Wotans Abschied - vom Orchester!

  • Gestern in der Deutschen Oper in Berlin:


    Richard Wagner
    Die Walküre



    In meiner 10 Jahre währenden Opern"-Karriere" habe ich so eine miese Aufführung noch nicht erlebt, aber fangen wir mal mit dem Positiven an: Petra Lang gab eine sehr gute , strahlend jugendliche Sieglinde, Kurt Rydl einen stimmgewaltigen Hunding, wenn auch mit etwas störendem mechanisch anmutenden Vibrato. Linda Watson eine ordentliche Brünnhilde und Robert Hale einen alles in allem soliden Wotan. Blass blieben hingegen vor allem Mihoko Fujimura (vor allem darstellerisch) als Fricka und Christian Franz als Siegmund, der zwar einiges schön gestaltete, aber einfach sehr begrenzte stimmliche Möglichkeiten darbot.
    An den Sängern hätte es also auch nicht scheitern müssen, auch über die mehr als 20 Jahre alte Inszenierung von Götz Friedrich ist schon alles Notwendige gestritten und gelobt worden.


    Vielmehr wurde das Ganze grandios in den Sand gesetzt vom Orchester unter der Leitung von Jun Märkl. Díe eine Sache ist, dass die Qualität des Orchesters leider stark nachgelassen hat. Spielfehler wie ein gründlich mißlungenes Schwertmotiv können passieren, aber die unpräzisen Einsätze nerven auf die Dauer. Wann immer großes Orchestertutti angesagt war, verschwand die brilliante Orchestrierung Wagners im Blechgetöse, der Walkürenritt diffuser Einheitsbrei und auch die Sänger wurden immer mal wieder vom Orchester geplättet, wo klangliche Zurückhaltung angesagt gewesen wäre.


    Am schlimmsten aber, unterschiedliche Vorstellungen über Phrasierung und Tempi schienen zwischen Dirigent und einigen Sängern gehörig Zündstoff zu bergen: So eilte das Orchester nicht selten voraus und selbst der Unmusikalischste merkte es spätestens dann, als Siegmund einfach mal eben im ersten Akt 2 (!!) Verszeilen überspringen mußte, um wieder halbwegs mit der Musik schritthalten zu können. Wer es nicht hörte, merkte es spätestens an den 3 mal innerhalb einer Sekunde hektisch wechselnden "Übertiteln". :D :D :D
    Überhaupt raste Märkl derartig durchs Finale 1. Akt, dass Siegmund kaum rechtzeitig dazu kam, das Schwert zu ziehen, geschweige denn mal einen Melodiebogen auszusingen.


    Seinen Höhepunkt fand das Drama aber - in jeglicher Hinsicht - in Wotans Abschied: Robert Hale sang sein eigenes sehr langsames Tempo, Merkl eilte mit dem Orchester immer ein bis zwei Verszeilen voraus ( und ich übertreibe hier leider nicht! X( ). Dann wartete man geduldig mittels einer schnell geschaffenen Generalpause bis Wotan fertig war, enteilte sich wieder Kunstvoll und um sich am Endes des nächsten Verses wieder zu vereinen. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Das kann man nur als Verhöhnung der Publikums bezeichnen. Der Höhepunkt des Werkes unwiederbringlich zerstört. Zumal des ja lange genug dauert, um sich mal auf ein Tempo zu einigen!


    Ich bin nicht ganz sicher, ob es nun handwerkliche Unfähigkeiten des Dirigenten, künstlerischen Differenzen oder auch einfach mangelhafter Probenarbeit zuzuschreiben ist. Ich befürchte eine Mischung aus allen drei Fakoren.


    Schade jedenfalls um dieses erhabene Werk. Und mein Geld hätte in einem Fastfoodessen vermutlich eine sinnlichere Anlage gefunden. :(


    Ab sofort werde ich mich der Deutschen Oper nur noch mit sehr großer Vorsicht nähern.


    Gruß aus Berlin
    Anti

  • Ich denke,diese Unfähigkeit liegt vor allem dem Dirigat zugrunde,denn Rydl,Watson und Franz standen nicht zum ersten Mal gemeinsam in der Walküre auf der Bühne.
    Gruß vom Wanderer,der immer noch nicht so recht weiß,wie er die Gesangsleistungen von Alvarez und Villazon in Wien zu beurteilen hat...(ich glaube immer mehr,daß einige Sänger grundsätzlich von der Presse und Kritikern hochgelobt werden,auch wenn sie es gar nicht verdienen oder ihre tolle Leistungen nur auf CD erbringen können).

  • Na, ganz den Stab würde ich über die Deutsche Oper nicht brechen.
    Buche halt nicht mehr Vorlesungen dieses Dirigenten, über den Du äußerst ergrimmt bist.


    Daß die Sänger mehrheitlich gut bis ausgezeichnet sind, weiß ich aus den Vorstellungen bei uns.


    Noch eine Antwort auf den Wanderer.
    Von Kritiken und Presse hochgelobt heißt (auch) vom Label gepowert. Für die Drei müssen Nachfolger raschest verkauft werden.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")