Glière`s „Ilja Murometz“ – ein Sinfoniekoloss

  • Reinhold Moritzewitsch Glière (1874-1956):
    Sinfonie Nr. 3 h-moll op. 42 „Ilja Murometz“ (1909-11)



    gewidmet: Alexander Glasunov
    Uraufführung: 10/23. März 1912, Moskau,
    anlässlich der 10. Sinfonischen Versammlung der Russischen musikalischen Gesellschaft,
    Dirigent: E. A. Kuper.
    Ausgezeichnet mit dem Glinka-Preis (1914).
    Dauer ca. 90 Min


    1. Wandernde blinde Sänger. Ilja Muromez und der Heilige. Andante sostenuto. Allegro risoluto
    2. Der Nachtigallen-Räuber. Andante
    3. Bei Wladimir, dem Sonnenfürsten. [wörtl. Rotes Sonnchen]. Allegro
    4. Die Heldentaten und die Versteinerung von Ilja Murometz. Allegro tumultuoso. Tranquillo. Maestoso solemne. Andante sostenuto.


    „Ilya Murometz“, die nach einem russischen Freiheitskämpfer benannte 3. Sinfonie Glière`s, wurde im selben Jahr publiziert, wie Stravinskys Petruschka, die Vierte von Sibelius, oder Schönbergs Gurrelieder.

    Die Instrumentation sieht u.a.vor:


    4-faches Holz
    8 Hörner
    4 Trompeten
    4 Posaunen
    Celesta
    2 Harfen

    Eigentlich erstaunt es mich nicht, dass es zu Glière`s 3. Sinfonie noch keinen eigenen Thread gab: Was können Worte schon ausrichten angesichts eines solchen Monuments? Lasst es uns dennoch wagen!


    Diese Sinfonie begeistert oder schreckt ab. Mit rund 90 Minuten Spieldauer sprengt sie selbst brucknersche und mahlersche Masse. Diese Musik ist in jeder Hinsicht extrem: Extrem langsam und flächig, aber auch extrem laut und bombastisch: Wie gesagt man liebt sie, oder man hasst sie. Unschwer zu erraten, dass ich sie liebe, ja, dass ich nicht zögere, sie als (m)ein Höhepunkt der russischen Spätromantik zu bezeichnen (soweit ich diese eben überhaupt überblicke).


    Vorab ein paar Worte zu Glière:


    Reinhold Glière, dessen Vorname sich (gemäss Edwin Baumgartner) auf russisch "Reingold" schreibt und spricht, ist der zweite Sohn von Ernst Moritz Glier und der Polin Josephine Kortschak: Er wurde 1875 in Kiew geboren.
    Sein Taufname war Reinhold Ernst Glier.
    Sein Vater war ein aus Klingenthal (Untersachsenberg) nach Kiew ausgewanderter Blasinstrumentenbauer.


    1894 begann er seine Studien am Moskauer Konservatorium (Anton Arenski und Sergei Tanejew).
    1901, ein Jahr nach Abschluss seiner Studien erhielt Glière eine Lehrstelle an der Gnesin-Musikschule in Moskau, die er bis 1913 beibehielt. (unterbrochen von einer Dirigentenausbildung bei Erich Fried in Berlin)
    Dann wechselte er an das Konservatorium in Kiew, wo er 1914 zum Direktor ernannt wurde. Von 1920 bis 1941 unterrichtete Glière Komposition am Moskauer Konservatorium. Nikolai Miaskowskij und Sergei Prokofjew gehörten zu seinen Schülern.
    In der Sowjetunion war Glière vielfältig öffentlich tätig. So hatte er von 1938 bis 1948 den Vorsitz des Organisationskomitees des sowjetischen Komponistenverbandes inne! Glière war in der alten Sowjetunion eine angesehene Persönlichkeit (was ihn uns natürlich suspekt macht), was der Verbreitung seiner Werke im Westen lange Zeit im Weg stand.
    Manche behaupten, seine Rolle im sowjetischen Musikleben sei unrühmlich gewesen, andere meinen, er sei der Politik relativ indifferent gegenüber gestanden. Vielleicht weiss jemand von Euch mehr (insofern dies überhaupt relevant ist für die 3. Sinfonie, die ja relativ früh entstand).


    Nachfolgend einige Höreindrücke, die sich beziehen auf eine ältere Aufnahme durch Harold Farbermann und das Royal Philharmonic London:


    Der Kopfsatz beginnt mit einem nicht enden wollenden düsteren Lamento:
    Geduldiges Hören ist geboten, mit einem guten Fokus der Aufmerksamkeit, sonst wirkt diese Einleitung unerträglich langweilig. In voller Präsenz wirken die Klangflächen aber höchst intensiv, ja meditativ. Ich kenne keinen Sinfoniesatz, der sich so viel „Anlaufzeit“ gönnt.
    Rund 10 Minuten braucht Glière, bis sein Koloss quasi in Gang kommt, um ihn dann durch russisch-orthodoxe Blech-Choräle gleich wieder abzubremsen. Der Choral bestimmt nun die Szenerie, die sich dem Bombast nicht verweigert. Doch nie wirkt das Getöse plakativ oder peinlich affirmativ, immer steht der Glanz im Dienst der tragischen Grösse.


