Hallo,
ich möchte euch ein Instrument, besser eine Instrumentenfamilie vorstellen, die im 18 Jahrhundert in Vergessenheit gerieten und so langsam wiederentdeckt werden: die Gamben.
Die Ursprünge gehen zurück nach Spanien ins 15. Jahrhundert. Dort kam jemand auf die Idee, man könne die Vihuela da mano, eine fünf- bis sechssaitige Gitarre, ein klein wenig umzubauen und mit einem Bogen die Saiten zum klingen zu bringen. Anfangs wurde sie noch wie eine Gitarre gehalten. Es dauerte nicht lange und die Italiener fanden Gefallen in daran, hauptsächlich als Bassinstrument, führten aber die Haltung zwischen den Knien ein, was viel bequemer ist. Bald wurde der Korpus den Formen die Violine angeglichen. Boden und Deckel wurden gewölbt und schließlich verschwand die zierende und oftmals kunstvoll ausgearbeitete Rose als Schallöffnung zugunsten der f-förmigen Löcher.
Am Ende des 15. Jahrhunderts hatten den Gamben, vom Diskant bis zum Baß, die dominierende Stellung in der ernsten kontrapunktischen Musik inne. Abhandlungen über Spieltechniker wurden verfasst, zB. vom Spanier Diego Ortiz der Tratado de glosas sobre cláusulas y otros géneros de puntos en la música de violines von 1553.
Bedeutend für die Entwicklung der Musik für die Gamben war deren „Sprung“ über den Ärmelkanal an den Hof Heinrichs VIII. Komponisten wie William Lawes, Anthony Holborne, John Jenkins, Matthew Locke und John Dowland führten die Gamben zu einer Blüte. Man denke nur an Dowlands Lachrimae or seven tears oder an die Consort setts von Lawes. Purcell war der letzte in dieser Reihe, wenngleich sein Beitrag, seine 15 Fantasien, zum Bedeutendsten zählt.
Michael Praetorius beschreibt 1619 in seinem Syntagma musicum die Gamben wie folgt: ''"... Und haben den Namen daher/ daß die ersten (Viole de Gamba) zwischen den Beinen gehalten werden: Denn da gamba ist ein Italienisch Wort/ und heist ein Bein/ le gambe, die Beine. Unnd dieweil diese viel grössere corpora, und wegen des Kragens lenge/ die Saiten auch ein lengern Zug haben/ so geben sie weit ein lieblichen Resonanz/ Als die anderen de bracio, welche uff dem Arm gehalten werden. ... Die Violen de Gamba haben 6.Saiten/ werden durch Quarten, und in der Mitten eine Terz gestimmet/ gleich wie die sechsChörichte Lautten. Die Engländer/ wen sie alleine darmit etwas musiciren, so machen sie alles bisweilen umb ein Quart, bisweilen auch eine Quint tieffer/ also/ daß sie die untersten Saiten im kleine Baß vors D; im Tenor und Alt vors A; Im Cant vors e rechnen und halten ... Die groß Viol de Gamba (Italis Violono, oder Contrabasso da gamba, ... wird von den meisten per quartam durch und durch gestimmet; ...''
Ab etwa 1680 wurden die Gamben in Italien und England größtenteils nur noch als Bassinstrument gebraucht, die Diskantgamben wurden von den Violinen verdrängt. In Frankreich und Deutschland allerdings lebte das von den Engländern gelegte Fundament weiter, wurde entwickelt und erweitert. Während die Werke von Le Jeune und du Caurroy oder Dumont noch deutlich in der Tradition verwurzelt sind, so sind die Werke von Forqueroy und dem Großmeister Marais eigenständig. In dieser Zeit wurde dem Instrument noch eine tiefe siebente Saite hinzugefügt. Man höre nur aus Marais´ 4ème livre de pièces de viole die 31 Stücke umfassende Suitte d´un goût étranger.
Der letzte große Virtuose auf der Gambe war Carl Friedrich Abel, die Ende des 18. Jahrhunderts in London wirkte. Mit ihm starb das Instrument aus. Im Laufe des 18. Jahrhunderts erschienene Ableger wie das Baryton oder der Arpeggione konnten sich nicht durchsetzen, obwohl Haydn bzw. Schubert für diese Instrumente schrieben.
Wir sind heute in der glücklichen Lage, dass die Gambenfamilie aus der Versenkung geholt wurde und wieder im Gebrauch ist, wenn auch in einem Nischendasein. Jordi Savall ist hier einer der Protagonisten, ich möchte aber das Augenmerk auch auf weniger bekannte Ensembles und Gambisten lenken, die großartige Einspielungen vorgelegt haben. Wer die englische Consortmusik von Lawes bis Purcell hören möchte, dem sei das Ensemble Fretwork wärmstens empfohlen. Jean-Louis Charbonnier legte hervorragende Gesamteinspielungen vom Marais 4. und 5. Buch vor. Und schließlich sei das Ensemble Les voix humaines genannt mit ihrer Enspielung von Johannes Schenck´s op. 8 mit dem Titel Le Nymphe di Rheno, 12 Sonaten für 2 Gamben.
Thomas