Unspielbare Opern - spielbar gemacht - jenseits des "Regietheaters"

  • Liebe Forianer, Liebe Opernfreunde


    Als (militanter ?) Gegner des "modernen Regietheaters" habe ich unter anderem mit Themen wie "Werktreue" bzw "pragmatischen Änderungen" der Vergangenheit befasst.


    Darunter verstehe ich die - schon seit Jahrhunderten geübte Praxis - der Umstellung von Operninhalten, Einfügung bzw Weglassen bestimmter Arien, ja sogar radikale Kürzungen und Umschlichtungen waren üblich (allerdings fast immer unter Aufrechterhaltung von Zeit und Raum). Teilweise wurden Ballette eingefügt um die Publikumswirksamkeit zu erhöhen, desgleichen Arien um die Damen und Herren Primadonnen zu befiredigen :hahahaha:


    Und last but not least, wurde manchen Opern ein Happy End hinzugefügt - wo ursprünglich keines vorgesehen war.


    Alle diese Änderungen haben EINES gemeinsam - sie waren in der Regel nur von regionaler und temporärer Bedeutung und entstanden zumeist aus einer Notlage (nicht verfügbare Sänger, Zensur, Publikumsgeschmack, Bühnengegebenheiten) heraus.


    Welche Werke, Arien und "pragmatische Eingriffe" (EINIGE haben ja bis ins 20. Jahrhundert überdauert) fallen Euch in diesem Zusammenhang ein ?


    Welche "Alternativarien" (auch sowas gab es) kennt Ihr - und auf welchen CDs sind sie enthalten.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Falls hier auch die Opéra bouffe gefragt ist, habe ich ein ganz aktuelles Praxisbeispiel. Offenbach : "Mesdames de la Halle" ( leider sehr selten gespielte herrlich komische Oper).
    Offenbach musste mehrere Balletteinlagen nachkomponieren, um die Pariser Cliquen zu befriedigen. Die Herren aus Politik und Wirtschaft in den mächtigen Pariser Clubs hatten fast alle ihre Mätressen in den Balletttruppen(oder Opernensembles) und wollten ihre Chouchous natürlich so gut es ging ins Rampenlciht rücken und lancieren. Jeder Komponist, der in Paris Erfolg haben wollte, war gezwungen, das zu berücksichtigen und dem Ballett entsprechenden Raum in seiner Oper zu verschaffen oder für hoch "protegierte" Damen zu komponieren. Manche waren darüber alles andere als erfreut. D
    Auf den Cd-Einspileungen von "Mesdames de la Halle" sind diese Einlagen gar nciht oder nur teilweise drauf und darunter fällt dann auch ein Duett Commissaire-Raflafla "Charbonier et farinier " das mit der Handlung an sich nichts weiter zu tun hat, sondern nachträglich als Sing/Tanznummer zugefügt wurde. Im Klavierauszug steht dieses Duett ebenfalls nciht mit drin und unser Regisseur, der ein grosser Offenbach -Kenner ist, hat es ausgegraben und eingefügt.


    Ein weiteres Beispiel, das mir spontan einfällt, ist aus Massenets Manon. Dort kann alternativ zur Gavotte "Obéissons quand leur voix apelle" im dritten Akt eine andere Arie eingesetzt werden, die als Anhang im Klavierauszug abgedruckt wird.


    Arien die bestimmten Sängern in die Kehle komponiert wurden gibt es wie Sand am Meer.
    Bellini hat eigens eine zweite Fassung der Puritani für die Malibran geschrieben, was nur ein Besipiel von Vielen ist.


    F.Q.

  • Auf die Schnelle eine m.M.nach sehr geglückte Ergänzung


    Beethoven: Fidelio


    Leonore III vor der Schlußszene - G. Mahler

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Lieber Alfred,


    wenn man "Die Gärtnerin aus Liebe" für unspielbar hält, muss man sie bearbeiten. K. H. Gutheim unternahm es, nicht nur die Geschichte neu zu konzipieren, er stellte auch die Musik Mozarts nach Belieben um. Immerhin begann seine "Gärtnerin" auch mit der Ouvertüre, dann folgen aber in bunter Reihenfolge die Nummern 11 - 9b - 1 - 18 - 3 - 6 - 7 - 12. Soweit zum ersten Aufzug. Die Aufnahme findet man u.a. bei Myto dokumentiert, wo Dünnwald des Orchester der Staatsoper Stuttgart dirigiert. Belfiore (hier der Graf von Belfiore!) wird von Fritz Wunderlich gesungen, der Amtshauptmann von Schwarzensee (bei Mozart der Podestà) hat Serpetta gleich als Wirtschafterin. So wird es wohl den deutschen Gemütern verständlicher, die 1956 diese Aufführung im Barocktheater des Schlosses Ludwigsburg sahen.


    GottSeiDank hat diese Idee bei der "Gärtnerin" keine Nachahmer gefunden.


    Liebe Grüße Peter