There Will Be Blood

  • Hallo,


    Normalerweise werden ja im Forum eher weniger Kino und Fernsehn diskutiert - was eigentlich auch ganz gut so ist!
    Gestern sah ich jedoch einen künstlerisch recht hochwertigen Film, der mich jedoch recht verzweifelt und verwirrt zurückliess...


    There will be blood



    Ich habe ihn kurz in "Was hört ihr gerade jetzt" angesprochen und einige Resonanz bekommen. Ich habe zunächst, um den Thread nicht zu vermüllen per PN mit austauschwilligen Kontakt aufgenommen. Von Fairy kam der Vorschlag das ganze doch öffentlich zu führen, da uns beide weitere Meinungen interessieren würden und eine organische Diskussion sicherlich bessere "Ergebnisse" erzielt...!


    Der Film hat zunächst einmal nichts mit Musik zu tun, besitzt aber eine sehr ansprechende Filmmusik, welche vermutlich auch verstärkt symbolischen Charakter besitzt. Aus eher dissonanten Klangteppichen löst sich an zwei entscheidenden Stellen das heitere Finale aus Brahms Violinkonzert heraus.
    Auch wurden nebst der eigens für den Film komponierten Musik
    ein oder zwei Stücke von arvo Pärt verwendet. (Ich meine eines ist das mit dem schnellen, etüdenhaften Cello-Soli, welche kurz aber hart von einigen Klavierakkorden unterbrochen werden - wie heißt das Stück?)


    Kurz zum Inhalt:
    "Im Jahre 1898 gräbt der emsige Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) erfolgreich nach Gold, doch damit gibt er sich nicht zufrieden. Ein gutes Dutzend Jahre später ist aus ihm ein bekannter Unternehmer nebst Adoptivsohn, H.W. (Dillon Freasier) genannt, geworden. Öl hat ihn mit solidem Reichtum ausgestattet. Eines Nachts begibt sich der naive Paul Sunday (Paul Dano) zu ihm und seinem Geschäftspartner Hamilton (Ciarán Hinds) und berichtet, unter der Erde des Grundbesitzes seiner Eltern seien schier unendliche Mengen an dem schwarzen Rohstoff vorhanden. Wie es sich herausstellt, hat der Unbekannte die Wahrheit gesprochen und Plainview wittert seine große Chance. Nahezu mühelos überzeugt er die Familie Sunday, ihm ihre Ranch zu verkaufen, einzig Pauls obsessiv religiöser Zwillingsbruder Eli (ebenfalls Paul Dano) ist widerwillig und verlangt eine Spende für die Kirche der Gemeinde. Kurz nachdem die Bohrarbeiten begonnen haben, kommt es zu einem folgenschweren Unfall, bei dem ein Arbeiter sein Leben und H.W. sein Gehör verliert. Die Befürchtungen des sich berufen fühlenden Eli scheinen bestätigt." (filmstarts.de)


    Der Film ist nicht annähernd so blutrünstig, wie der Titel suggeriert!
    Wer einen scheißwütigen Revolver-Western erwartet, liegt falsch:
    Es handelt sich eher um ein sehr düsteres Charakterdrama!


    An einige Mitgleider schickte ich folgende PN:



    Also - nun ist die Sache für alle freigegeben!
    Ich freue mich über eure EIndrücke und vielleicht einige Erklärungen...


    LG
    Raphael


    PS: Aus offenbarer Ermangelung eines speziellen Bereichs im Forum habe ich den Thread einfach im "Literatur und Theater"-Bereich gepostet - Sollte ein Moderator einen geeigneteren Ort finden, so möge er den Thread beherzt verschieben... :angel:

  • Ich kopiere dann einfach mal meine PN an Raphaell hier rein:


    Lieber Raphell,
    mich hat der Film auch sehr mitgenommen, weil ich ihn ihn seinem rabenschwarzen Menschenhass einfach erschütternd fand.
    Und leider, weil er eben total schwarz malt, auch in seiner Intention etwas daneben.
    M.E. handelt es sich um eine bitterböse Parodie/Satire/Gesellsschaftskritik an Amerika, Präsident Bush, dem Irak-Krieg, der fundamentalsitischen Erlösungs-Bewegung einiger amerikanischer Sekten und Kirchen und insbesondere dem amerikanischen Traum "vom Tellerwäscher zum Millionär".
    Man verliert angesichts deises Traumes alle Menschlichkeit, schreckt nciht vor Lüge, Betrug, Eltern/Kindes-Mord usw zurück um zur Spitze aufzusteigen. Ob in Geschäft oder Religion-egal. Aber: mit harter und teilweise fast unerträglciher Anstrengung erreicht man dieses Ziel, auch das zeigt der Film. American dream eben.
    Der Prediger Eli ist genauso widerlich wie der Ölmann und an Niedertracht stehen sich Beide in nichts nach. Am Ende gehen sie deshalb auch Beide auf abstossende Weise unter.
    Der Sohn kann sich menschlich aus diesem Sumpf mithilfe einer Frau, die ihn liebt, retten. Diese Menschlcihkeit kann der Vater ihm aber nciht verzeihen und so wird selbst er er niedergemacht und verstossen.
    Einen so kompromisslos schwarzen Film habe ich selten gesehen und da er ZU schwarz malt, habe ih Angst, dass er in Amerika evtl als übertrieben abgetan und nciht ernstgenommen wird. Dabei zeigt er wirklich die Schattenseiten dieser Gesellschaft mit voller Wucht, gerade auch jetzt im Zusammenhang mit Irak, Öl usw. Mich hat er serh gefesselt und schockiert. Zu der Musik habe ich mir noch keine Gedanken gemacht und danke für den Hinweis.
    Dies mal als Erstes. Eine öffentlcihe Diskussion im Filmthread fände ich aber wirklich besser. Wer weiss , was andere dazu noch zu sagen haben!
    Ich kopiere mein Posting dann gerne dahin.


    F.Q.

  • Hallo Fairy,


    Danke für deine PN/deinen Beitrag!


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    [...]bitterböse Parodie/Satire/Gesellsschaftskritik an Amerika, Präsident Bush, dem Irak-Krieg, der fundamentalsitischen Erlösungs-Bewegung einiger amerikanischer Sekten und Kirchen[...]


    Ja, das sehe ich auch sehr stark! Bush könnte fast die Symbiose von Daniel Plainview und Eli Sunday sein: Ein Ölbaron mit fandamentalistisch-christlichen Ansichten und einem messianischen Sendungsbewusstsein.


    Allerdings führen, wie ich finde alle Spuren die man in diesem Film sucht ein wenig ins Leere...so wie eben auch bei z.B. Kubricks Filmen. Da kann man auch immer herrlich diskutieren und philosophieren, erhält aber trotzdem kein schlüssiges Gesamtbild...


    LG
    Raphael

  • Bezüglich des Filmes ist auch der Soundtrack erwähnenswert



    Es handelt sich hier um Streichermusik. Teilweise breiter angelegt, teilweise kammermusikalisch. Auf jeden Fall sind das sehr ungewohnte, aber doch fesselnde Töne, die einem da aus den Boxen entgegenkommen. Verantwortlich für diesen Soundtrack ist Jonny Greenwood, seineszeichens Gitarrist der Band Radiohead, welche mit ihrer sperrigen, immer minimaler werdenden Musik die Hörerschaft teilweise spalten.


    Auf jeden Fall mal reinhören! :yes:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo Masetto,


    Die CD hatte ich auch schon entdeckt! Ist da auch Brahms und Pärt drauf oder nur die Kompositionen für den Film?


    LG
    Raphael

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • In der Version, die ich habe, ist nur die Musik drauf, die für den Film komponiert wurde. Da ich bislang nur die Musik kenne und noch nicht den Film, bin ich umso gespannter, wie diese Musik im Film wirkt.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • :D
    Sehr, sehr befremdlich - die Musik ist ja teilweise so spannend (zumindest der Gesamt-Soundtrack), dass man sich wirklich denkt (wenn man den Film noch garnicht kennt) "JETZT gibts Blut!"
    Das ist allerdings dann in der Regel quatsch, weil der Film wie gesagt nicht sonderlich blutig ist und verhältnismäßig wenig Menschen vorsätzlich getötet werden.
    Man möchte fast die Kritik äußern, die Musik passe nicht zum Film - aber gerade wegen der Vielfältigkeit der eingesetzten Sile und der "Deplatzierung" (so kam es mir zumindest oberflächlich betrachtet/gehört vor) vermute ich wie gesagt einen höheren Symbolcharakter im Soundtrack!
    Also wenn du den Film noch nicht kennst, dann kann ich ihn dir auf jeden Fall empfehlen!


    LG
    Raphael

  • Hallo Raphael,


    ich schrieb bereits vor einigen Wochen im Thread "Klassische Musik im Kino" (oder so ähnlich...) von meinen Eindrücken hinsichtlich der Musik dieses großartigen Films. Jonny Greenwoods Musik ist außergewöhnlich gut. Etwas geärgert hatte ich mich, dass der Soundtrack nicht für einen Oscar nominiert war, stattdessen wieder die gleichen ermüdenden Breitwand-Filmmusiken. Allerdings mag das auch (neben des verknöcherten Alters der Academy-Mitglieder) daran liegen, dass Greenwood die meiste Musik geklaut hat. Nämlich bei sich selbst. Vieles davon, was im Film tönt, hatte er bereits für sein letztes Solo-Album geschrieben und veröffentlicht.


    Von Pärt ist meines Wissens "Fratres" für Violine und Klavier im Film vertreten. Und halt das Karajansche Brahms-Violinkonzert (ich war mir nicht sicher, welche Einspielung, aber irgendwie tippe ich doch auf die mit Ferras...?)


    Zu der Bush-Theorie: Der Regisseur Paul Thomas Anderson, den ich schon seit "Magnolia" für einen der spannendsten jungen Filmemacher halte, äußerte, dass er während seiner Promotion-Tour durch Europa permanent mit diesen Analogien konfrontiert wurde. Und dass ihm das - angeblich - überhaupt nicht im Sinn war, sondern er statt dessen eine Essenz aus dem Roman "Oil" von U. Sinclair ziehen wollte. Diese Idee entwickelte er bereits zu einer Zeit, als Bush noch gar nicht im Amt war.


    Natürlich passt's irgendwie gerade in die Zeit, dennoch möchte ich vorsichtig sein beim Überinterpretieren und begnüge mich einfach erst einmal mit dem ohnehin interessant genug erscheinenden Thema, wie die zwei großen K's - Kapital und Kirche - das Wesen Amerikas geformt haben.


    LG
    B.

  • Wie auch immer der Autor seine Intention erklärt, der Zuschauer im Jahr 2008 sieht den Film mit eigenen Augen und dem eigenen Background. Ein Kunstwerk, das man aus der Hand gibt, gehört einem eben nciht mehr selbst. So war das allezeit.
    Ich finde den Film auch grossartig gemacht/gespielt und für mch stand insbesondere die Idee des "American Dream" der sich ja schon lange nciht mehr nur auf Amerika begrenzt, im Vordergrund.
    Jeder , der hart und skrupellos genug ist, kann es ganz nach oben schaffen, auch wenn er buchstäblich im Dreckloch angefangen hat. Der Film zeigt den Preis, den es dafür zu zahlen gibt.
    Mich persönlich stört an diesem Film seine radikale Eindimensionalität und Verweigerung jeder sympathischen Gegenseite der "Helden". Das macht ihn vollkommen unmenschlich, brutal(auch ohne viel Blut) und bis zu einem gewissen Grade unglaubwürdig.
    Eine solche Psycho-Bestie von Mensch kann man zu leicht abschieben ins Reich des Schreckens und sagen: damit haben wir ncihts zu tun. (ich meine sowohl Eli als auch den Ölmann)
    Ohne heir in irgendeiner Weise vergleichen zu wollen, aber mich erinnert diese Haltung an die Dämonisierung der Gewalttäter und Tyrannen und die daraus folgende Reinwaschung aller Mitläufer und weniger Bestialischen, aber umso Gefährlicheren.


    Gut, dass hier die Musik so ausführlich angesprochen wird, denn darum hatte ich mir bis dato keine grossen Gedanken gemacht. Was nur zeigt, wie organisch sie mir in den Film integriert erschien


    F.Q.

  • Lieber Barbirolli,


    ich konnte tatsächlich Stücke aus dem Soloalbum Bodysong im Film hören, der erstmal setzen muss, allerdings sind diese Stücke nicht auf dem Soundtrack selbst drauf.


    Im Film ist z. B. das Stück Convergence enthalten, welches erklingt, als das Öl zum ersten Mal fließt. Dieses Stück empfand ich auf Bodysong als eines der beeindruckendsten. Allerdings wurde es leicht umarangiert. Anstatt nur Percussionelemente eingesetzt werden, wird die Klimax des Stückes mit Streichern unterlegt, was mir noch mehr ein mulmiges Gefühl in die Magengegend trieb.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich würde den Bezug zu Bush nicht zu stark betonen. Hier wird nicht in Zwischentönen gemalt, sondern hier geht es direkt zur Sache. Es ist grundlegendes, was mit diesem Film angesprochen wird. Das Grundlegende darf natürlich weitergeadacht werden. Auch ein Bush ist da nur eine Facette.


    Ich finde den Film in seiner Kompromislosigkeit sehr konsequent. Ich mache mir keine Gedanken über die wirklichen Gefühle des Ölmannes gegenüber seinem Mündel. Ich nehme hin, was passiert. Auch er wird sich nicht wirklich klar sein. Das ganze wird bewusst offen gehalten. So sehr der Film dazu anregen möge, die Charaktere zu hinterfragen, desto weiter nach hinten stelle ich das. Ich lasse das ganze erstmal auf mich wirken.


    Auf jeden Fall einer der besseren Filme, die ich in der letzten Zeit gesehen habe. :beatnik: Die Motivation dieses Filmes dürfte allerdings sehr klar sein. Viele Fragen wirren in meinem Kopf im Moment durcheinander.


    So und jetzt machen wir einen Film über Hedgefonds mit Leonore Di Carprioli bitte. Und das genauso gut :pfeif:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon