Orchesteraufstellung

  • Zitat

    Original von Norbert
    Norringtons Einspielung steht für mich auf einer Stufe mit Harnoncourt und bringt als großes Plus eine bessere Durchhörbarkeit dank deutscher Orchesteraufstellung mit.


    Hallo zusammen,


    zuletzt im thread zu den Beethoven - Sinfonien fiel mir auf, dass zB von der deutschen Orchesteraufstellung die Rede ist.


    Welche Arten der Aufstellung gibt es und wie sehen die im einzelnen aus?


    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Original von Elisabeth


    zuletzt im thread zu den Beethoven - Sinfonien fiel mir auf, dass zB von der deutschen Orchesteraufstellung die Rede ist.


    Welche Arten der Aufstellung gibt es und wie sehen die im einzelnen aus?


    Hier findet sich eine Version der "deutschen" Sitzordnung. Wobei ich es eher so kenne, dass die tiefen Streicher noch besser verteilt sind.
    Der Text im Link ist Quatsch, die Geigen einander gegenüber ist gerade nicht die amerikanische!
    http://lexikon.meyers.de/meyers/Orchester hat einen vernünftiger Text und ein Bild auf die amerikanische verlinkt.



    Die heute häufiger anzutreffende "amerikanische" Sitzordnung hat die Streicher mehr oder minder vom Dirigenten aus von links nach rechts im Halbkreis: Vl 1, Vl 2, Bratschen, Celli und die Bässe direkt hinter den Celli. Hier hat man alle hohen Streicher ganz links, alle tiefen ganz rechts.


    (Es gibt jeweils Varianten, etwa Bratschen und Celli vertauscht)


    Der vermutlich wesentliche Punkt der deutschen ist, dass die 2. Geigen ganz rechts den ersten gegenübersitzen. Dadurch wird das Zusammenspiel der Violinen angeblich etwas schwieriger (außerdem strahlen die 2. den Klang vom Zuhörer weg nach hinten). Dafür sind hohe und tiefe Stimmen räumlich besser verteilt, daher wird der Klang transparenter.


    Insbesondere gibt es in der Musik der Klassik (und auch noch Romantik) nicht selten "stereo" oder Echo-Effekte, wenn etwa ein Motiv zwischen ersten u. zweiten Geigen hin und her geworfen wird (die Komponisten gingen alle von der deutschen Ordnung aus, die bis ins 20. Jhds. hauptsächlich üblich war). Das geht fast völlig unter, wenn die Geigen alle links nebeneinander sitzen.
    Dennoch ist auf Stereo-Aufnahmen leider die deutsche Sitzordnung die Ausnahme. Von HIPisten abgesehen, weiß ich nur zwei Dirigenten, auf deren Aufnahmen durchgehend deutsche Sitzordnung herrscht: Klemperer und Gielen. Es mag aber noch andere geben. Carlos Kleibers DG-Aufnahme der 7. hat die deutsche (weil in diesem Werk die genannten Effekte recht häufig sind), bei der 5. sitzen die Geigen aber wieder nebeneinander.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Von HIPisten abgesehen, weiß ich nur zwei Dirigenten, auf deren Aufnahmen durchgehend deutsche Sitzordnung herrscht: Klemperer und Gielen. Es mag aber noch andere geben.



    Soweit ich sehe, auch meistens bei Kubelik - jedenfalls mit dem Symphonieorchester des BR.


    Kleiner (nicht nur) lokalpatriotischer Einwurf: Die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott spielen ebenfalls fast immer in "deutscher" Sitzordnung, was man auch den entsprechenden Einspielungen (Schubert, Bruckner, Mahler, Janacek etc.) entnehmen kann.


    Überhaupt beobachte ich das im Konzertbetrieb immer öfter.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    (Es gibt jeweils Varianten, etwa Bratschen und Celli vertauscht)



    Ich sehe bei der "deutschen" Sitzordnung fast immer die Celli in der Mitte und die Bratschen rechts vom Dirigenten (hinter den zweiten Geigen) - aber auch bei der "amerikanischen" sitzen sehr häufig die Bratschen ganz rechts und die Celli eher in der Mitte. Warum Kontrabässe manchmal links, manchmal rechts vom Dirigenten aufgestellt sind, erschließt sich mir nicht immer und scheint auch nicht unbedingt von "deutscher" oder "amerikanischer" Aufstellung abhängig zu sein.





    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Gleich der erste Link beim Googeln. Sogar mit Hörbeispielen:



    http://www.hfm-detmold.de/eti/…llungen/aufstellungen.htm



    Genau: Zumindest bei europäischen Orchestern scheint mir die "Variante der amerikanischen Sitzordnung" doch viel häufiger vorzukommen als die eigentliche "amerikanische Sitzordnung".


    Die Aussage auf der Website, dass die "deutsche" Aufstellung heute "fast in Vergessenheit" geraten sei, finde ich allerdings verblüffend: Wie bereits oben gesagt - sie dürfte eher wieder im Kommen sein, was natürlich auch mit HIP zu tun hat (wo das absoluter Standard ist).



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Hallo zusammen,


    über unterschiedliche Orchesteraufstellung haben wir hier auch schon einmal kurz geschrieben. Frage an die Experten. Hört man das wirklich so deutlich?


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Maggie
    über unterschiedliche Orchesteraufstellung haben wir hier auch schon einmal kurz geschrieben. Frage an die Experten. Hört man das wirklich so deutlich?


    Die Hörbsp. in dem Link finde ich (außer dem aus der Prager Sinf.) gar nicht mal so erhellend.
    Aber in den Finalsätzen von Beethovens 4. und 7. Sinfonie gibt es sehr deutliche "Ping-Pong-Effekte", die nur bei der deutschen Sitzordnung herauskommen.


    Außer den Echo-Effekten ist auch die breitere Verteilung der hohen und tiefen Streicherstimmen ein Vorteil.


    Der angesichts ihres Alters außerordentlich transparente Klang von vielen Aufnahmen Klemperers hängt m.E. u.a. an der deutschen Sitzordnung (noch mehr allerdings noch an einer sorgfältigen Balancierung und ungewöhnlichen Präsenz der Holzbläser).


    Also man hört es schon, jedenfalls bei konzentriertem Zuhören.


    :hello:


    JR

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  • Hallo,
    als Beispiele wären noch anzuführen:
    Die Schumann Symphonien, würden oder hätten einige der besten Dirigenten die deutsche Aufstellung gewählt, wären Instrumentationsretuschen (Szell) oder aufnahmetechnische Spielereien (Solti uva.) unnötig.
    Bei Klemperer und Gardiner z.B. klingt nichts dicklich oder undurchsichtig.


    Auch bei Brahms erschliesst sich mir die ganze Pracht erst in historisch korrekter Aufstellung.


    Gerade vorhin hörte ich noch Mrawinsky mit Tschaikowsky´s 5., in der 1983er Aufnahme. :jubel: :jubel: :jubel: Was für ein Unterschied zu Solti oder Szell z.B.


    Manche Stücke mag ich einfach nicht mehr in amerikanischer Aufstellung hören.
    Mendelssohn, Bruckner, Mahler, selbst Haydn und Mozart von Beethoven ganz zu schweigen.
    Auch die cpo Serie mit den Ries Sym. ist antiphonisch :D


    Ob die Orchester der Mozartzeit auch antiphonisch platziert waren?
    Würde mich echt interessieren, warum wohl sonst gibt es so viele Effekte in diesen Werken?


    Existieren eigentlich Bilder aus dieser Zeit mit ausführenden Orchestern?


    Kurz, ich begrüße den Trend sehr, deutsch, antiphonisch, antiphonal wie auch immer :yes:


    :hello:
    embe

  • Zitat

    Original von embe
    Ob die Orchester der Mozartzeit auch antiphonisch platziert waren?
    Würde mich echt interessieren, warum wohl sonst gibt es so viele Effekte in diesen Werken?


    Ich habe vor vielen Jahren mal die Deutsche Kammerphilharmonie unter Thomas Hengelbrock gehört mit Londoner Haydn-Symphonien - geteilte Violinen, Bratschen, Celli und Bässe, halb rechts, halb links, in der Mitte alle Bläser in breiten Reihen, Trompeten und Schlagzeug ganz oben - so stand es in London bei der Uraufführung, hieß es. Es war entsprechend komponiert, mit interessanten Effekten zwischen den geteilten Streichern.


  • Hallo Maggie,


    höre Dir mal das Scherzo der 9.Sinfonie von Beethoven an.


    Deutsche Orchesteraufstellung: Die Streichermelodie geht von rechts nach links, beginnt also bei den 2. Violinen, wird von den Bratschen wiederholt, geht von den Celli zu den 1. Violinen, um dann bei den Kontrabässen den streichermäßigen Abschluß zu finden.


    Bei der klassischen amerikanischen Orchesteraufstellung geht es fast anders herum, also von fast links bis hin zu fast rechts, dann zurück zu den 1. Violinen (ganz links) und dann zu den Kontrbässen (ganz rechts).


    Die Unterschiede sind deutlich hörbar und geben dem Satz einen ganz anderen Charakter.


    embe: Es wurde wohl nicht einheitlich gehandhabt.
    Bei Brahms 1. mit Roger Norrington und den London Classical Players (damals bei EMI erschienen) wurden die Kontrabässe aufgeteilt und ganz links und ganz rechts platziert. Es entsprach wohl den Gepflogenheiten zu Zeiten Brahms'.


    Und zu Johannes Roehl: Thielemann ließ bei Bruckners 5. mit den Münchner Philharmonikern auch in der deutschen Orchesteraufstellung spielen.


    Norrington verfuhr bei den Beethoven-Sinfonien mit dem RSO Stuttgart gleicher Maßen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Hallo embe,

    Zitat

    Original von embe
    Die Schumann Symphonien, würden oder hätten einige der besten Dirigenten die deutsche Aufstellung gewählt, wären Instrumentationsretuschen (Szell) oder aufnahmetechnische Spielereien (Solti uva.) unnötig.


    Das würde ich auch so sehen. Allerdings schadet die deutsche Aufstellung auch nicht mal den heftigsten "Retuschen", guckst Du hier:

    - die Sinfonien Schumanns in der Einrichtung Gustav Mahlers, das Gewandhausorchester Leipzig unter Chailly -


    Auf dieser Aufnahme sitzen die Streicher von links nach rechts Violine I, Cello, Viola, Violine II,
    in den hinteren Segmenten: hinter Violine I die Kontrabässe, hinter Cello die Holzbläser, dahinter die Pauken, hinter Viola hoch nach hinten gesetzt das schwere Blech. Die in den Hintergrund gesetzten Kontrabässe - ich habe sie auch schon mal hoch ganz nach hinten hinter die Bläser gesetzt gesehen - geben ein massives Fundament ab, das dem ganzen Orchesterapparat dient, weil die Bässe eben nicht seitlich "angehängt" sind.


    Das Subwoofer-Prinzip - dass nämlich die tiefsten Basstöne lokal nicht zu orten sind - funktioniert bei den Kontrabässen offenbar nicht. Allerdings heben sie sich von den höheren Streichern eben schon durch ihre Stimmlage ab, so dass zu ihrer Identifizierung eine Richtungsverortung anders als bei den gleichgestimmten 1. und 2. Geigen, nicht weiter hilft.


    Zitat

    Original von embe
    Auch bei Brahms erschliesst sich mir die ganze Pracht erst in historisch korrekter Aufstellung.


    Anscheinend spielt das Gewandhausorchester öfter in der deutschen Aufstellung, so auch auf dieser Einspielung:

    - beide Klavierkonzerte von Brahms, Nelson Freire, Riccardo Chailly, Gewandhausorchester Leipzig -


    Auch hierfür gilt: durch die in die Breite reichende antiphonische Aufstellung der geteilten Geigen erreicht die Musik - von der völlig veränderten besseren Durchhörbarkeit einmal abgesehen - eine ganz andere Raumwirkung: das ohnehin gewaltige Hauptthema im ersten Satz des ersten Konzerts bekommt so noch einmal eine ganz andere Bedeutung.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Günter Wand hat diese ganzen Diskussionen um amerikanische oder deutsche Aufstellung, womöglich noch in ihrer Leipziger oder Wiener Variante, für überflüssig und - sinngemäß - für modischen Schnickschnack gehalten. Er ließ konsequent die amerikanische Aufstellung spielen und fand, so wie er seinen Brahms spielte, konnte man die zweiten Geigen hören, egal wo sie saßen. Zumindest damit hatte er wohl recht.


    Ob nun aber die deutsche oder die amerikanische Variante modischer Schnickschnack war, als der 1912 geborene Wand 1939 Erster Kapellmeister in Köln wurde, womit die Ablösung der deutschen Aufstellung durch die amerikanische erst wenige Jahrzehnte her war, mag man mal dahin stehen lassen.


    Interessant wäre gewesen, Günter Wands Auffassung für die Fälle zu erfahren, in denen der Komponist selbst ausdrücklich eine ganz bestimmte vorgegebene Orchesteraufstellung in der Partitur vorgeschrieben hat - möglicherweise hätte er sich in so einem Fall der Mehrheit der Dirigenten angeschlossen und die Vorschrift schlicht ignoriert.


    ... obwohl ich den Verdacht nicht los werde, ein solcher Komponist wie Béla Bartók könnte sich durchaus etwas dabei gedacht haben, wenn er in der Partitur seiner Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta 1936 einen Besetzungsplan grafisch aufzeichnete, der aber meist nicht befolgt wird, weil er in den Partiturdrucken fehlerhaft wiedergegeben wurde. Er schrieb:


    "Aufstellung des Orchesters ungefähr so:"


    Und zeichnete darunter einen Plan der Orchesteraufstellung mit drei Spalten in vier Zeilen:
    linke Spalte hintereinander Violine 1, Violine 2, Viola 1, Violoncello 1
    mittlere Spalte hintereinander Pianoforte, Celesta und Harfe, Schlagwerk, Pauken
    rechte Spalte hintereinander Violine 3, Violine 4, Viola (2), Violoncello 2
    sowie zwischen Violoncello 1 und Pauken bzw. Violoncello 2 und Pauken jeweils noch Kontrabass 1 bzw. 2
    (Abdruck des Facsimiles der Originalgrafik in Bartóks Partitur mit Anmerkungen von László Somfai im Booklet zu


    Es liegt auf der Hand - oder besser im Ohr des Hörers - dass nicht nur die Raumwirkung, sondern die Wirkung eines derartigen Stückes insgesamt eine ganz andere ist, wenn das Orchester die von Bartók vorgeschriebene Sitzordnung einnimmt, wie dies auf der dargestellten Aufnahme unter Nikolaus Harnoncourt geschehen - und zu hören - ist, als wenn das Orchester eine deutsche, amerikanische oder sonstige Aufstellung einnimmt.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Hallo,
    was Wand da meint ist mir schleierhaft.
    Die amerikanische Aufstellung war ja modischer Schnickschnack damals :D


    Klar hört man die 2. Geigen, nur eben etwas heller und lauter als in der deutschen A.
    Die Komponisten haben das bestimmt bei der Instrumentation berücksichtigt.
    Denke ich mal.
    Und dann wird es ignoriert und rumgepfuscht... :pfeif:


    Meine Gielen Aufnahme von Bartoks Orchesterkonzert ist übrigens eine Offenbarung hinsichtlich der Durchhörbarkeit der Stimmen.
    Auch sonst eine famose Interpretation :yes:


    Leider kenne ich die Harnoncourt/Bartokscheiben noch nicht :(


    :hello:
    embe

  • Hallo Ulrich,

    Zitat

    Ob nun aber die deutsche oder die amerikanische Variante modischer Schnickschnack war, als der 1912 geborene Wand 1939 Erster Kapellmeister in Köln wurde, womit die Ablösung der deutschen Aufstellung durch die amerikanische erst wenige Jahrzehnte her war, mag man mal dahin stehen lassen.


    Die Ablösung der deutschen Aufstellung durch die amerikanische (welche übrigens von Stokowski wegen ihrer besseren Transparenz für MONO-Aufnahmen herbeigeführt wurde) erfolgte erst nach dem 2.Weltkrieg, also nach 1945.


    :no:


    Zitat

    Und zeichnete darunter einen Plan der Orchesteraufstellung mit drei Spalten in vier Zeilen:linke Spalte hintereinander Violine 1, Violine 2, Viola 1, Violoncello 1
    mittlere Spalte hintereinander Pianoforte, Celesta und Harfe, Schlagwerk, Pauken
    rechte Spalte hintereinander Violine 3, Violine 4, Viola (2), Violoncello 2
    sowie zwischen Violoncello 1 und Pauken bzw. Violoncello 2 und Pauken jeweils noch Kontrabass 1 bzw. 2


    Ich habe dieses Werk mehrfach gespielt, und natürlich wird Bartoks Anordung befolgt.
    Sie ist ja auch logisch für dieses Werk.
    Eigentlich kenne ich das gar nicht anders.
    Das hat aber ganz und garnicht etwas mit der "amerikanischen" oder "deutschen" Aufstellung zu tun!


    Dies ist ein Werk für ZWEI Streichorchester, Klavier, Celesta, Harfe, Schlagwerk und Pauken.


    Was also hat Harnoncourt gemacht?
    Genau das, was immer gemacht wird!
    Irgendwie erstaunlich und erschütternd, daß dies jetzt als etwas sehr besonderes dargestellt wird. :pfeif:

    Zitat

    obwohl ich den Verdacht nicht los werde, ein solcher Komponist wie Béla Bartók könnte sich durchaus etwas dabei gedacht haben


    Ja, natürlich, das ist die Aufstellung, welche für dieses Werk allgemeiner Standard ist.
    Ich hatte auch schon immer den, ähem..., Verdacht, daß Bartok wußte, was er da vorschrieb.

    Zitat

    1936 einen Besetzungsplan grafisch aufzeichnete, der aber meist nicht befolgt wird, weil er in den Partiturdrucken fehlerhaft wiedergegeben wurde


    Wer bitte schön sagt, daß dieser Besetzungsplan nicht befolgt wird?


    Ich habe den Eindruck, daß die Tricks, mit denen man sich beim CD-Käufer einschmeichelt, um eine gewisse Exklusivität für sich in Anspruch zu nehmen, immer dreister werden.



    :angel:


    Michael

  • Also wenn hier alle der deutschen Aufstellung nachjammern darf ich mal schüchtern fragen, wieso dann kaum ein Orchester so spielt, bzw. nur zu speziellen Anlässen. Wissen die es nicht besser?!
    Ich darf mal spekulieren, daß sich erste und zweite Geigen klanglich besser mischen, wenn sie nicht getrennt aufgestellt sind, oder?
    Oder ist deren Zusammenspiel einfacher- auch für den Dirigenten?
    Gibt es hier einen Unterschied Konzert - Oper?

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  • Zitat

    Original von flotan
    Also wenn hier alle der deutschen Aufstellung nachjammern darf ich mal schüchtern fragen, wieso dann kaum ein Orchester so spielt, bzw. nur zu speziellen Anlässen. Wissen die es nicht besser?!
    Ich darf mal spekulieren, daß sich erste und zweite Geigen klanglich besser mischen, wenn sie nicht getrennt aufgestellt sind, oder?
    Oder ist deren Zusammenspiel einfacher- auch für den Dirigenten?


    Das Zusammenspiel von Vl. 1 und 2 ist ziemlich sicher einfacher bei der Amerikanischen. (Angeblich habe Harnoncourt deswegen bei seinen Beethoven-Aufnahmen mit dem CoE nicht die deutsche gewählt, was ich dubios finde, aber er hat's angeblich in einem Interview gesagt)
    Ich habe u.a. gelesen, dass die 1. bei der deutschen die 2. oft nicht hören können. Außerdem strahlen die 2. den Klang nach hinten ab. Es scheint daher wichtig, dass sie ebenso stark besetzt sind wie die 1., nicht ein Pult weniger.
    Natürlich kann man die 2. immer hören. Es geht eher um die besagten "Stereo-Effekte" und um ein Klangbild, wo hohe und tiefe Stimmen insgesamt besser verteilt sind.
    Gewiß haben beide Aufstellungen vor und Nachteile, sonst wäre die eine nicht fast 200 Jahre lang die dominierende gewesen und hätte die andere sich nicht ziemlich schnell durchgesetzt.


    Wegen der Enge im Orchestergraben gelten dort sicher wieder andere Prioritäten.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von flotan
    Also wenn hier alle der deutschen Aufstellung nachjammern darf ich mal schüchtern fragen, wieso dann kaum ein Orchester so spielt, bzw. nur zu speziellen Anlässen. Wissen die es nicht besser?!



    "Kaum ein Orchester" trifft es wohl nicht ganz - "zu speziellen Anlässen": ok, der Dirigent muss es wollen - außerdem handelt es sich zumeist um Musik der deutsch-österreichischen Tradition.


    Ich habe mal ein wenig nachgehört und außerdem im Internet gesucht. Folgende aktive Dirigenten bevorzugen immer oder häufig bei entsprechendem Repertoire die "deutsche" Sitzordnung: Gielen, Nott, Mackerras, Barenboim, Thielemann, Nagano, von Dohnanyi, Eschenbach (auch mit dem Philadelphia Orchestra!), Ivan Fischer, Harnoncourt (nicht bei Beethoven, aber sonst sehr häufig). Dazu natürlich so gut wie alle HIP-Dirigenten, auch wenn sie "traditionelle" Orchester dirigieren (Gardiner, Norrington, Herreweghe etc.). James Levine hat Mahler mit den Münchener Philharmonikern mit antiphonisch aufgestellten Violinen dirigiert, ebenso Tilson Thomas mit dem San Francisco Symphony (!).


    Da gibt's sicher noch mehr Beispiele und natürlich auch sehr viele Gegenbeispiele. Ganz selten ist's jedenfalls nicht, eher wieder im Kommen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Das Osnabrücker S.O. unter seinem GMD Hermann Bäumer spielt mittlerweile auch in der deutschen Aufstellung.


    Wir spielen übrigens mit Bratschen rechts außen, dies ist auch eine weitverbreitete Aufstellung, u.a. auch in Berlin, Köln etc. .


    In der deutschen Aufstellung befinden sich die Celli neben den 1.Violinen und die Kontrabässe stehen auch links bis zur Mitte, anstatt rechts.


    Dies ist erst einmal in der Praxis gewöhnungsbedürftig, aber auf Aufnahmen habe ich diese Aufstellung immer bevorzugt.
    Sir Adrian Boult und sein Schüler Vernon Handley haben immer auf dieser Aufstellung bestanden.


    Auch die St.Petersburger Philharmoniker spielen in dieser Aufstellung.


    Das Gejammere der 2.Violinen habe ich nie kapiert, denn die Celli spielen auch-je nach Werk- ziemlich viel mit den 1.Violinen zusammen.
    Auch die 2.Violinen sind m.e. bei einer leicht erhöhten Konzentration ( :D ) durchaus in der Lage, auf eine größere Entfernung mit den 1.Violinen zusammenzuspielen.


    Der für mich als Cellist einzige Nachteil der deutschen Aufstellung oder der Aufstellung mit Bratsche rechts außen besteht darin, daß ich jetzt nach rechts UND links wesentlich weniger Platz beim Streichen habe.
    Das nervt schon mal, muß ich zugeben.


    In Amerika wird natürlich die amerikanische Aufstellung hochgehalten.
    Dort heißen die davon abweichenden Aufstellungen "Wrong Seating No.1" respektive "2", "3" und "4" , je nachdem.


    Ein sehr interessantes Beispiel für eine nicht übliche Aufstellung findet man hier:


    "http://www.youtube.com/watch?v=smQScsCq4zY"


    Der Dirigent ist der greise Stokowski.
    Das Orchester wird leider nicht genannt, aber der Konzertmeister ist Rodney Friend.
    Es muß sich also um das London Philharmonic handeln.


    Ich finde, diese Aufstellung hat auch etwas..........


    @Johannes

    Zitat

    Wegen der Enge im Orchestergraben gelten dort sicher wieder andere Prioritäten.


    Natürlich, aber nicht nur wegen der Enge.
    Bei uns sitzen im Graben die 2.Violinen links, die 1.Violinen rechts daneben, dann Celli und Bratschen.
    Die Holzbläser und Hörner alle links und das restliche Blech und das Schlagzeug rechts.
    Die Kontrabässe stehen in der Mitte hinten.


    Die 1.Violinen kommen in dieser Aufstellung in unserem Haus einfach klanglich besser durch.
    Die Akustik ist bei uns so schlecht, daß man wirklich alles ausprobieren muß, damit es draußen besser klingt.


    :hello:
    Michael

  • Hallo,
    hab den Clip gerade angeschaut :D
    Stokowski war ja immer ein Tüftler...


    Zitat

    Irgendwie erstaunlich und erschütternd, daß dies jetzt als etwas sehr besonderes dargestellt wird.


    Auf allen meinen Aufnahmen mit Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, spielen 2 Orchester :yes:


    Ich meinte ja auch das Konzert für Orchester von Bartok.
    Von meinen Aufnahmen lässt nur Gielen antiphonisch spielen.
    Nicht I.Fischer, Szell, Solti, Previn, Boulez, Dohnanyi (Cleveland) usw.... Fricsay ist mono....


    Ob Bartok, der das Werk ja für ein amerikanisches Orchester schrieb,
    überhaupt antiphonisches im Sinne hatte :pfeif:


    Mir gefällt jedenfalls die deutsche Aufstellung besser.


    :hello:
    embe

  • Zitat

    Mir gefällt jedenfalls die deutsche Aufstellung besser.


    Lieber embe,
    meine Kritik bezog sich auf den Beitrag von Ulrich Kudoweh, nicht auf Deinen!

    Zitat

    Ich meinte ja auch das Konzert für Orchester von Bartok.


    Eben, das ist ja auch ein völlig anderes Werk.
    :hello:
    Micha

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  • Hallo Michael,
    ahso...öhm...vielleicht hab ich auch nicht so genau hingelesen :wacky:
    Ist ja schon spät............schnarch....................


    Gute Nacht...
    embe


  • Lieber Michael,


    ich freue mich sehr, dass Ihr bei Eurem Orchester die Aufstellungsanweisung befolgt.


    Im Konzert habe ich das Werk bisher dreimal gehört, in Berlin, Düsseldorf und Köln - in allen diesen Fällen wurden die Streicherstimmen des ersten Orchesters links, die des zweiten rechts vom Dirigenten im üblichen Quasi-Halbkreis um den Dirigenten herum hindrapiert, die ersten neben den zweiten, die dritten neben den vierten Violine und die dem jeweiligen Streichorchester zugehörigen Bratschen, Celli und Bässe dann irgendwie dahinter geklemmt. Die Positionen des Schlagwerks waren dann auch eher illuster im verfügbaren Raum verteilt, statt sich nach den Angaben bei Bartók zu richten, und für die Tasteninstrumente und Harfen galt ähnliches.


    Nun ist das letzte Konzerterlebnis dieses Werks bei mir schon einige Jahre her, und es mag ja durchaus sein, dass sich inzwischen seit fünf Jahren alle nach den Komponistenvorschriften richten - das weiß ich nicht. Jedenfalls konnte ich auch auf den mir verfügbaren Aufnahmen diese besondere Aufstellung mit den in hintereinander liegenden Segmenten gestaffelten Streichern nicht heraushören - also 1. Segment links Violine 1, dahinter 2. Segment links Violine 2, dahinter 3. Segment links Viola, dahinter 4. Segment links Celli links, Bässe rechts, und so weiter wie ich es oben beschrieben habe: vielleicht hätte ich das Wort hintereinander fett markieren sollen. Zu hören waren stets die zwei Streichorchester, aber das war ja nicht der Inhalt meiner Anmerkung.


    Von daher weiß ich den von Dir angenommenen dreisten Trick, um CDs zu verticken, nicht so recht zu erkennen. Aber ich bin sicher, dass dies in erster Linie daran liegt, dass ich nur ein dummer User bin. Oder dass ich solchen Vorgaben eines Komponisten eine völlig unangemessene, viel zu große Bedeutung einräume.


    Dass dies eine besondere Aufstellung ist, die mit deutscher oder amerikanischer Aufstellung nichts zu tun hat, hatte ich ja auch schon angemerkt. Thread-Thema ist aber, welche Aufstellungen es denn noch so gibt.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Lieber Ulrich,
    dieses Werk habe ich in verschiedenen Orchestern gespielt.
    Gut möglich, daß mittlerweile Bartoks Anweisungen ernster genommen werden.
    Als Zuhörer im Konzert habe ich das Werk vor 30 Jahren mit der Ungarischen Nationalphilharmonie unter Janos Ferencsik erlebt, und auch da war die Aufstellung so wie von Dir beschrieben, ich erinnere mich wirklich genau, denn es war ein sehr beeindruckendes Konzert eines damals bedeutenden Dirigenten, der inzwischen leider vergessen zu sein scheint, und eines sehr tollen Orchesters.


    Aber ich nehme hiermit meine Anmerkung, daß dieses Werk immer so aufgeführt wird, zurück.
    Da war ich wohl etwas vorschnell und der eigentliche dumme User.
    :angel:

    Zitat

    Von daher weiß ich den von Dir angenommenen dreisten Trick, um CDs zu verticken, nicht so recht zu erkennen


    Na ja, es werden einem immer wieder ganz besondere Dinge mitgeteilt, welche die Großartigkeit der geistigen und praktischen Durchdringung durch den jeweiligen Dirigenten herausstellen sollen.


    Ich habe das jetzt so verstanden, das Herr H. in diesem Booklet mitteilen läßt, daß ER nun endlich Rücksicht nimmt auf die Anweisungen Bartoks, welche natürlich ansonsten "meist nicht" befolgt werden.


    Und das stimmt m.E. einfach nicht.


    Allerdings stehen dagegen Deine Konzerterfahrungen, und deshalb entschuldige ich mich dafür, mit meiner Bemerkung, daß die von Bartok gewünschte Aufstellung "immer" angewendet wird, Unrecht zu haben.
    Sorry.

    Zitat

    hätte ich das Wort hintereinander fett markieren sollen


    Neinnein, das war klar.....


    :hello:
    Michael

  • Lieber Michael,


    ich danke Dir ganz herzlich und entschuldige mich für den nach meinem Geschmack schon unangemessenen Ton, den ich zuletzt angeschlagen habe. Da habe ich mich einfach ein wenig in die Ecke gedrängt gefühlt.


    Gleichfalls sorry! :hello:


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Gerade habe ich in einem Interview mit Herbert Blomstedt ein paar Äußerungen zum Thema gefunden. Blomstedt hatte die "deutsche Aufstellung" bzw. die antiphonische Positionierung von ersten und zweiten Geigen 1996 bei seinem Antritt als Gewandhauskapellmeister in Leipzig wieder eingeführt.




    Quelle: "http://www.arte.tv/de/Kuenstler-A-K/1463780.html"



    Viele Grüße


    Bernd

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