Joseph Keilberth: "Sein echter Ruhm, der still und mit der Zeit sich um ihn legte wie ein Feierkleid"

  • Heute bekam ich die neue, sehr umfassende Biographie in die Hände, die Thomas Keilberth über seinen Vater verfaßt hat, und möchte sie zum Anlaß nehmen, den bisher noch nicht existierenden Keilberththread zu eröfffnen. Wie sind eure Erinnerungen, Beobachtungen, Gefühle? Unter Sängern ist noch heute sehr oft von ihm die Rede, wobei auf sein großes Vertändnis für Stimmen immer verwiesen wird...

  • Hallo Armin,


    mich würde sehr interessieren, was die von dir genannte Biografie Erhellendes über Keilberth bietet. Schließlich handelt es sich um einen Dirigenten, der irgendwie bekannt ist, aber im Konkreten dann doch eher bescheiden in seiner Wirkung war? Ein kompetenter, aber vielleicht musikantisch doch allzu braver Kapellmeister, der sein Wirken zuvorderst im Bereich der Klassik und deutschen Romantik vollzog, es aber doch auch bis Hindemith brachte.


    1908 in Karlsruhe geboren, studierte er auch dort am Konservatorium und begann siebzehnjährig an der Münchner Oper als Korrepetitor seine Karriere. 1935 wurde er Generalmusikdirektor der Münchner Oper und 1940 Leiter des Deutschen Philharmonischen Orchesters in Prag.


    Und schon steckt man in den Verstrickungen einer Biografie, die so oder anders sich mehrfach abspielte in einer Musikergeneration, die ihre besten Jahre in der NS-Zeit hatte. Im irrigen Glauben (Furtwängler nicht unähnlich), dass "neben der Weltgeschichte schuldlos und nicht blutbefleckt die Geschichte der Philosophie, der Wissenschaft und der Künstler geht", leiete er im Auftrag der NS-Kulturpolitik die genannte Deutsche Philharmonie in Prag, wo es bereits die ruhmreiche Talich'sche Tschechische Phailharmonie gab. Auch seine Pfitzner-Nähe in schwierigen Zeiten, in denen er u.a. "Von deutscher Seele" gerne dirigierte, zeugen von eigentümlicher Wahrnehmung.


    Soweit ich weiß, traf Keilberth nach dem Krieg kein Berufsverbot, er wurde musikalischer Leiter u.a. in Dresden und Hamburg, später regelmäßiger Gast in Bayreuth. Während einer Aufführung des Tristan erlitt er 1968 einen Herzinfarkt, dem er kurz darauf erlag.


    Die wenigen Aufnahmen, die ich von ihm habe, spiegeln sein Kernrepertoire wider: Reger, Pfitzner, Brahms und Beethoven. Nichts davon aber, was mich sonderlich vom Hocker reißt. Ich hoffe, deine Biografie wird noch einiges zu diesem gewiss nicht ganz uninteressanten Interpreten beitragen.


    LG
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Hallo Armin,



    1908 in Karlsruhe geboren, studierte er auch dort am Konservatorium und begann siebzehnjährig an der Münchner Oper als Korrepetitor seine Karriere. 1935 wurde er Generalmusikdirektor der Münchner Oper und 1940 Leiter des Deutschen Philharmonischen Orchesters in Prag.
    B.


    Das muß schon gleich einmal korrigiert werden: Keilberth begann nicht in München, sondern in Karlsruhe, wo er mit 27 Jahren jüngster deutscher GMD wurde. Nach München kam er erst 1959 als Chef. Mehr später, wenn ich etwas mehr Zeit habe.

  • Ergänzend muss noch darauf hingewiesen werden, dass Keilberth 18 Jahre lang - von 1950 bis zu seinem Tod - Chefdirigent der Bamberger Symphoniker war. Auf dem Tonträgermarkt ist da z.Zt. aber wenig erhältlich, während Keilberths Wirken als Operndirigent in München und Bayreuth inzwischen sehr gut dokumentiert ist.


