.
    Charles Burney hielt ihn für einen der bedeutendsten Vertreter der „Mannheimer Schule“, er ging aber bewusst dem dort herrschenden modischen Stil aus dem Wege, seine Werke waren deutlich vom österreichischen Barock beeinflusst. Seine Musik fand in den konservativen Musikzentren wie London oder Berlin viel Beachtung.



    Zitat

    Und für alle die ihn hören wollen (den gestrengen Herren, zumindest blickt er auf seinem einzigen mir bekannten Bild sehr ernst. :hello:



    Auf dem Stich von Pierre Guérin von 1785 schaut er wirklich ernst daher, wem er wohl mit der Notenrolle winkt, gar droht oder nur dirigiert ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Richter konservativ und Cannabich revolutionär?
    Die Sinfonien - die ich allerdings (noch) nicht kenne, sind von 1744. Cannabich war da gerade mal 13 Jahre alt.


    Die Six Grandes Symphonies entstanden um 1740, sie wurden 1744 in Paris von Duter, Boivin und Le Clerc in einer ersten einer zweiteiligen Edition von zwölf Sinfonien veröffentlicht, also vor Richters Mannheimer Zeit.
    Ob auch sie eine Rolle bei der Berufung in die Mannheimer Hofkapelle eine Rolle spielten ?
    Oder stand mehr eine Berufung als Sänger und Komponist geistlicher Werke im Vordergrund ?


    Zitat

    Jedenfalls gehört Richter zu den Mannheimer Neuerern.


    Der "Mannheimer Stil" wurde aber mehr in den Synphonien von Johann Stamitz, Carl Toeschi, Anton Fils oder Ignaz Holzbauer verkörpert.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Bernhard
    In Mannheim wird er als Mitglied der Hofkapelle –wie viele der Hofmusiker- u.a. auch Symphonien komponiert haben, er verfasste aber auch ein Menge bedeutender geistlicher Musik, bei den vielen Gottesdiensten am kurpfälzer Hof herrschte daran ein enormer Bedarf .


    Gibt es von seinen geistlichen Werken, auch aus Richters Straßburger Zeit, empfehlenswerte Einspielungen ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Die Six Grandes Symphonies entstanden um 1740, sie wurden 1744 in Paris von Duter, Boivin und Le Clerc in einer ersten einer zweiteiligen Edition von zwölf Sinfonien veröffentlicht, also vor Richters Mannheimer Zeit.
    [...]
    Der "Mannheimer Stil" wurde aber mehr in den Synphonien von Johann Stamitz, Carl Toeschi, Anton Fils oder Ignaz Holzbauer verkörpert.


    Ja, vielleicht sollte ich mich mehr um die Lebensläufe der Herren Komponisten kümmern ...


    Die Streichquartette op. 5 sind jedenfalls 1757 und somit wohl aus der Mannheimer Zeit Richters?


    Eines davon habe ich in einer alten Harnoncourt-Aufnahme - sollte ich mir nochmal anhören im Hinblick auf barocke Kontrapunktik.


    Man sollte sich aber nicht eine Vorwegnahme von Haydns Op. 33 erwarten und Richter dann vorwerfen, dass er nicht wie übermorgen komponiert hat ...


    Gerne höre ich auch das hier (Flötensonaten mit der Camerata Köln):

    zu Op. 2 habe ich im Web jetzt kein Entstehungsdatum gefunden.
    :hello:

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Die Streichquartette op. 5 sind jedenfalls 1757 und somit wohl aus der Mannheimer Zeit Richters?


    Auf jeden Fall, als cammercompositeur des kunst- und musikliebenden


    carl-theodor1.jpg


    Kurfürsten Carl-Theodor gehörte es bestimmt zu seinem ureigentsen Aufgaben den Hof mit Kammermusik zu beliefern.




    Zitat

    Gerne höre ich auch das hier (Flötensonaten mit der Camerata Köln):

    zu Op. 2 habe ich im Web jetzt kein Entstehungsdatum gefunden.
    :hello:


    Da kann ich mir gut vorstellen, wie F.X. Richter am Cembalo, Kurfürst Carl Theodor an der Traversflöte und Innozenz Danzi am Cello hier im



    Schwetzinger Schloß


    180px-Schwetzingen_Castle.jpg


    oder im


    180px-Schwetzingen_Badhaus.JPG


    Badehaus
    im Sommer zusammen musizierten :yes:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Bernhard
    In Mannheim wird er als Mitglied der Hofkapelle –wie viele der Hofmusiker- u.a. auch Symphonien komponiert haben, er verfasste aber auch ein Menge bedeutender geistlicher Musik, bei den vielen Gottesdiensten am kurpfälzer Hof herrschte daran ein enormer Bedarf .


