Christopher Hogwood - Feinsinniger Arbeiter am Klang

  • Geboren wurde Christopher Hogwood 1941 in Nottingham. Er studierte in Cambridge Musikwissenschaft und Altphilologie, ließ sich gleichzeitig am Cembalo ausbilden. Auf diesem Instrument begann er 1965 auch eine Ensembletätigkeit bei der Academy of St.-Martin-in-the-fields, der er bis 1976 noch lose zugehörte. 1973 bereits gründete er allerdings sein eigenes „Kammerorchester“, die Academy of Ancient Music (AAM). Dessen erste Aufnahme müssen meines Wissens Acht Ouvertüren Thomas Augustin Arnes gewesen sein. Das Label, auf dem die AAM fortan kontinuierlich veröffentlichte, war die Decca.


    Ein Großprojekt, für das die AAM und Hogwood rasch bekannt wurden, war die erste Gesamteinspielung der Mozartsymphonien auf Originalinstrumenten, die von den späten Siebziger Jahren bis in die Mitte der Achtziger entstand. Danach nahm Hogwood sich auch der Beethovensymphonien an, wobei hier statt Jaap Schröder nun der aufgerückte Simon Standage als Primgeiger fungierte. Haydnsymphonien folgten in den Neunzigern.


    Seit 1981 war Hogwood auch als Dirigent diverser Orchester in den USA tätig. Sein Schwerpunkt blieb aber weiterhin in England, wo er immer mehr Tätigkeiten wahrnahm und neben praktischen auch nie seine wissenschaftlichen Neigungen vernachlässigte. Besonders auflagenstark war und ist bis heute seine 1988 erstmals publizierte Händelbiographie, aber auch kritische Notentextausgaben zählen - und dies in später Zeit wieder verstärkt - zu seinem „Repertoire“. Seit den Neunziger Jahren hat er Professuren und Dozenturen an verschiedenen englischen Instituten inne, seine musikwissenschaftliche Arbeit fokussiert sich immer wieder auf britische Komponisten wie Dowland, Purcell oder Elgar.


    Hogwood trägt heute den ansprechenden Titel eines „Director emeritus“ der Academy of Ancient Music. Die Academy wird jetzt von Richard Egarr weitergeleitet.


    Als Hauptherausgeber der neuen Carl Philipp Emanuel Bach-Edition „The Complete Works“, die am Packard Humanities Institute erstellt wird, bleibt Hogwood seinen philologischen Vorlieben weiter treu. Zum dreihundertsten Geburtstag des Komponisten im Jahr 2014 sollen alle Bände abgeschlossen vorliegen.


    Wenn ich den Eindruck, den Hogwoods Dirigieren auf mich macht, zusammenfassen müßte, würden Worte wie „unaufgeregt“, „sachbezogen“ oder „musikdienlich“ fallen. Dabei vergaß er für meinen Geschmack nie, pointiert auf sein Verständnis eines Werkes hinzuarbeiten. Ein wahrhaft durchhörbares Klangbild (hier paßt der Begriff so gut wie sonst nur selten) sowie ein unnachlässiger, gleichwohl auch niemals atemloser „drive“ kennzeichnen für mich die besten seiner Aufzeichnungen, zu denen ich Symphonien Carl Philipp Emanuel Bachs (1979), Händels „Messias“ (1980), die späten Mozart- und die frühen Beethovensymphonien (Mitte 1980er) sowie eine ausgeprägt schöne „Entführung“ (1991) und einen rundum gelungenen „Titus“ (1993, beide Mozart) zählen mag. Neben dem erwähnten Thomas Arne hat Hogwood mit William Boyce einen weiteren britischen Barockkomponisten bevorzugt eingespielt.


    Es paßt vielleicht zu diesem feinsinnigen Arbeiter, daß er (anders als beispielsweise Harnoncourt, der auf Brahms und Bruckner Jagd macht) in jüngster Zeit sich Mendelssohn verstärkt gewidmet hat, den er auch ediert. Ob er auch hier mit Luftigkeit und Verve zu überzeugen weiß, kann man noch Ende dieses Monats in Weimar überprüfen, dort wird er die ansässige Staatskapelle dirigieren, bevor er sich, wie so oft, zu den Händelfestspielen nach Halle begibt, diesmal allerdings nur, um einen weiteren Preis seiner ansehnlichen Sammlung zuzufügen.


    Welche Erfahrungen habt Ihr mit Christopher Hogwood gemacht? Besonders interessieren würden mich Stimmen zu seinem Buch über die „Triosonate“ (1979), denn das liegt doch außerhalb meines Blickfeldes und sicher auch meiner Kompetenz. Wie schlägt sich Hogwood als Bachdirigent? Und wie plausibel wirken seine Bemühungen um Musik des 20. Jahrhunderts?

  • Hallo!


    Es gab bis eben noch keinen Dirigenten-thread zu Hogwood? Der war ja längst überfällig!


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Ein Großprojekt, für das die AAM und Hogwood rasch bekannt wurden, war die erste Gesamteinspielung der Mozartsymphonien auf Originalinstrumenten, die von den späten Siebziger Jahren bis in die Mitte der Achtziger entstand.


    Man siehe auch hier: Hogwood/Academy of Ancient Music: Mozart - Sämtliche Symphonien


    Zitat

    Es paßt vielleicht zu diesem feinsinnigen Arbeiter, daß er (anders als beispielsweise Harnoncourt, der auf Brahms und Bruckner Jagd macht) in jüngster Zeit sich Mendelssohn verstärkt gewidmet hat, den er auch ediert.


    Ich war vor ca. zweieinhalb Jahren in der Alten Oper in einem Konzert, in dem er Mendelssohns d-moll-Symphonie dirigierte (gespielt vom RSO Frankfurt) - das war wirklich phänomenal grandios - und Auslöser für diesen thread! Da wünscht man sich unbedingt auch die Mendelssohn-Symphonien als Aufnahmen mit Hogwood!


    Zitat

    Wie schlägt sich Hogwood als Bachdirigent?


    Hm, ich kenne da nur diese CD,



    die hat mich aber nicht sonderlich überzeugt. Daher würde ich die glatt wieder hergeben für die 38,32 Euro, zu denen sie bei Amazon als Preishit zu haben ist. Interesse? :D


    Meine liebste Hogwood-Aufnahme aus meiner Sammlung ist diese hier:



    Auch noch unbedingt erwähnt werden sollte diese Box mit einigen Oratorien-Raritäten:



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich war vor ca. zweieinhalb Jahren in der Alten Oper in einem Konzert, in dem er Mendelssohns d-moll-Symphonie dirigierte (gespielt vom RSO Frankfurt) - das war wirklich phänomenal grandios - und Auslöser für diesen thread! Da wünscht man sich unbedingt auch die Mendelssohn-Symphonien als Aufnahmen mit Hogwood!


    Dem möchte ich beipflichten! Dieses Konzert war ein grandioses Mendelssohn-Erlebnis! CDs mit Hogwoods Mendelssohn wären bei mir mit höchster Priorität auf der Wunschliste und ich würde jeden Vollpreis zahlen. Also, Labels: Hört die Signale!

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich war vor ca. zweieinhalb Jahren in der Alten Oper in einem Konzert, in dem er Mendelssohns d-moll-Symphonie dirigierte (gespielt vom RSO Frankfurt) - das war wirklich phänomenal grandios - und Auslöser für diesen thread! Da wünscht man sich unbedingt auch die Mendelssohn-Symphonien als Aufnahmen mit Hogwood!


    Da wär´ ich gern dabei gewesen. Und kann mich nur in die kleine Subskribentenliste für die Mendelssohn-CDs einreihen. Wie soll er´s auch vermurksen, der Meister sauber abgesetzter Klangbilder?


    Daß Bach nicht unbedingt genauso funktioniert, hatte ich beinahe schon befürchtet. Die Gründe dafür? Aber ich kann Dir Deine kostbare CD nicht abnehmen, Pius, weil ich nicht weiß was mein Plattenspieler zu dem Scheibchen sagen würde...


    Erwähnung finden sollte vielleicht auch noch, daß Hogwood in vokalen Belangen über viele Jahre mit Emma Kirkby eine überragende Solistin und mit dem Chor der Christ Church Cathedral Oxford ein traumhaft durchlässiges und minutiös geschichtetes Ensemble zur Seite stehen hatte.


    Alex.

  • Bisher habe ich Hogwood nur einmal live hier in Weimar erlebt: 2006 mit Mozarts Symphonie Nr. 39 und "Davidde Penitente". Von der Aufführung war ich begeistert.


    Nun steht der nächste Besuch Hogwoods bei der Staatskapelle Weimar bevor, auf die ich mich nach o. g. Lob für seine Mendelssohn Interpretationen sehr freue:


    25. und 26. Mai 2008 Weimar Weimarhalle


    Staatskapelle Weimar
    C. Hogwood
    Felix Mendelssohn Bartholdy
    - Konzertouvertüre Die Hebriden op. 26
    - Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 Schottische
    - Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107 Reformation
    (Kritische Ausgabe nach der Urfassung, hrsg. v. Christopher Hogwood / Verlag Bärenreiter Kassel

  • Hallo Graf Wetter vom Strahl,


    schön, dass Du diese Lücke geschlossen und einen Thread über diesen wunderbaren und wichtigen Dirigenten begonnen hast. Interessant ist, dass Hogwood wie andere Vertreter der englsichen HIP-Bewegung auch Philologie studiert hat (z.B. Roger Norrington, Emma Kirkby).


    Christopher Hogwood verdanken wir viele bedeutende und schöne Aufnahmen. Zum Beispiel diese hier mit einer wunderbaren Sängerbesetzung: Barbara Bonney, Uwe Heilmann und: Cecilia Bartoli.



    Wolfgang Amadeus Mozart: La Clemenza di Tito
    mit Christopher Hogwood, The Academy of Ancient Music, Barbara Bonney, Gilles Cachemaille, Diana Montague, Della Jones, Uwe Heilmann, Cecilia Bartoli


    Für mich ist das eine Referenzaufnahme dieser Oper.


    Freundliche Grüße , Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Eine andere großartige :jubel: Aufnahme schiebe ich gleich hinterher. Die werde ich mir gleich auch mal wieder auf CD anhören:



    Ludwig van Beethoven: Symphonien Nr. 1 und 2
    Academy of Ancient Music, Hogwood


    Ein frischer und transparenter Beethoven, für den Alexanders Worte sehr passend sind :yes: :


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl:
    Wenn ich den Eindruck, den Hogwoods Dirigieren auf mich macht, zusammenfassen müßte, würden Worte wie „unaufgeregt“, „sachbezogen“ oder „musikdienlich“ fallen. Dabei vergaß er für meinen Geschmack nie, pointiert auf sein Verständnis eines Werkes hinzuarbeiten. Ein wahrhaft durchhörbares Klangbild (hier paßt der Begriff so gut wie sonst nur selten) sowie ein unnachlässiger, gleichwohl auch niemals atemloser „drive“ kennzeichnen für mich die besten seiner Aufzeichnungen ...


    Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Guten Tag


    neben diversen Mozartsinfonie- und Klavierkonzertaufnahmem mit C. Hogwood habe ich noch diese



    Aufnahme von Mozarts "Entführung", eine der ersten (die 1. ?) HIP -Einspielung dieser Oper.
    Hogwood hat in dieser schönen Aufnahme noch den erst kurz vorher entdeckten Marica vor dem Einzug des Bassa im 1. Akt mit eingespielt. Im Continuo wird ein pianoforte eingesetzt.


    Erinnerlich ist mir auch noch ein Konzert mit der Academy of Ancient Music und Emma Kirkby unter Hogwood 1995 in Schwetzingen mit Händel- und Purcellvokalstücken :jubel:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ja, Andrew, der "Titus" und die beiden ersten Beethovensymphonien sind die Wucht! Daß Frau Kirkby auch Alte Philologin ist, das habe ich gar nicht gewußt!


    Bei der "Entführung", Bernhard, ist doch sogar der drollige Bassa-Marsch dabei, wo er mit dem Boot ankommt (oder bringe ich da etwas durcheinander?). Blonde ist hier wahrhaft eine Engländerin, "zur Freiheit geboren". Konstanze leider auch ... :pfeif:


    Die erste HIP-Entführung hat, glaube ich, Harnoncourt 1985 vorgelegt. Aber das ist schon ein andres Musizieren als bei Hogwood...


    Alex.

  • Huhu,


    meine erste Begegnung mit Hogwood war jene phänomenale:



    Joseph Haydn [1732-1809]
    L'Anima del filosofo
    ossia: Orfeo ed Euridice


    Cecilia Bartoli, Heilmann,
    Fardilha, Campbell, Oxley


    Academy of Ancient Music & Chorus
    Christopher Hogwood


    :jubel:
    :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel:
    :jubel:


    Davon könnt' es ruhig mehr geben!


    Die Siebte Beethoven gefällt mir auch ganz gut.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl


    Bei der "Entführung", Bernhard, ist doch sogar der drollige Bassa-Marsch dabei, wo er mit dem Boot ankommt (oder bringe ich da etwas durcheinander?).


    Genau, der Marsch vor dem Chor der Janitscharen, hier Marcia genannt, und soll erstmals von C.H. eingespielt worden sein.



    Zitat

    Die erste HIP-Entführung hat, glaube ich, Harnoncourt 1985 vorgelegt. Aber das ist schon ein andres Musizieren als bei Hogwood...


    Alex.


    Na ja, nicht ganz HIP, Harnoncourt ging bei der Instrumentierung Kompromisse ein.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Na ja, nicht ganz HIP, Harnoncourt ging bei der Instrumentierung Kompromisse ein.


    Jo, und nicht nur bei der Instrumentierung... :stumm:


    Zitat

    Original von Ulli
    Die Siebte Beethoven gefällt mir auch ganz gut.


    So mir! Vielleicht sollte ol´ Christopher mal seinen "Zugang zu Beethoven" mit Worten kenntlich machen... :pfeif:


    Der Haydn ist ja jetzt schon legendär, und nicht zuletzt durch Dich, Ulli! ;)


    Alex.

  • Zitat

    Daß Frau Kirkby auch Alte Philologin ist, das habe ich gar nicht gewußt!


    Hallo Alex, vielleicht haben die beiden auch deshalb so wunderbar zusammen arbeiten und musizieren können. Aufnahmen gibt es eine ganze Reihe. Und sie sind natürlich alle empfehlenswert - besonders für die, die es mögen. Zum Beispiel diese:



    Georg Friedrich Händel:
    Kantaten Tu fedel?Tu costante?;Mi palpiti il cor;
    Alpeste monte;Tra le fiamme
    Künstler: Kirkby, Academy of Ancient Music, Hogwood
    Label: Decca , DDD, 1984



    Und diese - auch zusammen mit dem wunderbaren James Bowman:



    Giovanni Battista Pergolesi:
    Stabat Mater + Salve Regina
    Kirkby, Bowman, Academy of Ancient Music, Hogwood


    Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Muss ich ja auch nicht. Hoffentlich gibt es noch mehr Mitglieder, die diesen Dirigenten schätzen und mögen. Die Entführung habe ich auch mit Hogwood + AAM. Sie ist zusammen mit der absolut unHIPpen Jochum-Einspielung meine Liebste.


    Grüße aus Nordwest, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Unbedingt zu nennen ist Hogwoods hervorragende Dido & Aeneas:



    Catherine Botts "When I am laid in earth" ist fantastisch gelungen. Kennen gelernt hatte ich die Arie von J. Norman, gesungen also mit einem sehr vollen, überflutenden Sopran. Bott singt die Arie unter Hogwood auf vollkommen andere, entgegengesetzte, zurückhaltende Art und wirkt gerade durch diese Zurückhaltung, in der das Gebrochene zum Ausdruck kommt, zutiefst berührend. "Remember me" singt sie. Ja, lange noch! Die Zauberin (Sorceress) ist in dieser Aufnahme leider mit einem Mann besetzt, schade, ich höre lieber eine Frau. Die Hexen singen hier übrigens im Vergleich mit der weit verbreiteten Aufnahme Christies nicht musiktheatralisch fratzenartig, sondern schön.


    Purcell hat auch eine Einspielung der Bühnenmusiken Purcells vorgelegt (aufgenommen 1976-1984), die ich nicht kenne, die hier im Forum aber hoch gelobt wurde und zu der FonoForum laut dem Text bei jpc meint: "Auf einen sicher nicht nur subjektiven Nenner gebracht: eine Jahrhundert-Einspielung ohne Gegenstück."



    Viele Grüße
    Thomas

  • Zitat

    Zitat von Bernhard
    Purcell hat auch eine Einspielung der Bühnemusiken Purcells vorgelegt


    :D


    Ja, das ist dann wirklich eine authentische Originalklang-Einspielung. Das kann dann nur noch von Harnoncourt überboten werden ...



    Unter die empfehlenswerten Aufnahmen möchte ich auch die Vivaldi-Einspielungen Hogwoods rechnen und exemplarisch auf diese CD hinweisen:



    Vivaldi: 9 Concerti
    AAM, Hogwood und Solisten (z.B. Huggett, Bylsma u.a.)


    Sie ist randvoll mit wunderbaren Aufnahmen. Enthalten sind:



    Das erste Konzert ist das berühmte für zwei Trompeten. Als ich diese CD vor längerer Zeit kaufte und die ersten Takte hörte, war ich zuerst enttäuscht. Kannte ich doch dieses Konzert in Aufnahmen z.B. mit Maurice André u.a., bei denen dieses Konzert sehr virtuos und vor allem mit enormem Tempo gespielt wird. Hogwoods Aufnahme ist betont langsam - zuerst eher befremdlich. Inwischen finde ich die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen eher langweilig, während diese Aufnahme immer noch spannend und aufregend ist.


    Hogwood hat eine ganze Reihe von Werken Vivaldis eingespielt. Ich kenne sie nicht alle.


    Schöne Grüße aus dem sonnigen Norden, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Zitat

    Original von Andrew
    Hogwood hat eine ganze Reihe von Werken Vivaldis eingespielt. Ich kenne sie nicht alle.


    Ich habe mehrere, alle sind nach wie vor frisch und hörenswert - Hogwood hat im Lauf der Jahre alle gedruckten Opera Vivaldis eingespielt! In den letzten Jahren hat er mit dem italienischen Ensemble L'Arte dell'Arco zusammengearbeitet und ein Opus nach den Erkenntnissen seiner kritischen Notenausgabe mit ihnen neu eingespielt.
    Meines Wissens hat er auch in Italien Auszeichnungen für seine Vivaldi-Aufnahmen bekommen.


    Ein Besuch auf http://www.hogwood.org/ lohnt sich - immer die neusten Aufnahmen und Konzerttermine und einige interessante Texte von ihm.

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von miguel54
    In den letzten Jahren hat er mit dem italienischen Ensemble L'Arte dell'Arco zusammengearbeitet und ein Opus nach den Erkenntnissen seiner kritischen Notenausgabe mit ihnen neu eingespielt.


    z.B. auch diese



    CD Sinfonie "Avanti l'Opera" e Concerti


    mit dem erwähnten Ensemble L'Arte Dell'Arco.


    Farbige und ungemein lebendige Vivaldieinspielung :jubel: :jubel:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Christopher Hogwood schätze ich sowohl als Dirigenten wie auch als Cembalisten sehr. Für das barocke Repertoire hat er einige für meine Begriffe maßstabsetzende Einspielungen vorgelegt – neben der wundervollen, hier schon gezeigten Interpretation von Purcells »Dido and Aeneas« würde ich unbedingt auch seine Interpretationen der Händelschen Concerti grossi op. 6 empfehlen (nicht mit der Academy of Ancient Music eingespielt sondern mit der Handel & Haydn Society):




    Eine sehr schön ausbalancierte und ausgewogene Interpretation. Naklar historisch informiert aber ohne den manchmal etwas schroffen Klang, den der eine oder andere bei Hogwoods Einspielungen mit der AoAM nicht so besonders liebt. Durchaus in Richtung »Klangrede« ausgespielt, wobei Hogwoods Lesart deutlich weniger exaltiert ist als beispielsweise Harnoncourt – außerdem geht Hogwood die Werke auch deutlich zügiger an, was der Musik IMO außerordentlich gut tut.


    Hogwoods Beethoven-Symphonien sind hier im Thread ja auch bereits erwähnt worden. Ich kann mich da Andrews Lob nur nachdrücklich anschließen und möchte zudem auch auf Hogwoods Interpretation der Klavierkonzerte Beethovens mit Steve Lubin (Fortepiano) und der AoAM hinweisen:



    Eine frische, kantig-transparente und doch sehr volltönende HIP-Einspielung der Klavierkonzerte mit einem hinreissenden Steven Lubin am Fortepiano. Für mich aktuell immer noch die rundum überzeugendste HIP-Einspielung der Klavierkonzerte.


    Und nun noch schnell der Hinweis auf zwei ganz vorzügliche CDs mit Hogwood an den Tasten. Zunächst diese:



    Hier interpretiert Hogwood Klavierwerke Mozarts (u.a. die Klaviersonate KV 381, den Marche funebre KV 453a und die Fantasie KV 397) auf dem Clavichord, wobei Instrumente zum Einsatz kommen, die entweder im Besitz Mozarts gewesen sind oder aus seinem unmittelbarten Umfeld stammen. Hogwood spielt die Werke sehr einfühlsam und dynamisch, das eher intime Klangbild des Clavichords kleidet dabei die Musik Mozarts sehr, sehr gut.


    Ja und schließlich diese, die ich erst kürzlich aufgrund der impliziten, aber deshalb nicht weniger nachdrücklichen Empfehlungen hier im Forum gekauft habe:



    Einfach toll!!!


    Viele Grüße,
    Medard


  • Dem allen kann ich mir nur vorbehaltlos anschließen. An der Klavierkonzert-Einspielung kann man u.a. die Entwicklung des Klavierbaus zu jener Zeit wunderbar nachvollziehen.

  • Hallo Hogwood Spezialisten!
    Was ist von dieser

    GA der Beethoven Sinfonien (derzeit um die 20Euro) zu halten? Insbesondere würde mich die Unterschiede (abgesehen vom Preis!) zu Gardiners und Marriners Aufnahmen interessieren...

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  • Im Gegensatz zu Marriner zudem auf Originalinstrumenten ausgeführt; im Gegensatz zu Gardiners Pseudo-HIP (Sorry!) weniger oberflächenpoliert, kantiger, spröder, schöner, anrührender, ergreifender...


    Viele Grüße,
    Medard


  • Danke, soeben bestellt...

  • Kennt jemand welche der Haydn-Sinfonien Hogwoods?


    Ich kann nämlich die hier geäußerte allgemeine Begeisterung angesichts der mir bekannten Aufnahmen eher nicht teilen. Fast immer gefallen mir Alternativen besser. Die britische Neigung zu Bravheit und schlimmstenfalls gepflegter Langeweile (euphem. "understatement") scheint mir bei Hogwood besonders ausgeprägt. Natürlich ist das alles sehr solide. Aber oft könnte man ebensogut Marriner auflegen, wäre klanglich noch wesentlich gepflegter...


    Die Händel-Concerti sind trotzdem ziemlich gut, spritzig und elegant (aber wiederum vgl. mit Harnoncourt eindimensional). Von der Oratorienbox würde ich eher abraten, es sei denn, man will einen Knabenchor-Messiah. La Ressurezione hat Kirkby und lohnt sich sicher, aber hier gibt es ernstzunehmende Alternativen unter Koopman und Minkowski. Esther und Athalia sind eher für Spezialisten (was auch an Händel liegt, eins davon recycelt größere Teile der Brockes-Passion, alles kein Pflichtprogramm). Die Box mit den Purcell-Musiken habe ich mir auch gekauft, aber noch nicht durchgehört.


    Andererseits habe ich jetzt 3 Scheiben (73-78, 82-84) aus Goodmans Reihe und dabei wird es bleiben. Die haben zwar durchaus Feuer, aber das überprominente Cembalo geht dermaßen auf die Nerven. :wacky: Und ist obendrein historisch vermutlich falsch! Auf Schloß Eszterhazy spielte mit großer Wahrscheinlichkeit kein Cembalo im Orchester. Und bei dem Riesenorchester, für das die Pariser Sinfonien geschrieben wurden, wäre es kaum hörbar (und außerdem wäre es 1786 ziemlich sicher ein Fortepiano gewesen...). Mein Vorschlag für alle HIPisten bei Haydn: Kontrabässe verdoppeln und Tasteninstrument weglassen :D


    Hogwood sei hier aber nicht schlecht und cembalofrei, heißt es. Da die jedoch immer im Dreierpack kommen, will ich da nicht einfach so zuschlagen...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Von der Oratorienbox würde ich eher abraten, es sei denn, man will einen Knabenchor-Messiah.


    Ach ja, jetzt erinnere ich mich wieder, warum ich den Messiah nicht gehört hatte. :O
    Aber La Resurrezione ist wirklich klasse, und eines der beiden anderen, ich glaube Athalia, lohnt sich auch sehr.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Kennt jemand welche der Haydn-Sinfonien Hogwoods?


    Ne, leider nicht – deswegen ist alles weitere auch irgendwie an Deiner eigentlichen Frage vorbeigeschrieben.


    Zitat

    Ich kann nämlich die hier geäußerte allgemeine Begeisterung angesichts der mir bekannten Aufnahmen eher nicht teilen. Fast immer gefallen mir Alternativen besser. Die britische Neigung zu Bravheit und schlimmstenfalls gepflegter Langeweile (euphem. "understatement") scheint mir bei Hogwood besonders ausgeprägt. Natürlich ist das alles sehr solide. Aber oft könnte man ebensogut Marriner auflegen, wäre klanglich noch wesentlich gepflegter...


    Die Händel-Concerti sind trotzdem ziemlich gut, spritzig und elegant (aber wiederum vgl. mit Harnoncourt eindimensional).


    Stimmt wohl und stimmt wohl auch nicht. Es kommt halt immer darauf an, was man als Vergleichsgröße ins Feld führt. Sicherlich: verglichen mit Harnoncourts Lesart der Händel-Concerti ist Hogwood brav – allerdings kenne ich auch keine andere Einspielung, die im Vergleich mit Harnoncourts Interpretation von op. 6 nicht brav erscheinen würde. Kurz gesagt: Harnoncourt ist schon klasse – aber eben auch schon sehr extrem und sicherlich auch nicht jedermanns Sache. Die Allemande zu Beginn von op. 6 Nr. 8 zum Beispiel finde ich – als jemand, der diese Aufnahmen insgesamt sehr schätzt – bei Harnoncourt unerträglich überdehnt und, ja, ziemlich maniriert. Die Tendenz zur Überakzentierung von musikal. Rhetorik und Affekten ist in seiner op. 6 Lesart durchgängig vorhanden. Daran gemessen ist Hogwood eher unauffällig und vielleicht sogar mainstreamiger, in jedem Fall konventioneller. Und dennoch: wenn ich nur eine der beiden Einspielungen haben resp. behalten dürfte, würde ich mich ohne langes Zögern für Hogwood entscheiden, weil mir seine relaxtere und gleichzeitig zügigere Lesart einfach näher ist.


    Dein Hinweis auf Marriner ist IMO auch schon richtig. Wieder mit Blick auf Händels op. 6 würde ich sogar meinen, dass Marriner eine ganz vorzügliche (und zumindest im Kontext des Non-HIP) maßstabsetzende Einspielung vorgelegt hat, die in vielen Punkten gar nicht so weit von Hogwood entfernt ist - etwa hinsichtlich der Tempogestaltung (wenn ich das jetzt nicht ganz falsch in Erinnerung habe. Müsste ich abends mal nachprüfen). Und dennoch: der entscheidende Unterschied ist einfach das Klangbild, das bei Marriner eben konventionell ist, während Hogwood ganz klar Original-Klang (sprich: historische Instrumente) bietet.


    Zitat

    Von der Oratorienbox würde ich eher abraten, es sei denn, man will einen Knabenchor-Messiah. La Ressurezione hat Kirkby und lohnt sich sicher, aber hier gibt es ernstzunehmende Alternativen unter Koopman und Minkowski. Esther und Athalia sind eher für Spezialisten (was auch an Händel liegt, eins davon recycelt größere Teile der Brockes-Passion, alles kein Pflichtprogramm). Die Box mit den Purcell-Musiken habe ich mir auch gekauft, aber noch nicht durchgehört.


    Ich kenne aus der Händel Oratorien-Box nur die »Esther«, die ich allerdings für ganz vorzüglich gelungen halte (habe aber keine Vergleichseinspielungen). Die Purcell-Box (wenn Du denn die Schauspielmusiken meinst) besitze ich schon recht lange (noch im alten Outfit) – hat mich aber nicht vom Hocker gerissen. Höre ich selten. Ob das wirklich an den Interpretationen liegt? Kann ich nicht sagen, habe keine Vergleiche. Mir schien aber auch die Musik selbst eher nicht unbedingt sensationell.


    Zitat

    Andererseits habe ich jetzt 3 Scheiben (73-78, 82-84) aus Goodmans Reihe und dabei wird es bleiben. Die haben zwar durchaus Feuer, aber das überprominente Cembalo geht dermaßen auf die Nerven. :wacky: Und ist obendrein historisch vermutlich falsch! Auf Schloß Eszterhazy spielte mit großer Wahrscheinlichkeit kein Cembalo im Orchester. Und bei dem Riesenorchester, für das die Pariser Sinfonien geschrieben wurden, wäre es kaum hörbar (und außerdem wäre es 1786 ziemlich sicher ein Fortepiano gewesen...). Mein Vorschlag für alle HIPisten bei Haydn: Kontrabässe verdoppeln und Tasteninstrument weglassen :D


    Ist hier zwar kein Goodman-Thread, aber da wir (noch) keinen haben und ich Deine Bemerkungen interessant finde, dennoch zwei, drei Worte. Interessant finde ich Deine Einschätzung deshalb, weil mir selbst das Cembalo in den Sinfonien 82-84 (73-78 habe ich nicht mit Goodman) keineswegs »überprominent« vorkommt und weil es mir auch nicht auf die Nerven geht. Im Gegenteil: mir gefallen die Goodman-Interpretationen der »Pariser-Sinfonien« - und auch die meisten anderen die ich in seinen Interpretationen kenne – teilweise auch gerade auf Grund des Einsatzes von Tasteninstrumenten (ab Nr. 93 ersetzt Goodman das Cembalo übrigens tatsächlich durch ein Fortepiano oder lässt die Tasteninstrumente ganz weg). So unterschiedlich können Höreindrücke sein! Jedenfalls tut der Einsatz des Cembalos dem - wie Du es nennst – »Feuer« der Einspielungen mit der Hanover Band für mein Empfinden keinen Abbruch (ob es historisch korrekt ist oder nicht, ändert da an meinem Gefallen oder Nicht-Gefallen letztlich nix :) ).


    Viele Grüße,
    Medard


  • Die Academy of Ancient Music gibt mit Bestürzung den Tod ihres Gründers bekannt. Christopher Hogwood starb heute im Alter von 73 Jahren.


    Christopher Jarvis Haley Hogwood, CBE, MA (Cantab), HonMusD (Cantab) (10. September 1941 in Nottingham — 24. September 2014 in Cambridge), war ein englischer Dirigent, Cembalist, Schriftsteller und Musikwissenschaftler.


    Quelle: http://www.aam.co.uk/#/news/latest-news.aspx


    R. I. P.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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