Liebe Taminen!
Wer sich als auf ein zehnsekündiges Brainstorming zum Thema „Nordeuropäische Tonkünstler“
einließe, stünde nach Ablauf der kurzen Frist mit Namen da wie etwa Edvard Grieg, Jean Sibelius, Carl Nielsen, Niels Gade, oder Franz Berwald, ABBA nicht mitgerechnet, und wünschte sich, man solle doch zur statistischen Politur ein nächstes Mal das Sujet um Büchertitel von Astrid Lindgren erweitern oder wahlweise in den mitteleuropäischen Raum verlegen.
Die Komponistennamen Per Brant, Johan Helmich Roman, Johann Gottlieb Naumann, Joseph Martin Kraus, Christoph Ernst Friedrich Weyse, Hans Hagerup Falbe, Christian Sinding, Johan Svendsen, Vagn Holmboe, Wilhelm Peterson-Berger, Selim Palmgren, Knut Nystedt, Kurt Atterberg, Ture Rangström, Allan Pettersson, Rued Langgaard, Einojuhani Rautavaara oder sogar Hugo Alfvén kämen somit wahrscheinlich auch erst nach Zugeständnis weiterer zehn Sekunden in den Sinn.
Oder auch Carl Wilhelm Eugen Stenhammar.
Stenhammar wurde am 7. Februar 1871 in Stockholm als Spross einer äußerst musikalischen Familie geboren.
Vater Per Ulrik komponierte als Architekt nicht nur Baumaterial, sondern auch Lieder, geistliche Chorwerke sowie Fingersätze für Klavier und Orgel, Onkel Oscar Fredrik und Tante Fredrika Andrée waren als Opernsänger vom Simmfach, Cousine Elsa Elfrida Marguerite leitete irdische Chöre und Großonkel Lindblad aufstrebende Komponisten an.
Entgegen wikipedagogischen Quellen nahm Stenhammar nie ein offizielles Musikstudium als Mitglied einer Akademie oder eines Konservatoriums auf.
Seine Ausbildung in Klavierspiel und Musiktheorie zu Stockholm und Berlin, wo ihn die Berührung mit Brahms’, Wagners und Bruckners Werken nicht ohne Einfluss ließ, waren privater Natur, lediglich an der Orgel legte er ein Examen ab, als Komponist und Dirigent gilt er gar als Autodidakt.
Dennoch debütierte er mit dreiundzwanzig Lenzen und der Uraufführung seines b-moll-Klavierkonzertes erfolgreich in der Doppelrolle als Komponist und Pianist, drei Jahre später ergriff er zur Feuertaufe für seine Konzertouvertüre „Excelsior!“ – uraufgeführt wurde sie von Arthur Nikisch - erstmals öffentlich den Taktstock.
Die Erfolge zeitigten neben internationaler solistischer und – vor allem mit dem Aulin-Quartett - kammermusikalischer Konzerttätigkeit die Berufung zum künstlerischen Leiter der Stockholmer Philharmonie, später des Königlichen Opernhauses und der Neuen Philharmonischen Gesellschaft.
Ab 1906 stand er der neu gegründeten und fortan mit der Hauptstadt konkurrierenden Orchestervereinigung in Göteborg vor, bis er gegen Ende seines Lebens mit einem Ehrendoktor im Gepäck wieder zur Stockholmer Oper zurückkehrte.
Wilhelm Stenhammar starb, hoch geehrt, am 20. November 1927 in seiner Geburtsstadt.
So alt war der Schwede also nun doch nicht.
Internationale Bedeutung (ich weiß schon, wer jetzt eine Kraus-und Romanbeschwerde einreicht) wird der skandinavischen Kunstmusik eigentlich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts zugesprochen mit den lange Zeit unter deutsch-romantischem Einfluss stehenden Tonsetzern Berwald in Schweden, Gade in Dänemark und Grieg in Norwegen.
Stenhammar führte mit Peterson-Berger und Alfvén die „Next Generation“ der schwedischen Komponisten an, die sich ebenfalls erst freischwimmen musste, um zu einer eigenen Tonsprache zu finden.
Dirigierte Stenhammar Werke befreundeter Kollegen wie Sibelius, Nielsen und Strauss (wie auch umgekehrt) oder verehrter Meister wie Brahms, Mahler, Wagner, Bruckner und Liszt, zeigte er neben seiner Offenheit gegenüber unterschiedlichsten Zeitströmungen auch die eigenen musikalischen Wurzeln auf. Diese werden durchwegs okuliert mit - wenngleich nicht eindeutig zitierten – Anklängen an die schwedische Folkloristik.
Stenhammars Werk kann (wie das manch anderer) in drei Schaffensperioden eingeteilt werden.
Die Kompositionen bis zum ersten Wechsel an die Königliche Oper gehören zur skandinavischen Spätromantik mit starkem Einfluss der deutschen Brahms-Wagner-Front.
Hierzu gehören
das 1. Klavierkonzert b-moll Op. 1 (1893),
die Konzertouvertüre Op.13 "Excelsior!" (1896),
die beiden frühen Streichquartette Nr.1 C-Dur op. 2 (1894) und Nr. 2 c-moll op. 14 (1896),
die Violinsonate a-moll op. 19 (1899/1900),
die fünf Klaviersonaten Nr. 1 C-Dur (1880), Nr. 2 c-moll (1881), Nr. 3 As-Dur (1885), Nr. 4 g-moll (1890) und Nr. 5 As-Dur Op. 12 (1895) mit den 3 Fantasien Op. 11 (1895),
die Kantate Snöfrid Op. 5 (um 1894)
sowie die beiden Opern "Das Fest auf Solhaug Op. 6 (1893) und "Tirfing“ Op. 15 (1898).
Die zweite Staffel, etwa ab der Jahrhundertwende, zeigt die Beschäftigung mit dem Oeuvre Beethovens, aber gleichzeitig auch den Errungenschaften des Impressionismus, das Bemühen um kompositionstechnische Verfeinerung, formale Klärung und harmonische Zügelung.
Hierunter kann man zählen
die vom Komponisten ursprünglich in Folge der „Läuterung“ zurückgezogene Symphonie Nr. 1 F-Dur (1902/03),
das 2. Klavierkonzert d-moll Op. 23 (1904-07),
die beiden mittleren Streichquartette Nr.3 F-Dur op. 18 (1900) und Nr. 4 a-moll op. 25 (1909),
schließlich die erfolgreiche Kantate "Ett Folk" Op. 22 (1905).
Die dritte Periode setzt ein mit der Übernahme des Göteborger Orchesters. Zu dieser Zeit beginnt parallel ein über viele Jahre währendes Studium des Kontrapunkts.
Die Stimmführung wird autarker, der Orchestersatz entschlackt, die Harmonik liberaler
In diese Phase fallen
die 2. Symphonie g-moll op.34 (1911-15) und eine Fragment gebliebene C-Dur-Symphonie (1918/19),
die 1919 umgearbeitete Serenade F-Dur op. 31 (1908-13),
"Zwei sentimentale Romanzen" op. 28 für Violine und Orchester (1910),
die beiden späten Streichquartette Nr.5 C-Dur op. 29 (1910) und Nr.6 d-moll op. 35 (1916),
die 5 Klavierstücke "Spätsommernächte" Op. 33 (1914)
und die populäre Kantate "Sången" Op. 44 (1921).
Überdies verteilt sich die Produktion von Kammermusiksätzen und etwa 60 Liedern über die Schaffenszeit des tonsättare.
September
All die wachsenden Schatten
haben sich zu einem zusammengewebt;
einsam am Himmel leuchtet
ein Stern so strahlend rein.
Wolken haben so schwere Träume
Blumenaugen schwimmen im Taugrund,
wunderlich der Abendwind säuselt,
säuselt in der Linde
Hej då,
audiåmus
.