Klaviertranskriptionen und Paraphrasen von Opernarien

  • Eigentlich hatte ich geglaubt diesen Thred schon gestartet zu haben - aber das stellte sich nach eingehender Recherche als Irrtumm heraus - der alte Thread befasste sich mit Klaviertranspriptionen von Sinfonien.


    Es ist ein beliebtes "Streitthema" inwieweit im Zeitalter der Schallplatte und der CD solche übertragungen auf das Klavier heutzutage noch ihre Berechtigung haben, bzw ob deren Aufführung oder Einspielung überhaupt gerchtfertigt ist.
    Ich meine JA
    Aus meiner Sicht geht hier überhaupt nichts verloren, sonderen eine ander Sicht auf ein Werk wird geschaffen. Und wenn ich hier schreibe "geschaffen" dann kommt ein weiterer Aspekt in Spiel: Es wird in der Regel ja wirklich ein neues Werk geschaffen - trotz aller Ähnlichkeit zur Vorlage.


    Die Akzeptanz von Klavierranskriptionen war in vergangenen Jahrhunderten außergewöhnlich hoch - jedoch bis vor kurzem wurde Solches Repertoire kaum für die Schallplatte/CD eingespielt.


    Das Gebiet der "Variationen" über eine Opernarie ist da noch komplexer. Immerhin sind uns manche ansonst vergessenen Arien noch durch ihre Bearbeitung bekannt.


    Anlass zu diesem Thread war übrigens diese im Internet aufgestöberte CD, welche seit einigen Tagen - nach längeren Irrwegen in meine Sammlung fand:



    Hier gibt es Transkriptionen, Fantasien etc - alles zu "Le Nozze die Figaro"- von verschiedenen Komponisten


    Neben Mozart, der selbst einiges beisteuerte, finden sich Bearbeitungen von Hummel, Kalkbrenner, Beethoven, Leidesdorf, Thalberg, Ries und Czerny - etliche davon Ersteinspielungen.


    Die deutsche Pianistin Babette Dorn spielt diese kleinen Kostbarkeiten mit Delikatesse und lässt den Flügel aufblühen.


    Eine Empfehlung für alle, denen dieses Genre liegt


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    ein schönes Thema! Eigentlich dachte ich auch, einen Thread zu diesem Genre gäbe es schon.


    Das die Akzeptanz von Paraphrasen und Transkriptionen im 19. Jahrhundert bedeutend höher war, liegt auf der Hand: Ohne Schallplatte und CD waren Klavierbearbeitungen oft die einzige Verbreitungsmöglichkeit für neue Schlager.


    Ein weiterer Aspekt in Hinblick auf die Beliebtheit von Paraphrasen und Transkriptionen dürfte wohl darin zu sehen sein, dass ein Gesinnungswandel stattgefunden hat: Gehörten früher Transkriptionen zum Repertoire der meisten Pianisten hat sich das im 20. Jahrhundert geändert: Will man als Künstler ernst genommen werden, sollte man paraphrasenlastige Programme möglichst meiden.


    Ein schönes Recital mit dem Titel "Oper ohne Worte" hat Yves Thibaudet vorgelegt. Thibaudet spielt hier Transkriptionen von Bellini, Gluck, Korngold und anderen- mit blühendem leuchtenden Ton- und man hört den Flügel förmlich singen:




    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Hier gibt es Transkriptionen, Fantasien etc - alles zu "Le Nozze die Figaro"- von verschiedenen Komponisten


    Neben Mozart, der selbst einiges beisteuerte,


    ...allenfalls die Vorlage. Ansonsten müsste mir etwas entgangen sein. Irgendetwas Unterschobenes vermutlich... oder etwas vom Sohnemann?


    ?(


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Caesar73
    ein schönes Thema! Eigentlich dachte ich auch, einen Thread zu diesem Genre gäbe es schon.


    Lieber Christian,


    Auch ich dachte, daß wir sowas bereits hatten. Schau mal hier.


    Variationen und Paraphrasen über Motiven/Arien gibt es zigfach. Nicht nur für Klavier. Klaviertranskriptionen gibt es um so mehr. Ich muß erst wieder den anderen Thread durchlesen, denn bin in der Zwischenzeit noch mehr begegnet.


    LG, Paul

  • Sehr hörenswert sind die virtuosen Wagner- Transkriptionen, über alle vier "Ringdramen" und "Tristan und Isolde" von dem Pianisten Stefan Mikisch zusammengebastelt und gespielt.


    (Transkriptionen nur über Arien, sind doch eigentlich selten.)



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Die deutsche Pianistin Babette Dorn spielt diese kleinen Kostbarkeiten mit Delikatesse und lässt den Flügel aufblühen.

    Neben Figaro hat sie auch Alben über die Zauberflöte und Don Giovanni, habe ich bei amazon gesehen. Kennt die jemand und kann vielleicht eine Meinung dazu abgeben? Ich werde mir wohl mal etwas davon besorgen, als Liebhaber des Genres.



    Das ist wirklich ein Fass ohne Boden. Liszt hat ja alleine schon zwölf CDs mit etwa 15 Stunden Musik mit Opernparaphrasen und -transkriptionen verfasst. Wahrscheinlich dicht gefolgt von Thalberg, von dem Francesco Nicolosi eine Menge eingespielt hat. Katsaris hat auch das eine oder andere eingespielt, z.B. hierauf:


    Hier ist ein Album mit neuen (d.h. vom Pianisten Yvar Mikhashoff erstellten) Paraphrasen im alten Stil:




    Eine meiner liebsten Opernarien ist von Saint-Saens die Arie "Mon coeur s'ouvre à ta voix". Davon kenne ich jedoch nur eine Klavierbearbeitung (kennt sonst noch jemand eine?), und zwar von Frédéric Meinders. Sie ist auf dem folgenden Album (Husum 2002) und die erste Hälfte etwa ist für die linke Hand alleine:



    Hier kann man ihn das Stück auch auf Youtube spielen sehen: http://www.youtube.com/watch?v=jLyv3_XQCAw

  • Ich liebe Händels Arie "Lascia ch'io pianga" aus der Oper Rinaldo, wie wahrscheinlich jeder andere vernünftige Mensch auch. Und wie jeder vernünftige Mensch habe ich mich auf die Suche nach einer Klaviertranskription derselben begeben, denn die Erfahrung hat gezeigt dass von jeder Melodie und jedem Stück das etwas taugt eine solche existiert...


    Fündig wurde ich auf diesem Album, in dem eine Transkription aus der Feder von Moszkowski eingespielt wurde, zusammen mit sämtlichen anderen Transkriptionen, die der werte Herr komponiert (bzw. arrangiert) hat:



    Was da noch so drauf ist, kann man durch einen Klick auf das Cover ja sofort herausfinden, aber hier noch eine partielle Auflistung. Moszkowski hat die ersten zehn ungarischen Tänze von Brahms neu arrangiert und dabei ein wenig vereinfacht, ohne viel zu verlieren. Naja, für den Hobbypianisten vielleicht dankbar, auf CD höre ich doch lieber das Original, etwa von Katchen. Cziffra hat ja von den meisten der Tänze ebenfalls Paraphrasen angefertigt, aber in seinem Fall völlig aberwitzige und nahezu unspielbare.
    Ein paar kleine Dinge von Mozart und Beethoven sind noch zu finden und eine Bearbeitung von Chopins Minutenwalzer, in dem das Thema in Terzen gespielt wird.


    Moszkowskis Carmen-Paraphrase war sicherlich Vorbild von Horowitz' bekanntem Werk, nur dass es nicht so überladen klingt sondern schlanker daher kommt. Die zwei Wagner-Stücke (Isoldes Tod & Der Venusberg) sind beide gelungen. Isoldes Tod klingt fast ein wenig ähnlich zu Liszts öfter gespielter Bearbeitung. Beides ist übrigens auch auf dieser CD von Chitose Okashiro mit Wagner-Transkriptionen zu finden:




    Ganz zum Schluss ist noch ein Schmankerl von Moszkowski auf der CD: Anton Notenquetscher am Klavier - 8 Variationen über ein Thema, die jeweils Parodien auf bekannte Komponisten sind. Das Thema wird hier verwurstelt im Stil von Czerny, Clementi, Bach, Brahms, Weber, Chopin, Rubinstein und Liszt, indem bekannte Themen dieser Personen noch mit eingewoben werden. Alles in allem ein hübscher "musikalischer Scherz", der nicht allzu ernst genommen werden sollte und mir Moszkowski außerordentlich sympathisch macht.

  • Mehr als 5 Jahre ist es her, dass ich diesen thread eröffnet habe. Ich erinnere mich, daß ich von der im ersten Beitrag von mir vorgestellten CD mit Klaviertranskriptionen und -Variationen etc. derart begeistert war, daß ich fest entschlossen war, die 2. CD dieser Dreierserie im nächsten Monat zu kaufen, Aber wie es eben so kommt . dieser nächste Monat war HEUTE. Ich habe die CD zwar schon vor einigen Wochen mit der Post erhalten - gehört habe ich sie indes vor einigen Stunden.
    In Zeiten vor der Erfindung der Schallplatte hat man Opernthemen gerne für heimische Instrumente, vorzugsweise Klavier, transkribiert und gelegentlich auch Fantasien oder Variationen darüber geschrieben. Heute wäre das eigentlich überflüssig, aber die Betonung liegt auf EIGENTLICH, denn inzwischen hat siech dieses Genre als eigene Kunstforn durchgesetzt und zahlreiche Liebhaber gefunden. Während im Falle von Harmoniemusiken - die ja eine ähnliche Aufgabe hatten, nämlich Opernarien oder komplexe andere Werke in die bürgerlichen Haushalte zu bringen - Spezialisten - fast möchte ich sagen Arrangeure- am Werke waren, wurden die meisten Klaviertranskriptionen etc von veritablen Komponisten geschaffen, was besonders interessant bei Variationen ist, wo der Eigencharakter des bearbeitenden Komponisten stark durchschimmert.
    Die gezeigt Aufnahmen bringt ausschließlich bearbeitete Themen aus Mozarts "Don Giovanni" - allerdings jeweils von anderen Komponisten geschrieben. Auch Mozart selbst arbeitete Melodien aus dieser Oper für Klavier um.......


    Mozart / Hummel: Don Giovanni-Ouvertüre
    +Beethoven: Allegro molto alla 'Notte e giorno faticar'
    +Mozart / Bizet: La ci clarem la mano;Don Giovanni, a cenar teco
    +Cramer: Fin ch'han dal vino (Introduktion, Air & Variationen)
    +Clementi: Batti, batti, o bel Masetto mit Introduktion & Coda
    +F. X.W. Mozart: Variationen über ein Menuett aus Don Juan
    +Schumann: Ein Stückchen von Mozart (Vedrai, carino)
    +Rheinberger: Tonstück in fugierter Form op. 68, 2
    +Herzogenberg: Variationen über ein Thema aus "Don Giovanni"
    +Mozart / Dorn: Da bravi, via, ballate


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ergänzend zu meinem Beitrag Nr 9 möchte ich noch anmerken, daß die jeweiligen Arrangeure und Bearbeiter recht unterschiedlich mit dem Grundmaterial umgegangen sind. So haben einige in der Tat lediglich eine Übertragung auf das Klavier gemacht - mit dem Ziel die Orchesterfarben und die Stimmen des Originals so gut wie möglich zu imitieren und so den Charakter und die Stimmung des jeweiligen Stückes beizubehalten. Andere, zum Beispiel Franz Xaver Mozart, Mozarts Sohn und selbst Komponist, sind mit der Vorlage wesentlich freier umgegangen, was in vielen Fällen mehr als hörenswert ist. Für meinen Geschmack hat sich Rheinberger zu weit vom Original entfernt, wogegen Heinrich von Herzogenberg zwar sehr freie Variationen geschrieben hat, die indes sehr eindrucksvoll waren und den Rang des Bearbeiters deutlich erkennen liessen. Herzogenberg hat den Spagat geschafft, seine eigenen Gedanken so zu formuliern, daß sie erkennbar und fast dominant waren, das Stück in seiner Substanz jedoch nicht grundsätzlich verfremdete...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Nicht fehlen darf hier ein Hinweis auf die zahlreichen Transkriptionen von Franz Liszt.
    Heute gehört Rigoletto Paraphrase und Réminiscences de Don Juan, gespielt von Jorge Bolet.


    Liszt hat 1841 mit den Réminiscences de Don Juan eine "Opernfantasie" komponiert, bestehend aus verschiedenen Themen des Don Giovanni. Sie hat extreme technische Ansprüche, ist aber auch mehr als nur ein Zusammenschnitt der einzelnen Themen der Arien. Vielmehr versucht Liszt, nicht nur das komplette Spektrum des Orchesters sowie die Singstimme auf dem Klavier abzubilden, sondern auch sein Verständnis des Werkes einzuarbeiten. Hört man diese Transkriptionen (ebenso wie die Transkriptionen er Schubert-Lieder durch Liszt), dann stellt sich die Frage nach der Berechtigung solcher Werke nicht mehr.

    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zu Lebzeiten Listzs war Sigismund Thalberg einer seiner ganz wenigen Konkurrenten, manche meinen sogar, der einzige.
    Das bezieht sich allerding vorzugsweise auf den Klaviervirtuosen - und nicht auf den Dirigenten...



    Auch Thalberg war nicht nur Virtuose, sondern auch Komponist. Hier sehen wir zwei Klavier-CDs mit Fantasien über Opern von Rossini, bzw Bellini.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da ich sie heute gehört habe, muß ich an dieser Stelle noch auf die Tannhäuser-Paraphrase von Franz Liszt aufmerksam machen, die imO eine Sternstunde orchestralen Klavierklangs darstellt. Liszts Paraphrasen sind mehr als schlichte Transkriptionen, sie loten wirklich die Fähigkeiten des Klavier in der vollen Breite aus.


    Der originale Titel ist: Ouvertüre zu Tannhäuser von Richard Wagner. Concertparaphrase für das Pianoforte von Franz Liszt. Das Werk entstand 1848/ 49 und kam erstmals 1849 in Dresden in den Druck.


    Zum Standartrepertoie der Pianisten gehört sie nicht, da sie herrlichen technischen aber auch Kraftaufwand bedeutet. Zwei Einspielungen, die mir am Herzen liegen, sind folgende. Die Aufnahme von Idil Biret kenne ich leider nicht.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Da manches im etwas schnelllebigeren thread "Was hört ihr gerade" vielleicht untergeht, hier noch ein Hinweis auf eine CD, die einzig Opernparaphrasen von Franz Liszt gewidmet ist


    Enthalten sind:
    O du mein holder Abendstern
    Ballade aus Der fliegende Holländer
    Elsas Traum
    Tannhäuser-Ouvertüre
    Feierlicher Marsch zum heiligen Gral
    Lohengrins Verweis an Elsa
    Walhall
    Elsas Brautzug zum Münster
    Isoldes Liebestod


    Oft werden sie etwas unterschätzt, diese Transkriptionen, dabei gehören sie zu den Werken, an denen sich Liszts Auffassung, was Klaviermusik bedeuten kann, besonders gut ablesen lässt. Dabei bringt er das Klavier wie ein Orchester zum Einsatz, dabei versucht Liszt nicht, das Werk möglichst originalgetreu wiederzugeben, sondern es auf den von ihm identifizierten musikalischen "Kern" zu reduzieren. Technisch höchst anspruchsvoll, schlägt sich der junge französische Pianist François Dumont sehr wacker. Dennoch liegen ihm intimeren Stücke eindeutig besser. Er gerät in der Tannhäuser Paraphrase derart an seine Grenzen, dass er dem Werk imO nicht gewachsen war und es vielleicht besser nicht aufgenommen hätte. Die kleineren Verspieler sind nicht so dramatisch, aber er holpert sich passagenweise durch die Noten, da ist viel Luft nach oben. O Du mein holder Abendstern oder Elsas Traum gelingen ihm dagegen in einer berührenden Schlichtheit und Kantabilität, die viel Freude machen. In Walhall hätte er einen größeren Klang gebraucht. Licht und Schatten also, wenngleich die lichten Momente wirklich so hörenswert sind, dass ich mich in Zukunft einmal etwas näher mit dem Pianisten beschäftigen werde.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)