    Die kirchlichen Festtage wurden am Kurpfälzer Hof mit riesen Pomp und Zermonien festlich in den Kirchen gefeiert.
    Über eine Huldigung des jungen Kurfürsten 1744 in Mannheim schrieb ein Chronist:


    "Am Huldigungstag begab sich der Kurfürst zunächst zur Messe in die Pfarrkirche. Begleitet vom glänzenden Zuge seiner [...] Beamten, Hofbediensteten und Leibgarde ritt er durch die Straßen; die Kurfürstin erwartete ihn in der Kirche.
    [...]
    Unter Kanonendonner, Trompetenschall und den Vivatrufen des Volkes begab sich der Kurfürst zurück in die Pfarrkirche, wo ein Te Deum unter Mitwirkung der Hofmusik die Feier beschloß."


    Zitat

    Für den Karfreitag 1748 schrieb er auf Einladung des Kurfürsten das Karfreitagsoratorium "la deposizione dalla croce".


    Die Karliturgie nahm bei Hofe einen breiten Raum ein, über die ganze Karwoche trug der Hof Trauerkleidung und besuchte jeden Nachmittag eine musikalisch ausgestalteteTrauermette.
    Am Karfreitag wurde die "große Liturgie" gefeiert.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Richter konservativ und Cannabich revolutionär?


    Naja, jedenfalls die im Vol. I der Naxos-Sinfonien enthaltenen Werke erinnern mich doch teilweise durchaus noch an Vivaldis Stilistik (ob Richter Vivaldis Werke kannte, weiß ich nicht). Dabei sind die Sinfonien aber nicht konservativ im Sinne von streng, sondern eher, was den Stil anbelangt. Ganz im Gegensatz zu den Quartetten op. 5.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich darf mal etwas übertreiben ...
    ;)

    Zitat

    Original von Ulli
    Dabei sind die Sinfonien aber nicht konservativ im Sinne von streng, sondern eher, was den Stil anbelangt. Ganz im Gegensatz zu den Quartetten op. 5.


    Die frühen Sinfonien kenne ich nicht, und Richters Ruhm kommt ja offenbar von seiner Kammermusik der Mannheimer Zeit her. Denn Mannheim hatte nicht nur die "Walze" zu bieten, sondern dank Richter auch einen wichtigen Entwicklungsschritt auf dem Weg zum "klassischen Stil" in der Kammermusik.


    Wobei rückblickend gerne hochnäsig geurteilt wird. Rosen schreibt ja was von der Kammermusik um 1750, was sich bei Richter exemplarisch wiederfindet - die Musik "bleibt stehen" (er sagt sogar "erlischt"). Ich kann das zwar von Haydns Op. 33 aus rückblickend verstehen (was er meint), aber so absolut dahergeredet akzeptiere ich es nicht. Nur weil nach ein paar schönen Takten ein paar schöne Takte anderer Machart folgen, die nicht ganz so komplex verklammert sind wie bei Haydn und Mozart "erlischt" doch nicht "die Musik".
    :boese2:
    Nun ja - er bezieht sich auf die "Wiener Schule" und nicht auf Richter - jedenfalls meint er dann sinngemäß und ziemlich arrogant, dass die Versuche, mit ein bisschen barocker Kontrapunktik diese Lücken auszufüllen und Kontinuität vorzutäuschen nur oberflächlich kitten würden und bestenfalls ein zu lösendes Problem hervorbrächten (S. 46 in der Ausgabe von 2006).
    :wacky:
    Überraschender Weise erweist sich nun "Reclams Kammermusikführer" als ausgesprochen niveauvoll bei der Besprechung von Richters Mannheimer Kammermusik. Vor allem Op. 2 Nr. 1 wird - gerade was diese Problematik betrifft - schön beschrieben, vor allem die ersten 10-20 Takte.
    Nicht dass das Ergebnis dem Rosenschen Verriss der Kammermusik um 1750 widersprechen würde, aber anstelle das zu betonen, was die Götter später besser gemacht haben, wird das betont, was neu und richtungsweisend ist.
    Der Generalbass ist weitgehend überwunden, das Cembalo dient nur streckenweise als Basso Continuo, übernimmt bereits in Takt 3 im Diskant das Eröffnungsmotiv der Flöte. Dann (Takt 5) kommt ein zweites Motiv, bei dem die Übernahme zwischen Flöte und Cembalo in engerem Abstand erfolgt, und das sequenzierend abwärtsgeführt wird worauf ein Aufschwung in eine Art Kadenz mündet.
    Bis zu diesem Punkt kann man das durchaus als dynamischen Ablauf hören, bei dem das Zusammenspiel der Instrumente komplex und "Unterhaltung vernünftiger Leute" ist. Freilich ist die Sequenz ziemlich barock und im Zusammenspiel der Motive simpler als die 4 Takte zuvor aber gerade deshalb auch ein angenehmer Kontrast.
    Es gibt eine Art "Seitensatz" mit 2. Motiv, das ein wenig motivische Entwickung erfährt, es gibt eine Durchführung und einen reprisenähnlichen Teil, großteils gesanglich und galant, also nicht "barock" sondern eher rokokohaft. Die Freude an der Anschlagsdichte und die im Gesamten doch noch relativ additiv wirkenden Folgen der Kleinabschnitte erfordern vom Hörer doch recht viel Aufmerksamkeit, sonst wird es etwas ermüdend.


    Richters Kammermusik ist also modern und zukunftsweisend, die Streichquartette Op. 5 (der erste Streichquartettzyklus), in denen ebenfalls alle Instrumente die Motive und Themen ausbreiten, machen das noch offensichtlicher. Richters Kammermusik zeigt ja, dass die Mannheimer Schule nicht nur in der Orchestermusik sondern auch kammermusikalisch auf dem Wege zur klassischen Trias war.
    8)

  • Guten Tag


    schade dass der am 01. Dezember 1709 in Mähren geborene Komponist F.X. Richter im Trubel der Gedenken an Purcell, Händel und Haydn stiefmütterlich bedient wurde.
    Bei den "Schwetzinger Festspielen 2009" z.B. wurde außer " Fuge und Grave für Orchester g-moll " durch das
    Helsinki Baroque Orchestra sonst nicht vom auch in Schwetzingen musizierenden Richter aufgeführt.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfakz


    Bernhard

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Die Streichquartette op. 5 sind jedenfalls 1757 und somit wohl aus der Mannheimer Zeit Richters[...]
    Eines davon habe ich in einer alten Harnoncourt-Aufnahme


    Da gibt es auch ein Cover dazu (meins schaut anders aus):

    Diese alten Concentus-Aufnahmen sind wirklich hübsch.
    :yes:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wobei rückblickend gerne hochnäsig geurteilt wird. Rosen schreibt ja was von der Kammermusik um 1750, was sich bei Richter exemplarisch wiederfindet - die Musik "bleibt stehen" (er sagt sogar "erlischt"). Ich kann das zwar von Haydns Op. 33 aus rückblickend verstehen (was er meint), aber so absolut dahergeredet akzeptiere ich es nicht. Nur weil nach ein paar schönen Takten ein paar schöne Takte anderer Machart folgen, die nicht ganz so komplex verklammert sind wie bei Haydn und Mozart "erlischt" doch nicht "die Musik".
    :boese2:
    Nun ja - er bezieht sich auf die "Wiener Schule" und nicht auf Richter - jedenfalls meint er dann sinngemäß und ziemlich arrogant, dass die Versuche, mit ein bisschen barocker Kontrapunktik diese Lücken auszufüllen und Kontinuität vorzutäuschen nur oberflächlich kitten würden und bestenfalls ein zu lösendes Problem hervorbrächten (S. 46 in der Ausgabe von 2006).


    Rosen hat hier eben ein ziemlich deutliches "Programm" und gibt sich nicht wirklich Mühe, historisch "gerecht" zu urteilen. Selbst unbestrittene Meisterwerke wie Haydns op. 20 oder Sinfonien 42-47 beurteilt er ja verglichen mit op. 33 ff. beinahe despektierlich Das gesteht er irgendwo am Rande auch mal ein. Falls Du eine gut sortierte Bibliothek in der Nähe hast (sollte in Wien kein Problem sein), in einem späteren Werk "Sonata forms" (bisher nicht auf deutsch) geht er ausführlicher (und fairer) auf etliche Werke aus der Mitte des 18. Jhds. ein (wenn ich auch glaube, daß die Mannheimer wieder nicht viel vorkommen).


    Zitat


    Überraschender Weise erweist sich nun "Reclams Kammermusikführer" als ausgesprochen niveauvoll bei der Besprechung von Richters Mannheimer Kammermusik. Vor allem Op. 2 Nr. 1 wird - gerade was diese Problematik betrifft - schön beschrieben, vor allem die ersten 10-20 Takte.


