Geboren wurde Christopher Hogwood 1941 in Nottingham. Er studierte in Cambridge Musikwissenschaft und Altphilologie, ließ sich gleichzeitig am Cembalo ausbilden. Auf diesem Instrument begann er 1965 auch eine Ensembletätigkeit bei der Academy of St.-Martin-in-the-fields, der er bis 1976 noch lose zugehörte. 1973 bereits gründete er allerdings sein eigenes „Kammerorchester“, die Academy of Ancient Music (AAM). Dessen erste Aufnahme müssen meines Wissens Acht Ouvertüren Thomas Augustin Arnes gewesen sein. Das Label, auf dem die AAM fortan kontinuierlich veröffentlichte, war die Decca.
Ein Großprojekt, für das die AAM und Hogwood rasch bekannt wurden, war die erste Gesamteinspielung der Mozartsymphonien auf Originalinstrumenten, die von den späten Siebziger Jahren bis in die Mitte der Achtziger entstand. Danach nahm Hogwood sich auch der Beethovensymphonien an, wobei hier statt Jaap Schröder nun der aufgerückte Simon Standage als Primgeiger fungierte. Haydnsymphonien folgten in den Neunzigern.
Seit 1981 war Hogwood auch als Dirigent diverser Orchester in den USA tätig. Sein Schwerpunkt blieb aber weiterhin in England, wo er immer mehr Tätigkeiten wahrnahm und neben praktischen auch nie seine wissenschaftlichen Neigungen vernachlässigte. Besonders auflagenstark war und ist bis heute seine 1988 erstmals publizierte Händelbiographie, aber auch kritische Notentextausgaben zählen - und dies in später Zeit wieder verstärkt - zu seinem „Repertoire“. Seit den Neunziger Jahren hat er Professuren und Dozenturen an verschiedenen englischen Instituten inne, seine musikwissenschaftliche Arbeit fokussiert sich immer wieder auf britische Komponisten wie Dowland, Purcell oder Elgar.
Hogwood trägt heute den ansprechenden Titel eines „Director emeritus“ der Academy of Ancient Music. Die Academy wird jetzt von Richard Egarr weitergeleitet.
Als Hauptherausgeber der neuen Carl Philipp Emanuel Bach-Edition „The Complete Works“, die am Packard Humanities Institute erstellt wird, bleibt Hogwood seinen philologischen Vorlieben weiter treu. Zum dreihundertsten Geburtstag des Komponisten im Jahr 2014 sollen alle Bände abgeschlossen vorliegen.
Wenn ich den Eindruck, den Hogwoods Dirigieren auf mich macht, zusammenfassen müßte, würden Worte wie „unaufgeregt“, „sachbezogen“ oder „musikdienlich“ fallen. Dabei vergaß er für meinen Geschmack nie, pointiert auf sein Verständnis eines Werkes hinzuarbeiten. Ein wahrhaft durchhörbares Klangbild (hier paßt der Begriff so gut wie sonst nur selten) sowie ein unnachlässiger, gleichwohl auch niemals atemloser „drive“ kennzeichnen für mich die besten seiner Aufzeichnungen, zu denen ich Symphonien Carl Philipp Emanuel Bachs (1979), Händels „Messias“ (1980), die späten Mozart- und die frühen Beethovensymphonien (Mitte 1980er) sowie eine ausgeprägt schöne „Entführung“ (1991) und einen rundum gelungenen „Titus“ (1993, beide Mozart) zählen mag. Neben dem erwähnten Thomas Arne hat Hogwood mit William Boyce einen weiteren britischen Barockkomponisten bevorzugt eingespielt.
Es paßt vielleicht zu diesem feinsinnigen Arbeiter, daß er (anders als beispielsweise Harnoncourt, der auf Brahms und Bruckner Jagd macht) in jüngster Zeit sich Mendelssohn verstärkt gewidmet hat, den er auch ediert. Ob er auch hier mit Luftigkeit und Verve zu überzeugen weiß, kann man noch Ende dieses Monats in Weimar überprüfen, dort wird er die ansässige Staatskapelle dirigieren, bevor er sich, wie so oft, zu den Händelfestspielen nach Halle begibt, diesmal allerdings nur, um einen weiteren Preis seiner ansehnlichen Sammlung zuzufügen.
Welche Erfahrungen habt Ihr mit Christopher Hogwood gemacht? Besonders interessieren würden mich Stimmen zu seinem Buch über die „Triosonate“ (1979), denn das liegt doch außerhalb meines Blickfeldes und sicher auch meiner Kompetenz. Wie schlägt sich Hogwood als Bachdirigent? Und wie plausibel wirken seine Bemühungen um Musik des 20. Jahrhunderts?