    Der zweite Satzes ist geprägt von der Skurrilität des Kontrafagotts, das die gespenstische Stimmung einer Drachengrube verbreitet, solchermassen, als ob die Musik den 1. Preis beim Wettbewerb für die „Gruseligste Musik“ gewinnen möchte. Wieder kommt die Musik kaum vom Fleck, d.h. es ist schwierig, einen Grundpuls wahrzunehmen: Da ist viel Gewusel und Gemurmel in der Bassregion, nach laaanger Zeit allmählich übertönt durch Vogelstimmen-Imitationen, gleichsam als ob der frühreife 3-jährige Olivier Messiaen persönlich über Glières Teppich von ornitologischer/orientalischer Farbenpracht kullern würde.
    Glière zaubert eine Stimmung herbei von pardiesischer (Henri-Rousseau-) Ueppigkeit, eine verführerische Einladung zum Sein. Die Musik bewegt sich nicht, sondern bildet einen weichen Klangteppich in feuchter Fauna und Flora.
    Doch der Kontrafagott-Drache schläft nicht und gibt laut: Es gibt kein Paradies auf der unheilvollen Erde. Ein Paradiesvogel nach dem anderen wird aufgefresssen und der Drache sinkt satt in den Sumpf zurück.


    Szenenwechsel im 3. Satz. Endlich kommt Bewegung in die Sinfonie (nach 55 Minuten Statik!) Ein fetziges Scherzo à la russe, feinsinnig sommernächtlich geknüpft. Das ist einfach gute, leicht verständliche Musik, die aber imo irgendwie nicht so ganz ins Ganze dieses Werks passen will.


    Und schon nach 8 Minuten Ausgelassenheit scheint denn der Ernst des Lebens auch wieder Oberhand gewinnen zu wollen:
    Sehr düster hebt der vierte Satz an, allerdings jetzt durch ostinates Paukengedröhn angetrieben. Und was sich jetzt entfaltet ist imo die grandioseste Musik der russisschen Spätromantik. Die kontrapunktische Kunst Glières lässt seine Rimskijs, Tschaikowskijs, Glasunovs usw alt aussehen! Auf der Oberfläche dröhnt zwar der Bombast, aber wenn man in die Tiefe hört, offenbart diese Energiebombe klar geschnitzte, sehr oft kunstvoll fugierte Strukturen von höchster Stringenz. Die Musik endet, verendet erschöpft und versteinert in kristalliner Struktur.


    Ich bin bewusst nicht auf die Heldensaga von „Ilya Murowetz“ eingegangen, da ich persönlich davon ausgehe, dass die Sinfonie nicht von einem detaillierten Programm getragen ist.
    Wenn sie ein solches hätte (immerhin gibt es einschlägige Satzbezeichnungen), möchte ich es eigentlich nicht wissen, denn die Klangsinnlichkeit von Glière`s Musiksprache weckt in mir meine eigenen Fantasiegeschichten.


    Die Aufnahme mit Harold Farberman/Royal Philharmonic wirkt zwiespältig: Das Orchester ist fabelhaft, wird aber vom (mir unbekannten) Dirigenten ziemlich gebremst (Seine Exegese dauert 92 Minuten. Zudem ist das Klangbild wummrig und undurchsichtig. (Die Aufnahme ist auch schon fast 30 Jahre alt!)
    Kann mir jemand eine bessere Aufnahme empfehlen? Ich freue mich auf Eure Höreindrücke.


    Mit allem guten Wünschen für 2008
    Walter aus Bern





    .

  • hallo Walter, hallo Taminas und Taminos,


    als ich heute Vormittag meine Lieblingsseite öffnete, da sprang mir gleich dieser Thread entgegen, und spontan dachte ich 'ein schönes Thema' - ein nicht sooo bekanntes Werk von einem nicht sooo bekannten Komponisten, schön dass es auch dafür hier eine Plattform gibt.


    Als ich dann mal bei jpc nachschaute, entdeckte ich, dass diese Symphonie ja doch einige Male aufgenommen wurde, da scheint dieses Werk doch nicht ganz so unbedeutend zu sein. Jedenfalls sah ich mich veranlasst, die mir gehörende Aufnahme mal in den Player zu schieben :



    Es spielt das Tschechoslowakische RSO Bratislava unter der Leitung von Donald Johanos. Die Aufnahme dauert 75:33 Minuten, ist also um eine satte Viertelstunde schneller als die Walters. Gewiss hatte ich hier und da den Gedanken 'das könnte man auch langsamer spielen', aber trotzdem kam nie der Eindruck der Gehetzheit oder der Hudelei auf.


    Walter hat ja oben die einzelnen Sätze schon sehr schön beschrieben, und ich kann mich seiner Schilderung nur anschließen. Auch wenn hier und da die düsteren Töne überwiegen (das Lamento am Anfang, das Kontrafagott im zweiten Satz, das Finale), so handelt es sich doch um ein farbiges Werk, und es sind auch strahlende Farben dabei. Ich habe die Musik genossen, sowohl das Werk an sich als auch die Interpretation, und ich hoffe, anderen hier ergeht es auch noch genauso.


    rolo

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Hallo Walter,


    vielen Dank für Deinen schönen und ausführlichen Startbeitrag über Glières symphonisches Meisterwerk. Auch ich darf mich - seit mich der liebe Herr Klingsor Anfang der 90-er dankenswerterweise damit bekannt machte - zu den begeisterten Liebhabern des 'Ilya Murometz' rechnen.



    Zitat von 'Walter Heggendorn

    Kann mir jemand eine bessere Aufnahme empfehlen?