    Hast Du eine CD von diesem Werk/Opus? Ah, jetzt sehe ich das Bildchen weiter oben; dumm das die vergriffen ist. Der Reclam-Führer ist hier tatsächlich überraschend ausführlich (leider dagegen sehr knapp bei CPE Bach, zu dessen zwar "verspäteten", aber sehr faszinierenden "Quartetten" f. Flöte, Viola, Klavier aus den 1780ern hätte man ein bißchen mehr sagen können.)


    Zitat


    Richters Kammermusik ist also modern und zukunftsweisend, die Streichquartette Op. 5 (der erste Streichquartettzyklus), in denen ebenfalls alle Instrumente die Motive und Themen ausbreiten, machen das


    Ich habe heute die gezeigte Auswahl-CD des Concentus erhalten. (Die Alpha-CD ist noch unterwegs) Das ist tatsächlich ziemlich interessante Musik (jedenfalls interessanter als die verbreiteten Klarinettenkonzerte von Stamitz jun. ...) Der Reclam-Führer rückt Richters Quartette op.5 zwar wesentlich näher an das Publikationsdatum 1768 und bezweifelt die (von Dittersdorf?) überlieferte Entstehung um 1757, Haydn Divertimenti op.1+2 und wohl auch frühe Werke Boccherinis wären damit sehr wahrscheinlich älter als Richters op.5, aber egal.
    Was die Gleichberechtigung der Stimmen betrifft übertrifft das B-Dur-Werk m.E. sogar die meisten der mitunter ziemlich von der Vl.1 dominerten op.9 u. 17 (ca.1768-71) von Haydn. Wobei die eben andere Qualitäten aufweisen, z.B. einen wesentlich "längeren Atem" als Richters.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Hast Du eine CD von diesem Werk/Opus? Ah, jetzt sehe ich das Bildchen weiter oben; dumm das die vergriffen ist.


    Folgende kenne ich zwar nicht, gibt es aber noch:

    :hello:

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Jedenfalls gehört Richter zu den Mannheimer Neuerern.


    Durch die Berührung mit mit den von Johann Stamitz initierten "Mannheimer Stil" kann man bei Richter eine schlagartige Verändertung seines Komponierstiles feststellen,
    seine Sinfonien lassen sich in "frühe" und in "Mannheimer" Sinfonien einteilen.
    In seiner Mannheimer Zeit schrieb Richter auch seine theoretische Schrift mit dem schönen Titel:


    "Harmonische Belehrung oder gründliche Anweisung zu der musikalischen Ton-Kunst oder regulären Composition"


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich habe mir jetzt mal die zweite Folge der Sinfonien von 1744 bei Naxos angeschafft.



    Gefällt mir bisher ziemlich gut. Wie oben schon mal angedeutet, finden sich auch in den Sinfonien ziemlich kontrapunktische Sätze, teils explizit bezeichnete Fugen und zwei der enthaltenen Sinfonien (immer reine Streicherbesetzung + b.c.) ähneln in der Anlage Kirchensonaten. Langsamer Satz - Fuge - Andante- Tempo di Menuetto (!); die anderen sind alle schnell-langsam-schnell.
    Ich werde mir die erste Folge ziemlich sicher noch zulegen; das finnische HIP-Ensemble ist in meinen Ohren mehr als ordentlich.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zu seinem heutigen Todestag habe ich dieses Requiem ausgesucht, das in Es-dur steht. Das sind mal andere Töne:





    Heute ist sein 226. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Über Richter ist hier überraschend viel geschrieben wurden.

    Es gibt überraschend viel Text - auch in den Booklets der veröffentlichten CDs.

    Der Anlass für diesen Beitrag ist eine von mir neulich erworbene Aufnahem seiner Sinfonien op 2, welche 2023 veröffentlicht wurden.

    Um mir ein Bild zu machen habe ich zwei uralte Naxos- Aufnahmen mit Sinfonien hervorgeholt und die erste der beiden tapfer gehört.



    Die beiden CDs enthalten einen Satz von 12 Konzerten, die schon bei ihrem Ersterscheinen in Paris (1744 - also noch VOR Richters Mannheimer Zeit) als 2 Sets a 6 Sinfonien herausgebracht wurden

    Und ich erinnere mich, daß ich sie nach ihrem Erscheinen auf CD, 2007 kaufte und nur einmal gehört habe, weil sie mir nicht gefielen. Damit stehe ich nicht alleine da und der Grund ist in den Booklets nachzulesen, wenngleich teilweise behübscht und umschrieben. Richter verweigerte sich der damaligen Mode des "galanten Stils" und schrieb streng - und nach damaliger Auffassung in einem Alten Stil. Während in den Booklets der oben gezeigten CDs ein eher positives Bild gezeichnet wird, nebst eines positiven Urteil von Charles Burney, so finden wir im Booklet der weiter unten gezeigten Neuerscheinung auch dessen erwähnten Kritikpunkte.

    Burney anerkennt Richter als bemerkenswerten Komponisten mit etlichen interessanten Einfällen, bemerkt aber auch stellenweise eine gewisse "Dürre" und schwächen in Details, sowie stellenweise Wiederholungen bis zum Überdruss.

    Ich selbst würde - auf die beiden oben gezeigten CDs bezogen - von einer gewissen Überdynamik, Unruhe und allgemeinen Sperrigkeit sprechen.

    Es gibt weitere Hinweise darauf, daß Richters Musik nicht allen gefallen hat. Und ich finde, daß Richters Muisik gar nicht die Absicht hat zu gefallen - er weicht konsequent dem Trend der Zeit, dem galanten Stil aus.


    Interessant auch ein kurzes Statement von Wolfgang amadeus Mozart, der ihn im Oktober 1778 in Strassbourg kennengelernt hat und mit typisch mozarthafter Bosheit

    einen Neigung zum Trunke andeutet. Andrerseits lobt er eine von Richter komponierte Messe als "charmant"

    Mozart irrt in diesem Brief an seinen Vater auch in Bezug auf das Alter von Richter. Richter war damals nicht 78 sondern 68 Jahre alt.


    Zitat

    Alles kennt mich. Sobald sie den Namen gehört haben, so sind schon gleich die zwei Herren Silbermann und Herr Hepp (Organist) zu mir gekommen, Herr Kapellmeister Richter auch. Er ist itzt sehr eingeschränkt, anstatt vierzig Bouteillen Wein sauft er itzt etwa nur zwanzig des Tages. Ich habe auf die zwei hier besten Orgeln von Silbermann öffentlich gespielt, in der lutherischen Kirche, in der Neukirche und Thomaskirche. Wenn der Kardinal (der sehr krank war, als ich ankam) gestorben wäre, so hätte ich einen guten Platz bekommen, dann Herr Richter ist achtundsiebzig Jahr alt. Nun leben Sie recht wohl, sein Sie recht munter und aufgeräumt, denken Sie, daß Ihr Sohn, Gott Lob und Dank, frisch und gesund und vergnügt ist, weil er seinem Glücke immer näher kömmt. Letzten Sonntag habe ich im Münster eine neue Messe von Herrn Richter gehört, die charmant geschrieben ist...

    Kommen wir zur Neuerscheinung:



    Die Interpetation des Südwestdeutsche Kammerorchesters Pforzheim unter Johannes Moesus spielt IMO ausgewogener als ihre finnischen Kollegen und farbiger als "Then London Mozart Players unter Matthias Bamert (siehe Beitrag Nr 2)

    Den "eigenwilligen Tonfall" und die "sperrige Grundtendenz der Musik" können auch sie nur abmildern - aber nicht verhindern.

    Ich kann mir aber vorstellen, daß genau diese Musik in Deutschland gefällt.

    Die Siegespalme gebührt IMO der Moesus-Aufnahme


    Zitat

    FonoForum 04/2023: »Johannes Moesus streicht die Vorzüge und Eigenarten der allesamt dreisätzigen Werke in einer frischen, akkuraten Wiedergabe heraus, scheut aber vor Extravaganzen zurück.«Letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil !!


    Hier noch eine Kostprobe aus dieser Aufnahme:



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • So - Heute habe ich die Aufnahme von op. 2 erneut gehört (Ist kein Frühwerk, die Opuszahl wurde willkürlich vom damaligen Verleger vergeben, der eben erst das 2. Werk, bzw Werkzyklus mit Opuszal von Richter im Programm hatte. Heute war ich offenbar wohlwollender gestimmt, denn ich bemerkte einige durchaus "schöne Stellen", wenngleich es immer wieder schroffe Einschübe gibt. Generell sind die Kontraste ziemlich ausgeprägt und auch eine gewisse Eigenwilligkeit ist nicht wegzudiskutieren - was aber - je nach musikalischem Geschmack auch als positiv gesehen werden kann. Es gibt immer wieder "Überraschungen" und markante intrumentale Passagen, wie wir sie bei seinen Zeitgenossen kaum finden. Dennoch - aucch das Booklet vermerkt es - konnte er in Bezug auf Beförderungen weniger punkten, als beispielsweise seine Kollegen Cannabich oder Toeschi. Die hier als op. 2 veröffentlichten Werke erschienen 1759 und waren dem Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz gewidmet.


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    Alfred

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