Carlo Gesualdo – Il Principe dei Musici und diabolischer Mörder

  • Gesualdo gilt nicht nur als musikalisches Genie, welches aufgrund der Urteile vieler Musikwissenschaftler und Musikhistoriker unter Zeitgenossen vergebens seines Gleichen sucht; sein Lebenslauf und Werdegang bietet Stoff für unzählige Mythen und Legenden. Er beeinflusst Komponisten bis auf den heutigen Tag. Zeit, ihn in einem ausführlichen Thread zu behandeln.


    Der Mann mit dem Dudelsack, der in Werner Herzogs sehenswerter Halb-Dokumentation über Gesualdo "Death for five voices" durch das halbverfallene Schloss Gesualdo spaziert, trötet mit seinem Instrument so herzzerreißend, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Auf die Frage, was er da mache, antwortet er, dass er so jede Woche die bösen Geister banne und sie an der Flucht aus dem Schloss hindere. Gesualdo, die italienische Geistergeschichte aus der Renaissance, ist zumindest an diesem Ort noch sehr lebendig. Die Rezeption hat ihn erst in jüngster Zeit wieder entdeckt. Und das gleich auf vielfältige Weise. Es erschienen in den letzten Jahren hervorragende Aufnahmen mit seiner Musik, und nicht mehr als drei Opern (1994 - Schnittkes „Gesualdo“, 1996 - Franz Hummels „Gesualdo“, 1998 - Sciarrinos „Die tödliche Blume“) widmen sich in der neueren Zeit dem Fürsten, der 1560 oder 1561 in Neapel (andere sprechen von 1566) geboren wird.


    Als sein älterer Bruder stirbt erbt Carlo den Titel eines Fürsten von Venosa. Allein dieser Umstand, dass er aus einem Adelshaus stammt und nicht eine „gewöhnliche“ Musikerkarriere im geistlichen Umfeld startet, wie zu dieser Zeit beinahe ausschließlich möglich, stellt Gesualdo auf einen schattigen Platz in der Musikgeschichte. Seine Kompositionen (Madrigali, Lamentatione, Respensorien) wurzeln zwar in der Tradition eines Monteverdi, gehen aber durch chromatische Veränderungen und dissonante Experimente weit über das Werk der Zeitgenossen hinaus. Möglicherweise hätte man ihn aber komplett vergessen, böte sein Leben nicht die Ingredienzien, die man für einen gruseligen Thriller, eine italian gothic novel benötigt. Sein hinlänglich bekannter, eiskalt geplanter Mord an seiner untreuen Ehefrau (er gab vor, einen Jagdausflug zu machen, kehrte jedoch überraschend wieder und ermeuchelte sein Weib. Der Liebhaber wurde ebenso getötet wie die kleine Tochter, dessen Vaterschaft zweifelhaft war), die Tatsache, dass er aufgrund seiner adligen Herkunft einer entsprechenden Strafe entgehen konnte, die Mysterien und Legenden, die sich um seine letzten Jahre und um sein Lebensende ranken – starb Gesualdo an einem Asthmaanfall oder an den Infektionen, die er durch masochistische Flagellation erlitt?, all diese geheimnisvollen Geschehnisse machen Gesualdo zu einer Ausnahmeerscheinung der Musik der Renaissance im Übergang zum Barock. Nachdem seine Musik durchaus sein Publikum fand, geriet sein Werk in der Öffentlichkeit schnell in Vergessenheit. Erst im Zuge der Wiederentdeckung vorbarocker Musik im letzten Jahrhundert wurden eine Reihe von hervorragenden Aufnahmen gemacht.


    Selbstverständlich ist dies nur ein grober Überblick und ich freue mich aufrichtig über Ergänzungen, Korrekturen und Aufnahmeempfehlungen. Außerdem beschäftigt mich die Frage, wo in seiner Musik man Spuren seiner Freveltat finden kann und wo Anzeichen seiner Depressionen oder gar des Wahnsinns, denn die Verquickung seiner schauerlichen Biographie mit dieser expressiven Musik ist einfach ungeheuerlich. Ungeheuerlich schön…

  • Das ist ein sehr wichtiger Thread, den Blackadder da ins Leben gerufen hat. Allerherzlichsten Dank!


    Für mich war Gesualdo eine Entdeckung, wie kaum eine andere. Wie berauscht von seiner Musik hörte ich tagelang nichts Anderes als seine Madrigalbücher. War es wirklich möglich, in dieser Zeit diese Chromatik zu schreiben und diese Dissonanzen? Und diese so ganz eigene Klangwelt der Lamentationes zu schaffen mit ihrer schwebenden Harmonik und Akkordfolgen, die sich von der Funktionsharmonik nicht einsperren lassen?


    An einer Stelle eines Madrigals, es ist mir entfallen, welches, entdeckte ich gar ein auf engstem Raum stattfindendes elftöniges chromatisches Total. Nur ein Ton fehlt zum zwölftönigen Feld.


    Und diese Musik kommt obendrein von einem Menschen mit solcher Biografie. Gibt es da Zusammenhänge? Ich bin mir nicht sicher. Am Wahnsinn entlangschrammende Komponisten haben selten wirklich verrückte, sondern meist armselig primitive Musik komponiert. Ich bin völlig überzeugt, daß Gesualdo bewußt diese Musik geschrieben hat, daß sie ein Zeugnis einer beabsichtigten Formung ist.


    Tragisch: Der Engländer Philip Heseltine schrieb eine Biografie über Gesualdo. Als Komponist nannte sich Heseltine Peter Warlock. Warlock fiel in schwere Depressionen und starb an einer Gasvergiftung, von der ungeklärt ist, ob sie Selbstmord oder Unfall war.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    War es wirklich möglich, in dieser Zeit diese Chromatik zu schreiben und diese Dissonanzen? Und diese so ganz eigene Klangwelt der Lamentationes zu schaffen mit ihrer schwebenden Harmonik und Akkordfolgen, die sich von der Funktionsharmonik nicht einsperren lassen?


    Hallo Edwin,


    diese Gedanken sind so zwingend, wenn man als Freund der Spätromantik und Moderne zum ersten Mal den "Geheimtipp" Gesualdo serviert bekommt, dass ich heute, trotz mangelnder Kenntnis der Musik dieser Zeit, dieser Gedanken etwas überdrüssig geworden bin. Welche Komponisten nun Gesualdos Inspirationen lieferten für die extrem häufigen Tonartenwechsel, weiß ich leider noch nicht. Blackadder nennt Monteverdi, dessen Orfeo ja schon mal ein schönes Beispiel liefert: Wo Orfeo vom Tod Euridices (erstmal NICHT) Kenntnis nimmt, stoßen 2 unvereinbare Tonarten wunderbar handlungs-schlüssig aneinander. Nur habe ich keine Ahnung, was Gesualdo vor 1607 komponierte und ob er Monteverdis Orfeo kannte. Dass die Jammerei damals Mode war, weiß man ja auch dann schon, wenn man sich Dowlands Motto vorspricht (dessen Musik ich beschämenderweise noch nicht kenne).


    Ob die Dissonanzen Gesualdos wirklich so unterschiedlich sind zu denen seiner ordnungsgemäßer auflösenden Vorfahren, entzieht sich auch meiner Kenntnis und die Funktionsharmonik ist hier natürlich nicht zu erwarten (soweit ich den Begriff mir einbilde zu verstehen - bin ich da zu engstirnig?)


    Im Gegensatz zu dieser mir äußerst unklaren Ausgangslage Gesualdos scheint mir sein Einfluss schon leichter erkennbar: im unmittelbaren Madrigalumkreis ist etwa der etwas ältere Marenzio von der Chromatitis infiziert (wenn auch vergleichsweise wohl sehr gemäßigt), Monteverdis Gegenspieler Grandi übersetzt Gesualdo-Effekte in einen eindeutig barocken Kontext, extreme Durchsetzung von Orgelmusik mit chromatischen Elementen habe ich bei Merula und Kerll im Gedächtnis, womit wir im Hochbarock angelangt wären, wo ja in England Blow mit seinen harmonischen Frechheiten aneckte - in gemäßigterem Rahmen scheint mir ein ziemlich großer Teil der barocken Komponisten von der Freude an effektvollen kühnen bis widersinnigen Akkordwechseln und natürlich dissonanten Seufzerexzessen besessen zu sein, erst im Spätbarock und in der Vorklassik habe ich den Eindruck, dass das wieder zurückgeht und wenn jemand den Gesualdismus (Copyright KSM?) aufwärmt, das einen kauzigen Beigeschmack bekommt (z.B. bei Rébel).


    Zumindest soweit habe ich den Eindruck, den ersten Eindruck, Gesualdo fiele aus seiner Zeit heraus, für mich kräftig relativiert zu haben, in den nächsten Jahren habe ich ohnehin vor, mehr Musik des 16. Jahrhunderts zu hören, vielleicht bin ich dann klüger.
    :untertauch:
    :hello:

  • Ich will nicht verhehlen, daß ich lange damit gerungen habe, einen Gesualdo-Thread zu starten und ich gab es dnan aus verschiedenen Erwägungen doch auf. Deshalb sei Blackadder an deiser Stelle ganz herzlich gedankt.


    Mit Gesualdo verhält es es ähnlich wie mit Stradella: Die Biografie überlagert (und verhüllt) das Werk auf fatale Weise, denn in beider Lebensläufte spielen Mord-und Totschlag eine Rolle, beim Principe da Venosa als Täter und bei Stradella als Opfer.


    Obwohl die Ausgabe der Werke Gesualdos vergleichwise früh verfügbar war, zeichnet die Werbetrommel Igor Strawinskys dafür verantwortlich, daß der Komponist einer breiteren (staundenden) Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Das von Edwin erwähnte Madrigal, wohl das berühmte "Lasso moro" befindet sich im 6. Madrigalbuch.


    Bei aller harmonischen Zuspitzung, die sich übrigens auch schon in den ersten Büchern seiner Madrigale finden, sollte man nicht vergessen, daß das Grundraster seiner Kompositionen ein eher rückwärtsgewandtes ist.


    Formal sind ihm vor allem Giovanni Gabrieli und auch der junge Monteverdi definitiv überlegen, an gestalterischer Kraft und harmonischer Fantasie ist ihnen der Fürst jedoch in jeder Hinsicht ebenbürtig.


    Ich mag an dieser Stelle, es wird sicher nicht mein letzter Beitrag zum Thema sein, nicht länger nur palavern sondern möchte hier eine Einspielung vorstellen, der heute schon bedenkenlos das Prädikat "Jahrhundertaufnahme" verliehen werden kann: wer sie nicht hat kann über den Meister "einfach nicht mitreden"


    Ich meine die Einspielung der "Responsorien" durch das Hilliard-Ensemble, die in ihrer schmerzlichen Zuspitzung, ihrer dunklen Klage und dem verschlungenem Weg durch seelische und harmonische Schattenreiche unübertroffen ist:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber BBB, kommt SOFORT auf die Wunschliste!!!!! :yes:


    Ich war früher ganz grosser Gesualdo-Fan, wobei ich schwer zwischen der Legende und der Musik trennen konnte und auch nciht wollte. Im Zuge fröhlcherer Lebensphasen habe ich das leider ein bisschen aus den Augen verloren und danke Blackadder herzlich für die Reanimeirung mit diesem Thread!!!! :jubel:


    Peter stellt im Mometn ja auch morgendlich eines der Madrigale rein-ist das eine ungewollte Correspondance oder abgesprochen?


    F.Q.

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Peter stellt im Mometn ja auch morgendlich eines der Madrigale rein-ist das eine ungewollte Correspondance oder abgesprochen?


    Das ist tatsächlich Zufall. Ich sah gestern die angesprochene Doku von Werner Herzog und war dermaßen angetan, dass ich diesen Film im Gesualdo-Thread posten wollte, bis ich erstaunt feststellte, dass es wohl einen zu Madrigalen allgemein, aber keinen zu Gesualdo selbst gab...


  • Guten Tag


    Carlo Gesualdo ist bei mir nur mit dieser


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    Einspielung "O dolorosa Gioia" (Zusammen mit einigen Madrigalen von de Monte, P. Nenna, G.D. Montella und L. Luzzaschi, interpretiert vom Ensemble concerto italiano) vertreten.
    Bei den "Schwetzinger Fesztspielen" höre ich ebenfalls vor Jahrendiverse Madrigale von C. Gesualdo.


    Vor Jahren sendete ARD o. ZDF einen TV- Film über das bewegte Leben dieses Komponisten.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Lieber KSM,
    bezüglich der Herleitung von Gesualdos Harmonik: Ich habe mich seinerzeit in seinem Umfeld umgesehen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß er eine völlige Einzelerscheinung ist. Was ich fand, war aber weniger Monteverdi, der zwar kühn, zugleich aber auch strenger denkt und bei dem mir nie so lange Abschnitte harmonischer Kühnheiten untergekommen sind (allerdings kenne ich seine Madrigalbücher nur allzu oberflächlich).
    Was ich fand, waren Madrigale von Cipriano de Rore und Jean de Macque, die an Stellen, in denen Schmerzen ausgedrückt werden, ebenfalls schon zu diesen extremen harmonischen Spannungen vorstoßen.


    Meiner Meinung nach ist Monteverdi in einem Punkt Gesualdo weit überlegen: In der melodischen Erfindung: Hier scheint mir Gesualdo keineswegs sonderlich inspiriert - wohl an einigen Stellen, aber sie scheinen mir eher Ausnahme als Regel. Fast scheint mir, ihm war nur um die Möglichkeiten der Chromatik zu tun, während er die imitatorischen bzw. auf anderen polyphonen Praktiken aufbauenden Abschnitte nur mit Routine erledigte.


    :hello:

    ...

  • Danke Edwin! Ich sollte mal meinen Rore wieder "drehen".


    Gibt es nicht das Gedankenspielchen, ob es nicht schon möglich gewesen wäre, anschließend an Gesualdo die (Kirchen oder was auch immer-) Tonalität zum Teufel zu jagen, womit glatt die 300 beliebtesten Jahre klassischer Musik eingespart worden wären - da man so sehr an die Beliebigkeit der Akkordfolgen bei z.B. Janacek, Reger und Busoni erinnert wird?


    Ist eigentlich die funktionsharmonische Aufladung der Akkorde bei den Jahrhundertwendlern um 1900 ausreichend ruiniert, dass tatsächlich harmonisch dasselbe stattfindet wie bei Gesualdo - also irgendwas, gerechtfertigt durch Stimmführung, wie es dann um 1908 bei Schönberg stattfindet ... aber bei dem ist es schon wieder dissonanter als bei Gesualdo und bei Janacek weniger stimmführungsgedeckt ...


    Aber vielleicht hat der Verlust der Tonalität ja gar nicht so viel mit der Chromatik zu tun?
    :rolleyes:

  • Bitte bringt mich doch mal auf den Stand der Dinge, was die Biographie betrifft.
    Soweit ich mich an irgendwo Gelesenes erinnere, ist sein Anteil an irgendwelchen Gewalttaten keineswegs sicher. Möglicherweise ist aber selbst seinem eigenen Ableben etwas nachgeholfen worden.
    Gibt es eine Biografie neueren Datums, die mit mir bisher unbekannten Erkenntnissen aufwarten kann? ?(


    Mit dem "il principe dei Musici" kann ich mich nicht so ganz anfreunden. Formal hat er an schon damals uralten Vorbildern festgehalten, sich kein Stückchen bewegt. Generalbass und Monodie waren ihm schnurz. Und wenn man ihn als psychotisch chromatisch bezeichnet, ist das zwar böse, aber nicht falsch. :stumm:

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  • Zitat

    Mit dem "il principe dei Musici" kann ich mich nicht so ganz anfreunden. Formal hat er an schon damals uralten Vorbildern festgehalten, sich kein Stückchen bewegt. Generalbass und Monodie waren ihm schnurz. Und wenn man ihn als psychotisch chromatisch bezeichnet, ist das zwar böse, aber nicht falsch.

    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Moin Hadubrand !


    Der Fürst ist vor allem was für jene Leut, und das sind bekanntlich nicht wenige, für die Musi erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt und die sonst aus freien Stücken nie ein Madrigal oder eine Motette hören würden ! :D


    Auf seinen formalen Konservatismus wies ich in meinem 1. Beitrag ja schon hin.
    Unwiderlegbar ist jedoch, daß Schütz beim Verfassen seines 1. und leider einzigen Madrigalbuches von seinen Arbeiten Kenntnis gehabt haben muss, denn dadrin schlägt sich eben MEHR nieder als die bloße "MittelzumZweck-Chromatik" eines Marenzio oder Andrea Gabrieli.


    Mir ist Gesualdo vor allem als Kirchenmusiker wichtig: da gelingt ihm durchaus
    etwas, was andere seiner Zeitgenossen NICHT haben. Ausserdem ist er für mich das frühste, mir bekannte Beispiel eines Komponisten, der im Glauben Halt sucht und ihn nicht findet. Vorstufen davon gibt es allenfalls in den "Lagrime" des Orlando Lasso.


    Standardwerk zur Biografie ist immer noch dieses, (mit dem legendären Strawinsky-Vorwort), das bis Ende der 80ger Jahre immer erkenntnistechnisch auf Vordermann gebracht wurde.


    Glenn Watkins: Carlo Gesualdo di Venosa: Leben und Werk eines fürstlichen Komponisten. Matthes & Seitz, München 2000



    Edwins Anmerkung, Monteverdi sei der bedeutender Melodiker von beiden, kann ich hier nicht gelten lassen, da Gesualdos Intentionen in eine ganz andere Richtung gingen; er hatte mit "schönen Melodien" nichts am Hut.


    Das als Gradmesser für die Musik des "VorDurMoll-Zeitalters" anzulegen, erscheint mir unglücklich, denn aus dieser Sicht wäre dann Heinrich Schütz der einfallsloseste Melodie-Erfinder überhaupt, was ihn jedoch nicht daran hinderte, einer der grössten Komponisten aller Zeiten zu werden.


    Die wirkliche Verstrickung des Fürsten um den Tod seiner 1. Frau konnte anhand der heute noch verfügbaren Unterlagen nicht nachgewiesen werden.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Unwiderlegbar ist jedoch, daß Schütz beim Verfassen seines 1. und leider einzigen Madrigalbuches von seinen Arbeiten Kenntnis gehabt haben muss, denn dadrin schlägt sich eben MEHR nieder als die bloße "MittelzumZweck-Chromatik" eines Marenzio oder Andrea Gabrieli.


    Aber wohl von den ersten, nicht den letzten. Die dürften ihn kaum noch sonderlich interessiert haben, dann da hatte sich Gesualdo schon hoffnungslos festgefahren.
    Vielleicht sollte man ihn als die genialste Sackgasse seiner Zeit bezeichnen? :D



    Zitat

    Mir ist Gesualdo vor allem als Kirchenmusiker wichtig: da gelingt ihm durchaus etwas, was andere seiner Zeitgenossen NICHT haben.


    Das stimmt. :D



    Zitat

    Ausserdem ist er für mich das frühste, mir bekannte Beispiel eines Komponisten, der im Glauben Halt sucht und ihn nicht findet. Vorstufen davon gibt es allenfalls in den "Lagrime" des Orlando Lasso.


    Oder ist er ein Fall für die psychoanalytische Musikwissenschaft?



    Zitat

    Standardwerk zur Biografie ist immer noch dieses, (mit dem legendären Strawinsky-Vorwort), das bis Ende der 80ger Jahre immer erkenntnistechnisch auf Vordermann gebracht wurde.


    Glenn Watkins: Carlo Gesualdo di Venosa: Leben und Werk eines fürstlichen Komponisten. Matthes & Seitz, München 2000


    Genau das meine ich einst gelesen zu haben. Allerdings vor vielen vielen Jahren.... :wacky:



    Zitat

    Edwins Anmerkung, Monteverdi sei der bedeutender Melodiker von beiden, kann ich hier nicht gelten lassen, da Gesualdos Intentionen in eine ganz andere Richtung gingen; er hatte mit "schönen Melodien" nichts am Hut.


    Nein, nur mit Chromatik. :D



    Zitat

    Das als Gradmesser für die Musik des "VorDurMoll-Zeitalters" anzulegen, erscheint mir unglücklich, denn aus dieser Sicht wäre dann Heinrich Schütz der einfallsloseste Melodie-Erfinder überhaupt, was ihn jedoch nicht daran hinderte, einer der grössten Komponisten aller Zeiten zu werden.


    Ist Gesualdo nicht eher noch archaischer, was die Harmonik betrifft? Filtert man die Chromatik aus dem Satz, wird es – naja, nicht gerade konventionell, aber doch eher verwechselbar.



    Zitat

    Die wirkliche Verstrickung des Fürsten um den Tod seiner 1. Frau konnte anhand der heute noch verfügbaren Unterlagen nicht nachgewiesen werden.


    Sag ich doch. :yes:


    Aber mir gehts hier nicht um Randale oder Fürstenbeschimpfung. Nur die etwas einseitige Panegyrik scheint mir dann doch ein Ergebnis einer Betrachtungsweise zu sein, die sich zu sehr an den heutigen Vorstellungen von Tonalität und Chromatik entlang rankt.


    Die Tenebrae-Aufnahme von den Hilliards gehört meiner Meinung nach unbedingt in jeden Haushalt. :jubel:

  • Mir scheint doch Gesualdos harmonische Kühnheit in der Verwendung von Chromatiken einzigartig in seiner Zeit. Gesualdo verwendet ja nicht nur auch "Dissonantes" oder auch in seiner Zeit ungewöhnliche Chromatische Tonleitern und Tonartwechsel, um hier und da Schmerzen auszudücken oder besondere Effekte zu erzielen, was nicht so ungewöhnlich war. Soweit ich bislang mitbekommen konnte, gab es zwar in seinem Umfeld etwa die von Edwin schon genannten, auch hat schon deutlich früher Orlando Di Lasso in "Prophetiae Sibyllarum" und vor allem in "Timor et tremor" Chromatiken auf raffinierte Weise verwendet, das waren aber bei Lasso wohl "Einzelstücke", auf die Lasso später nicht mehr zurückkam. Andrea Gabrieli soll "Timor et tremor" gekannt haben und sich davon angeregt haben lassen. Gabrieli kenne ich noch nicht gut genug, um das bestätigen zu können, aber zumindest kann daraus vielleicht geschlossen werden, dass diese frühen Versuche Lassos in Italien bekannt waren. Insofern könnte vielleicht auch Gesualdo sie gekannt haben.


    Es bleibt vorerst für mich festzuhalten, dass in dem Ausmaß kein anderer so die chromatischen Möglichkeiten untersucht hat wie Gesualdo.
    Natürlich ist Monteverdi formal und in der Polyphonie raffinierter und in dieser Hinsicht der größere Neuerer. Aber es ist hier ja schon gesagt worden, dass es Gesualdo auf etwas anderes ankam, was ich auch so sehen würde.


    Wenn man der Fachliteratur glauben darf, gab es übrigens zu Gesualdos Zeit durchaus ein Musikerumfeld, dass an seinen Versuchen regen Anteil nahm und in dem auch damals schon seine Ausnahmestellung als besonders kühner Harmoniker gerühmt wurde.


    Neben der hier schon zu recht hochgelobten Gesamteinspielung der "Responsorien" des Hilliard Ensembles halte ich eine Aufnahme leider nur der Responsorien zum Ostersamstag der Tallis Scholars unter Leitung von Peter Phillips für mindestens ebenso herausragend. Hier bekommt man dafür noch 4 sehr schöne Marienmotetten dazu:



    Unter den diversen Auswahleinspielungen der Responsorien ist auch noch die des Taverner Consort recht gelungen:



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    Welche Aufnahmen der Madrigale bevorzugt ihr?


    :hello: Matthias

  • Schön, daß die Erinnererung an diesen kühnen Chromatiker, den ich schon lange hochschätze, hier wiederbelebt wird!


    [zitat]Original von Matthias Oberg
    Welche Aufnahmen der Madrigale bevorzugt ihr?[/zitat]
    Die Aufnahme, die meine Begeisterung damals entfacht hat, scheint nicht mehr erhältlich zu sein: eine Einspielung des V. und VI. Madrigalbuchs mit dem Collegium Vocale Köln, Leitung: Wolfgang Fromme, auf einer CBS-Doppel-CD (gekoppelt mit 12 Madrigalen aus dem II. Madrigalbuch Monteverdis). Muß mal wieder hineinhören.


    Es gibt übrigens auch eine eindrucksvolle Instrumentalbearbeitung von Igor Strawinsky: "Monumentum pro Gesualdo".

  • Die Einspielung von Collegium Vocale galt lange Zeit als vorbildlich. Mir gefielen jedoch die vibratoreichen Stimmen nie so recht.
    Eine wirklich rundum empfehlenswerte GESAMTEINSPIELUNG ist derzeit NICHT auf dem Markt. Eben wieder aufgelegt das 5.Buch mit dem "Consort of Musicke" unter Rooley, das mit solchen hervorragenden Protagonisten wie Emma Kirkby aufzuwarten weiss. Das wäre zum "Einhören und Kennenlernen" mein Vorschlag.



    Die ersten drei Bücher "Madrigali a cinque voci Libro I-III" wurden vom Gesualdo Consork Amsterdam ganz hervorragend eingespielt. Hierbei handelt es sich um die erste nennenswerte Aufnahme dieser, gemessen an den späten Büchern immer zurückstehenden Werke. Leider ist der CPO-Edition nicht zu entnehmen, ob die Absicht besteht, Libri IV-VI folgen zu lassen.


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Weil es gut hierher passt und sonst auch untergehen würde, begehe ich jetzt eine kleine Urheberrechtsverletzung und kopiere aus dem "Was hört ihr..."-Thread eine Antwort von Marc auf meine sei-voci-Bemerkungen:


    Zitat

    Original von Hildebrandt
    Diese apex-Wiederveröffentlichung ist ihr Geld auf jeden Fall wert.



    Im Vergleich zu den Hilliards klingt der Gesang hier zugleich homogener, artifizieller und etwas rhythmisch pointierter – nicht so arg englisch eben.
    Mindestens genauso schön.


    darauf Marc:



    Zwar lasse ich mir von der Zeit nicht nachsagen, dass ich ein New-Age-Konsument wäre, aber wenn ich an die Aufnahme der Hilliards zusammen mit Garbarek im Kölner Wasserspeicher denke, kann ich dem Autor nicht ganz Unrecht geben. :wacky:

  • Lieber BBB,

    Zitat

    Edwins Anmerkung, Monteverdi sei der bedeutender Melodiker von beiden, kann ich hier nicht gelten lassen, da Gesualdos Intentionen in eine ganz andere Richtung gingen; er hatte mit "schönen Melodien" nichts am Hut. Das als Gradmesser für die Musik des "VorDurMoll-Zeitalters" anzulegen, erscheint mir unglücklich, denn aus dieser Sicht wäre dann Heinrich Schütz der einfallsloseste Melodie-Erfinder überhaupt, was ihn jedoch nicht daran hinderte, einer der grössten Komponisten aller Zeiten zu werden.


    Den Tag streich' ich mir rot im Kalender an: Wir sind einmal nicht einer Meinung! :D


    Ich glaube nämlich, daß auch in dieser (und auch in früherer) Zeit die melodische Erfindung eine wesentliche Komponente war. Immerhin gab's da ein paar Songwriter, die für die Kirche den Gregorianischen Choral schufen (allein das "Dies irae" dürfte die damaligen Hit-Paraden gestürmt haben), später kamen Rhythmusmessen hinzu, etwa bei Perotin.


    Wenn wir nun ein paar Jahre überspringen und uns dem Musicalkomponisten Klaus Grünberg zuwenden: Sein "Orfeo" hat einen Schlager nach dem anderen. Genau das macht ihn meiner Meinung nach zum Modellfall des Genres. Man vergleiche diese Melodik nur einmal mit der Peris. Wacker deklamieren tut er, der Peri. Ganz gesteigerte Sprache. Aber bei Monteverdi wird diese gesteigerte Sprache zur Grundlage der melodischen Formung. Gerade diese Möglichkeit, mit einer Melodie das fürstliche Ohr zu ergötzen, ohne daß polyphone Stimmen den fürstlichen Gaumen allzu sehr vom getrüffelten Kapaun in Pflaumensoße ablenkenden, scheint mir den Siegeszug der monodischen Praxis ermöglicht zu haben.


    Daß Schütz ein nicht unbedingt begnadeter Melodiker war, stimmt freilich. Allerdings war auch Ludwig der Taube melodisch eine taube Nuß und dennoch nicht ganz unbedeutend. Oder anders gesagt: Die Qualität der melodischen Erfindung ist für mich kein Urteil über die Bedeutung eines Komponisten, sondern nur eine Feststellung.


    Nun zu Gesualdo: Daß ihn die Melodie nicht die Bohne interessierte, mag wohl sein. Er interessierte sich wohl ausschließlich für die Möglichkeiten chromatischer Stimmführung. Was nicht darunter zu subsummieren ist, fällt bei Gesualdo denn auch wesentlich weniger originell aus. Das klingt für mich eher nach "Dienst nach Vorschrift" - nicht immer, aber relativ oft. (Nicht in der Kirchenmusik - die hält die meditative Spannung auf wesentlich höherem Niveau.)


    Abgesehen davon: Jeder Komponist, der nur ein einziges Stück auf dem Niveau von "Moro, lasso" zustande bringt, ist für mich sowieso über jeden Zweifel erhaben. Und Gesualdo hat mehr als nur ein einziges Stück auf diesem Niveau...


    :hello:

    ...

  • Na, die Frage ist, was er mit " " schönen Melodien " " meint.
    Insbesondere mit " " ".
    Schließlich sind die Melodien in Palestrinas Missa Papae Marcelli mindestens so schön wie alle anderen, die jemals komponiert wurden.
    Aber vielleicht sind es keine Melodien, zumindest nicht mit " " ".
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Na, die Frage ist, was er mit " " schönen Melodien " " meint.
    Insbesondere mit " " ".
    Schließlich sind die Melodien in Palestrinas Missa Papae Marcelli mindestens so schön wie alle anderen, die jemals komponiert wurden.


    Jetzt fehlt nur noch die Frage: Wann ist eine Melodie schön?
    Und dann geht alles wieder von vorne los. :faint:

  • Lieber KSM,

    Zitat

    Schließlich sind die Melodien in Palestrinas Missa Papae Marcelli mindestens so schön wie alle anderen, die jemals komponiert wurden.


    Aber mit soviel kontrapunktischem Zeugs beschwert, daß man nix heraushören kann. Und wirklich fasslich sind sie auch nicht, wenn ich mit "In questo lieto e fortunato giorno" vergleiche...
    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Aber mit soviel kontrapunktischem Zeugs beschwert, daß man nix heraushören kann. Und wirklich fasslich sind sie auch nicht, wenn ich mit "In questo lieto e fortunato giorno" vergleiche...


    Ein interessantes Urteil. :yes:
    Es widerspricht diametral der Meinung, die die Zuhörerschaft damals hatte, denn mit dieser Messe hat Palestrina ja die Mehrstimmigkeit vor dem kirchlichen Bannstrahl gerettet und den Rückfall in die Einstimmigkeit vermieden.
    Wie sich die Zeiten ändern. Und die Hörer erst. :D

  • Lieber Hildebrandt,

    Zitat

    Es widerspricht diametral der Meinung, die die Zuhörerschaft damals hatte, denn mit dieser Messe hat Palestrina ja die Mehrstimmigkeit vor dem kirchlichen Bannstrahl gerettet und den Rückfall in die Einstimmigkeit vermieden.


    Zumindest bei Pfitzner. Ob das wirklich stimmt oder nur eine Legende ist, sollen Berufenere als ich feststellen - in Musikgeschichte lernten wir, daß es nicht stimmt. Aber das ist lange her...
    Außerdem glaube ich, daß die Problematik eine nicht-musikalische war: Die immer prächtigere Kirchenmusik zog zuviel Aufmerksamkeit auf sich und drängte die Liturgie in den Hintergrund. Es ging wohl eher um die Frage, ob man zu den Ursprüngen zurückkehrt oder die Prachtentfaltung zuläßt.
    In der weltlichen Musik stellte sich diese Frage gar nicht erst.
    Ich kam auf den Vergleich im Grunde, weil ich die weltliche Musik Monteverdis mit der weltlichen Gesualdos verglich. Gegen Allerdings ist Monteverdis "Vesper" verglichen mit Gesualdos Sakralmusik auch eher eine Pop-Angelegenheit. Aber, und hier gebe ich BBB uneingeschränkt recht, Gesualdo hat sich für das Schreiben von melodien gar nicht so richtig interessiert.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Zumindest bei Pfitzner.


    Schau doch mal bitte jemand bei Adriano Banchieri nach. Der hat das nämlich einige Jahre vor Pfitzner auch schon behauptet. Nur an den Wortlaut kann ich mich nun nicht mehr erinnern.


    Zitat

    Außerdem glaube ich, daß die Problematik eine nicht-musikalische war: Die immer prächtigere Kirchenmusik zog zuviel Aufmerksamkeit auf sich und drängte die Liturgie in den Hintergrund. Es ging wohl eher um die Frage, ob man zu den Ursprüngen zurückkehrt oder die Prachtentfaltung zuläßt.


    Einspruch. Es ging wohl wirklich um Textverständlichkeit innerhalb der musikalischen Teile der Liturgie, aber nicht um ausufernde Liturgieexzesse. Die mögen ja im Schwange gewesen sein, spielen aber bei der besagten Messe und (soweit ich weiß) noch anderen Kompositionen, die Palestrina (höchstwahrscheinlich?) eigens komponiert hat, um sie ebenfalls als Argumentationshilfe einzusetzen, doch eher keine Rolle.
    Aber das nur am Rande. :hello:

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Schau doch mal bitte jemand bei Adriano Banchieri nach. Der hat das nämlich einige Jahre vor Pfitzner auch schon behauptet. Nur an den Wortlaut kann ich mich nun nicht mehr erinnern.



    Wenn's sein muss - ich habe Zugang zu den einschlägigen Datenbanken mit Aufsätzen wissenschaftlicher Zeitschriften. Da gibt's folgendes:


    Pierre Gaillard, Histoire de la légende palestrinienne, in: Revue de musicologie, T. 57e, No. 1er (1971), pp. 11-22.


    Wie im Titel schon angedeutet, behandelt der Autor die bekannte Geschichte als Legende, da die gesicherten Daten (Komposition der Messe, Lebensdaten der Päpste, Entscheidungen des Konzils von Trient) in keiner Weise zusammenpassten.


    Die Story kam offenbar in jesuitischen Kreisen auf und wurde zum erstenmal 1607 von Agostino Agazzari in seinem Werk Del sonare sopra'l basso con tutti li strumenti e del'uso loro nel conserto lanciert (der Autor hat die italienischen Texte ins Französische übersetzt, aus dem ich wiederum ins Deutsche übersetze):


    Ein Papst beabsichtigte die Musik zu verbieten, aber Palestrina schrieb die Missa Papae Marcelli, die ihn überzeugte, es nicht zu tun.



    Zwei Jahre später (1609) folgte dann der von Hildebrandt erwähnte Adriano Banchieri mit seiner Schrift Conclusioni nel suono dell'organo:


    Papst Marcellus verbannte die Musik nicht komplett aus der Kirche, weil Palestrina ihn davon überzeugte, dass die Schuld bei den Komponisten und nicht bei der Musik zu suchen sei. In diesem Zusammenhang komponierte er die "Papae Marcelli" genannte Messe, eigentlich Paul IV. gewidmet, und führte mit ihr von neuem die mehrstimmige Musik ein. (ich hoffe, dass ich "musique en consonnance" damit richtig übersetzt habe).


    Die Legende hat dann eine reichhaltige Rezeptionsgeschichte bis Pfitzner aufzuweisen; schon Berlioz machte sich in seinen Memoiren über sie lustig.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wenn's sein muss - ich habe Zugang zu den einschlägigen Datenbanken mit Aufsätzen wissenschaftlicher Zeitschriften. Da gibt's folgendes:...


    Prima, danke. :jubel:
    Immerhin muss ich jetzt nicht auf mir sitzen lassen, dass ich das von Pfitzner habe. :D


    Und jetzt bitte nochmal im neuen MGG unter Palestrina nachsehen. Dann müsste sich der heutige Forschungsstand doch schnell ermitteln lassen. :untertauch::hello:

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  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Und jetzt bitte nochmal im neuen MGG unter Palestrina nachsehen. Dann müsste sich der heutige Forschungsstand doch schnell ermitteln lassen. :untertauch::hello:


    Das soll jetzt mal jemand anders machen. :D


    Ich hab nur die alte MGG zur Verfügung, die sich ausführlich mit dem Problem beschäftigt und das Für und Wider erwägt. Die Sache ist danach sehr schwierig zu klären, ein historischer Kern der Geschichte sei keineswegs auszuschließen. Also wäre es wohl wirklich ratsam, den neuesten Forschungsstand zu konsultieren.


    Wenn man den Quellen folgt, scheint das Problem der Textverständlichkeit tatsächlich das entscheidende bei der ganzen Angelegenheit gewesen zu sein.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Gehört zwar nicht zum Thema, aber was ich mich frage: Warum fiel denen das Problem der Text(un)verständlichkeit erst Mitte des 16. Jhds. auf, nach über 100 Jahren stellenweise verdammt unverständlicher Kirchenmusik (weil z.B. zwei ganz verschiedene Texte gleichzeitig gesungen wurden, wie IIRC in Dufay-Motetten)?
    Könnte das nicht eher an genereller gegenreformatorischer Profilierung und Kontrollzwang gelegen haben? ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    Das soll jetzt mal jemand anders machen. :D


    Trotzdem schönsten Dank. :jubel:


    Zitat

    Ich hab nur die alte MGG zur Verfügung, die sich ausführlich mit dem Problem beschäftigt und das Für und Wider erwägt. Die Sache ist danach sehr schwierig zu klären, ein historischer Kern der Geschichte sei keineswegs auszuschließen. Also wäre es wohl wirklich ratsam, den neuesten Forschungsstand zu konsultieren.


    Falls jemand vor nächster Woche dazu Gelegenheit hat...
    Dann kann ich auch wieder selbst nachschauen.


    Zitat

    Wenn man den Quellen folgt, scheint das Problem der Textverständlichkeit tatsächlich das entscheidende bei der ganzen Angelegenheit gewesen zu sein.


    Das war auch mein Stand der Dinge, aber der Artikel ist ja schon ziemlich alt. Jedenfalls kann sich da zwischenzeitlich gut etwas Anderes/Neues ergeben haben.

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Gehört zwar nicht zum Thema, aber was ich mich frage: Warum fiel denen das Problem der Text(un)verständlichkeit erst Mitte des 16. Jhds. auf, nach über 100 Jahren stellenweise verdammt unverständlicher Kirchenmusik (weil z.B. zwei ganz verschiedene Texte gleichzeitig gesungen wurden, wie IIRC in Dufay-Motetten)?
    Könnte das nicht eher an genereller gegenreformatorischer Profilierung und Kontrollzwang gelegen haben? ;)



    Ich bin zwar nicht übermäßig befugt, diese Frage zu beantworten, versuch's aber trotzdem mal: An "Kontrollzwang" glaube ich eher nicht (obwohl natürlich ein Komponist auf die Idee hätte kommen können, in einer unauffälligen kontrapunktischen Nebenstimme Liebeslyrik singen zu lassen :D).


    "Gegenreformation" scheint mir dagegen das richtige Stichwort zu sein: Wahrscheinlich sollte die Musik wieder mehr dem Text dienen - die Strategie, lutherische und andere protestantische Richtungen mit ihren eigenen Waffen (Vermittlung und Verständlichkeit der kanonischen Texte) zu schlagen, würde in den Kontext passen.



    Könnte man nicht vielleicht die letzten ca. 12 Beiträge abtrennen und in den Thread Der "konservative Revolutionär" - Palestrina verschieben?



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Neben der hier schon zu recht hochgelobten Gesamteinspielung der "Responsorien" des Hilliard Ensembles halte ich eine Aufnahme leider nur der Responsorien zum Ostersamstag der Tallis Scholars unter Leitung von Peter Phillips für mindestens ebenso herausragend. Hier bekommt man dafür noch 4 sehr schöne Marienmotetten dazu:



    :hello: Matthias


    Dem möchte ich aber unbedingt noch die Einspielung unter Herrweghe entgegensetzen (ebenfalss mit den vier Marienmotetten)- Schwer zu sagen, wer es besser macht, sehr gelungen sind beide!




    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Die Einspielung von Collegium Vocale galt lange Zeit als vorbildlich. Mir gefielen jedoch die vibratoreichen Stimmen nie so recht.
    Eine wirklich rundum empfehlenswerte GESAMTEINSPIELUNG ist derzeit NICHT auf dem Markt. Eben wieder aufgelegt das 5.Buch mit dem "Consort of Musicke" unter Rooley, das mit solchen hervorragenden Protagonisten wie Emma Kirkby aufzuwarten weiss. Das wäre zum "Einhören und Kennenlernen" mein Vorschlag.


    ?( ?( ?(
    Collegium Vocale mit Gesualdos Madrigalen??? Wann, wo, was???
    Das verwechselst Du doch mit „Les Arts florissants“ oder???
    ?( ?( ?(



    .. oder Du meinstvielleicht Köln, nicht Gent? Dann sag es doch!


    Noch niemand scheint die vielgelobten Madrigaleinspielungen mit La Venexiana genannt zu haben! Ich kenne sie noch nicht, sie werden aber (überall) sehr hoch gehandelt.



    Die oben genannte Auswahl mit Alessandrini wäre meine Empfehlung, er dürfte in diesem Repertoire (Monteverdi, Gesualdo, etc.) eh schwer zu übertreffen sein (zumindest für mich...)


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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