Richard Wagner: GÖTTERDÄMMERUNG

  • Als Abschluß der Ring-Tetralogie von Richard Wagner nun noch ein Thread zur GÖTTERDÄMMERUNG.
    Einzel-Themen zu den anderen drei Teilen existieren bereits: DAS RHEINGOLD, DIE WALKÜRE, SIEGFRIED.
    Ebenso verweise ich - v.a. gesamtzyklen-spezifisch - auf den Thread zum RING DES NIBELUNGEN.


    Wie sieht es bzgl. einer Referenz-Aufnahme der Götterdämmerung aus?


    Auch hier wieder eine kurze Aufzählung möglicher Favoriten:



    Solti 1964



    Karajan 1970



    Böhm 1966 (nicht einzeln erhältlich)



    Keilberth 1955

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Felipe, das Tagwerk ist getan. Alle vier zusammengehörigen Threads an einem Tag eröffnet. Glückwunsch. Und ich hechele hinterdrein...


    Bei der Götterdämmerung möchte ich mich ganz vernehmlich und sehr dezidiert für Soltis Lesart starkmachen. Die Aufnahme stammt von 1964, die Platte ist im Folgejahr dann auf den Markt gekommen. Dieser "opernhafteste" Teil des Rings mit seinen vielen Ensembleszenen ist als erster getextet worden, noch unter dem Titel "Siegfrieds Tod". Als letzter in der Komposition fertiggestellt, nimmt er motivisch alles auf, was vorher an Erwähnenswertem da war. Dies führt dazu, daß nicht ganz so viel neuentwickeltes Material am Start ist - man sollte sich aber hüten, dem Drama hier seinen Eigenwert abzusprechen. "Große Stellen" sind gewiß Siegfrieds Rheinfahrt, Waltrautes Erzählung, der somnambule Gunter, dem Alberich einbläst, Hagen als He(e)rrufer, die Schwurszene, Siegfrieds Hingang und Abtransport sowie die pyrophile Brunhild ganz zum Ende, die sich nicht scheut, ihr treues Pferdchen mit sich in den Tod zu nehmen, was bei einem engagierten und theaterunerfahrenen Publikum schoneinmal zu Protesten führen kann. Mein Liebling ist allerdings die Eröffnung mit den Nornen (gr. in etwa Moiren, lat. Parzen), die eine so eigene und wegweisende Harmonik bietet! Da hört man, daß der Ring auch nicht in einer Woche komponiert sein kann - die Entwicklung innerhalb der zwanzig Notenerstellungsjahre, sie wird hier deutlich spürbar.


    Windgassen ist Siegfried, Nilsson Brünnhilde, Frick Hagen und Fischer-Dieskau Gunther. Besser geht es nicht. Christa Ludwig als Waltraute, die sie zunächst gar nicht singen mochte, sorgt für einen Höhepunkt. Der eigentliche Star, wenn man so sagen will, ist aber zweifelsohne das Orchester. Es wird mit diversen (Bühnen- oder bühnenartigen) Effekten gearbeitet, John Culshaw, der Produzent und "Plattenintendant", gibt davon Kunde in seinem Buch und seinen Einführungen in den Begleitheften zu den Platten. Es existiert auch eine Art "making of", die ich empfehlen kann und von der ich einfach einmal annehme, daß sie auch als DVD vorliegt.
    Eine wohl der homogensten und überzeugensten Wagner-Studioaufnahmen, die es gibt.


    Karajan leidet an Herrn Brilioth (Siegfried) und womöglich auch noch an Frau Dernesch (dessen wenigstens am Anfang noch Herzallerauserleseste). Aber was macht das Orchester wieder für Zauberkunststücke! Glasklar, wie vor einem klanglichen Panoramafenster fährt Siegfried, der schnöde Geck, den Rhein hinab zu neuen Abenteuern. Was er sich damit einbrockt, illustrieren Thomas Stewart als Gunther, Karl Ridderbusch als Hagen sowie besonders Gundula Janowitz als Gutrune herausragend. Diese Sänger machen sicher keinem Schwierigkeiten, der sie hört. Und differenzierter wird, wie schon erwähnt, ein Götterdämmerungsorchester schwerlich erklingen können.


    Insgesamt allerdings scheint mir hier Solti vorzuziehen. Von weiteren Einspielungen zu hören wird mich freuen.


    Alex.

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    ...und von der ich einfach einmal annehme, daß sie auch als DVD vorliegt.
    Eine wohl der homogensten und überzeugensten Wagner-Studioaufnahmen, die es gibt.


    Absolütemeng da Chor.
    Und die
    DVD zum Buch gibt's auch.


    Gruß,



    audiamus



    .

  • Vorzustellen hätte ich wohl eine Götterdämmerung, diese aber insofern außer Konkurrenz, als sie auf dem CD-Markt nicht greifbar ist und auch zu LP Zeiten nur kurzfristig im Handel war. Die Rede ist von der sogenannten Osloer Götterdämmerung, eine Produktion des Norwegischen Rundfunks, gesendet am 5.1. (1. Akt), 8.1. (2. Akt) und 10.1.1956. Was daran so besonders ist? Nun, die Brünnhilden-Legende Kirsten Flagstad ließ sich sich, 61-jährig aus dem Ruhestand locken und trat noch einmal als Brünnhilde an. Und dies zusammen mit einem grandiosen Siegfried, Set Svanholm. Das Interesse an dieser Produktion war hoch und London-Records (das amerikanische Pendant der britischen DECCA) erklärte sich bereit, die Produktion zu übernehmen. Allerdings musste an der Produktion kräftig nachgearbeitet werden. Zwei längere Szenen waren in den Rundfunkbändern geschnitten worden und angesichts der Tatsache, daß die Rundfunkausstrahlungen jeweils live waren, gab's auch die üblichen Schwächen und Fehler.


    Bei London war man sich wohl darüber im Klaren, daß die Aufführung unwiederholbar war. Die fehlenden Szenen wurden erneut eingespielt, heftige Fehler wurden ausgemerzt (die Tonmeister haben da ganze Arbeit geleistet). Gleichzeitig war die Technik bemüht, den "live"-Charakter beizubehalten. Das Ergebnis ist ausgesprochen bemerkenswert.


    Muß man über das Paar Flagstad / Svanholm ein Wort verlieren? Ich glaube nein. Beide bei dieser Aufnahme über ihren Zenith und dennoch eine Sternstunde des Wagnergesanges abliefernd. Daß eine 61-jährige eine maternell eingefärbte Stimme hat sollte nicht wunder nehmen. Daß die Rolle überhaupt in dem Alter noch gesungen werden kann ist ein Naturwunder. Und das Ergebnis schlichtweg superb. Abstriche muß man bei dem Orchester machen. Da gibt's doch den einen oder anderen Wackler und die schiefe Bläserintonation kurz vor Hagens "Zurück vom Ring" ist schon unnett, ließ sich aber wohl mit damaligen Mittel nicht schneiden.


    Dirigent Oivin Fjelstadt hat hernach weiter mit Kirsten Flagstadt zusammengearbeitet. Eine wundervolle Platte mit Sibelius-Liedern und eine mit Liedern von Grieg und anderen nordischen Komponisten ist entstanden.


    In weiteren Rollen ist ein starker Hagen zu hören, gesungen von Egil Nordsjö, Karen-Marie Flagstadt singt die zweite Norn und die Wellgunde.
    Dennoch: wenn eine GD aus der großen Mono-Ära eine Wiederveröffenltichung verdienen würde, dann diese. Gänsehaut garantiert.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Eine ganz spezielle Empfehlung möchte ich hier für die Version Rudolf Kempes aus Bayreuth 1960 aussprechen. Hopf ist für mich der beste Siegfried der Nachkriegsjahre, und wenn er in der Erzählung bei "schlafend ein wonniges Weib" ein riesiges Diminuendo macht, kann man nur noch staunen, daß ein Heldentenor derartige Subtilitäten drauf hat. Dazu kommen noch Birgit Nilsson auf dem ersten Höhepunkt ihrer Karriere, der unvergleichliche Hagen Fricks sowie Thomas Stewart als ungewohnt energischer Gunther. Die New Yorker Produktion Bodanzkys glänzt natürlich mit den Recken Melchior-Flagstad-Schorr ; auch Melchior steigert die Erzählung durch rasant anziehendes Tempo bis zur Ekstase - dieser Moment der Selbstvergessenheit allein ermöglicht es Hagen, den Helden zu überwinden. Und schließlich wäre da noch Knappertsbuschs Bayreuther Mitschnitt von 1951 zu erwähnen, leider wohl ein Einzelstück, das ausgezeichnet klingt und interpretatorisch mit zu seinen besten gehört.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich muß mich revidieren: die vorhin angesprochene Götterdämmerung war tatsächlich verfügbar, und zwar bei Herrn Gebhardts Label "Wallhall" (wo auch sonst):



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Ich muß mich revidieren: die vorhin angesprochene Götterdämmerung war tatsächlich verfügbar, und zwar bei Herrn Gebhardts Label "Wallhall" (wo auch sonst):


    Hallo Thomas,


    d.h. sie ist nicht mehr verfügbar?


    Liebe Grüße :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich kanns mir nicht verkneifen, ein Posting von Edwin aus dem "Ring"-Thread hierher zu kopieren.


    "Die Decca hat ab Mitte der 50er-Jahre mit Stereo experimentiert - offenbar gerade bei Wagner, weil es hier wohl das größte Klangvolumen auszubalancieren galt.
    Dabei war man möglicherweise wenig wählerisch, was die Aufführungen anlangt, wie ich es einschätze, ging es eher um das Sammeln von Erfahrungen.
    So ist auch der "Götterdämmerung"-Mitschnitt von 1955 aus Oslo zu erklären - Stereo, aber eine an Lächerlichkeit grenzende Aufführung: Kirsten Flagstad schreit sich die Seele aus dem Leib und produziert falsche Töne am laufenden Band, Egil Nordjö grölt (anders kann man's nicht nennen) den Hagen, dazu kommt zwei Orchester (weil es damals in Oslo keines gab, das für einen "Ring" groß genug gewesen wäre), die so falsch spielen, wie ich es auf keiner anderen Wagner-Aufnahme je wieder gehört habe. Und Öivin Fjeldstad dirigiert, als würde er sich nicht ansatzweise für das Stück interessieren. Lediglich Set Svanholm (obwohl nicht in Hochform) und Ingrid Bjoner (Gutrune, 3. Norn) sind Balsam für das geschundene Zwerch-, äh: Trommelfell..."


    Dieser Beitrag hat dazu geführt, dass die erwähnte "Walhall"-Ausgabe bei mir bislang noch ungehört im Regal steht... :D

  • Nun, lieber Alviano, an stereo hat bei dieser Aufnahme wohl niemand gedacht. Wie gesagt - und das zitiere ich nach John Culshaws Plattentext - handelt es sich um einen live-Mitschnitt einer Rundfunkproduktion, die zunächst gar nicht für eine Schallplattenveröfentlichung gedacht war. Daß eine Veröffentlichung unter den obwaltenden Umständen nicht an Produktionen zu messen ist, die aus 100 Schnitten pro Viertelstunde bestehen, sollte wohl klar sein.


    Edwins Auffassung in allen Ehren, aber eine gänzlich andere Auffassung sollte wohl denkbar sein. Mein Tipp: Einfach mal reinhören.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo,


    ich zitiere mal aus Culshaws "Ring Resounding" (Vorbemerkung: Culshaw wollte Flagstad unbedingt für das "Rheingold" verpflichten, Flagstad bestand auf der vorherigen Veröffentlichung des Osloer Mitschnittes durch die DECCA als Zeichen "guten Willens"):


    "Further shocks were in store at the radio station the next day. I had been told that her ´farewell´ performance was complete, but it was far from that: the Norn scene with which Götterdämmerung opens was missing, and so was the Scene between Alberich and Hagen at the start of Act Two. Even less explicable was the omission of the entire orchestral interlude in Act One which seperates the passage known as Hagen´s Watch and the Brünnhilde/Waltraute scene. In all, something like forty minutes were missing from this ´complete´performance. The rest oft it was, to put it gently, a very mixed bag. On the one hand, Flagstad and Svanholm sang well, and the sound was acceptable within the limits of a radio transcription; on the other, the rest of the cast left very much to be desired, and the conductor, though an excellent musician, was fathoms out of depth in a work of such dimensions. I could not possibly be enthusiastic about what I had heard, and advised London accordingly. I said the thing could only be considered for issue as a gesture towards Flagstad and with a view to preserving her performance in the part of Götterdämmerung Brünnhilde; and I recommended that if we decided to go ahead on that basis, we should at the same time take steps to restore the missing scenes, without which the performance was a travesty (...) Never has so much effort been expanded on something which was, frankly, inadequate from all standpoints but one - the preservation for posterity of Flagstad´s performance. (And even then there were reservations - her Immolation scene, for instance, did not compare with the earlier versions she had recorded.)"


    (Culshaw: "Ring Resounding", New York 1987, S. 47 f.)


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Mein Tipp: Einfach mal reinhören.


    Hallo Thomas,


    keine Frage, das werde ich sicher tun - und es auch nicht beim reinhören belassen. Wenn schon, dann bitte in voller Länge.


    Erworben habe habe ich die CDs wegen Flagstad und Svanholm - und nach dem ich dann Edwins deutlichen Worte gelesen hatte, mochte ich da nicht mehr so richtig mit Begeisterung rangehen...


    Besonderes Ohrenmerk werde ich jetzt dem Bassisten widmen. Den hast Du ja durchaus mit freundlichen Worten bedacht, das liest sich nun bei Edwin gänzlich anders...


    :hello:

  • Zwischenzeitlich hatte ich Gelegenheit, die Osloer Rundfunkaufnahme aus dem Jahr 1955 komplett zu hören. Es fällt schwer, irgendetwas positives über diese Einspielung zu sagen.


    Gewiss, Ingrid Bjoner ist eine gute 3. Norn und Gutrune, aber leider steht der Umfang von beiden Partien in keinem Verhältnis zum lange und quälenden Rest dieser Produktion.


    Set Svanholm wird vielleicht echte Freunde seiner Stimme noch halbwegs ansprechen können - aber insgesamt hält Svanholm Vergleichen mit eigenen, früheren Aufnahmen nicht Stand.


    Kirsten Flagstad schreit und scheppert sich mit reichlich falschen Tönen durch die Partie und auch ihre Schwester Karen-Marie Cerkal als zweite Norn und Wellgunde hinerlässt keinen guten Eindruck.


    Unbedeutend der Gunther (Waldemar Johnsen), schwach der Alberich (Per Grönnberg) und reichlich grauslich der Hagen (Egil Nordjö).


    Am schlimmsten aber das Orchester und sein Dirigent. Öivin Fjelstad dirigiert spannungslos und langweilig und das Orchester liefert einen Patzer am anderen - in dieser Häufung gibts das durchaus selten.


    Das ist so eine Aufnahme, die man gewiss nicht hätte wiederveröffentlich müssen.

  • Was hält der geneigte Hörer von der Bayreuther "Götterdämmerung" des Jahres 1942?


    Set Svanholm i s t hier ein hervorragender Siegfried,
    Marta Fuchs (Brünnhilde) und Egmont Koch (Gunther) halten durch, wenns auch nicht immer schön klingt, Friedrich Dalberg braucht als Hagen (es war sein Bayreuth-Debut) keinen Vergleich zu scheuen,
    Camilla Kallab gibt eine hervorragende Waltraute, Robert Burg macht aus dem Alberich einen Komiker, was von diesem Sänger auch nicht anders zu erwarten ist, die absolute Spitze der Aufnahme ist das hervorragend disponierte Orchester (der Chor ebenso) unter Elmendorff.
    Die Tonqualität ist für das Alter der Aufnahme hervorragend;
    ich möchte die Aufnahme nicht missen.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo!


    Nach längerem Suchen hab ich nun doch den Thread zur Götterdämmerung gefunden.


    Die Götterdämmerung war mein erster Einstieg in das Werk Richard Wagners und zwar in dieser Aufnahme:

    Badische Staatskapelle-Günter Neuhold
    Edward Cook
    Bodo Brinkmann
    Oleg Bryjak
    Gabriele Maria Ronge
    Carla Pohl
    Markku Tervo
    Zlatomira Nikolova
    1993-1995


    Ein herber Rückschlag für mich als Wagner-Neueinsteiger (ich war damals 16) und konnte mit diesem "Ding" einfach nichts anfangen. Wie ich heute weiß, ist das auf die schwachen Sänger und das mindestens nur mittelmäßige Dirigat zurückzuführen. Von der Götterdämmerung hatte ich erstmal genug - und wendete mich den Meistersingern zu.


    Etliche Zeit später dachte ich mir: Ein zweiter Ring (und somit eine zweite Götterdämmerung) kann nicht schaden. Und ich kaufte diesen:

    Scala Ring 1950-Furtwängler


    Hat mir, ehrlich gesagt, auch nicht gefallen, aber diesmal lags wohl eher an der Klangqualität und, ich traue es mir nicht zu sagen, an der Musik bzw. an den Charakteren. Ich kann mit diesem Stoff einfach nichts anfangen.


    Wagners Musik mag ich an sich sehr, aber hier im Ring, :no: :no:


    LG joschi

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Joschi,


    mir ging es ähnlich wie Dir: Die Götterdämmerung blieb mir auch lange verschlossen, konnte mit diesem gewaltigen Werk auch nichts anfangen. Allerdings liebe ich die Götterdämmerung mittlerweile als beste Ring-Oper heiß und innig und ich finde sie sogar als eine der besten Wagner-Opern überhaupt. Grund: In der Götterdämmerung wird der gesamte Wagner-Ring zusammengefasst, sowohl musikalisch mit den Leitmotiven des gesamten Rings als auch vom Inhalt her. Gewaltige Musik trifft gewaltigen Inhalt :jubel:
    Da liegt sicherlich aber auch die Schwierigkeit der Götterdämmerung: Sie ist als "Einstiegsdroge" zu Wagner meiner Meinung nach völlig ungeeignet, weil wie schon erwähnt der gesamte Ring hier auf seinen Kulminationspunkt hinsteuert und man ohne Rheingold/Walküre/Siegfried-Kenntnis nur vor einem riesigen unverständlichen Werk steht. Man versteht kaum, warum alles so kompliziert ist, wie die Musik funktioniert...


    Ich finde den Siegfried als guten "Vorabend" zur Göttedämmerung sehr empfehlenswert, weil der Siegfried ein recht gut zu verstehendes und spannendes Werk ist und vieles schon hinführt auf den letzten Tag des Rings. Also nicht aufgeben und sich an die Götterdämmerung mit Hilfe der anderen Ring-Opern herantasten, es lohnt sich absolut.


    Eine sehr günstige, aber auch sehr gute Aufnahme ist dann noch diese, wenn ich Dir eine empfehlen darf:


    Marek Janowski / Staatskapelle Dresden:


  • Hallo Louis!


    Zuerst einmal danke für die Bestätigung, dass es nicht nur mir so mit der Götterdämmerung gegangen ist. Ich bin mir der Tatsache im Klaren, dass ich sicherlich noch 1-2 Aufnahmen der verschiedenen Ringopern brauche, um das Phänomen "Ring" für mich zu erschließen. Deshalb nehme ich deine Empfehlung sehr gerne auf meinen Wunschzettel auf.


    (Jetzt ein bissl OT: Die Walküre hat mir von den bisherigen Aufnahmen am Besten gefallen)


    LG Joschi

  • Meines Erachtens sind die besten Aufnahmen der "Götterdämmerung"
    genannt worden. Ich möchte allerdings die Auswahl durch einen maßstabsetzenden Live-Mitschnitt einer Aufführung der Bayerischen Staatsoper aus dem Jahre 1955 ergänzen, der auf ORFEO veröffentlicht wurde. Die damals junge Birgit Nilsson singt darin eine alles überstrahlende Brünnhilde, Bernd Aldenhoff ist ein markanter Siegfried mit wahrhaft heldischem Stimmformat. Leonie Rysanek und Hermann Uhde gelingt das Kunststück aus den oft blassen Rollen Gutrune und Gunther packende Charaktere zu formen. Die Erzählung der Waltraute wird durch Ira Malaniuk ein sängerischer Höhepunkt. Otokar Kraus, der Londoner und Bayreuther Alberich besteht den Vergleich mit dem "Jahrhundert-Alberich" Gustav Neidlinger. Neben der Stimmpracht, die Gottlob Frick bieten kann, realisiert er in der der Rolle des Hagen vielfältige darstellerische Facetten. Der Zwiespalt des Getriebenen wird in dem Nachtgespräch mit Alberich und besonders im Dialog mit Brünnhilde eindruckvoll erlebbar. Hier klingt sogar eine gewisse Rechtschaffenheit und so etwas wie Mitleid mit der betrogenen Frau an. Für mich neben seiner Leistung im Solti-Ring die überzeugendste Interpretation dieser vielschichtigen Rolle.
    Das eigentliche Ereignis ist jedoch wie es Hans Knappertsbusch mit dem bestens disponierten Bayerischen Staatsorchester und dem Chor der Bayerischen Staatsoper schafft, das Riesenwerk zu zelebrieren. Ihm gelingt es höchste Spannung aufzubauen und trotzdem alle Feinheiten der Partitur sensibel zum Klingen zu bringen. Der große Atem, das alle Dirigate von Knappertsbusch erfüllende Pathos wird ungeheuer direkt erlebbar. Trotz langsamer Tempi entsteht keinen Augenblick Langeweile, die Musik überwältigt und reißt mit. Eine fabelhafte Leistung des großen Wagner-Dirigenten.
    Wer die Perfektion einer Studio-Aufnahme schätzt findet wahrscheinlich im Solti-Ring am besten die seinen Erwartungen entsprechende Interpretation. Wer dagegen die lebendigere Atmosphäre der Live-Aufführung bevorzugt wird in der Münchner Götterdämmerung durch das Klangerlebnis, das Kna zaubert und die überragende Sängerbesetzung die Erfüllung seiner Wünsche finden.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Janowski-Studio-Aufnahme der Götterhämmerung hab ich auch. Sie ist in der Tat nicht schlecht.
    Inzwischen bin ich auf Radio-Mitschnitte fixiert. Und der letzte Mitschnitt, der mir gut gefallen hat (das Orchester ist mir bei Wagner am wichtigsten, wenn die Solisten mal schwächere Momente haben, stört mich nicht) war der unter W-Möst aus Wien. Er gehört auch zu den Dirigenten (neben Knappertsbusch (1955 in München), Zagrosek (Stuttgart), Levine (1993 in NYC) und Barenboim (1992) die die Nornenszene + die Brünnhilde-Waltrauteszene sinnvoll wiedergeben.
    :hello:

  • Welche Aufnahme ist eures Erachtens orchestral die stärkste? Ich meine dies besonders in Bezug auf die "fetzigen" Stellen wie den Trauermarsch. Da wäre etwas Audiophiles à la Telarc natürlich mal toll ... :yes:


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Meines Erachtens sind die besten Aufnahmen der "Götterdämmerung"
    genannt worden. Ich möchte allerdings die Auswahl durch einen maßstabsetzenden Live-Mitschnitt einer Aufführung der Bayerischen Staatsoper aus dem Jahre 1955 ergänzen, der auf ORFEO veröffentlicht wurde. Die damals junge Birgit Nilsson singt darin eine alles überstrahlende Brünnhilde, Bernd Aldenhoff ist ein markanter Siegfried mit wahrhaft heldischem Stimmformat. Leonie Rysanek und Hermann Uhde gelingt das Kunststück aus den oft blassen Rollen Gutrune und Gunther packende Charaktere zu formen. Die Erzählung der Waltraute wird durch Ira Malaniuk ein sängerischer Höhepunkt. Otokar Kraus, der Londoner und Bayreuther Alberich besteht den Vergleich mit dem "Jahrhundert-Alberich" Gustav Neidlinger. Neben der Stimmpracht, die Gottlob Frick bieten kann, realisiert er in der der Rolle des Hagen vielfältige darstellerische Facetten. Der Zwiespalt des Getriebenen wird in dem Nachtgespräch mit Alberich und besonders im Dialog mit Brünnhilde eindruckvoll erlebbar. Hier klingt sogar eine gewisse Rechtschaffenheit und so etwas wie Mitleid mit der betrogenen Frau an. Für mich neben seiner Leistung im Solti-Ring die überzeugendste Interpretation dieser vielschichtigen Rolle.
    Das eigentliche Ereignis ist jedoch wie es Hans Knappertsbusch mit dem bestens disponierten Bayerischen Staatsorchester und dem Chor der Bayerischen Staatsoper schafft, das Riesenwerk zu zelebrieren. Ihm gelingt es höchste Spannung aufzubauen und trotzdem alle Feinheiten der Partitur sensibel zum Klingen zu bringen. Der große Atem, das alle Dirigate von Knappertsbusch erfüllende Pathos wird ungeheuer direkt erlebbar. Trotz langsamer Tempi entsteht keinen Augenblick Langeweile, die Musik überwältigt und reißt mit. Eine fabelhafte Leistung des großen Wagner-Dirigenten.
    Wer die Perfektion einer Studio-Aufnahme schätzt findet wahrscheinlich im Solti-Ring am besten die seinen Erwartungen entsprechende Interpretation. Wer dagegen die lebendigere Atmosphäre der Live-Aufführung bevorzugt wird in der Münchner Götterdämmerung durch das Klangerlebnis, das Kna zaubert und die überragende Sängerbesetzung die Erfüllung seiner Wünsche finden.
    Herzlichst
    Operus


    Lieber Operus,


    kennst du zufällig auch eine der Bayreuther Aufnahmen der "Götterdämmerung" unter Knappertsbusch, etwa 1956 (auch bei Orfeo erschienen)? Wenn ja: Wie würdest du diese im Vergleich zu dem Mitschnitt aus München beurteilen?


    Hier noch die beiden Cover:



    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das ist so eine Aufnahme, die man gewiss nicht hätte wiederveröffentlich müssen.


    Von Wiederveröffentlichung kann eigentlich nicht die Rede sein. Walhall hat einfach die Platten umgeschnitten und auf CD herausgebracht - nach Ablauf der Schutzfrist. Sonst nichts - kein Hinweis auf die Entstehung, die Hintergründe, die Intensionen der Mitwirkenden, die Umstände der Aufnahmesitzungen in der Osloer Universität. Nur Oslo 1955. Das ist in diesem Falle zu wenig. Und einmal mehr wird deutlich, dass Billig-Labels eben nur billig sein können. Die Rechte lagen ursprünglich - wie hier auch schon dargestellt - bei Decca (London), wo darauf verzichtet wurde, die einst sehr schön aufgemachte LP-Box ins CD-Programm zu übernehmen, was schade ist. Diese "Götterdämmerung" ist künstlerisch in der Tat ein Grenzfall. Sie ist aber hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte durchaus historisch zu nennen. GiselherHH hat zur Aufklärung beigetragen, indem er die richtigen Sätze aus Culshaws Buch zitierte. Danke sehr! Will sagen: diese Aufnahme taugt nicht, das Werk kennenzulernen. Sie war und ist nur etwas für jene Sammler, die sich für Plattengeschichte, die Flagstad oder einen der anderen Mitwirkenden interessieren.


    Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Joseph II.


    habe ich Dir eigentlich damals auf Deine Frage bezüglich der "Götterdämmerung" geantwortet. Wenn nicht entschuldige.
    Ich halte die Münchner Aufnahme wie übrigens viele Kenner, vor allem wegen der Besetzung der Hauptpartien mit Nilsson, Aldenhoff, Rysanek, Uhde, Frick, Otokar Kraus und Ira Malaniuk für die beste Knappertsbusch-Aufnahme dieses Werks.
    Höhepunkt ist die fabelhafte Leistung von KNA mit dem Bayerischen Staatsorchester.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    danke für die Auskunft!


    Ich habe gerade im Konzert-Register von Knappertsbusch nachgesehen und folgendes gefunden:


    Diese "Götterdämmerung" war der Abschluß eines "Rings", der zu den Münchner Opernfestspielen 1955 (12.08.–11.09.55) gegeben wurde und stammt vom 1. September 1955. Die "Meistersinger" vom 11. September 1955 wurden bei Orfeo ebenfalls bereits veröffentlicht. Man könnte jetzt mutmaßen, daß sich in den Archiven des Bayerischen Rundfunks auch noch Mitschnitte von "Rheingold" (27.08.55), "Walküre" (28.08.55) und "Siegfried" (30.08.55) befinden und der Veröffentlichung harren. Gleiches gilt für einen "Lohengrin" (!) unter Knappertsbusch vom 4. September 1955. Gäbe es diese Schätze tatsächlich, so wäre es geradezu eine Sensation, wenn diese irgendwie veröffentlicht werden würden. Besonders der "Lohengrin", von dem es ja ansonsten keine einzige Aufnahme unter Kna gibt. Man darf ja fast davon ausgehen, daß auch Gottlob Frick in einer oder mehreren der genannten Vorstellungen mitsang. Vielleicht könntest du da aufgrund deiner Autorität als Präsident der Gottlob-Frick-Gesellschaft ja einmal eine offizielle Anfrage an den BR einleiten?


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Na, ob die Autorität so hoch ist? Der Bayerische Rundfunk ist im Moment mit der Veröffentlichung seiner Schätze sehr aktiv. Ich kann es aber einmal über den Opernclub München versuchen. Die Präsidentin Irene Stenzel hat exzellente Kontakte zum Bayerischen Rundfunk.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Danke, lieber Operus, das wäre in jedem Fall einen Versuch wert. Hoffen wir einfach mal das Beste.


    Beste Grüße nach Schwaben
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bravo, lieber Wolfram! Vielen herzlichen Dank für deine tollen Beiträge im TMOO-Thread zur "Götterdämmerung", die ich soeben aufmerksam und mit Freude und Gewinn gelesen habe! :jubel:


    Ich finde es toll, dass du Knappertsbusch in München sogar als einzigem eine 5er-Wertung gönnst — ich weiß, dass du da bei der Vergabe etwas knausriger bist als ich, :D von daher ist das der beste Beweis, dass das Dirigat wirklich einfach "untopbar" ist.


    Die Leistung des Bayerischen Staatsorchesters finde ich mit 3,5 ein wenig zu negativ bewertet. M. E. entlockt Kna "seinem" Orchester mehr als dem Bayreuther Festspielorchester, selbst wenn man in München "grenzwertiger" spielen mag, aber mit welcher Inbrunst! Man merkt hier im Direktvergleich auch, dass die abgedeckelte Bayreuther Akustik den "Ring" nicht unbedingt besser macht.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    danke für Deine Worte!


    Ja, Knappertsbuschs Götterdämmerung vom 01. September 1955 fand ich dirigentisch überragend. Ein verloren gegangener Wagner-Stil. Für mich sein bestes Wagner-Dirigat neben dem 1962er Parsifal und dem Holländer (Orfeo). (Ich weiß, dass Du den 1964er Parsifal besser findest ... und in den werde ich sicher mal wieder hineinhören ... ) Wobei auch die 1956er Walküre aus Bayreuth ihre Meriten hat ... ich sehe schon, am Tristan mit Treptow (Orfeo) und an den 1960er Meistersingern mit Greindl wird kein Weg vorbeiführen. Hm.


    Gottlob Frick habe ich aber auch die "5" gegeben, nicht nur Kna ...


    Welches Orchester war nun besser in der "Götterdämmerung" mit Kna? München 1955 oder Bayreuth 1956? Nimmt man die Patzer als Maßstab, so gewinnt für mich Bayreuth. Nimmt man die Musikalität des Spiels, das Auftreten als Einheit, als Ensemble, so gebe ich Dir recht: Da war München besser. Doch dies würde ich eher Kna zugute halten als dem Orchester.


    Der Bayreuther Deckel ist eine Herausforderung für die Toningenieure, das stimmt. Der Keilberth-Ring zeigt aber, was schon 1955 technisch möglich war.


    :hello:


  • Dein Wunsch wurde vor kurzem erfüllt, lieber Thomas:



    Ich höre gerade in die Aufnahme. Dass sie heftig umstritten ist, beweisen die Beiträge 9 ff. in diesem Thread. Aber schon aus historischen Gründen sollte man sie als Wagnerianer haben.


    Man sollte noch hinzufügen, dass sie die erste (fast) komplette Aufnahme dieser Oper war, erschienen 1956 (UK) bzw. 1957 (USA). Bis 1964 blieb sie im Decca-Katalog, dann wurde sie durch die Solti-Aufnahme ersetzt. Ausgesehen hat das so:



    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Man sollte noch hinzufügen, dass sie die erste (fast) komplette Aufnahme dieser Oper war, erschienen 1956 (UK) bzw. 1957 (USA).


    Du vergisst den Moralt-Ring der RAVAG von 1948!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose