Leo Spies: Violinkonzert

  • Hallo!


    Ich habe mir gerade mal wieder das Violinkonzert von Leo Spies angehört und war im letzten Satz etwas irritiert, da mir da eine Melodie so unglaublich bekannt vorkam. Ich habe ein wenig nachgedacht und meine nun, dass im letzten Satz (bei 2'10'') ein Thema vorkommt, dass identisch oder ähnlich ist mit einem Thema aus der Lieutenant Kije Suite von Prokofiev (aus dem "Troika"-Satz, gleich zu Anfang).
    Bin ich da total verwirrt oder stimmt das wirklich? Ich hatte jedenfalls nach dem Hören von Spies nur noch Prokofiev im Gehirn.

  • Hallo Tobias!


    Ich habe mir die entsprechende Stelle gerade angehört, ebenso den Anfang der Troika. Außerdem habe ich mir die Melodien aufgeschrieben, schade eigentlich, dass man hier keine Noten eingeben kann, das würde die Argumentation nämlich erheblich vereinfachen! So muss ich eher allgemein bleiben. Identisch sind die Melodien keinesfalls, aber es gibt doch gewisse Parallelen, Melodiefragmente, Tonabfolgen, die sich zumindest stark ähneln, auch in rhythmischer Hinsicht. Beide Melodien sind ja im Grunde genommen recht einfach (und eingängig) gehalten. Vor diesem Hintergrund vermute ich, dass der vergleichweise einfache Tonfall dazu führt, dass beide Komponisten auf ähnliche musikalische Formeln zurückgreifen.


    Ich glaube jedenfalls nicht, dass sich Spies hier wirklich direkt von Prokofjew hat inspirieren lassen, auch wenn ich aus gut informierter Quelle weiß, dass Spies Prokofjews Musik schätzte und sich in seinem Schaffen zuweilen auch Einflüsse dieses Komponisten finden lassen. Die Melodie im Finalsatz des Violinkonzertes scheint mir aber - wenn ich unbedingt einen Einfluss benennen sollte - eher an das deutsche Volkslied, zumindest jedenfalls an die Musik der deutschen Romantik angelehnt zu sein (wie überhaupt das gesamte Konzert, manchmal denke ich dabei ein wenig an Max Bruch). In der Verwendung sehr ähnlicher, relativ elementarer motivisch-melodischer Strukturen und Muster treffen sich die beiden erwähnten Kompositionen dann tatsächlich.


    Ich muss jedoch zugeben, dass mir diese Parallele bisher entgangen war. Vielleicht werde ich irgendwann demnächst an dieser Stelle ein wenig näher auf Spies' Konzert eingehen, ich finde es nämlich eigentlich sehr schön. Für mich ein Beispiel, dass auch sehr konservative Musik im 20. Jahrhundert überzeugen kann, wenn sie nur gut gemacht ist und Inspiration verrät.


    Viele Grüße
    Holger

  • Hallo Holger!


    Besten Dank für die Aufklärung! Ich wusste, dass du mir helfen kannst! :jubel:


    Ich hatte es mir schon fast gedacht, dass nur die Anklänge ähnlich sind, aber nicht identisch. Daher muss man Leo Spies wohl ausgesprochen loben, denn nicht nur dieses Thema auch das andere Motiv im Finalsatz kommt einem beim ersten Hören gleich wahnsinnig eingängig und bekannt vor. Aber das ist vielleicht das Zeichen einer guten Melodie, dass man meint sie schon ewig zu kennen, obwohl man sie gerade erst gehört hat.


    Holger, nochmals besten Dank!