„Noch einmal stürmt, noch einmal, liebe Freunde!“ - Shakespeare, Heinrich V
Dieser Thread ist all jenen tapferen Männern gewidmet, die im Cellowinter 2007 vor Tor 11 kämpften.
Heinrich von Herzogenberg, geboren am 10.Juni 1843 in Graz, getorben am 9.Oktober 1900 in Wiesbaden.
Von Herzogenberg war Spross einer französischen Adelsfamilie mit Namen Picot de Peccaduc, die nach der Flucht im Zuge der Revolution vorwiegend in militärischen Ämtern der Habsburger-Monarchie diente und seit 1811 den eingedeutschten Namen führte.
Heinrich verlor seinen Vater im Alter von drei Jahren, wurde umsichtig und seiner musikalischen Begabung entsprechend von der Mutter erzogen und begann 1862 neben dem der Familientradition geschuldeten Jurastudium, das er jedoch nach zwei Semestern aufgab, eine Ausbildung als Kompositionsschüler am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, unterbrochen von mehreren Studienreisen.
Nach Abschluss seiner Studien ließ er sich in seiner Geburtsstadt nieder, um als freischaffender Komponist zu arbeiten.
1868 heiratete er Elisabeth von Stockhausen, hochmusikalische Tochter eines Diplomaten und zeitweise Klavierschülerin von Johannes Brahms, mit dem Herzogenberg bereits während seiner Studienzeit durch seinen Kompositionsprofessor Dessoff bekannt gemacht geworden war. Es heißt, Elisabeth sei in der Lage gewesen, nach einmaligem Hören Brahmsscher Werke die Partitur niederzuschreiben.
Das kinderlos gebliebene Ehepaar zog nach ersten musikalischen Erfolgen Herzogenbergs in Graz 1872 nach Leipzig, wo der Komponist mit (u.a.) dem Bach-Biographen Philipp Spitta den Bach-Verein gründete, welchem er später auch vorstand. Das Haus Herzogenberg wurde nicht nur in Bezug auf den Thomaskantor, sondern auch auf den Freund und Gönner Brahms zum wichtigen Treffpunkt der musikalisch interessierten Gesellschaft.
Spitta stellte dem Gefährten denn auch folgendes Zeugnis aus:
"Es gibt keinen lebenden Künstler, der fester als er auf der breiten Grundlage ruhte, welche die gesamte deutsche Musik der Vergangenheit und Gegenwart zusammengefügt hat."
Der Ruf wichtiger Ämter an der Königlichen Hochschule für Musik und der Akademie der Künste sowie die Anregung seitens Spittas wie auch Joseph Joachims veranlasste die Herzogenbergs dazu, 1885 nach Berlin zu übersiedeln.
Gesundheitliche Probleme beider Ehegatten zeitigten immer wieder Unterbrechungen der Berufsausübung.
Elisabeth starb, nur 44-jährig, 1892 an einem Herzleiden. Andere geliebte Menschen sollten ihr bald nachfolgen: Philipp Spitta, Clara Schumann, Johannes Brahms.
Dennoch blieb Herzogenberg bis zur endgültigen Aufgabe seiner Lehrverpflichtungen 1898 außerordentlich schaffenskräftig, zunehmend auch in Hinblick auf die protestantische Kirchenmusik, was nicht zuletzt die Freundschaft mit dem Theologen Friedrich Spitta – einem Bruder Philipps – bewirkte.
Die letzten beiden Lebensjahre des von Zeitgenossen als hoch gebildet, schöngeistig und gesellschaftlich äußerst gewandt beschriebenen Komponisten waren überschattet von fortschreitender rheumatischer Krankheit, der er in der Kurstadt Wiesbaden schließlich erlag.
Die musikalische Entwicklung Herzogenbergs war ohne Zweifel von mannigfaltigen Einflüssen geprägt.
Standen die ersten kompositorischen Gehversuche im Zeichen Schumanns - hier sollte die lebenslange Beziehung zu Clara auch fortan eine wichtige Rolle spielen - wie Mendelssohns und weitere, in der Grazer Zeit unternommene Schritte unter Wagners Stern, kristallisierte sich seit der Leipziger Jahre bei aller Verehrung für Brahms und intensiver Beschäftigung mit Bach und Schütz eine durchaus eigene Tonsprache heraus, welche sich in so gut wie allen herkömmlichen Musikgenres artikulierte.
Der Komponist im Selbstzeugnis: „…und fasste dort [in Leipzig] unter mannigfaltiger Anregung meine Kräfte neu zusammen. [...] In den nun folgenden Jahren baute ich die Fundamente meines Könnens auf sicherem Grunde von Neuem auf.“ Ein Jahrzehnt später räumt er allerdings ein : „Ich bin und bleibe: ein Volontair.“ Dies wohl in dem Bewusstsein, auf ewig im Schatten des Meisters aus dem Gängeviertel Hamburgs zu stehen.
Herzogenberg aber leichtfertig als Brahms-Epigonen abzutun, ein (Vor-)Urteil, an welchem er selbst nicht ganz unschuldig war, betitelte er doch den Partner einer nicht immer unbeschwerten Freundschaft jedem gegenüber als „Der Einzige“, hieße, seinem musikalischen Einfallsreichtum und seiner schöpferischen Kraft Unrecht zu tun.
Letztere wird belegt durch einen Blick auf sein Oeuvre, das alleine 109 mit Opuszahlen versehene Werke, etliche WoO und einige verschollene Kompositionen (wie z.B. eine Symphonie in F-Dur) verzeichnet:
Klaviermusik, Kammermusik (darunter auch die erste von drei Cellosonaten, welche sich hinter dem 11. Türchen verbarg), Orchesterwerke einschließlich zweier erhaltener Symphonien, Lieder und Vokalensembles, weltliche wie geistliche Chormusik a cappella sowie mit Instrumentalbegleitung oder Orchester, Orgelmusik und auch zwei Entwürfe zu Bühnenwerken.
Details zum Gesamtwerk finden sich, um den Rahmen nicht zu sprengen, hier.
audiamus
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