    Als Konzertdirigent war Keilberth anscheinend der Typus des gewissenhaften deutschen Kapellmeisters mit allen Tugenden und Schwächen. Er hat den Bamberger Symphonikern maßgeblich zu dem Renommé verholfen, das sie mit einigen zwischenzeitlichen Einbrüchen bis heute bewahren bzw. noch steigern konnten - auch wenn sich zum Glück inzwischen Ausrichtung und Repertoire des Orchesters ganz anders gestalten. Werner Pfisters leider nicht sehr tiefschürfendem Buch über die Geschichte der Bamberger Symphoniker kann man das gesamte hier von Keilberth dirigierte Repertoire entnehmen: sehr stark auf die deutsch-österreichische Tradition von Haydn bis Reger fixiert, Beethoven noch und nöcher (die Eroica stand quasi permanent auf dem Programm), viel Brahms, Bruckner in seiner vollen Breite (auch die Nrr. 1 und 2), dagegen Mahler so gut wie nie (vereinzelte Aufführungen von Nr. 4 und des LvdE). Viel Pfitzner und Reger. Moderne? Grundsätzlich keine zweite Wiener Schule, vereinzelt ein neoklassizistischer Strawinsky oder ein Bartók, allerdings einiges von Egk und Höller sowie sehr viel (später!) Hindemith. Vor einer solchen Folie (die bestimmt nicht untypisch für das deutsche Musikleben in den 50ern und 60ern jenseits der Rundfunkorchester war) ist z.B. Karajans Konzertrepertoire als durchaus beachtlich einzuschätzen.


    Zwei Storys aus Pfisters Buch: Anfang der 60er Jahre klebte an einigen Häuserwänden in Bamberg ein Plakat, auf dem das konservative Repertoire der Symphoniker unter Keilberth angeprangert wurde - u.a. habe Strawinskys "Sacre" noch nie auf dem Programm gestanden. Helle Empörung in der Lokalpresse, gegen den unbekannten Verursacher wurden polizeiliche Ermittlungen aufgenommen. Nachdem man als "Täter" den Sohn eines örtlichen Honoratioren dingfest gemacht hatte, wurde die Angelegenheit schnell unter den Tisch gekehrt. Soviel zur kulturellen Atmosphäre der Adenauerzeit in der deutschen Provinz.


    Einige Jahre später hat Keilberth dann doch den "Sacre" aufs Programm gesetzt. Seinem Dirigiertagebuch vertraute er an, dass er erhebliche technische Schwierigkeiten mit dem Stück gehabt habe und schloss mit dem Fazit: "Nie wieder!" (Zu meinem Erstaunen habe ich ja kürzlich im entsprechenden Thread erfahren, dass ausgerechnet Hans Knappertsbusch bereits in den 20er Jahren den "Sacre" in München dirigiert hat.)


    Bezüglich der von Armin erwähnten Biographie: Ich kenne sie noch nicht, habe aber vor einiger Zeit im Bayerischen Rundfunk ein Gespräch mit Thomas Keilberth gehört, in dem sich dieser offen dazu bekannt hat, dass er etwaigen negativen Aspekten im Leben seines Vaters (z.B. NS-Zeit) nicht nachgegangen sei. Grundsätzlich sind enge Familienangehörige als Biographen ja fast immer problematisch... Aufgrund der Auswertung von Keilberths Dirigiertagebüchern sind aber sicher interessante Erkenntnisse über seine musikalischen Auffassungen zu erwarten.


    Im Opernbereich kenne ich in Auszügen einige der Wagner-Dirigate Keilberths (Bayreuther "Ring" und Münchner "Meistersinger" zur Wiedereröffnung des Nationaltheaters) und fand das, was ich gehört habe, hervorragend. Sein Beethoven, soweit mir bekannt, ist in jeder Beziehung ein "mittlerer", was ich durchaus nicht negativ finde. Sehr empfehlenswert die z.Zt. offenbar vergriffene DG-Einspielung von Pfitzners Eichendorff-Kantate "Von deutscher Seele" mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und hervorragenden Solisten (u.a. Agnes Giebel, Fritz Wunderlich). Hier ist Keilberth in seinem Element.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Mir scheint, hier zeigt sich das grundlegende Problem im Fall Keilberth: er hat keine "Fans". Er war seinerzeit schlicht und einfach da, unspektakulär, ohne Show. Joachim Kaiser meinte einmal, daß seine Wagner-Reziative im Vergleich zu Böhm zum Sterben angweilig gewesen seien. Wer so jemand ist, merkt man aber immer erst dann, wenn er nicht mehr da ist. Bei Gesprächen mit älteren Sängern fällt mir auf, daß sein Name immer sehr prominent erwähnt wird, und sie sind über seine Kunst des Begleitens des Lobes voll. Was das Repertoire angeht, so ist auf seine Prägung durch die Bekanntschaft mit Hans Pfitzner hinzuweisen (weswegen ich auch das "Palestrina"-Zitat in den Titel gesetzt habe).
    Bei der Biographie handelt es sich in erster Linie um etwas für Spezialisten. Die Karriere des Dirigenten wird akribisch, über weite Strecken Tag für Tag verfolgt, sso daß der Überblick über das Große ganze doch etwas verlorengeht. Als Materialfundus ist sie aber überaus ergiebig.

  • Hallo Taminos,


    auch wenn der erste Stereo-"Ring" in den letzten Monaten hochgepuscht wurde, so muss man dennoch ganz eindeutig feststellen:


    Dieser Mitschnitt ist eigentlich nur für die interessant, die die Sänger der legendären Bayreuth-Ära früherer Jahre in einem sehr ansprechenden Tongewand erleben möchten. Aber leider sang Astrid Varnay, deren Gesang durchaus Geschmacksache ist, mein Fall ist sie auch nicht!


    Das Dirigat Keilberths ist in keinem Fall als sensationell zu bezeichnen, ganz im Gegensatz zum etwa zehn Jahre später erschienenen Mitschnitt unter Karl Böhm.


    Fazit: Ein faktisch neuer "Ring" ist auf den Markt gekommen, mit guten bis sehr guten Leistungen, aber keinesfalls ein Referenz-"Ring", eigentlich ein "Ring" für die, die alle anderen bedeutenden (Solti, Böhm, Karajan, Janowski) schon besitzen. Wenn der Keilberth-"Ring" mal preiswert zu erwerben ist, lege ich ihn mir wahrscheinlich auch zu...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • [zitat]Original von Zwielicht
    Sehr empfehlenswert die z.Zt. offenbar vergriffene DG-Einspielung von Pfitzners Eichendorff-Kantate "Von deutscher Seele" mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und hervorragenden Solisten (u.a. Agnes Giebel, Fritz Wunderlich). Hier ist Keilberth in seinem Element.[/zitat]


    Die hier:



    Eine wirklich wunderschön romantische Aufnahme, in der Tat. Allerdings, wenn ich es recht sehe, nur im nordamerikanischen Amazonas - völlig überteuert.


  • Die LP taucht glücklicherweise regelmäßig in den Antiquariaten auf, da habe ich sie für ein paar Märker ergattert und sehe sie auch heute noch recht häufig für fünf bis acht Euronen herumstehen.

  • Meine Lieben,


    Einige Eurer Bemerkungen werden unterstützt durch das Urteil Birgit Nilssons, nachzulesen in ihrer Autobiographie (zitiert nach der deutschen Übersetzung von Susanne Dahmann):


    "Keilberth war ein wirklicher Sänger-Dirigent, alle liebten es, mit ihm zu singen. Er pflegte eine modernere Auffassung von Wagner, die mit dem neuen Wagner-Stil in Bayreuth harmonierte, der beweglichere Tempi und ein ständiges Bemühen, die Sänger immer zu ihrem Recht kommen zu lassen, vorsah.
    ...mit Keilberth zu singen, war, als schwebe man auf Wolken. Er ließ das Orchester die Sänger tragen, anstatt sie zu ertränken."


    Ich denke, eine solche Nachrede adelt Keilberth ebenso wie andere irgendeine Patenschaft gegenüber einem aus der Taufe gehobenen Werk. Selbstlosigkeit ist eine leider gar nicht so häufige Tugend und daher um so mehr zu schätzen.


    LG


    Waldi

  • Unvergessen für mich seine Aufnahme von
    "Freischütz" Berliner Philharmonilker
    mit Elisabeth Grümmer und Rudolf Schock.
    Aufgenommen in der Grunewaldkirche zu Berlin.
    Er war ein Kapellmeister im positiven Sinne, wie
    es ihn heute kaum mehr gibt!
    Erwähnenswert auch seine Ensemblepflege
    an der Münchner Oper!



    :yes:

    mucaxel

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo zusammen,


    mucaxel - d'accord



    Eine Aufnahme die nicht nur durch hervorragende Sänger, sondern gerade auch durch eine kaum zu übertreffende musikalische Dramatik brilliert.


    LG


    Maggie

  • Vorab: ich habe nur sehr wenige Keilberth-Einspielungen in meiner Sammlung. Eigentlich nur eine Doppel-CD mit den Beethoven-Symphonien 1-3 und einigen Overtüren (Teldec. 1+2 sowie die Overtüren mit den Bambergern, die 3. mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg). Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1957 bis 1961 und sind im Kontext des Interpretationsstils jener Zeit IMO eher unauffällig (den Kopfsatz der 3. nimmt Keilberth getragen, meinen Geschmack arg undramatisch und tendenziell lahm [ohne Wiederholung der Exposition]).


    Die andere Keilberth-Aufnahme, die ich besitze, ist diese:



    und das ist ein absoluter HAMMER!! Für mich die eine »Salome« die man haben muß! Ungeheuer ennervierend und fesselnd, durchpulst von Adrenalin, Begehren, Hysterie und Gewalt. Dabei ist Keilberths Dirigat glaskar und diszipliniert (übrigens sind auch Diktion der Sänger und Textverständlichkeit absolut vorbildlich), ohne daß dies auf Kosten der atmosphärischen Dichte ginge. Und dann hat diese Aufnahme aus dem Jahr 1948 naklar mit Christel Goltz die rasende Salome schlechthin - nie wieder war Goltz in dieser Rolle, die sie stest herausragend interpretiert hat, so eindringlich, expressiv und bestürzend wie hier.


    Also: in dieser »Salome« finde ich Keilberth exorbitant!


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Ich gehöre zu der Generation, die Joseph Keilberth noch selbst auf dem Konzertpodium erleben durfte. Er pflegte nach dem Krieg mit seinem Orchester, den Bamberger (vormals "Prager") Syphonikern auf Gastspielreise zu gehen und auch in der Provinz klassische Musik dem Publikum näherzubringen.


    Natürlich habe ich von klein auf Aufnahmen mit Joseph Keilberth gesammelt, und manche Opernaufnahmen sind für mich untrennbar mit dem Namen Joseph Keilberth verbunden. Da ich selbst mährischer Abstammung bin, sei als Beispiel genannt:



    Rusalka
    Trötschel, Schindler, Lange, Frick, Rott,
    Sächsische Staatskapelle, Keilberth
    Label: Relief , ADD/m, 48
    2 CDs (in deutscher Sprache)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zwei Opern-Dirigate Keilberts aus dem Münchner Prinzregententheater sind in Schwarz-Weiß durch das Bayerische Fernsehen der Nachwelt überliefert und werden immer mal wieder ausgestrahlt:
    - Barbier von Sevilla in deutscher Sprache mit Köth, Wunderlich, Prey, Hotter; eine Aufführung von spielrischer Komik und Leichtigkeit in einer Besetzung, wie sie seinerzeit kaum besser zu denken war.
    - Eugen Onegin mit Fritz Wunderlich als Lenski und Hermann Prey als Onegin. Eindrucksvolle Bühnenbilder von Helmut Jürgens, der als absoluter Meister seines Fachs heute leider kaum mehr bekannt ist. Unvergeßlich eindrucksvoll Lenskis Abschied in einer russischen Winterlandschaft, deren Bedrohlichkeit und Melancholie geradewegs aus der Musik gestaltet zu sein scheint. Wenn ich mir als Kontrast und Alternative dazu den derzeitigen Münchner Onegin denke, kommt mir das kalte Grausen...


    Beide Aufnahmen sind sowohl für die Sänger wie für Keilberth wertvolle Dokumente einer Opernkultur, die sehr vielen allenfalls nur noch vom Hörensagen bekannt ist.


    Leider gibt es nach meiner Kenntnis keine TV-Aufzeichnung von der Münchner Arabella mit Lisa della Casa, Rothenberger und Fischer-Dieskau mit Keilberth am Pult (allerdings eine wohlfeile, sehr empfehelsnwerte CD bei DGG). Diese Arabella war jahrelang in dieser Besetzung eine Münchner "Institution", zu der die Leut extra pilgerten.


    Die Wiedereröffnung des Münchner Nationaltheaters im Nov. 63 wurde bekanntermaßen mit den Meistersingern gefeiert, wovon es eine LP bei Eurodisc gab, heute als CD erhältlich. Bei kritischen Vergleichen von Meistersinger-Aufnahmen begegnete ich nicht selten einem jovial-gönnerischen Urteil der Art: brav, brav, gutes Niveau, aber mehr auch nicht. Daß diese Fest-Aufführung am Abend jenes Tages stattfand, als John F. Kennedy ermordet wurde und das gesamte Ensemble unter einem ungeheuren Druck stand und sich in einer völligen Ausnahmesituation befand (zumal die Amerikaner Jess Thomas und Claire Watson), wird in der Kritik außrt acht gelassen - villeicht mangels Kenntnis, vielleicht auch mangels Vorstellungskraft, was dieses Attentat an jenem Tag an Trauer und Hysterie auslöste. Der Münchner OB Hans Jochen Vogel verlangte sogar die Absage der Fest-Aufführung, was Intendant Hartmann durch Intervention bei der Regierung verhindern konnte. Komödie zu spielen und dafür in Stimmung zu kommen war an diesem Abend eine schlichte Nervensache. Mehr als je zuvor oder danach wurde bei dieser Aufführung Keilberth zum ruhenden, ordnenden Pol, der bei allen Turbulenzen nie die Übersicht verlor und unter diesen Umständen eine mehr als bemerkenswerte Interpretation ablieferte.


    Am Abend zuvor wurde nur - noch ohne die Katstrophen der Politik - für geladene Gäste Die Frau ohne Schatten aufgeführt, ebenfalls mit Keilberth am Pult. Diese Aufnahme ist bei DGG als CD erschienen. Ich glaube mich zu erinnern, daß diese Aufführung im Fernsehen übertragen wurde (da ja das "Volk" im Theater nicht zugelassen war), denn es war wohl aus diesem Anlaß das erste Mal, daß ich diese Oper sah. Warum diese Aufzeichnung nicht mal wieder im TV präsentiert wird, bleibt mir unerfindlich.


    Keilberth steht in einer Kapellmeistertradition, auf sich auch Dirigenten wie Günter Wand und Wolfgang Sawallisch berufen und unter den Jüngeren Christian Thielemann. Kurt Masur könnte man vielleicht auch zu dieser Spezies zählen. Seltsam, daß manche diesen Begriff leicht abschätzig belegen, obwohl er eine Tugend umschreibt, die im allgemeinen Medienzirkus längst erstickt worden ist: Dienst am Werk, nicht am eigenen Ego.


    Florian


    Florian

  • Danke dem Florian für den echt sehr guten Beitrag!
    Ich hab doch glatt diesen "Barbier" vergessen sah ihn
    im Bayern L Fernsehen. Das ist schwarz weiß aber auch
    noch immer gültig!!!
    Eine großartige Aufführung war das!
    Erika Köth, Wunderlich und Prey echt super!
    Ja und Keiberth kann auch das den Rossini dirigieren,
    er war halt einer der von der Pike auf sein
    Handwerk gelernt hat.
    Das macht ihm heute echt so schnell keiner nach.



    :pfeif:

    mucaxel

  • Die Fritz-Wunderlich-Mafia hat dafür gesorgt, dass dieser alte Film trotz schlechter Bildqualität auf dem Markt präsent ist:



    Der Barbier von Sevilla (in dt. Spr.)
    Der "Münchner" Barbier von 1959 - eine Pioniertat aus
    den Kindertagen der TV-Live-Übertragung.
    Ohne Netz und doppelten Boden wird da alles ins Haus geliefert, einschließlich des temporären Ausfalls einer Kamera just bei Rosinas Arie.


    Fritz Wunderlich, Max Proebstl, Erika Köth, Hermann Prey,


    Chor & Orchester der Bayerischen Staatsoper,
    Dirigent: Joseph Keilberth


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Doch doch, eine Videofaufzeichnung der "Arabella" gibt es. Und der zweite Akt der "Frau ohne Schatten" ist in einer DVD-Edition der DG zu FiDis rundem Geburtstag vor ein paar Jahren enthalten...

  • Joseph Keilberth konnte nicht nur mit Richard Strauss umgehen;
    auch mit Johann Strauß verstand er seine Zuhörer im Konzert zu begeistern - oft auch als Zugabe:



    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Zu dieser Frage findet sich aber doch eine Aussage im Buch. Etwa 1965 führte Thomas Keilberth über diese Thema ein Gespräch mit seinem Vater, wobei dieser ihm sagte:" Nach dem Tod Heydrichs ztierte mich der Minister Frank zu sich und forderte Bekenntnisse, wenn ich meine Stellung nicht verlieren wollte. So machte ich künftig, was man verlangte. Ich hatte einfach nicht den Mut, Nein zu sagen. Und du kannst mir glauben, das brennt mir als Schandfleck in der Seele, wohl bis and Ende meines Lebens. Von öffentlichen Mea-Culpa-Bekundungen halte ich nichts. Das sieht dann so aus, als wollte man sich reinwaschen..."

  • Meine Lieben,


    Die von Florian hervorgehobene Münchner (Live-)"Arabella" beweist auch meiner Meinung nach, daß Keilberth als Strauss-Dirigent zu den Allerbesten zählte, da kann er sogar neben Erich Kleiber bestehen. Er war also nicht nur ein großer Sänger-Dirigent.



    Die Aufnahme hat für Strauss-Liebhaber - Edwin, ich weiß sowas greift Dich an, also ignorier es - durchaus Referenzcharakter. Kein Wunder, daß die Münchner dieser Ensemble-Orchester-Kombination offenbar Kultstatus zuerkannten.


    LG


    Waldi

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ergänzend zu der 1963er Münchner Aufnahme der Arabella durch Joseph Keilberth, die ja doch schon etwas abgeleiert ist und die Waldi in mindestens 5 Threads herumzeigt, möchte ich auf eine fast anderthalb Jahrzehnte früher entstandene Aufnahme hinweisen:


    Die 1950 im Berliner Admiralspalast entstandene Einspielung, die jetzt bei Walhall zum Billigpreis angeboten wird:



    Aufnahme: 19.12.1950, live, Berlin, Admiralspalast
    Spieldauer: 155'13
    Dirigent: Joseph Keilberth
    Staatskapelle Berlin
    Chor der Deutschen Staatsoper Berlin


    Adelaide: Carola Goerlich
    Arabella: Christel Goltz
    Die Fiaker-Milli: Irmgard Armgart
    Djura: Heinz Braun
    Eine Kartenaufschlägerin: Anni Kley
    Graf Dominik: Heinz Friedrich
    Graf Elemer: Alfred Hülgert
    Graf Lamoral: Hans-Günther Grimm
    Graf Waldner: Heinrich Pflanzl
    Janko : Gerhard Wittig
    Mandryka: Josef Metternich
    Matteo: Eich Witte
    Welko: Friedrich Radtke
    Zdenka: Anny Schlemm


    Da sind - im zerstörten Nachkriegs-Berlin - Sänger auf der Bühne, denen ich ebenfalls Kult-Status zubilligen möchte. Und Keilberth hat die Staatskapelle Berlin bestens im Griff!


