LANGGAARD, Rued: ANTIKRIST

  • Rued LANGGAARD
    ANTIKRIST
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    Oper in zwei Akten (Prolog und sechs Bilder)


    Libretto: vom Komponisten


    ENTSTEHUNG: 1921-23, Umarbeitung 1926-30


    URAUFFÜHRUNG: 2.Mai 1999 im Tiroler Landestheater Insbruck (erste vollständige Bühnenaufführung)


    Charaktere:


    LUZIFER
    RÄTSEL-STIMMUNG
    ECHO DER RÄTSELSTIMMUNG
    DAS MAUL, DAS GROßE WORTE SPRICHT
    MISSMUT
    DIE GROßE HURE
    DAS TIER IN SCHARLACH
    DIE LÜGE
    MYSTISCHE STIMME
    STIMME GOTTES (Gesprochen)
    DIE MENSCHHEIT (Chor)


    VORBEMERKUNG
    Rued Langgaard dürfte wohl als eine der skurrilsten und originellsten Musiker-Persönlichkeiten des 20.Jahrhunderts gelten. Seine Werke wurden schon von Zeitgenossen mit Unverständnis aufgenommen und auch den heutigen Hörer weiß Langgaard mit seiner oft abstrakten Denkweise zu (über)fordern.
    Die Oper „Antikrist“ kann fast als exemplarisch für sein ungewöhnliches und individuelles Kunstverständnis gelten: Der vom Komponisten selbst verfasste Text folgt nicht der üblichen Opern-Dramaturgie mit einer stringenten Handlung und dialoghaltenden, definierten Charakteren, sondern zeichnet vielmehr ein abstraktes Weltgemälde in Anwesenheit des Antichristen. Langgaards eigene Bezeichnung „Stimmungsphantasie über unsere Zeit“ zeigt bereits die äußerst kritische Haltung des Komponisten zum modernen Lebenswandel. Der zunehmende Materialismus und der allgemeine moralische Verfall werden angeprangert und mit geistigen Werten kontrastiert. Die Moral der Oper lautet, dass jedes Individuum vor Gott letztendlich bestehen muss und das die himmlischen Genüsse den irdischen (leicht zu erringenden) überwiegen.


    Eine klassische Inhaltsangabe fällt ausgesprochen schwer, da der Text (wie bereits erwähnt) keiner eindeutigen Handlung folgt. Es liegen größtenteils Monologe vor; Interaktionen zwischen den „Charakteren“ erfolgt kaum. Es soll im Folgenden daher eher eine Ausdeutung des hochsymbolischen, oftmals eher absurd wirkenden Textes erfolgen. (Die Grundlage bieten hierzu dazu das Libretto sowie das Begleitbuch der „DACAPO“-Aufnahme des Dänischen Nationalorchesters unter Tomas Dausgaard)


    INHALT
    PROLOG
    Luzifer beschwört den Antichristen, lässt ihn aus der Tiefe emporsteigen und verleiht ihm irdische Existenzfähigkeit. Er charakterisiert den „finsteren Christus“ anhand von fünf „Christus-Gegensätzen“ (Diese entsprechen den Themen der ersten fünf Bilder der Oper):
    Das Lamm – Irrlicht, die Wahrheit – Hoffart, der Gekreuzigte – Missmut, der Auferstandene – Begierde, der Offenbarte – Streit Aller gegen Alle
    Gott duldet die Anwesenheit des Antichristen in der Welt zeitweilig:
    „Mein Wille allein gescheh': Antichrist! Werd' eine Zeit lang offenbar.“


    1.AKT
    Die Rätselstimme und deren Echo bilden im ersten Bild eine Einleitung, in welcher der Zeitgeist nach Erscheinen des Antichristen symbolisch dargestellt wird. Es kommt eine in Unsicherheit verklärte, lebensmüde Geisteshaltung zum Ausdruck, die auf ein besseres „Morgen“ hofft.
    Das zweite Bild trägt den Titel „Hoffart“ bzw. „Größe“. „Das Maul das große Worte spricht“ entlädt einen ganzen Schwall von Schlagwörtern des modernen Lebenswandels (z.B.: „Kampf bereitet den Sieg [...], Wille hier – Wille dort [...],Kraft besiegt Kraft, Antimorphistischer Mammon lächelt uns zu, adelt unsern Sklavensinn: „Persönlichkeit“! [...] Groß-Lebens Brandung: pfeift auf den tiefen Sinn...) - Die Oberflächlichkeit des materialistische Strebens der modernen Gesellschaft wird offengelegt.
    Im letzten Bild des 1.Akts „Hoffnungslosigkeit“ schildert der personifizierte Missmut nochmals den zeittypischen Lebensüberdruss und Pessimismus - Es erfolgt eine Rückblende zum ersten Bild; gleichzeitig wird schon auf „das Tier“ im vierten Bild verwiesen.


    2.AKT
    Das vierte Bild trägt den Titel „Begierde“ - hier preist „die große Hure“ ihren „Wein“ an. Er ist Symbol für ein ausartendes und genussreiches Leben. Das „Tier in Scharlach“ stimmt in den wollüstigen Gesang ein und verehrt den „Huren-Wein“. Die „Methoden“ des irdischen Genusslebens werden weiter ausgemalt und zusätzlich mit darwinistischen Gedanken gestützt („Es lebe der Starke!“)
    Das „Tier“ appelliert also, den dem Menschen ureigenen (tierischen) Trieben zu folgen und so komplette irdische Befriedigung zu gelangen.
    „Die Menschheit“ stellt die Thesen zunächst in Frage, wird dann jedoch vollends vom Tier verführt: „Amen.“
    Im „Streit Aller gegen Alle“ (5.Bild) kommt es zum Streit zwischen der „großen Hure“ und „der Lüge“. (Neben dem 4.Bild (mit Einschränkungen) der einzige wirkliche Dialog der Oper)- Beide beanspruchen für sich Mächtig zu sein und die einzige Wahrheit zu vertreten. „Die Hure“ fühlt sich als Königin, wobei die Lügen ihr nur Mittel zum Genuss sind - „Die Lüge“ sieht sich hingegen als Besitzer der „großen Hure“. „Der Hass“ kommt hinzu und versucht zu vermitteln – vergebens. Das jüngste Gericht steht bevor – „Die Lüge“ begreift was vor sich geht während „die Hure“ alles nur für ein ihr zu Ehren veranstaltetes Spektakel hält. Im sechste Bild (Verdammnis)verflucht die mystische Stimme den Antichristen und dessen Eigenschaften. Die Lebenden und die Toten werden Gerichtet. Gott entsendet dem Antichristen den „ew'gen Blitz“ und vernichtet ihn somit.


    Der Final-Chor subsumiert die Moral der Oper:
    „Nur wenn Gottes Ephta einschlägt wie ein Blitz in den Verstand und ihn durchdringt, kann's leuchten über Tälern; dann erquickt uns den Geist der Fluss des Lebens, und ungehindert kann sodann die Zunge von der Himmelslust erzählen.“



    [code=c]2007 Raphael Lübbers