    Wie in Deinen und Rolands Ausführungen zu den Einspielungen bereits angeklungen ist, gibt es starke Unterschiede, was die Wahl des Tempos des jeweiligen Dirigenten betrifft. Auf der einen Seite schätze ich die ungeheure Langsamkeit der von Dir vorgestellten Aufnahme Harold Farbermans (93 Minuten). Ganz besonders, was den zweiten Satz angeht, glaube ich kaum, daß es eine brauchbare Alternative gibt, denn ich finde, daß sich einzig und allein in diesem breit dahin strömenden Fluß der Farbenreichtum und Klangzauber der Musik (vor allem bei den herrlichen Vogelstimmenimitationen des 2. Satzes) so richtig entfalten kann. In der ebenfalls von mir favorisierten Edward Downes-Einspielung (mit insgesamt 78 Minuten) beim Label Chandos gehen die Fein- und Einzelheiten der so überaus opulenten Orchesterpalette - trotz der sehr viel besseren Klangqualität - aufgrund des beträchtlich beschleunigten Tempos etwas unter. Nur zum Vergleich: Farberman benötigt für den 2. Satz knapp 29 Minuten, Downes rauscht hingegen mit fast 22 Minuten hindurch.
    Bezüglich der restlichen Sätze 1, 3 und 4 verträgt das Werk aber meines Erachtens die etwas straffere Gangart und den packenderen Zugriff von Downes' Dirigat. Und die, wie gesagt, exzellente Chandos-Klangqualität tut ihr übriges, die Komposition in allen nur erdenklichen Farben schillern und erstrahlen zu lassen. Ein wahrhaft berauschendes Werk, das mich hinsichtlich der klanglichen Pracht an Ravels 'Daphnis et Chloé'-Ballettmusik erinnert.


    Außer den beiden genannten und sich in der Tat hervorragend ergänzenden Einspielungen befindet sich noch eine dritte Aufnahme in meiner Sammlung, von der ich aber aufgrund ihrer unsäglichen Bearbeitung, d. h. radikalen Kürzungen in allen vier Sätzen dringend abraten möchte! Und zwar handelt es sich um die (angeblich mit Glières Zustimmung) auf ganze 38 Minuten zusammengestrichene Kurzfassung Leopold Stokowskis, die er in dieser Form mit dem Houston Symphony Orchestra 1957 aufnahm.



    Hier aber noch einmal die beiden Einspielungen, die ich besten Gewissens empfehlen kann:



    Reinhold Glière (1875-1956):
    Symphonie Nr. 3 h-moll "Ilya Murometz"
    , opus 42 1909-11
    Royal Philharmonic Orchestra, Harold Farberman
    Unicorn-Kanchana / Regis, 1978, 2 CD


    Reinhold Glière (1875-1956):
    Symphonie Nr. 3 h-moll "Ilya Murometz"
    , opus 42 1909-11
    BBC Philharmonic Orchestra, Sir Edward Downes
    Chandos, 1991, 1 CD

    Herzliche Grüße
    Johannes

  • Lieber Walter,
    meine liebste Aufnahme dieses Werkes ist eine alte Melodija-Aufnahme mit dem Moskauer RSO unter Nathan Rachlin.


    Leider ist diese Aufnahme auf CD nicht mehr (ich besitze die Schallplatten, aber es gab eine CD- Veröffentlichung auf Russian-Disc : Russian Disc RDCD 15025) erhältlich.
    Sehr schade, denn Rachlin war ein ganz hervorragender Dirigent und diese in Stereo und durchaus sehr guter Tonqualität hergestellte Einspielung läßt an Dramatik und Durchschlagskraft die bisher genannten Aufnahmen m.e. weit hinter sich.


    Das übrige trägt natürlich der damals noch echt russische Klangcharakter des Orchesters dazu.


    Die Stokowski-Einspielung kenne ich auch, und ich möchte Johannes unbedingt Recht geben:
    Stokowskis Kürzungen ruinieren das Werk!
    Schade, denn im übrigen schätze ich Stokowski sehr.
    Bei Rachlin gibt es auch einige wenige Kürzungen, aber natürlich nicht in solch drastischem Ausmaße.
    Kleinere Kürzungen finde ich persönlich tatsächlich bei dieser Sinfonie im Zweifelsfall auch als nicht besonders schlimm.
    Bei aller Wertschätzung dieses Werkes ist es für mich nicht unbedingt nötig, wirklich jeden Takt hören zu können.


    Eine stringente und packende Interpretation ist mir in diesem Falle allemal wichtiger.
    Faberman hat das Werk in den 70er Jahren in Westeuropa in der ungekürzten Fassung aus der Versenkung geholt.
    Die Aufnahme ist eigentlich recht gut, aber, wie Walter ganz richtig angedeutet hat, etwas gebremst.
    Es ist eine Unicorn-Aufnahme und ich bin mir jetzt freihändig nicht sicher:


    War der Aufnahmeleiter der verstorbene Bob Auger?
    Dessen Aufnahmen klingen auf vielen Anlagen matt und wattig, auf anderen zwar tendenziell "klein", aber sehr lebendig und detailreich.
    Ich mag diese Aufnahme trotz allem recht gerne.
    Und daß sie bereits 30 Jahre auf dem Buckel hat, ist eigentlich egal.


    Trotzdem, gegenüber Rachlins Einspielung klingen alle anderen der bisher vorgestellten Aufnahmen für mich emotional ausgebremst.


    Allerdings müßte ich noch einmal Downes und Johanos vergleichen.
    Donald Johanos, einst Chef des Dallas S.O. , ("http://the.honoluluadvertiser.com/article/2007/May/31/ln/FP705310323.html") Einspielung ist in jedem Falle stringenter als Downes und vielleicht genau das, was Du, lieber Walter, im Vergleich zur Fabermann-Einspielung suchst.


    Es ist, wie Rolo ja schon geschrieben hat, eine sehr zügige und auch sehr gute Interpretation dieses durchaus sehr guten und vielleicht unterschätzten Dirigenten.
    Mir fehlt eigentlich nur noch vor allem das rotzige und noch brutalere der Melodija-Einspielung und der unnachahmliche Klangcharakter eines russischen Orchesters, als es diesen Klangcharakter noch unverfälscht gab.


    Hier gibt es eine Auflistung aller Aufnahmen dieser Sinfonie:


    http://www.clarihorn.freeserve.co.uk/gliere/discography.htm


    Nicht, daß ich alle diese Aufnahmen kenne.... :untertauch:
    Mir sind jetzt auch nur die bisher vorgestellten Aufnahmen bekannt gewesen , aber in dieser Liste erscheint unter vielen anderen auch noch eine Aufnahme unter Igor Golovchin.


    Diese würde mich interessieren, denn Golochvin war genauso wie Rachlin einer der sehr interessanten und leider heutzutage vergessenen Meisterdirigenten russischer Musik.




    LG,
    Michael

  • Lieber Michael,


    vielen Dank für Deine ausführliche Darstellung der Dir bekannten Aufnahmen, die ich mir bei Gelegenheit auch gerne einmal zu Gemüte führen werde. Trotzdem möchte ich noch ein paar kritische Anmerkungen machen. :D


    Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Kleinere Kürzungen finde ich persönlich tatsächlich bei dieser Sinfonie im Zweifelsfall auch als nicht besonders schlimm. Bei aller Wertschätzung dieses Werkes ist es für mich nicht unbedingt nötig, wirklich jeden Takt hören zu können.


    Genau diesen Punkt sehe ich völlig anders. Gerade wenn die Wertschätzung für ein Werk so groß ist, hat es dieses meiner Meinung nach nicht verdient, von welchem hochgeschätzten oder unterschätzten Dirigenten auch immer, verstümmelt zu werden, ganz gleich, wie groß oder klein die Kürzungen sein mögen. Wenn ich mir eine Aufnahme eines Werkes zulege, möchte ich das Werk in seiner vollen Länge hören und beurteilen können.


    Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Rachlin war ein ganz hervorragender Dirigent und diese in Stereo und durchaus sehr guter Tonqualität hergestellte Einspielung läßt an Dramatik und Durchschlagskraft die bisher genannten Aufnahmen m.e. weit hinter sich. . . .
    Mir fehlt eigentlich nur noch vor allem das rotzige und noch brutalere der Melodija-Einspielung und der unnachahmliche Klangcharakter eines russischen Orchesters, als es diesen Klangcharakter noch unverfälscht gab.


    Für mich stellt sich hier die Frage, ob Glières 'Ilya Murometz' tatsächlich bzw. so ausschließlich diesen dramatischen Charakter, das Brutale und Kraftvolle in sich trägt. Oder überwiegt nicht doch eher der episch breit erzählende Fluß der Musik, das Sinnliche und Delikate, das Schwelgen in Klangfarben (insbesondere im 2. Satz) wie sich dies z. B. in ähnlicher Ausprägung in Alexander Scriabins Symphonien oder Ravels 'Daphnis et Chloé' findet - also ein weitaus noblerer Ausdrucksgestus, der folglich sehr viel angemessener in den opulenter und in breiteren Tempi dargebotenen Interpretationen zur Geltung kommen müßte?


    Letztlich muß sich natürlich jeder an der Symphonie Interessierte sein eigenes Bild machen und dann entscheiden, welchen Interpretationsansatz er für den dem Werk angemessensten hält. :D


    LG
    Johannes

  • Lieber Johannes,


    ich pflichte Dir bei, daß es natürlich erstrebenswert sein sollte, ein Werk wirklich in seiner vollen Länge hören zu können.


    Aber wenn nur einige wenige Takte fehlen sollten, dann bin ich bei einer solchen Länge der Komposition nicht soooo streng.


    Zitat

    ob Glières 'Ilya Murometz' tatsächlich bzw. so ausschließlich diesen dramatischen Charakter, das Brutale und Kraftvolle in sich trägt


    Natürlich nicht, deshalb habe ich ja als zweiten Grund den unnachahmlichen Klangcharakter eines damaligen russischen Orchesters genannt, und der bezieht sich natürlich nicht nur auf die lauten Stellen.


    LG,
    Michael

  • Hallo Gliere-Freunde unbd frohes neues Jahr 2008,


    der Thread von Walter hat sich so interessant entwickelt, sodaß ich dieses Werk auch kennenlernen möchte.
    Da tun sich offenbar weitere Lücken auf !?!


    Was ist von der Telarc-Aufnahme mit Leon Botstein zu halten ???


    ;) Diese CD könnte man spottbillig bestellen.
    Vielleicht nicht uninteressant, da TELARC-CD´s für gute Klangqualität bekannt sind.



    Telarc, 2003, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Liebe russophile Musikfreundinnen und -freunde


    Danke für die (zum Teil frühmorgendlichen!) vielfältigen Ergänzungen und Anregungen zu einem Werk, welches es verdient, zur grossen Sinfonik Russlands gezählt zu werden.


    @ Goercoeur: Sehr richtig bemerkst Du die Adaequatheit des gezügelten Tempos von Farbermann im zweiten Satz: mit dieser Interpretation bin ich auch rundum zufrieden. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, empfinde ich den fast halbstündigen Klangteppich mit den kunstvoll hineingewobenen Vogelstimmen etwas vom Bewegendsten überhaupt in der Musik! Bewegend nicht im Sinne von anregend, sondern von (im besten Sinn) narkotisierend.


    Das allzu Gezügelte kommt mir vor allem aus der Interpretation des ersten Satzes entgegen, den ich mir etwas Flüssiger wünschte. Ich habe von "Statik" geredet: das ist eine widersprüchliche Beschreibung, gibt es doch sowohl im ersten, wie auch im zweiten Satz viel Mikrobewegung, die aber immer im Dienste der Herstellung einer (möglicherweise statisch wirken wollenden) Klang-"Aura" steht. Diese könnte aber durch die Beschleunigung der kleinen Bewegungen (durch das Anziehen des Tempos) zerbröselt werden. Das sind sehr heikle Interpretationsfragen. Kann sein, dass die alte Farbermann-Aufnahme dieses Problem vielleicht sogar optimal löst.


    @Michael. Einmal mehr staune ich ob Deinem Reichtum an Kenntnis. Danke für die vielfältigen Angaben. Ich kann leider nicht nachkontrollieren, welcher Aufnahmetechniker die Farbermann-Scheibe zu verantworten hat, da ich nur eine mp3 Kopie besitze...
    Als Marihuana-Ersatz ist ein mulmiges Klangbild eh dienlicher als ein kerniges...


    Auch ich finde es grundsätzlich ein Sakrileg, wenn sich ein Dirigent anmasst, gewisse subjektiv wahrgenommenen Längen eigenmächtig zu kürzen (ganz zu schweigen von Stokowskys verbrecherischem Kahlschlag, von dem ich bisher keine Kenntnis hatte). Ich gehe davon aus, dass der Komponist sich sehr wohl bewusst ist, dass gewisse „Längen“ als Längen per se zu gelten (und zu wirken) haben.


    Viel Freude mit „Ilya Murometz“ wünscht


    Walter

  • Lieber Walter,

    Zitat

    Einmal mehr staune ich ob Deinem Reichtum an Kenntnis


    Na ja, in Anbetracht, daß ich soeben einen Fehler von mir entdeckt habe, bitte ich Dich, dieses Lob nochmal zu überdenken.... :D


    Ich habe leider den Dirigenten Golovchin mit dem Dirigenten Golovanov verwechselt. :O


    Insofern ist meine Bemerkung zu Golovchin Quatsch gewesen.


    Ansonsten gibt es viele Sinfonien und Konzerte, in denen es Kürzungen gibt, die durchaus vom Komponisten erlaubt sind.
    Das kommt bei Tschaikowsky, Rachmaninoff und vielen anderen vor.


    Insofern kann es doch sehr gut möglich sein, daß Gliere in seiner Partitur, welche ich leider nicht kenne, Sprünge freigestellt hat.
    Ich gehe sogar sehr davon aus.


    Das nur zur Ehrenrettung von Dirigenten, die Sprünge vornehmen, denn das muß kein Sakrileg sein.


    LG,
    Michael


  • Reinhold Gliere's dritte Symphonie Ilya Murometz ist erneut eingespielt worden, diesmal bei Naxos. David Hurwitz bewertet die Aufnahme mit 10/10 und hält sie für die bisher beste.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Danke für den Hinweis auf dieses mir bisher völlig unbekannte Werk!


    Dank YouTube hörte ich mir gerade die monumentale Aufnahme von Farberman mit dem Royal Philharmonic Orchestra von 1978 an (93 Minuten). Wirklich sehr beeindruckend schon am Anfang.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die von Gouercoeur (Schade dass er nicht mehr mitmacht !) in Beitrag 3 genannten Aufnahmen habe ich Beide durch seine dankenswerten Empfehlungen kennengelernt:
    Fabermann (Unicorn-Kanchana, 1978) , die sich mit 93Minuten über 2CD´s verteilt und die mich packendere Aufnahme mit Downes / BBC PH (Chandos, 1991, DDD) , die auch ohne Kürzungen mit 78 Minuten auf einer CD auskommt. Ich muss zugeben, dass auch die bessere Chandos-Klangqualität und die kurzweiligere Sicht dazu beiträgt diese vorzuziehen.


    Interessant, dass die zügige Naxos-Neuaufnahme, mit dem :D "wildwest" Buffalo SO, die Beste sein soll.
    Die bewegt sich bei einer Gesamtspieldauer von 71 Minuten.
    Ich könnte mir vorstellen, dass besonders Johannes da einige Feinheiten beim 2.Satz (der hier mit 20 Min aufwartet) vermissen dürfte:


    Zitat

    Ganz besonders, was den zweiten Satz angeht, glaube ich kaum, daß es keine brauchbare Alternative gibt, denn ich finde, daß sich einzig und allein in diesem breit dahin strömenden Fluß der Farbenreichtum und Klangzauber der Musik (vor allem bei den herrlichen Vogelstimmenimitationen des 2. Satzes) so richtig entfalten kann. In der ebenfalls von mir favorisierten Edward Downes-Einspielung (mit insgesamt 78 Minuten) beim Label Chandos gehen die Fein- und Einzelheiten der so überaus opulenten Orchesterpalette - trotz der sehr viel besseren Klangqualität - aufgrund des beträchtlich beschleunigten Tempos etwas unter. Nur zum Vergleich: Farberman benötigt für den 2. Satz knapp 29 Minuten, Downes rauscht hingegen mit fast 22 Minuten hindurch.


    :) Ich bin jedenfalls auf Höberichte zu der neuen "Naxose" gespannt !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich könnte mir vorstellen, dass besonders Johannes da einige Feinheiten beim 2.Satz (der hier mit 20 Min aufwartet) vermissen dürfte:

    Der ist aber seit 3 Jahren nicht mehr dabei, insofern werden wir das nie erfahren. :D


    Ich habe die Aufnahme gerade gehört und war beeindruckt, mir kam auch nichts gehetzt vor. Das amerikanische Provinzorchester leistet erstaunliches. Ich werde demnächst mal zumindest den 2. Satz in beiden Einspielungen vergleichend hören, bin aber fürs erste mit der neuen Aufnahme auch vom klanglichen her sehr zufrieden.

  • Mir hat die Aufnahme, die auch schon lutgra hier empfohlen hat, auch gefallen, deshalb habe ich sie zu Reinhold Glieres heutigem Todestag ausgesucht:



    Heute ist Reinhold Glieres 59. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Musikalische Kolosse von 80-90 min Länge schrecken den einen oder anderen sicher auch mal zurück. Wer in die 3. Symphonie von Gliere trotzdem einmal hinein hören möchte, dem bietet Altmeister Leopold Stokowski mit dem Houston SO eine "Kurzversion" von gut 35 min Länge, in der die wichtigsten musikalischen Vorgänge abgebildet sind. Die frühe Stereoaufnahme ist immer noch sehr gut hörbar und Stokowski ganz in seinem Element. Für Puristen sicher ein Unding, aber seien wir ehrlich, ein Bruckner oder Mahler - bei denen so ein Sakrileg undenkbar wäre - war Gliere nun nicht.


  • Für Puristen sicher ein Unding, aber seien wir ehrlich, ein Bruckner oder Mahler - bei denen so ein Sakrileg undenkbar wäre - war Gliere nun nicht.


    :thumbup: Das finde ich auch.
    Gerade dieses Sinfonie-Koloss habe ich genau aus dem Grunde seit Jahren nicht mehr auf meinem Hörprogramm gehabt und wenn dann habe ich das Werk eher in der etwas zügigeren Edward Downes-Aufnahme (Chandos) [= Abb in Beitrag 3] vorgezogen. Habe beide Aufnahmen mit Dones und Faberman durch Johannes (Guercoeur) geschätzte "Empfehlung" vorliegen.


    8-) Da ich bei Gliere nun wahrlich kein Purist sein würde, denke ich, dass mir die Stokowski-Fassung mit "sauberen" 35 Minuten Gesamtdauer sogar gut liegen dürfte ... die Urania-Doppel-CD (mit dem tatsächlich nicht zu den Werken passenden Cover (siehe Kritik) .. aber das sehe ich locker, denn es ist schon eine interessante Umsetzung), halte ich mal im Auge. Der günstigste Preis von derzeit 8€ ist mir für 57-60er-Aufnahmen noch zu hoch, da Downes auf Chandos schon eine verdammt gute Qualität in jeder Hinsicht (Int + Klang) bietet.
    :?: Braucht man für dieses Werk wirklich noch eine weitere Aufnahme ?



    ;) Aber die Doppel-CD ist auch wegen Schosty 5 interessant ... (obwohl mich Stokowski´s Int der Schostakowitsch-Sinfonien noch 100% überzeugt haben ... die Sinfonie Nr.11 finde ich mit Stoky zum Rausslaufen ... aber mal sehen).
    Auch kaufenswert wäre für mich die Falletta-Aufnahme (Naxos), ;) wenn der Preis in den Centbereich gefallen ist ... :untertauch::pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe den Koloss seit etlichen Jahren im Schrank, und zwar in dieser Mammutbox mit 45 CDs:

    Ferenc Fricsay dirigiert das RIAS Symphonie-Orchester Berlin (Aufnahme: September 1955, Jesus-Christus-Kirche Berlin, MONO).
    Die Spielzeit beträgt ca. 55 Minuten, es wurde also auch hier erheblich gekürzt.
    Leider muß ich gestehen, daß ich die Aufnahme bis heute noch nie gehört habe :untertauch: . Nachdem ich die bisherigen Einträge hier gelesen habe, frage ich mich: Muß es sein?
    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Musikalische Kolosse von 80-90 min Länge schrecken den einen oder anderen sicher auch mal zurück. Wer in die 3. Symphonie von Gliere trotzdem einmal hinein hören möchte, dem bietet Altmeister Leopold Stokowski mit dem Houston SO eine "Kurzversion" von gut 35 min Länge, in der die wichtigsten musikalischen Vorgänge abgebildet sind. Die frühe Stereoaufnahme ist immer noch sehr gut hörbar und Stokowski ganz in seinem Element. Für Puristen sicher ein Unding, aber seien wir ehrlich, ein Bruckner oder Mahler - bei denen so ein Sakrileg undenkbar wäre - war Gliere nun nicht.


    Eine interessante Frage wirft Du da auf, lieber lutgra. Mich schrecken Kolosse nicht. :) Deshalb bin ich auch gegen jedwede Kürzungen. Schließlich habe ich auch meine Probleme mit Opernquerschnitten. Oder Auszügen aus Liederzyklen. Und Strichen in Romanen. Die Möglichkeit, ein langes Stück kurz zu halten, erklärt sich nach meiner Überzeugung nicht durch den künstlerischen Rang des Schöpfers. Bei der 3. Sinfonie wüsste ich nicht, was da weg könnte. Physisch habe ich gar keine Aufnahme davon. Ich kenne das Werk "nur" von Spotify, wo es mindestens in dreifacher Ausfertigung vorhanden ist. Dank Deiner habe ich mir gleich mal die Einspielung von Naxos mit der Slowakischen Philharmonie "aufgelegt", auf die Du bereits 2014 verwiesen hast. Die kannte ich noch nicht. Ich würde diese Sinfonie gern mal live hören. Ich glaube, sie braucht die räumliche Entfaltung. Dann würde wohl jemand mehr auf den Gedanken kommt, das Messer anzusetzen.


    Ganz allgemein: Wenn etwas gestrichen wird, wird einem ja etwas vorenthalten. Der Streicher muss davon ausgehen, das das, was er für verzichtbar hält, auch andere für verzichtbar wäre. Es wird also für andere mitgedacht. Auch der verehrte Stokowski macht das.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Leider muß ich gestehen, daß ich die Aufnahme bis heute noch nie gehört habe. Nachdem ich die bisherigen Einträge hier gelesen habe, frage ich mich: Muß es sein?


    Ich weis nicht welche Einträge Du gelesen hast um zu glauben, dass die Sinfonie nicht lohnen würde, lieber Nemorino ?
    :hello: Hör Dir die Sinfonie Nr.3 von Gliere ruhig mal an - es lohnt sich trotz der Argumente.
    Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass eine gekürzte Fassung sogar noch besser ankommen könnte (Deine mit Fricsay wird ja auch gekürzt sein !), wenn man die Originalfassung noch nicht kennt. Dann wirkt die Sinfonie mit Sicherheit weniger langatmig und hat nicht diese "Kolosswirkung" !
    Nur in Mono würde es mir persönlich gar keinen Spass machen - aber wenn sie Dir gefällt, kannst Du auf eine der genannten neuen Aufnahmen mit Downes, Faletta zurückgreifen.



    An Dich, lieber Reinholt, mein Gegenargument zu deinem Beitrag:
    Warum gehen Dirigenten hin und kürzen das Werk ? Warum nimmt auch ein so achtenwerter Dirigent wie Ferenc Fricsay die Sinfonie in einer 55Minuten-Fassung auf ? Ist tatsächlich so verwerflich, wenn ein Dirigent "für den Hörer mitdenkt" ?


    Ich finde nicht ! Denn das hat den einfachen Grund ein so sperrig langes Werk dem Hörer leichter zugänglich und schmackhaft zu machen.
    Für mich in diesem Falle voll OK !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber teleton, ich kann Deinen Überlegungen folgen, bleibe aber dennoch bei meiner Auffassung. Ein Dirigent traut offenbar dem Werk nicht, wenn er es kürzt. Ich bezweifle, dass es dadurch dem Hörer zugänglicher wird. Sollte er sich dann nicht ein anderes aussuchen? Eines, das von vorherein kurz ist? ;) Nun kann es ja auch sein, dass es verschiedene Ausgaben von einem Stück gibt. Auch in der Drucklegung. Weißt Du mehr darüber, ob das auch für diese Sinfonie gilt? Steht etwas in der Fricsay-Box geschrieben? Vielleicht schaut nemorino mal nach. Das wäre doch eine Gelegenheit, den Kasten mal aus der Tiefe des Schrankes zu holen. :hello: Gliere bleibt auch ungekürzt eine Herausforderung. Nun will ich aber nicht zu pingelig sein. Schließlich gibt es die Sinfonie ja auch im Original. Und es wird ja niemand hergehen und aus der Handschrift der Partitur ein Stück herausschneiden. ;) Als Kind liebte ich die sowjetische Verfilmung der Legende um Ilja Muromez sehr. Jetzt gibt es den Streifen auch auf DVD.



    Ich tue mich auch mit Kürzungen in Opern schwer. Auf der Bühne geht da ja noch an. Bei Aufnahmen sollte es aber schon alles sein.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Ein Dirigent traut offenbar dem Werk nicht, wenn er es kürzt.


    Guten Morgen, lieber Rüdiger,


    das sehe ich etwas anders, zumindest im vorliegenden Fall. Fricsay hat das Werk 1955 eingespielt, und ich vermute stark, daß er es zu dieser Zeit auch öffentlich aufgeführt hat. Doch er wird sich gesagt haben, daß er mit der Sinfonie eines doch relativ unbekannten Komponisten, die mehr als 1 1/2 Stunden in Anspruch nimmt, sein Publikum überfordert. So wird er Kürzungen (ob eigene oder andere) angebracht haben, um es überhaupt interessant zu machen. Außerdem: wer hätte wohl Mitte der 50er Jahre einen Sinfonien-Koloß von einem Glière gekauft, den kaum jemand (außer dem Namen vielleicht) kannte, die bei den damaligen Möglichkeiten 5 oder 6 Plattenseiten in Anspruch genommen hätte? Bei einem gebundenen Preis von 25 DM pro LP wäre das eine "Geldanlage" von 75 Mark gewesen. Ich befürchte, daß die Kassetten wie Blei in den Geschäften gelegen hätten …..


    Vielleicht schaut nemorino mal nach. Das wäre doch eine Gelegenheit, den Kasten mal aus der Tiefe des Schrankes zu holen.


    Das ist schon passiert, lieber Rüdiger. Leider schweigt sich die umfangreiche Textbeilage über Glière und auch die Aufnahme des Werks gänzlich aus. Ferenc Fricsay war ja bekannt dafür, daß er relativ unbekannte Werke gerne aufführte, vor allem auch die Musik des 20. Jahrhunderts. In dem Kasten, der sämtliche Instrumentalaufnahmen Fricsays für die DGG enthält, gibt es dafür Zeugnisse zuhauf. Es gab in den späten 1970er Jahren eine FRICSAY-EDITION der DGG auf LP, in der auch der Glière neu aufgelegt wurde. Die Platte sah so aus:

    Ich bin ziemlich sicher, daß es da auf der Rückseite Informationen zum Werk und zur Aufnahme gibt. Ich besitze einige LPs aus dieser Serie, die sind mit umfangreichen Texten auf der Rückseite ausgestattet. Leider ist diese nicht dabei. Vielleicht hat jemand sie noch irgendwo in seiner Sammlung.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Diese Musik ist in jeder Hinsicht extrem: Extrem langsam und flächig, aber auch extrem laut und bombastisch


    Lieber Wolfgang,


    so schrieb Walter Heggendorn in seinem Eingangsbeitrag zu diesem Thread. Auch sprach er von einem "langen Lamento" im Kopfsatz.


    Nun bin ich momentan nicht in der Stimmung für "lange Lamentos", und das Programm und auch die Länge des Werks schrecken mich ein wenig ab. Meine Konzentrationsfähigkeit ist nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren, das Alter fordert eben seinen Tribut. Zum "Glück" hat Fricsay Kürzungen gemacht, über 90 Minuten würden mich bestimmt bei einem solchen Werk überfordern.

    seien wir ehrlich, ein Bruckner oder Mahler - bei denen so ein Sakrileg undenkbar wäre - war Gliere nun nicht.

    Auch dieser Satz von lutgra hat mich zu der Frage gebracht: Muß es sein?
    Doch die Fricsay-Kassette steht vor mir, und so werde ich wohl heute oder morgen wenigstens mal in das Werk hineinhören. Schade, daß es eine Mono-Einspielung ist. Ich bin zwar kein Klangfetischist, aber ich denke, bei einem solchen Werk mit einem Riesenorchester wird der Monoklang schon recht kompakt und eindimensional sein.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Beim Stöbern habe ich soeben festgestellt, daß Hermann Scherchen Glières Sinfonie-Koloss ebenfalls eingespielt hat. In dieser Kassette ist seine Aufnahme zu finden:


    Es spielt das "Orchester der Wiener Staatsoper". Aus vertraglichen Gründen so genannt, es sind natürlich die Wiener Philharmoniker. Die Original WESTMINSTER-Aufnahme ist aus 1952, demnach noch in Monotechnik produziert. Da Hermann Scherchen für viele Kenner ein "Geheimtip" ist, könnte sie für den einen oder anderen hier von besonderem Interesse sein.



    LG, Nemorino


    P.S.: Leider lässt sich das Cover nicht übertragen, jedenfalls gelingt es mir nicht. Es gibt die Aufnahme aber auch als MP3-Download:

    Wie ich einer Renzension bei Amazon entnehme, spielt Scherchen die ungekürzte Fassung!

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Beim Stöbern habe ich soeben festgestellt, daß Hermann Scherchen Glières Sinfonie-Koloss ebenfalls eingespielt hat. In dieser Kassette ist seine Aufnahme zu finden:
    Es spielt das "Orchester der Wiener Staatsoper". Aus vertraglichen Gründen so genannt, es sind natürlich die Wiener Philharmoniker. Die Original WESTMINSTER-Aufnahme ist aus 1952, demnach noch in Monotechnik produziert. Da Hermann Scherchen für viele Kenner ein "Geheimtip" ist, könnte sie für den einen oder anderen hier von besonderem Interesse sein.
    LG, Nemorino


    klick
    Wenigstens der Link zu MP3 und somit zu Amazon! Und das Cover ist Augenschonend :D !
    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Hallo, Fiesco,


    eigentlich müßtest Du bemerkt haben, daß ich mir redlich Mühe gebe, die Cover im "richtigen" Format einzustellen, in 90 % der Fälle klappt das auch. Es macht ja auch Sinn, Du hast es ja auch hinreichend erklärt. Aber es gibt eben manchmal Fälle, wo es mir nicht gelingt. Da finde ich es schon nervig, daß Du mich dann jedes Mal wie einen Hilfsschüler zurechtweist. Ist es wirklich so schlimm, wenn mal eine Abbildung etwas größer gerät? Du wirst doch deshalb nicht am Montag gleich zum Augenarzt müssen!


    Außerdem bin ich weiß Gott nicht der einzige, der hier gegen Deine Maximen verstößt. Langsam habe ich den Eindruck, Du bist entweder Beamter beim Statistischen Bundesamt, oder im Schulbereich als Pauker tätig :D ! Sei mir nicht böse, aber das mußte mal gesagt werden.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ach nemorino, keine von deinen Verdächtigen kann ich bedienen, aber warum so bösartig, das ist überhaupt nicht meine Devise sondern ganz einfach weil ich es gerne tue und Alfred einen Gefallen sonst nichts!
    Und wenn du den Smiley nicht bemerkt hast tut es mir leid, irgendwie liegt im Forum immer Krawall in der Luft, ein falsches Wort und die Explosion ist perfekt!


    Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Du bist entweder Beamter beim Statistischen Bundesamt, oder im Schulbereich als Pauker tätig :D ! Sei mir nicht böse, aber das mußte mal gesagt werden.


    LG, Nemorino


    Aha! Sticheleien gegen den Beamtenstand im Allgemeinen und gegen Lehrer im Besonderen! Da ich beide Daseinszustände in meiner Person vereine, tut das weh! 8-) Ich kann versichern, dass diesen volkstümlichen Nörgeleien jede reale Argumentationsbasis fehlt. :yes:


    Und zu Fiesco: Mir gelingt auch hin und wieder das Einstellen eines Coverbildchens nicht. Ich bin eigentlich froh, dass dann immer Fiesco zur Stelle ist und das Bildchen doch noch irgendwie (Zauberkräfte oder so?) auftreibt.


    Grüße
    Garaguly

  • irgendwie liegt im Forum immer Krawall in der Luft, ein falsches Wort und die Explosion ist perfekt!


    Lieber Fiesco,


    o weh, was habe ich da angerichtet! Ich bin überhaupt nicht auf Krawall gebürstet, und auf Explosionen schon gar nicht.
    Tut mir leid, aber ich war über mich selber ärgerlich, weil ich zuerst das Cover "The Westminster Legacy Collector's Edition Vol. 1" abbilden wollte, das ging überhaupt nicht! Und dann habe ich 3 vergebliche Anläufe gestartet, das MP3-Cover korrekt zu übertragen, ebenfalls Fehlanzeige! Aber ich zeige immer gerne das dazugehörige Cover, damit jeder weiß, wovon ich rede.
    Und da kam dann prompt darauf Deine Bemerkung, da ist mir der Kragen geplatzt. Aber böse war das wirklich nicht gemeint, wenn es vielleicht auch so klingt. Wenn Du einverstanden bist: Pardon, und Schwamm drüber! Ist ja wirklich nicht der Rede wert. Und ich weiß es zu schätzen, daß Du Alfred gefällig sein willst, das ist völlig o.k.


    Schönen Abend und
    LG, Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Sticheleien gegen den Beamtenstand im Allgemeinen und gegen Lehrer im Besonderen! Da ich beide Daseinszustände in meiner Person vereine, tut das weh!


    Lieber Garaguly,


    auch Dir sei versichert, ich wollte niemand beleidigen. Das war einfach so daher gesagt. Ich bin der letzte, der einen ganzen Berufsstand pauschal in eine Ecke stellen will. Asche auf mein Haupt!


    Liebe Grüße,
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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