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Ergänzend zu der 1963er Münchner Aufnahme der Arabella durch Joseph Keilberth, die ja doch schon etwas abgeleiert ist und die Waldi in mindestens 5 Threads herumzeigt


    Naja, lieber Harald, bisher waren es erst drei. Aber es kann ja noch werden. Eigentlich möchte ich mich im Moment wieder mehr der Operette widmen, aber Dein dankenswerter Tip mit der Walhall-Aufnahme könnte mich wankend machen. :hello:


    LG


    Waldi

  • Christoph von Dohnányi lässt in der aktuellen Ausgabe "Berliner Philharmoniker - das Magazin" März/April 2008 per Interview mitteilen, dass Joseph Keilberth zwar ein bedeutender Dirigent gewesen sei, aber keiner "der ganz großen Dirigenten". Dafür hätte Keilberth 50 Jahre früher geboren werden müssen. Leider begründet Dohnányi das nicht näher. Allein folgende These (am Beispiel Karajan) lässt erahnen, in welche Richtung er denkt: "Ein Dirigent, der in seiner Zeit erfolgreich sein will, muss auch für seine Zeit geboren sein."


    Loge

  • Zitat

    Original von Loge
    Allein folgende These (am Beispiel Karajan) lässt erahnen, in welche Richtung er denkt: "Ein Dirigent, der in seiner Zeit erfolgreich sein will, muss auch für seine Zeit geboren sein."


    Eine These ist das zwar eigentlich nicht ;) , sondern eher ein Orakelspruch - aber hinter dem opaken Geraune wird vielleicht doch ein lichter Gedanke sichtbar. Keilberth und Karajan waren ja beide Jahrgang 1908 - haben aber auf die sich verändernden Bedingungen eines entstehenden Kultur- und Klassikbusiness sehr unterschiedlich reagiert. Keilberth hat nämlich anscheinend gar nicht besonders reagiert, sondern so gearbeitet, als gebe es zwar Rundfunk, Tonträger und dann irgendwann auch Fernsehen, doch als seien dies mehr oder minder nachrangige Faktoren im Kulturbetrieb. Karajan hat die Zeichen des entstehenden Irrsals und Wirrsals der Tonträger- und Medienindustrie sehr früh und weitsichtig erkannt und sich dies für seine Arbeit produktiv und erfolgreich zunutze gemacht (was jetzt bitte nicht als Karajan-Schelte verstanden werden soll - wieso auch?).


    Ob allerdings eine Person, die wach die sozialen, kulturellen und technischen Bedingungen seiner Arbeit und ihre Dynamik beobachtet und die entsprechenden Konsequenzen zieht, unbedingt gleich »für seine Zeit geboren« ist, wie Herr von Dohnányi das pathetisch verklausuliert?


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Hinweis auf


    THOMAS KEILBERTH


    Josef Keilberth Ein Dirigentenleben
    im XX Jahrhundert


    Verlag : Apollon Musikoffizin


    Euro : 69.-


    :hello:

    mucaxel

  • Er ist fast gleichaltrig mit Herbert von Karajan. Im Gegensatz zu dem gigantischen Aufwand, mit dem Karajan gefeiert wird, geht es bei Joseph Keilberth doch etwas bescheidener zu.


    Eine Sendung zum 100. Geburtstag gibt es am Samstag bei NDR Kultur:


    Joseph Keilberth zum 100. Geburtstag
    Moderation: Hans-Heinrich Raab. .
    Samstag, 19. April 2008, Sendezeit: 20:00:00 - 22:00:00 Uhr


    Zitat

    Heute vor 100 Jahren erblickte einer der bedeutendsten deutschen Dirigenten des 20. Jahrhunderts in Karlsruhe das Licht der Welt: Joseph Keilberth. Nach Furtwänglers Tod im Jahre 1954 wurde er zunächst als dessen Nachfolger gehandelt, bekanntlich wurde es dann der gleichaltrige Herbert von Karajan. 1951 hatte man Keilberth bereits als Chef des Philharmonischen Staatsorchesters nach Hamburg berufen; internationales Renommee erwarb er sich aber vor allem am Pult der Bayreuther Festspiele, als Chef der Bamberger Symphoniker und als bayerischer Generalmusikdirektor. Während einer Vorstellung von Wagners "Tristan und Isolde" am Münchner Nationaltheater ist er am 20. Juli 1968 gestorben.


    Auch bei den Plattenfirmen tut sich nicht viel. Die Major Labels hüllen sich in Schweigen, lediglich bei den kleinen Labels taucht die eine oder andere Aufnahme (wieder) auf.


    Zum Beispiel bei Andromeda:



    Joseph Keilberth - Rare Recordings


    3 CDs


    Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 1 BWV 1046
    +Gluck: Iphigenie en Aulide-Ouvertüre (2 Versionen);
    Armida-Ouvertüre
    +Haydn: Symphonie Nr. 99
    +Bruckner: Symphonie Nr. 9
    +Wagner: Meistersinger-Ouvertüre
    +Brahms: Symphonie Nr. 3
    +Smetana: Aus Böhmens Hain und Flur aus "Mein Vaterland"
    +Kaminski: Concerto grosso für Doppelorchester & Klavier


    Staatskapelle Dresden,
    Bamberger Symphoniker,
    Wien SO,
    Deutsches Philharmonisches Orchester Prag,
    RSO Köln,
    Joseph Keilberth
    Label: Andromeda , ADD, 43-57


    Hörproben gibt es bei jpc!


    LG Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Als tönendes Beispiel aus seiner Zeit in München möchte ich heute dieses seltene Dokument von den Münchner Opernfestspielen 1962 vorstellen:



    WOLFGANG AMADEUS MOZART: DON GIOVANNI


    Münchner Philharmoniker
    Chor der Bayerischen Staatsoper
    Musikalische Leitung: Joseph Keilberth


    Live Münchner Opernfestspiele, 21. August 1962.


    Don Giovanni: George London
    Leporello: Benno Kusche
    Donna Anna: Hildegard Hillebrecht
    Donna Elvira: Sena Jurinac
    Zerlina: Anneliese Rothenberger
    Don Ottavio: Nicolai Gedda
    Il Commendatore: Gottlob Frick
    Masetto: Albrecht Peter


    Erschienen bei Golden Melodram (3 CDs).


    LG Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich
    Heute bekam ich die neue, sehr umfassende Biographie in die Hände, die Thomas Keilberth über seinen Vater verfaßt hat, und möchte sie zum Anlaß nehmen, den bisher noch nicht existierenden Keilberththread zu eröfffnen. Wie sind eure Erinnerungen, Beobachtungen, Gefühle? Unter Sängern ist noch heute sehr oft von ihm die Rede, wobei auf sein großes Vertändnis für Stimmen immer verwiesen wird...

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Herr Diedrich,


    wunderschön Ihre Einleitung zur Ankündigung der Keilberth-Biographie.
    Auch ich bin der Meinung, dass er ein leider unterschätzter Dirigent ist.
    Er dirgierte in der Regel sehr werkgetreu, die Feinheiten der Partitur ausleuchtend, konnte jedoch im richtigen Moment große Höhepunkte setzen. Dem Musikfreund, den seine Interpretationen noch nicht vom Hocker gerissen haben, empfehle ich nur die exemplarischew Freischütz-Aufnahme aus dem Jahr 1958, die zu Recht als Referenzaufnahme gilt. Hiier ist Keilberth in einer begeisternden Interpretation zu erleben.

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner