Karajan vs. Celibidache - Feuer und Wasser ?

  • Dies ist der erste der angekündigten "Karajan vs ....." Threads - ein riskantes Experiment zugegebenermaßen ....


    Jedoch- die Aufmerksamkeit, die diesen Themen - vor allem von Leserseite entgegengebracht wird - rechtfertigt die Themenstellung


    Karajan versus Celibidache - ein nicht unlogischer Beginn einer Threadserie - und ein -wenn Interesse besteht (hier meine ich nun die MITSCHREIBER) nicht unergiebiger.


    Wie bekannt, sah sich ja Celibidache bereits als Nachfolger von Furtwängler als Chef der Berliner Philharmoniker, als dieser 1954 starb, jedoch fiel die Wahl auf den Rivalen Karajan, worunter Celi sein Leben lang litt.


    Er verglich Karajan dereinst sogar mit "Coca Cola" und das war aus seiner Sicht damals nicht als Kompliment gedacht. Indes die Menschen liebten Coca Cola - und auch Karajan.


    Die Wahl als Orchesterchef der Berliner Philharmoniker fiel unter anderem auf Karajan, weil Celi als "schwierig" und "unbequem" galt - ein klassischer Fall von "Doppelmühle" und "Blauaugigkeit"


    Was wäre aus den "Berlinern" geworden, hätte CELI vierzig Jahre das Zepter - äh den Taktstock meine ich natürlich - in der Hand gehabt ?


    Welche Ähnlichkeiten - Verschiedenheiten ortet ihr bei diesen beiden Dirigenten ? Oder waren sie gar nicht sooo verschieden ????
    Und zum Threadtitel passen: Wer war Feuer ? - wer Wasser ?



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Name Celbidache war mir - zu meinem Beschämen, muß ich sagen - bis vor ein paar Jahren gar nicht geläufig. Er hat m.E. nie den Bekanntheitsgrad Karajans erreicht, ja nicht im Mindesten.


    Celibidaches Repertoire war auch viel kleiner, soweit ich weiß. Er nahm doch nie eine Oper auf, oder?


    Es fehlt daher schlichtweg oft die Möglichkeit eines Vergleichs der Aufnahmen der beiden - auch bedingt durch Celibidaches Abneigung gegen Studio-Aufnahmen.


    Ich persönlich habe nur extrem wenig von Celibidache (u.a. Bolero, Meistersinger-Ouvertüre), bin daher wohl der Falsche, um mir ein abschließendes Urteil zu bilden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ein richtiger "Karajan vs. Celibidache" Thread muss zur richtigen Einstimmung natürlich mit der nachfolgenden Anekdote eröffnet werden :D.


    Die Spiegelausgabe Nr. 16/89 enthielt einen Artikel über den Dirigenten Sergiu Celibidache. Darin wurde auch eine Auswahl der berüchtigten Ausfälle Celibidaches gegen tote und lebende Kollegen zitiert:


    "Karajan – schrecklich. Entweder ist er ein guter Geschäftsmann, oder er kann nicht hören. Hans Knappertsbusch – ein Skandal. Unmusik bis dorthinaus. Arturo Toscanini – eine reine Notenfabrik. Karl Böhm – ein Kartoffelsack, dirigierte noch keinen einzigen Takt Musik in seinem Leben."


    Darauf verfasste der Dirigent Carlos Kleiber ein "himmlisches" Telex Toscaninis an Celibidache:


    ****


    Telex von Toscanini (Himmel) an Celibidache (München):


    Lieber Sergiu!


    Wir haben im »Spiegel« von Dir gelesen. Du nervst, aber wir vergeben Dir. Es bleibt uns nichts anderes übrig: Vergeben gehört hier zum guten Ton. Kartoffelsack-Karli erhob einige Einwände, aber als Kna und ich ihm gut zugeredet und ihm versichert haben, dass er musikalisch sei, hörte er auf zu lamentieren.


    Wilhelm behauptet jetzt plötzlich steif und fest, dass er Deinen Namen noch nie gehört hat. Papa Joseph, Wolfgang Amadeus, Ludwig, Johannes und Anton sagen, dass ihnen die zweiten Violinen auf der rechten Seite lieber und dass Deine Tempi alle falsch sind. Aber eigentlich kümmern sie sich einen Dreck drum. Hier oben darf man sich sowieso nicht um Dreck kümmern. Der Boss will es nicht.


    Ein alter Meister des Zen, der gleich nebenan wohnt, sagt, dass Du den Zen-Buddhismus total falsch verstanden hast. Bruno hat sich über Deine Bemerkungen halb krank gelacht. Ich habe den Verdacht, dass er Dein Urteil über mich und Karli insgeheim teilt. Vielleicht könntest Du zur Abwechslung mal auch was Gemeines über ihn sagen, er fühlt sich sonst so ausgeschlossen.


    Es tut mir leid, Dir das sagen zu müssen, aber hier oben sind alle ganz verrückt nach Herbert, ja die Dirigenten sind sogar ein klein bisschen eifersüchtig auf ihn. Wir können es kaum erwarten, ihn in etwa fünfzehn bis zwanzig Jahren hier herzlich willkommen zu heißen. Schade, dass Du dann nicht dabei sein kannst. Aber man sagt, dass dort, wo Du hinkommst, viel besser gekocht wird und dass die Orchester dort unten endlos proben. Sie machen sogar absichtlich kleine Fehler, damit Du sie bis in alle Ewigkeit korrigieren kannst.


    Ich bin sicher, dass Dir das gefallen wird, Sergiu. Hier oben lesen die Engel alles direkt von den Augen der Komponisten ab, wir Dirigenten brauchen nur zuzuhören: Nur Gott weiß, wie ich hierher gekommen bin.


    Viel Spaß wünscht Dir in aller Liebe


    Arturo


    ****


    Loge

  • Ich muß gestehen, ich habe mit Celibidache ein noch größeres Problem als mit Karajan. Oder vielleicht auch ein kleineres. Weil Celibidache mit seinem relativ begrenzten Repertoire mir weniger Musik vergällt. Aber was er mir vergällt, vergällt er mir intensiver als Karajan.


    Celibidache ist ebenfalls ein Meister der Selbstinszenierung gewesen - und auch einer, der sich als erleuchteter Musik-Priester präsentiert hat, was ich eben nicht sonderlich schätze. Dazu kommt seine seltsame Verweigerung, zu Lebzeiten CD-Aufnahmen zu veröffentlichen. Mit Ausnahme einer Milhaud-hörigen eigenen Komposition, "Der Taschengarten". Andererseits: Videos gab's schon. Denn wenn man der Weihehandlung ansichtig werden konnte, war alle Verweigerung gegenüber der Konserve vergessen.


    Boshaft gesagt: Celibidache ertrug es nicht, nicht gesehen zu werden.


    Was ich an Live-Aufführungen und Aufnahmen gehört habe, ist teilweise ziemlich gut, teilweise uninteressant, und einiges ist auf eine Weise kurios, daß man nicht einmal von "schlecht" sprechen kann.


    Meiner Meinung nach hatte Celibidache von zwei Dingen wenig Ahnung - bzw. ignorierte er bewußt diese Parameter: Klang und Tempodramaturgie.


    Der Klang des Celibidache-Orchesters ist stumpf, Höhepunkte definieren sich eher durch Kraft als durch Glanz, leise Stellen muten an wie unter einem Tuch gespielt. Absichtliches Ablenken von einer genußfördernden polierten Oberfläche soll das gewesen sein. Arme Komponisten, die ihr Geistesschmalz auch in die Instrumentierung investierten.


    Celibidaches Tempi - ja, langsam, klar, weiß man. Aber spannungsgeladen? Nicht für mich. Im Gegenteil: Ohne Puls, man hat das Gefühl, die Musik steht oder steckt in einem Sumpf. Das ist weit entfernt von den Bögen, die ein Furtwängler, ein Knappertsbusch, ein Bernstein und auch ein Karajan jeder auf seine Weise zu erzeugen vermochten. Bei keinem anderen Dirigenten empfand ich Bruckners Adagi so enervierend schwach wie bei Celibidache.


    Um zu erfahren, was Celibidache einem Werk antun kann, höre man sich drei der EMI-Einspielungen an: Bruckners Neunte, die nicht vom Fleck kommt und nur altersmüde wirkt, Bartóks "Konzert für Orchester" mit seinen grotesken Tempoverzerrungen, die Bartóks minutiösen Partiturangaben Hohn sprechen, und Prokofjews "Classique", die nie vorher und nie nachher so stumpf und schwerfällig geklungen hat.


    Was man Celibidache nachrühmen muß, ist, daß er es, ähnlich Karajan, verstanden hat, eine Gemeinde von Gläubigen um sich zu scharen. Der Unterschied ist nur, daß Karajan nicht nur gläubige Gemeindemitglieder (und natürlich auch Gegner) hat, sondern auch zahlreiche Menschen, die in Karajan vielleicht nicht den besten, aber einen wichtigen Dirigenten sehen, bei dem vieles/einiges gut und einiges/vieles weniger gut ist. Celibidache hat meiner Meinung nach fast nur Gemeinde-Mitglieder hinter sich. Diejenigen, die bei Celibidache differenzieren, sind eine Minderheit.


    Dennoch möchte ich Celibidache rühmen. Durch seine Ausfälle gegen andere Dirigenten ist schwarz auf weiß ein Dokument von Carlos Kleibers brillantem Humor erhalten geblieben.


    Und dafür muß man Celibidache wirklich dankbar sein.


    :hello:

    ...

  • Das zu zitieren - den Carlos Kleiber alias Toskanini - ist das Beste, was ich bisher bei den Taminos gefunden habe.


    Danke, Loge !!!!


    Lieben Gruß aus Bonn :jubel::hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Ich empfinde, ohne es ähnlich differenzieren zu können, ähnlich wie Edwin. Die zwei Aufnahmen, die ich mit C. kenne, zeigen einen jungen, sehr wichtigtuerischen Dirigenten (der mir im ersten Moment wie eine Mussolini-Parodie vorkam), und dann einen alten Guru, der ein bißchen brabbelt.
    Die wenigen Aufnahmen, die ich von ihm habe, habe ich nie zu Ende gehört.


    (ich muß nochmal nachschauen, es sind: Romeo und Julia von Prokowjew, Tchaikovsky und Berlioz, alter Mozart und Bruckner, glaube ich)


    Auch ich empfand die Tempi nicht einmal als manieriert, sondern als fade, den Orchesterklang als stumpf, manchmal fast erstickt. Es ist mir jedenfalls bis heute nicht in den Sinn gekommen, die Aufnahmen wieder einzulegen. Und die erleuchteten Celi-Jünger, das ist auch so ein halbesoterisches Völkchen. Not my cup of tea!


    Kleiber hat seine kleine Gehässigkeit höchstselbst an den Spiegel gesandt, da muß ihm schon der Kragen geplatzt sein. Denn ansonsten beschränkte er sich ja auf Bosheiten im Gespräch bzw. auf Postkarten. Der letzte Brief an Umbach, den dieser im Spiegel veröffentlicht hat, strotzt ja auch vor mokanter Gemeinheit!



    LG,


    Christian

  • Was haltet ihr eigtl. von Celibidaches Tempi beim Bolero? Ich glaube, niemand braucht länger (über 18 Min.).
    Karajan ist mit knapp 16 Min. wohl im Rahmen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Celibidaches Tempi - ja, langsam, klar, weiß man. Aber spannungsgeladen? Nicht für mich. Im Gegenteil: Ohne Puls, man hat das Gefühl, die Musik steht oder steckt in einem Sumpf.


    Ja, das habe ich auch mehrmals so empfunden.
    Da fällt mir ein, dass ich vor einigen Monaten im dem Thread für die Beratungshilfe bei Neuanschaffungen gefragt habe, ob Celi das Adagio in Bruckners Siebter tatsächlich so langsam gespielt habe, ob es noch langsamere gebe, weil ich jedenfalls eines möglichst langsame Interpretation hören wollte.


    Als ich die CD mit Celi dann hatte, war ich sehr enttäuscht. Sie war zwar so langsam, wie ich erhofft hatte, aber Spannung und Dramatik baute sich nicht wirklich auf, vorallem weil die feinsinnigen Streichermotive, die sich langsam aufbauen, steigern und schließlich explodieren nicht wirklich gut herausgearbeitet waren, sondern nur Teil eines Klangbreis waren, aus dem sie sich nicht hervorheben konnten, und so glich die Musik nicht dem Aufbau einer Kathedrale, die sich schließlich zum Licht hin öffnet, sondern einer Ruine, die von schwerfälligen Eseln abtransportiert wird.
    (Aber erfahrungsgemäß kann sich so eine Einschätzung bei mir immer sehr schnell verändern.)


    Dazu kommt jedenfalls noch, dass ich Celibidache ziemlich unsympathisch finde, weil ich den Eindruck habe, als handle es sich bei ihm um einen dieser New-Age-Esoterischen-Wohlstands-Buddhisten, die irgendwie versuchen wollen, durch die Musik den Kontakt von Vater Sonne und Mutter Erde wieder herzustellen, irgendeinen Pseudo-Spirituellen Bullshit labern, aber gleichzeitig egozentrische, unfreundliche und humorlose Kotzbrocken sind.
    :untertauch:
    Da lobe ich mir doch einen Messiaen!
    :]

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Original von Marc
    [...] und so glich die Musik nicht dem Aufbau einer Kathedrale, die sich schließlich zum Licht hin öffnet, sondern einer Ruine, die von schwerfälligen Eseln abtransportiert wird.


    Grandiose Beschreibung. :hahahaha:


    Zitat

    Original von Marc
    Dazu kommt jedenfalls noch, dass ich Celibidache ziemlich unsympathisch finde, weil ich den Eindruck habe, als handle es sich bei ihm um einen dieser New-Age-Esoterischen-Wohlstands-Buddhisten, die irgendwie versuchen wollen, durch die Musik den Kontakt von Vater Sonne und Mutter Erde wieder herzustellen, irgendeinen Pseudo-Spirituellen Bullshit labern, aber gleichzeitig egozentrische, unfreundliche und humorlose Kotzbrocken sind.
    :untertauch:


    Auch ich finde Celibidache nicht besonders sympathisch.
    Mir kommt es in seinen Videos beinahe so vor, als habe er noch viel größeren Selbstinszenierungsdrang als Karajan - und das, obwohl man das ja eigtl. dem nachsagt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.
    Was haltet ihr eigtl. von Celibidaches Tempi beim Bolero? Ich glaube, niemand braucht länger (über 18 Min.).
    Karajan ist mit knapp 16 Min. wohl im Rahmen.


    Also den Bolero unter Celi kenne ich nicht, aber ... ich könnte mir vorstellen, dass seine Interpretation ziemlich grauenhaft ist. Mir persönlich gefiel da Lorin Maazel am Besten - zusammen mit Karajan, der zwar auch nicht sooo schnell ist, aber trotzdem sehr spannungsgeladen musizieren lässt.


    Ich glaube, es gibt ja auch diese Anekdote, nachdem Ravel Toscanini vorgeworfen hätte, er habe ihn viel zu schnell dirigiert, immerhin sei als Tempo "moderato assai" vorgeschrieben.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Liebe Taminoianer:


    Irgendwie war ich schon überrascht, daß gerade dieser Thread so stockend zu laufen begann. Aber schon die bisherigen - relativ wenigen- Beiträge sind es wert gelesen zu werden, finde ich jedenfalls.


    CELIBIDACHE versus KARAJAN - das ist in meinen Augen ein ideales Spannungsfeld für einen Thread. Soo viele Unterschiede -Soo viele Ähnlichkeiten.


    Ich zähle mich nicht zu den fanatischen Celi Jüngern, habe den Maestro also erst posthum gehört. Und natürlich habe ich einiges von dem gelesen was er geschrieben hat - so zum Beispiel die Behauptung, daß seine (CELIS) Interpretation nur am Ort des Geschehens zu voller Entfalltung kommen kann - und sich auf der Konserve nicht offenbart.
    Auf diese Weise konnte er der Schallplattenkritik zu Lebzeiten erfolgreich ausweichen.


    Ich habe mit einigen seiner Aufnahmen die PRobe aufs Exempel gemacht - und bin zu dem Schluß gekommen, daß sie nicht stimmt.
    Gute Kopfhörer vorausgesetzt (AKG 500 in meinem Fall) ist das Klangbild nicht stumpf, sondern allenfalls rund und wuchtig, aber auch blühend. Diesem Aufblühen räumt CELI hohe Priorität ein - mehr als rhythmischen Strukturen. Die Tempi - breit und schwer - manchen Werken liegt das- anderen weniger - manche werden dadurch verfälscht - interessant verfälscht natürlich.Ich wusstre sogleich, daß CELI live einst sicher ein Ereignis gewesen sein muß - ein Ereignis, das durch die auch heute noch sehr verfälschende Aufnahmetechnik zwar stark gefiltert wurde - aber demjenigen der das will - in Ansätzen vermittelt wird.


    Zitat

    Boshaft gesagt: Celibidache ertrug es nicht, nicht gesehen zu werden.


    Aber Edwin - DUU bist Doch niemals boshaft wenn Du Kritiken oder Beiträge schreibst.....


    In der Tat war CELI maßlos von sich eingenommen - hier übertraf er sicher Karajan bei weitem. (der den "Starkult" um seine Person zwar sicher nicht mochte - er war introvertiert - aber erkannte, daß er ein hervorragendes , wenn nicht das einzige taugliche Vehikel war - um seine künstlerischen Vorstellungen (und Karajan hatte künstlerische Vorstellungen) durchzusetzen.)
    CELI hingegen VERWEIGERTE SICH den Medien aus Rache, weil man ihn nicht zur Nummer eins gekürt hatte - eine Denkungsart die mir nicht ganz fremd ist. Er gestattete die Veröffentlichung seiner mitgeschnittenen Aufnahmen erst nach seinem Tode, um der Musikwelt zu zeigen was ihr alles entgangen war.
    An sich eine perfekte Starategie - ich hätte es nicht anders machen können.
    Alledings war die Wahl seiner Erben, die EMI mit der Veröffentlichung des musikalischen Erbes zu betrauen, eine IMO nicht allzu glüclkliche......
    In klangtechnischer Hinsischt war es vielleicht für die Klassikhörert ein segen - man verzichtete bei EMI auf tiefgreifende Eingriffe in den Klan der ohnehin nicht so schlechten Bänder und baute den Applaus geschickt eins statt ihn wie bei manch andernen Labels wegzuschneiden und das mit abgeschnittenen Hallfahnen zu bezahlen.
    Der Deutschen Grammophon hätte ich - hätte man die Bänder ihr überlassen - eine wirkungsvolle PR-Kampagne zugetraut und eine langfristigere Veröffentlichungsstrategie.


    So machen halt wir bei Tamino die Hausaufgaben der Tonträgerindustrei - und das noch ohne Entgelt - nämlich das Andenken an einen der EIGENWILLIGSTEN (und hierin besteht der Reiz Celibidaches !!!) und gleichzeitg KONSEQUENTESTEN Dirigenten des späten 20. Jahrhunderts wachzuhalten.


    Und natürlich auch an den wunderbaren Klang der Münchner Philharmoniker in seiner Ära....


    Es ist müssig aber gleichzeitg interessant, darüber nachzudenken, was Celibidache an Stelle Karajans aus den Berliner Philharmonikern gemacht hätte.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,

    Zitat

    Es ist müssig aber gleichzeitg interessant, darüber nachzudenken, was Celibidache an Stelle Karajans aus den Berliner Philharmonikern gemacht hätte.


    Im Grunde mag ich diese "was wäre, wenn"-Fragen nicht sonderlich. Sie sind rein spekulativ, da es keine Anhaltspunkte gibt. Ich glaube obendrein, im speziellen Fall geht die Sache tiefer. Ich werde das Gefühl nicht los, daß Celibidache es nie verwunden hat, nicht Dauer-Chef in Berlin zu werden. Meiner Meinung nach hat diese Zurücksetzung hinter einen stromlinienförmigen Top-Star erst zu seiner totalen Verweigerungshaltung getrieben - und zwar nicht nur gegenüber Tonträgern ohne Bild, sondern auch gegenüber dem Orchesterklang. Was Karajan an Luxus bot, machte Celibidache auf der anderen Seite an Armseligkeit wett. Und, lieber Alfred, armselig war sein Klang - ich hab's live auch erlebt und war entsetzt, wie mehlig und desinteressiert an Balancen und Intonationen diese Aufführungen waren.
    Für mich ist der ganze Celibidache eine bewußt vorgenommene Konstruktion, denn hätte er seine Philosophie tatsächlich aus dem Inneren heraus gelebt, hätte es weder seine Ausritte noch sein diktatorisches Verhalten geben können. Marc analysiert das weiter oben glänzend:

    Zitat

    weil ich den Eindruck habe, als handle es sich bei ihm um einen dieser New-Age-Esoterischen-Wohlstands-Buddhisten, die irgendwie versuchen wollen, durch die Musik den Kontakt von Vater Sonne und Mutter Erde wieder herzustellen, irgendeinen Pseudo-Spirituellen Bullshit labern, aber gleichzeitig egozentrische, unfreundliche und humorlose Kotzbrocken sind.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Meiner Meinung nach hat diese Zurücksetzung hinter einen stromlinienförmigen Top-Star erst zu seiner totalen Verweigerungshaltung getrieben - und zwar nicht nur gegenüber Tonträgern ohne Bild, sondern auch gegenüber dem Orchesterklang.


    Das deckt sich in etwa mit meinen Eindrücken. Von den EMI-Aufnahmen besitze ich den erwähnten Bruckner sowie Mussorgskys Bilder und Strawinsky. Allesamt ganz entsetzlich enttäuschend, weil - wie oben bereits erwähnt - frei von jeglichem Willen, in irgendeiner Weise zu gestalten und zu klingen.


    Allerdings - und das könnte die spätere Verweigerungshaltung aufgrund eines beschädigten Egos erklären - klingen zwei alte italienische Aufnahmen (Schubert) mit dem RAI-Orchester ganz anders. Hier hört man ziemliches Feuer trotz einer auch hier vorherrschenden langsamen Tempowahl. Leider ist die Aufnahmequalität unterirdisch...


    LG
    B.

  • Eine ganz kleine Lanze muß ich doch einmal für Celibidache brechen: Es gibt nicht nur die Veröffentlichungen der EMI mit den Münchner Philharmonikern (von denen besitze ich nur die Aufnahme von Bruckners 8. und die ist als Kontrastprogramm durchaus "hörbar"), sondern auch die der Deutschen Grammophon mit Aufnahmen, die in der Zeit mit dem RSO Stuttgart enstanden.


    Dort präsentierte sich Celibidache noch ein wenig anders.


    Ich besitze die Aufnahme mit Brahms' 2. und 3. Sinfonie und habe beispielsweise die beiden langsame(re)n 2. Sätze selten so kantabel und liebevoll ausmusiziert erlebt. Des Weiteren überraschte der schnelle, fast aggressive Zugriff auf den 1. Satz der 3. Sinfonie. "Seinen Brahms" beherrschte er schon in Stuttgart.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Kennt eigentlich zufällig jemand diese CD hier:



    Auf Milhaud bin ich mal durch Michael Korstick aufmerksam geworden und das Konzert für Marimba und Vibraphon habe ich mal live aber "nur" von Studenten gespielt gehört. Aber Celi und Milhaud ... hm. Wäre zumindest mal interessant, aber es gibt leider keine Möglichkeit, übers Netz herein zu hören.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Allesamt ganz entsetzlich enttäuschend, weil - wie oben bereits erwähnt - frei von jeglichem Willen, in irgendeiner Weise zu gestalten und zu klingen.


    Ich kann den ersten Teil des Satzes durchaus akzeptieren - den zweiten indes nicht.


    Sowas will erklärt sein:


    Es ist klar, daß man so ziemlich von allem enttäuscht sein kann, wenn das "Gelieferte" nicht mit der Erwartungshaltung des Enttäuschten in Einklang zu bringen war oder ist.


    daran gibt es nichts zu rütteln



    Nun zur zweiten Aussage:


    Man kann Celibidache vieles vorwerfen, beispielsweise zu langsame Tempi, eignewillige Werksauffassung, breiigen Klang (ich empfinde das NICHT so), oder das Gefühl die Musik steht, wie Edwin es formulierte..etc etc..


    JEDOCH: Mangelnder Gestaltungswille - das kann man Celi nIMO NICHT vorwerfen - sein Dirigat ist - wenn man ein Werk gut kennt - immer sehr
    typisch.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Marc,


    ich hatte sie mal in meinen Unverzichtbaren gepostet, weil ich das Milhaud-Konzert echt toll fand (und immer noch finde), auch in der Celi-Einspielung. Der Roussel ist mir nicht sehr nahe gegangen, einige im Forum haben diese Interpretation auch sehr abqualifiziert.



    LG, Peter.

  • Kommen wir also zurück auf Karajan vs. Celibidache. Den zweiten habe ich live in Köln gehört. Und zu dem Zeitpunkt war er auch schon "Kult". Das ist sicherlich ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte. Plattenfirmen vermarkten gerne den letzten lebenden Alten. Günter Wand, ein exzellenter Dirigent, hat auf Schallplatte erst eine Alterkarriere gemacht. Celi auch.


    Mit Herbert von Karajan ist er freilich nicht vergleichbar. Die Threadfrage ist insofern auch nicht sonderlich zielführend. Genausogut könnte ich fragen: Hannoveraner vs. Kaltblut (ich bin jetzt bei der Reiterei). Das sind völlig unterschiedliche Dinge. Niemals hätte Celi sich so an ein Orchester gebunden wie Karajan. Auch halte ich Karajan für einen demütigeren Diener an der Musik als Celi. Beide haben fabelhafte Tondokumente hinterlassen (und auch einiges Unmögliches). Das Gelungene überwiegt allerdings bei Karajan. Schon der erhaltenen Fülle wegen. Posthum bekommt nun auch Celi seine Plattenfangemeinde. Karajan hatte sie bereits zu Lebzeiten. Mit Recht, wie ich finde. Bei allem Respekt vor einzelnen Celibidache-Deutungen (die nun hochoffiziell aus den Archiven veröffentlicht werden): sein dokumentiertes Werk wird posthum gefleddert und veröffentlich, um eine Figur Celibidache ökonomisch zu positionieren. Karajan braucht das nicht. Der war ehrlich, authentisch und identifizierbar. Auch wenn heutige Sichtweisen ganz andere sind.


    Doch bitte: keine Vergleiche mit Celibidache. Und ähnlichen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Auch halte ich Karajan für einen demütigeren Diener an der Musik als Celi. Beide haben fabelhafte Tondokumente hinterlassen (und auch einiges Unmögliches). Das Gelungene überwiegt allerdings bei Karajan. Schon der erhaltenen Fülle wegen. Posthum bekommt nun auch Celi seine Plattenfangemeinde. Karajan hatte sie bereits zu Lebzeiten. Mit Recht, wie ich finde. Bei allem Respekt vor einzelnen Celibidache-Deutungen (die nun hochoffiziell aus den Archiven veröffentlicht werden): sein dokumentiertes Werk wird posthum gefleddert und veröffentlich, um eine Figur Celibidache ökonomisch zu positionieren. Karajan braucht das nicht. Der war ehrlich, authentisch und identifizierbar. Auch wenn heutige Sichtweisen ganz andere sind.


    Skandal, noch ein "Karajaniter" in diesem Forum :stumm: !
    Spaß beiseite, ich habe das Gefühl, das bis kurz nach seinem Tod "Guru" Celibidache ein absoluter Geheimtipp war. Derzeit ist die "Plattenfangemeinde" eher in den Löchern verschwunden. Hat das nicht auch damit zu tun, daß er endlich einen ähnlich charismatischen Nachfolger bei den Münchnern bekommen hat?! Darauf gründet sich ja vielleicht auch der Ruhm des "anderen".
    Ich konnte mit seinem Bruckner (im Gegensatz zu Karajans oder Wands Bruckner) nie etwas anfangen, muß aber zugeben, nicht alle Sinfonien gehört (ertragen) zu haben.
    Interssant ein 6-teiliges Porträt, auch zur Frage, wieso die Berliner sich dann doch für Karajan entschieden: *ttp://www.youtube.com/watch?v=tKap7mPjamo

  • Zitat

    Zitat Flotan
    Spaß beiseite, ich habe das Gefühl, das bis kurz nach seinem Tod "Guru" Celibidache ein absoluter Geheimtipp war.


    Nein, war er nicht. Man wußte durchaus, daß es Celibidache gab. Nur das Nachhören war kompliziert. Die Video-Bänder waren von eingeschränkter Tonqualität, und die illegal veröffentlichten Mitschnitte wurden zu abenteuerlichen Preisen gehandelt. Wenn Celibidache live auftrat, waren hingegen die Säle (zumindest in Wien) überfüllt, das Linzer Brucknerfest hatte vier bis fünf Mal so viele Anfragen wie Karten zur Verfügung standen etc.


    Nur darf man jetzt nicht daraus ableiten, Celibidache habe das Zeug zum Gegen-Karajan gehabt. Meiner Meinung nach wußte Celibidache sehr genau, daß er dieses Zeug eben nicht hatte, und statt sich mit einem zweiten oder dritten Platz zufrieden zu geben, betrieb er eben die Verweigerung. Dadurch legte er sich die Aura des Besonderen zu, des Geheimnisumwitterten, und zog dadurch einen wesentlich breiteren Publikumskreis an, als es ihm aufgrund seiner interpretatorischen Fähigkeiten möglich gewesen wäre.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    betrieb er eben die Verweigerung. Dadurch legte er sich die Aura des Besonderen zu, des Geheimnisumwitterten, und zog dadurch einen wesentlich breiteren Publikumskreis an


    Ich bin froh, daß ich abgesehen von der persönlichen Sympathie zu Edwin, auch einmal sachlich mit ihm einer Meinung bin.


    Die Verweigerung war der geschickteste Schachzug Celis.


    Und nun wieder mein "aber"


    Celi hatte mit den Münchner Philharmonikern einen guten Klangkörper, aber nicht unbedingt ein Orchester der ersten Reihe zur Verfügung - das wurden sie erst in seiner Ära.


    Mit den Berlinern wäre das vielleicht leichter gewesen ...(?)


    Auch die "Beschimpfungen" anderer Dirigentenkollegen war wahrscheinlich eher ein strategischer Schachzug:
    Wie gut musste ein Dirigent sein, der solch "strenge Urteile" über prominente Kollegen abgab.


    Er gewann dadurch an Interesse -
    und verlor gleichzeitig an Sympathien -
    wenn er je welche hatte.......


    Das "Desinteresse" an seinen Aufnahmen hat IMO sein Label "verschuldet". Man ging dort - so scheint mir - a priori
    von der Annahme aus, Celis Nachruhm würde von kurzer Dauer sein.
    So verscherbelte man (zumindest in Wien) Celis Aufnahmen über Wochen hindurch zum halben Preis - etwas, das zwar schnell Geld einfährt - aber der Langzeitvermarktung definitiv im Wege steht - eine selbsterfüllende Prophezeiung gewissermaßen.


    Abgesehen von der Selbstinszenierung
    (Karajan hat sich EIGENTLICH NICHT WIRKLICH selbst inszeniert - das besorgten andere für ihn - seine Anwesenheit alleine genügte schon um "ehrfürchtiges Schweigen" zu erzielen.)
    haben die beiden Dirigenten glücklicherweise fast nichts gemeinsam.
    Glücklicherweise- weil ich die Interpretationsvielfalt liebe.


    Während Celi stets in esoterischen Sphären schwebte - war Karajan - zumindest in Sachen Musik - ein kühler Analytiker, Planer und Denker.


    Ich war nicht mehr ganz jung, als ich Karajan erstmals im Interview HÖRTE. Die brüchige krächzende Stimme war mir von Anbeginn an unsympathisch - ein negativer Ersteindruck also.
    Der war aber schon nach wenigen Minuten total weggewischt.
    Karajan konnte das was er wollte stets begründen - er tat dies zumeist in knapper Form - egal ob er im Einzelnen nun recht hatte oder nicht - sein Gedankengang war stets nachvollziehbar.


    BTW:
    Ich fürcht nun in Edwins Gunst zu sinken -
    Meine "KARAJAN VERSUS" Threads haben ihn bereits ZWEIMAL
    sagen lassen, daß KARAJAN der bessere Dirigent als sein
    Konkurrent gewesen sei - in einem Fall war das SOLTI, im andern CELIBIDACHE...


    Jetzt noch schnell einen Thread LEVINE vs. Karajan.....aber ich weiß nicht ob ich mich das trau......... :hahahaha:


    EDIT:


    Loges Rat, sich mal den jungen Celi mit den Berlinern (Beethoven: Egmont-Ouvertüre") anzusehen und anzuhören - der link ist einen Link oberhalb - habe ich befolgt - und kann der Empfehlung wärmstens beipflichten (ich bin eben nicht IMMER einer Meinung mit Edwin)



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von flotan
    Skandal, noch ein "Karajaniter" in diesem Forum :stumm: !


    Ich verstehe schon, wie Du das meinst, lieber Flotan.


    Ob Celibidache ein Geheimtip war hängt auch von der Persepektive des Urteilenden ab. Medial gepushed wurde er erst in seinen letzten Lebensjahren. Erst da wurde er auch außerhalb musiknaher Kreise wahrgenommen. Karajan hingegen kannten auch völlig musikferne Menschen. Und das nahezu von Beginn an. Bei Celi suchte man vor allem nach Bootlegs (die es vor allem in Italien gab), seine wenigen offiziellen Platten der Nachkriegszeit wurden schon längst nicht mehr verkauft, die rumänischen Einspielungen auf Electrocord waren hier sowieso nicht greifbar).


    Vergleichen kann man die beiden also wirklich nicht. Eher die Vermarktungsstrategien von Plattenfirmen. Ähnlich wie Günter Wand ist Celibidache erst als alter Mann für die Tonträgerindustrie interessant geworden. Und angesichts der Tatsache, daß Celi anfänglich durchaus Plattenaufnahmen gemacht hat, muß man sich viel eher die Frage stellen, ob seine Verweigerungshaltung nicht aus der Erkenntnis herrührt, daß er für die Majors wahrscheinlich nie aufgenommen hätte (in jüngeren Jahren) oder wenn, dann Dirigenten wie Karajan nachgeordnet (hier z.B. liegt der Grund, warum Günter Wand nicht in den 1960er Jahren für die EMI aufgenommen hat).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich war nicht mehr ganz jung, als ich Karajan erstmals im Interview HÖRTE. Die brüchige krächzende Stimme war mir von Anbeginn an unsympathisch - ein negativer Ersteindruck also.
    Der war aber schon nach wenigen Minuten total weggewischt.
    Karajan konnte das was er wollte stets begründen - er tat dies zumeist in knapper Form - egal ob er im Einzelnen nun recht hatte oder nicht -sein Gedankengang war stets nachvollziehbar.


    In diesem Zusammenhang steht der Ausspruch Rattles über Karajan: "He was a man completely without bullshit." Und mit dieser Aussage ist zugleich ein wesentlicher Unterschied zu Celibidache bezeichnet. "Bullshit" ist ja nicht notwendig Unsinn, sondern steht bei den pragmatisch veranlagten Angelsachsen eher für ein Reden als Selbstzweck, ein nebulös um die Sache herum reden, ein sachfremdes Labern. Und das kann man bei Celibidache in seinem Reden und in gewisser Weise auch in seinem später unentschieden wirkenden Musizieren sehr häufig feststellen.


    Loge

  • Lieber Alfred,

    Zitat

    Celi hatte mit den Münchner Philharmonikern einen guten Klangkörper, aber nicht unbedingt ein Orchester der ersten Reihe zur Verfügung - das wurden sie erst in seiner Ära.


    Kleiner Einspruch.
    Ich kenne einen Dirigenten, der das Orchester relativ knapp nach Celibidaches Tod dirigierte. Dieser Dirigent ist ein Boulez-Typ, also sehr auf genau ausbalancierte Akkorde, Klangqualität und Detailarbeit bedacht. Er kannte das Orchester nicht - und war nahezu entsetzt, wieviel Arbeit er investieren mußte für Sachen, die bei anderen Orchestern Standard sind. Er meinte damals wörtlich, das Orchester habe ausgezeichnete Anlagen, sei aber von Celibidache "versaut" worden: "Es ist Quatsch, das Einstimmen eines C-Dur-Dreiklangs philosophisch erklären zu müssen. Wenn die Terz zu stark ist, hat Zen damit nichts zu tun. Aber die Musiker erwarteten offenbar eine halbe Stunde Philosophie für 10 Minuten Arbeit. Dafür konnten sie nichts. Sie waren so geprägt worden".
    Auch ein anderer Dirigent meinte damals mir gegenüber, die einzelnen Musiker wären ausgezeichnet, der Gesamtklang aber auf die Celibidache-Schwerfälligkeit und -Trübe ausgerichtet gewesen, daß ein schlanker, durchsichtiger Klang erst mühsam erarbeitet werden mußte.
    Karajan hingegen hatte in Berlin einen modernen Klang längst etabliert, den andere Dirigenten, ob Chef- oder Gast-, als gegeben nehmen und darauf aufbauen konnten. Das ist allerdings kein Karajan-Mirakel, sondern die Aufgabe eines guten Chefdirigenten, ob er nun Bernstein, Karajan, Tennstedt, Ozawa oder sonst wie heißen mag. Karajan ist dadurch nicht höher zu bewerten, sondern Celibidache geringer.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Ein grauenhafter Poseur....!


    Das ist maßlos übertrieben. Man muss bedenken, dass es sich um einen Musikfilm handelt, wo der Dirigent - ungewöhnlich in früheren Zeiten (und ja, das gab es schon vor Karajan! ;) ) - frontal von vorne gezeigt wird. Da wurde natürlich auch ein wenig choreographiert. Probenschnipsel aus dieser Zeit (vermutlich für Tages- oder Wochenschau) zeigen einen entspannteren Celibidache. Aber auch in diesem Film ist nichts zu sehen, was ein unvoreingenommener Betrachter als "grauenvoll" einstufen würde.


    Interessant ist bei diesen Bildern der große Unterschied zwischen dem jungen Dirigenten und dem "alten Weisen", wie wir ihn überwiegend kennen gelernt haben. Manche Dirigenten werden älter, behalten aber erkennbar ihre wesentlichen Eigenschaften beim Dirigieren. Andere verwandeln sich im Laufe der Zeit völlig (und verändern scheinbar auch ihr Temperament deutlich). Celi gehörte wohl eher der zweiten Gruppe an.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    E.B. Er meinte damals wörtlich, das Orchester habe ausgezeichnete Anlagen, sei aber von Celibidache "versaut" worden: "Es ist Quatsch, das Einstimmen eines C-Dur-Dreiklangs philosophisch erklären zu müssen. Wenn die Terz zu stark ist, hat Zen damit nichts zu tun. Aber die Musiker erwarteten offenbar eine halbe Stunde Philosophie für 10 Minuten Arbeit. Dafür konnten sie nichts. Sie waren so geprägt worden".
    Auch ein anderer Dirigent meinte damals mir gegenüber, die einzelnen Musiker wären ausgezeichnet, der Gesamtklang aber auf die Celibidache-Schwerfälligkeit und -Trübe ausgerichtet gewesen, daß ein schlanker, durchsichtiger Klang erst mühsam erarbeitet werden mußte.


    Das ist hochinteressant. Hat sich das Orchester unter (oder soll ich sagen: trotz) Levine und Thielemann diesbezüglich, also hin zu einem schlankeren, flexibleren Ensembleklang, verbessert? Vor zwei Jahren- Thielemann mit Bruckner 5- hatte ich diesen Eindruck (noch) nicht....

  • Zitat

    Zitat Theophilus
    Celi gehörte wohl eher der zweiten Gruppe an.


    Stimmt. Er posierte im Alter zwar auch grauenhaft, aber eindeutig auf eine andere Weise. Wenn man das sieht, wird man ja noch zum Karajan-Fan...! ;(


    :hello:

    ...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose