Richard Tauber - Star einer Epoche

  • Liebe Forianer,


    Das SchellackForum einerseits dürstet nach Themen, unserer Mitglied "Don Basilio" andererseits erwähnte sein Interesse an Richard Tauber, was lag näher als ihm einen Thread zu widmen.
    Den meisten ist Richard Tauber, wenn überhaupt, vor allem als Tenor in Erinnerung, der Lehar-Operetten sang. Das tat er natürlich auch, er war schließlich mit Franz Lehar befreundet, und dieser schrieb die Rollen Tauber gewissermaßen auf den Leib.


    Nicht jeder dürfte allerdings wissen, daß Tauber auch ein gefeierter Mozart-Tenor war, aber eigentlich sang er alles, begonnen von Mozart, Weber, Wagner, Bizet, Kienzl, Puccini, zudem noch leicht Muse, ebenso wie seine Kollegen Joseph Schmidt und Jan Kiepura.


    Richard Tauber wurde am 16. 5. 1891 als Richard Dememy in Linz geboren (Nicht als Richard Seiffert, wie manche Quellen fälschlicherweise angeben) Durch die Adoption durch Anton Richard Tauber erhielt er dien Doppelnamen Denemy-Tauber.


    Die Firma Naxos hat Tauber einige CDs in ihrer Wiederveröffentlichungsreihe gewidmet. Eine habe mir heute für diesen Thrad gekauft.Sie enthält 21 Opernarien aus den verschiedensten Bereichen, auch Raritäten, wie zB. eine Arie aus der Oper "Joseph" von Mehul sind darunter.



    Die CD stellt einen meiner Meinung nach gelungenen Transfer dar, das Rauschen wurde nur teilweise entfernt, die Klangfarbe der Stimme bleibt auf diese Weise erhalten, sodaß die Aufnahmen mehr als nur ein historischer Beleg sind, sondern ein echtes Vergnügen, vorausgesetzt man goutiert, daß Tauber einen aus heutiger Sicht völlig antiquierten Stil singt. Ich selbst musste mich an seine Bildnisarie (sie ist auf der CD 2fach vorhanden, einmal aus dem Jahre 1938, das andere Mal von 1946)


    Die Stimme Taubers ist unverkennbar, wer ihn einmal gehört hat wird ihn nie mehr vergessen. Für heutige Ohren mag er zu wuchtig, zu "Knödelig" singen seine Kopfstimmen-Stellen muten fremd an.
    Nicht alles lag ihm - Dennoch er war das Symbol einer Epoche, sein Ruhm war unvergleichlich. Tauber starb am 8. Jänner 1948 in London in der Emigration.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred!


    Danke für den Thread!


    Ich habe mich nun etwas besser über Tauber informiert und mir 4 CDs, darunter auch die abgebildete CD bestellt. Warte aber noch aufs Eintreffen.


    Habe mir auch eine Spielfilmdoku (mit Armin Rohde als Tauber) angesehen, aus der ich sehr viel erfahren habe. Aus den Musikbeispielen dieser Doku wurde mein Interesse sehr gesteigert.
    Sein Dein ist mein ganzes Herz ist die vielleicht grossartigste Tenorarie überhaupt, ausser vielleicht Björlings Nessun Dorma.


    In dieser Doku erwähnte Marcel Prawy, dass Tauber manche Arien wie Caruso anlegte, nur dass dieser höher hinauf konnte, Tauber schaffte es "nur" aufs A, machte die Höhe durch Volumen wett. Gibt es irgendeine CD, wo die beiden verglichen werden.


    Prawy hatte weiters von Jan Kiepura geschwärmt.
    Jetzt ist mein Interesse über Kiepura auch erwacht.
    Ich habe aber kaum Infos bzw. Aufnahmen gefunden!


    Kann mir da jemand was empfehlen!


    Danke im Voraus


    Joschi

  • Hallo Joschi,


    Ein Jan Kiepura Thread folgt in wenigen Stunden.
    Prawy habe ich übrigens vor etwa 25 Jahren "kennengelernt", soll heißen daß ich mit ihm ein paarmal kurz gesprochen hab, nett aber über alle Maßen nervös


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, schon wieder ein beitrag von mir. hat schon ein forianer richard tauber in korngold`s toter stadt gehört? die arie heißt: "GLÜCK, DAS MIR VERBLIEB". die gänsehaut überzieht den ganzen körper so eindrucksvoll interpretiert richard tauber diese arie. leider kann ich ausser dem österr. rundfunk keine aufnahmequelle nennen. (marcel prawy: glück das mir verblieb - eine geburtstagssendung für erich wolfgang korngold).
    liebe grüße,
    Sonja
    aufnahmequelle

  • Hallo.


    Ich kann eine Quelle nennen (soeben bei Naxos.com ergooglet)


    Naxos 8.110729


    Dort sind 2 Korngold arien drauf, die Aufnahme stammt aus dem
    Jahre 1924 und ist also noch mit dem Trichter gemacht.


    Leider findet sich die CD nicht bei Amazon und jpc
    In Österreich sollte es aber ein leichtes sein sie zu bekommen:
    Ich möchte keine Qellen nennen und sag daher nur :


    Gramola am Graben :hello:
    Dort sollte man jede lieferbare Naxos CD bekommen



    Beste GRüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Theophillius hat mich soeben darauf hingewiesen, daß es diese Arie auch auf Preiser 89219 (eine DoppelCD) gibt:


    Inzwischen habe ich auch ein Bild des Covers aufgetrieben und einen Link gesetzt zu Preiser, daß man den Track abhören kann
    (Nur bei historischen Aufnahmen erlaube ich Abhörlinks, weil die etwas schwieriger zu finden sind)




    http://www.preiserrecords.at/2…hp?artikelid=900200000225


    Freundliche Grüße


    aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,
    vielen, vielen Dank für den Hinweis auf Preiser! Ich hab` mir das Angebot angesehen und bin begeistert: ein ELDORADO für jeden
    "Gestrigen" (dieser Ausdruck ist NICHT böse gemeint). Da kommt jetzt
    EINIGES auf mein Geldbörsel zu.
    Einen schönen Abend wünscht
    Sonja :jubel:

  • Hallo Alfred!!


    Ich habe mir die von dir gezeigte Opera Arias Vol.2 gekauft(du bist schuld :D). und nicht nur die auch:operetta arias ua
    Toll, vor allem das Konstanze, Kostanze und il mio tesoro.


    Aber kurz vor Schluss bei Keiner schlafe macht es den Eindruck als ob tauber mpff machen würde. Was ist da los?? Hängt mein Cd-Player, hat er sich "versungen, oder was ist da los??? Kannst du mich da aufklären!!!


    PS: Hab auch eine Schallplatte von einem Abschiedskonzert von TAuber und Lehar erstanden!!! Aber muss noch den Plattenspieler meiner Eltern herrichten.


    Mfg Joschi

  • Hallo liebe Forianer,


    durch eine Film-Biographie über Herrn Tauber, die gerade im SWR lief, kam ich auf seinen letzten Auftritt am 27. (?) September 1947 als Don Ottavio in Mozarts "Don Giovanni".
    Soweit ich weiß, bestand die Aufführung aus:
    Orchester der Wiener Staatsoper, Chor der Wiener Staatsoper, Josef Krips (Dirigent), Maria Cebotari (Donna Anna) und Richard Tauber (Don Ottavio).
    Wie gesagt: Ich weiß nicht, ob diese Aufführung a) überhaupt aufgenommen wurde und b) heute noch (vorzugsweise auf CD) erhältlich ist.
    Um es vorweg zu sagen: Eigtl. halte ich vom Operetten-Star Tauber weniger was, aber da mir sowieso noch eine Aufnahme des "Don Giovanni" fehlt, wäre das vielleicht nicht die uninteressanteste Lösung, zumal diese Mozart-Oper in mein Interessenfeld fällt.


    Viele Grüße
    Don Felipe


    P.S.: Gibt es noch andere "Don Giovanni"-Aufnahmen mit Richard Tauber?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo Felipe!!


    Ich kann dir eine Aufnahme des Don Giovanni empfehlen! Und zwar:


    Vom Glyndebourne Festival 1936 unter der Leitung von Fritz Busch:
    John Brownlee- Don Giovanni
    Donna Anna- Ina Souez
    Donna Elvira- Louise Helletsgruber
    Zerlina- Audrey Mildmay
    Don Ottavio- Koloman von Patakay
    Komtur- David Franklin
    Masetto- Roy Henderson
    Leporello- Salvatore Baccaloni


    Bisher kein Tauber, aber auf der 3.CD gibt es als Zusatz noch einige Titel unter der Rubrik "Don Giovanni excerpts performed by golden age singers"
    Es singen Feodor Chaljapin (Madamina, il catalogo il questo)
    Ezio Pinza (Champagnerarie & Deh vieni alla finestra)
    und Richard Tauber (Dalla sua pace (1929) Il mio tesoro (1939)).


    Ein wirklich großartiger Don Giovanni!


    Zu der Don Giovanni-Aufführung vom 27.9.1947:
    Donna Elvira-Hilde Güden
    Komtur- Ludwig Weber
    Wollt ich nur mal hinzufügen! Diese Aufführung wurde soweit ich weiß nicht aufgenommen, zumindest hab ich noch nichts davon gehört!


    Mfg Joschi

  • Hallo Joschi,


    vielen Dank für Deine Hilfe.
    Da ich auch bei amazon.com keine Komplettaufnahme mit Tauber fand, hab' ich mir schon so etwas gedacht.


    Eigtl. schade, daß es offenbar keine Gesamtaufnahme mit Tauber gibt, sondern nur Auszüge... Erachte ich persönlich als unverständlich, zumal es doch komplette Aufnahmen geben muß, wenn es Auszüge gibt...


    Viele Grüße
    Don Felipe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sonja: die Passagen aus der "Toten Stadt" sind wirklich erstklassig, gehört mit zu dem Besten was ich je gehört habe - was nicht nur an Tauber sondern auch an Lotte Lehmann *schmacht* liegt. ich habe die Stücke auf einer Naxos-CD: Richard Tauber, Opera Arias, Volume 1 (8.110729)

    Elen Rusco caluva tielyanna!

  • Liebe Schellack-Liebhaber,


    Richard Tauber zählt aus meiner Sicht zu den besonderen Tenor-Virtuosen. Sein Timbre muß man nicht mögen, was er in anspruchsvollen Passagen daraus macht, ist schlicht sensationell. Als erstes fallen mir da die Schattierungen und der Tonart-Wechsel in der Klein-Zack-Arie ein, die niemand, den ich gehört habe, mit ähnlichem Gespür für den Umschwung der Musik interpretiert. Auch seinen Tamino (der Maßstab muß ja wohl hier entscheidend sein) reihe ich weit oben ein, zwar nicht der jugendliche lyrische Held à la Wunderlich oder der höchstmöglich elegante melancholische Kavalier wie Simoneau, dafür aber den Text und die Steigerungen der Bildnis-Arie am intensivsten mit Leben füllend. Ottavio ist sowieso die Paraderolle Taubers (und neben McCormacks Interpretation die beste).
    Seine mezza voce ist unter den faszinierendsten, die es bei Tenören gibt.
    Seine "Geschmacksverirrungen" bewerte ich hier besser nicht, die gibt es bei Patzak, McCormack, Caruso, Gigli etc. auch zuhauf. Die Beherrschung des Kunstgesangs auch in diesem Lehar-Kram ist bei Tauber aber exemplarisch.


    Grüße aus Berlin,


    Christian

  • Liebe Mitberauschten ;),


    jeder, der sich auf die Entdeckungsreise durch die Welt der historischen Gesangsaufnahmen (oder auch durch eines der vielen anderen, ergiebigen Gebiete der aufgezeichneten Musik ) macht, kennt diese Erfahrung: Man hört manches mit Interesse, vieles mit Freude - und dann gibt es da noch die seltenen Ereignisse, wo die Neuentdeckung eines Werkes, eines Interpreten oder gar die Kombination aus beidem bei einem selbst ein solch unbeschreibliches Hochgefühl - ja man mag fast von Glückseeligkeit reden - auslöst, dass man es mit Worten kaum beschreiben kann. Solche Momente sind auch dem fleißigsten Reisenden nur sehr selten vergönnt, und eine dieser raren Momente war bei mir die Entdeckung des Sängers Richard Tauber. Was vielleicht die Freude noch verstärkte, war der durchaus unerwartete Ertrag dieses Zusammentreffens. Tauber, wie schon der Threadtitel sagt: Ein Star seiner Epoche, zumal - mir - vor allem als ein solcher der leichten Muse im Gedächtnis, das verhieß dem - hinter jedem Massengeschmack das Triviale witternden - Reisenden nichts Gutes.


    Aber es gibt doch deutliche Hinweise auf seine Bedeutung auch im Bereich der Oper. So beispielsweise beim englischen Literaturwissenschaftler John Steane, der in seinem Buch "The Grand Tradition - 70 Years of singing on record" eine Gruppe "suitable people" zu einer fiktiven Diskussionsrunde zusammentreten lässt, um die Frage zu erörtern, wer denn der beste Tenor zwischen den Weltkriegen gewesen sei. Nachdem der Autor, welcher diese Fragestellung natürlich mit einem Augenzwinkern versieht, auf humorvolle Weise eine ganze Reihe illustrer Namen durch den Raum schweben lies, bringt er den bisher in der Runde ungenannten Richard Tauber ins Spiel, dem er letztendlich mehr Rechte, als alle bisher Genannten, auf den Titel einräumt. Süffisant erörtert er Gründe für das Übergehen von Tauber : Zwei Schlechte (Aufnahmen auf dem Label Parlophone-Odeon statt dem gängigen HMV, sowie die Popularität des Sängers), sowie einen Guten (...he sung quite a lot of rubbish" ). :D


    Dann rechtfertigt er die Nominierung in einer aus meiner Sicht derart pointierten Charakterisierung von Taubers Kunst, dass ich mir erlaube, entgegen meiner sonstigen Gewohntheiten Steane mal etwas länger zu zitieren.


    Zitat


    Indeed, his repertoire on records is the broadest of all tenors under hypothetical diskussion, and to whatever he sang he brought a more consistent combination of tonal warmth, charm, individuality, live feeling and musicianship than any of them. [...] Everything that he does is interessting and personal: there always seems to be some new insight into what the music can do. This newness never strikes one as cerebrated; there is no impression of a deliberate search for novelty, but on the contrary of a spontaneity that comes from a true absorbtion in the music he is singing. Yet no calculated effect could be more exact."


    Das deckt sich in der Tat genau mit meinen Eindrücken. Er belebt unglaublich die Musik, die er singt - und das wirkt auf mich nicht manieristisch, sondern schlicht richtig.
    Grundlage für solche Wirkungen ist natürlich erst mal eine großartige Technik, und in der Tat konnte Tauber (fast) alles. Die Aufnahmen beispielsweise von Mozarts "Dalla sua pace" und "Il mio tesoro" (beide 1939) zeigen seinen Rang, vor allem auch seine phantastische Atemtechnik, wobei ich dass "Dalla sua pace sogar noch höher schätze, weil noch makelloser gelungen, und vor allem mit dem so individuellen "Tauber-Charme" veredelt.
    In der Tat geistern mir beim Hören von Taubers Aufnahmen immer Termini wie Anmut und Eleganz durch den Kopf. Die Aussage von Prof. Fischer in seinen "Schönen Stimmen", dass Tauber mit der Musik eine erotische Beziehung eingehe, ist einfach treffend. Und bei wenigen Aufnahmen ist das so exemplarisch zu hören, wie bei Taubers Aufnahme der Berceuse aus Jocelyn von Godard. Allein für das


    "nous reposons tous deux, endormis sous les voiles
    Ou prions aux regards de tremblantes etoiles"


    nutzt er mehr klangliche und dynamische Schattierungen, als es so mancher Tenor im Laufe seiner ganzen Karriere getan hat. Er war ein Meister der Mezza Voce, aber auch vor allem des sängerischen Timings. In einer frühen (deutsch gesungenen) Aufnahme der Arie "Elle ne croyait pas" aus Mignon von Thomas (1923) baut er geradezu exemplarisch einen musikalischen Spannungsbogen auf, indem er in immer größerem Maße mit dem Tempo rubato und dynamischen Nuancierungen spielt, und damit das kleine, doch recht unscheinbare Stück Musik großartig veredelt. Taubers akustische Aufnahmen bis 1924 vermitteln schon viel von der Klangpracht der immer wundervoll stetig produzierten Stimme. Das Horn mochte, ähnlich wie bei Caruso, offenbar die ausgeprägt baritonale, sehr klangreiche Mittellage des Sängers, was vor allem die schon in diesem Thread gelobten Aufnahmen aus Korngolds "Die tote Stadt" veredelt.


    Großartig auch die große Arie des Max aus dem Freischütz (Version 1946). Taubers Legato imponiert hier (nicht nur gebundene Töne, sondern auch die verbundene Dynamik und der wunderbare Übergang zwischen den Klangfarben), aber auch die klangliche Vielfalt, und wieder einmal sein unbeschreiblicher Sinn für das richtige Tempo, die richtige Phrasierung, das Rubato zur rechten Zeit. Wieder einmal lohnt der Blick ins Detail, wie einfühlsam - und klangreich - Tauber im Mittelteil der Arie die Stelle


    "Wenn sich rauschend Blätter regen,
    Wähnt sie wohl, es sei mein Fuss;
    Hüpft vor Freuden, winkt entgegen -
    Nur dem Laub, nur dem Laub den Liebesgruss."


    singt. Es ist die schönste Version die ich kenne. Die Bemerkung von Steane, dass irgendwo hinter den 7 Bergen eine noch bessere Liveaufnahme der Arie aus den 30er Jahren existiere, grenzt wegen der beim Leser augenblicklich ausgelösten Gier an Körperverletzung.


    Nun, kein Sänger ist vollkommen, Tauber war es auch nicht. Für Wagner-Partien fehlte leider das Stamina, doch gerade die wundervollen Aufnahmen der Stolzing-Lieder aus den Meistersingern zeigen, wie es hätte werden können. Ein zweites Manko ist die extreme Höhe, vor allem ab dem H. Tauber bildet hohe Töne mit Vokalverfärbungen und sehr intensiviertem Vibrato, wobei mich vor allem letzteres stört. Und hohe Töne mit der Bruststimme stemmen, war sicher seine Sache nicht. Fischer sucht zwar in seinem Buch diese verbreitete Ansicht etwas zu entkräften, aber die Tatsache, dass der Sänger die sehr hohen Töne (Beispielsweise bei "Nessun Dorma" oder "Che gelida manina" ) nur kurz, gleichsam als Acciaccatura, anschlägt, ist sicher nicht nur mit Partiturtreue zu erklären, zumal die Stimme in der Höhe oft etwas angestrengt und klanglich abgesetzt klingt.


    Aber was ist das schon gegen die vielen Vorzüge dieses Künstlers. Ich zähle Tauber klar zu den größten Sängern des 20. Jahrhunderts, dem interessierten Tauber-Neuling empfehle ich die beiden Naxos-CDs mit Opernaufnahmen aus der Reihe "Great Singers", die geben einen sehr guten Überblick für sehr wenig Geld. Und die Operettenfreunde im Forum mögen mir verzeihen, wenn ich gerne seine gesamte Operettendiskographie gegen 3-5 Operngesamtaufnahmen eintauschen würde, die er leider nicht gemacht hat.


    Abschließend: Wenn nun jemand meint, so wie Tauber dürfe man heute aus Geschmacksgründen nicht mehr singen, stellt sich mir allerdings die Frage, ob es in den letzten Jahrzehnten denn auch überhaupt jemanden gegeben hätte, dessen technisches und musikalisches Rüstzeug für diese Art des Singens ausreichend gewesen wäre.


    Gruß
    Sascha

  • Weiter oben in diesem Thread hat jemand bedauert, dass es keine Opern-Gesamtaufnahme mit Richard Tauber gibt.
    Eine - wenn auch etwas gekürzt - gibt es jedoch: Smetanas "Verkaufte Braut":



    Aufnahme: 1.5.1939, live, London
    Dirigent: Thomas Beecham
    Orchester der Covent Garden Opera
    Chor der Covent Garden Opera
    Kommentar: gekürzt, mit Szenenumstellungen, deutsche Fassung: Max Kalbeck (?)


    Rollen und Sänger
    Agnes: Marry Jarred
    Esmeralda: Stella Andreeva
    Jeník: Richard Tauber
    Kathinka: Sabine Kalter
    Kecal: Fritz Krenn
    Kruschina: Marko Rothmüller
    Marenka: Hilde Konetzni
    Mícha: Arnold Matthes
    Muff: Grahame Clifford
    Prinzipal: Gerhard Hinze
    Vasek: Heinrich Tessmer


    Aufnahmetechnisch nicht gerade erste Sahne, aber für Tauber-Fans ein muss!


    Irgendwo bei jpc habe ich gesehen, dass es die Doppel-CD (in etwas anderer Ausstattung als abgebildet) im Sonderangebot für 2,99 EURO gibt.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich kann mich Sascha - wie so oft - nur anschließen, die Kritkpunkte womöglich um einen erweitern: sein nasales Timbre bekommt Tauber trotz aller Voix mixte-Künste nicht immer ganz in den Griff.


    Ein Tenor von absolutem Ausnahmerang!


    LG,



    Christian

  • Hallo!


    Ich habe vor einiger Zeit folgende GESAMTAUFNAHME vom Land des Lächelns erstanden:


    Paul Dessau
    Richard Tauber, Hans Mierendorff, Mary Lossef, Bruno Kastner, Margit Souchy, Hella Kürthy, Willy Stettner, Georg John
    Aufnahmejahr:1930


    Hier kann man Tauber in seiner Paraderolle erleben. Ich machs kurz: eine traumhafte Aufnahme, eine Sternstunde der Operette!
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    LG joschi

  • In letzter Zeit habe ich wieder verstärkt Tauber-Rezeption betrieben und möchte einige Aufnahmen hier hervorheben:


    Stolzing ist brillant gesungen, in einer Geschmeidigkeit und leichten Stimmführung, die viele Kämpen locker aussticht. "Am stillen Herd" ist ein einziger vokaler Rausch!


    Belmontes erste Arie ist ebenfalls eine Musterinterpretation, mit genialem Rubato und feinster Diktion gesungen (exemplarisch "Schon zittr' ich und wanke, schon zag' ich und schwanke") und feinsten mezza-voce-Nuancierungen, kontrastiert durch festen Anschlag. Es hat wiederum nicht die Eleganz Simoneaus, aber dafür eine überzeugendere Differenzierung der Rolle.


    Auf die wundervolle Freischütz-Arie ist Sascha ja schon näher eingegangen!


    LG,


    Christian

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nicht erwähnt und vielleicht nicht mehr sehr bekannt ist, dass Tauber nicht "nur" ein außerordentlicher Sänger war, sondern auch ein hervorragender Pianist, Komponist und Dirigent. Auch als Filmproduzent hat er sich, allerdings glücklos, versucht.


    Für alle Tauber-Fans hier eine Adresse zum Stöbern. Das Archiv ist noch im Aufbau begriffen, verfügt aber schon jetzt über wahre Schätze - und eine Hörkabine.


    http://www.richard-tauber.de/

  • In der EMI-Reihe "Icons" ist jetzt eine Box mit 5 CDs in bestens remasteter Tonqualität erschienen (zum Budget-Preis):



    Richard Tauber - The Gentleman Tenor (Icon Series)


    Detailinformationen
    1.CD Arien von Mozart, Mehul, Offenbach, Thomas, Bizet,
    Rossini, Puccini, Verdi, Leoncavallo (gesungen in dt. Spr.)


    2.CD Arien & Lieder von Tschaikowsky, Smetana, Weber,
    Flotow, Nessler, d'Albert, Lortzing, Kienzl, Wagner, Korngold,
    Schubert, Schumann, Grieg, Strauss


    3.CD Lehar-Arien aus Die lustige Witwe, Friederike, Schön ist
    die Welt, Giuditta, Paganini, Der Zarewitsch, Land des Lächelns


    4.CD Operettenarien von J. Strauss II, Kalman, Heuberger,
    Stolz, Zeller, Fall, Berte


    5.CD Populäre Lieder & Auszüge aus Operetten (gesungen in
    engl. Spr.) von Davies, Zeller, Stolz, Tauber, Künneke,
    Speaks, Marshall, Woodforde-Finden, Kern, Bixio, Herbert,
    Sieczynski, Novello u. a.


    Richard Tauber, Elisabeth Rethberg, Lotte Lehmann, Jarmila
    Novotna, Mischa Spolianski, Karl Besi, Orchester der
    Staatsoper Berlin, Orchester des Großen Schauspielhauses
    Berlin, Staatskapelle Berlin, Orchester des Deutschen
    Künstlertheaters Berlin, Odeon-Kammer-Orchester, Wien PO,
    Ernst Hauke, Erich Korngold, Frieder Weissmann, George
    Szell, Manfred Gurlitt u. a.


    EMI , ADD/m, 1919-1946
    5 CDs


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Heute wäre er 120 geworden:



    Tauber, Richard,
    österr., später engl. Tenor, * 16.5.1891 Linz, † 8.1.1948 London.
    Der Sohn der Sängerin Elisabeth Dennemy und des Schauspielers Richard Anton Tauber studierte in Freiburg und gab 1913 sein Debüt als Tamino in Chemnitz.
    Er wurde daraufhin sofort an die Dresdner Oper engagiert, deren Mitglied er bis 1926 blieb


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Harald sei Dank für seinen Hinweis auf den Geburtstag von Richard Tauber. Ich besitze nur zwei CD's mit der Stimme dieses großartigen Tenors:


    Auf dieser CD singt Tauber Arien aus Werken von Auber, Rossini, Flotow, Thomas, Verdi, Puccini, Wagner, Smetana, Tschaikowski, Strauss (Richard), Wolf-Ferrari, Korngold und Kienzl.


    Die alten Aufnahmen aus den Jahren 1919 bis 1926 sind wunderbar restauriert worden und lassen für mich keine Wünsche offen. In der "Verkauften Braut" (Nur in Lust und Leide) ist noch Elisabeth Rethberg zu hören und in "Die tote Stadt" (Glück, das mir verblieb) Lotte Lehmann.


    Ich bin auch (nach langer Zeit) wieder einmal überrascht worden von seinem Siegmund: "Winterstürme wichen dem Wonnemond", finde ich wirklich intensiv nachempfunden, bin mir aber auch sicher, daß er diese Rolle auf der Bühne nicht hätte durchgestanden.








    Was für ein großartiger Liedersänger Tauber war, läßt sich auf diese Auswahl-CD nachrprüfen. Die wunderbaren Schubert-Lieder "Lindenbaum" und "Ständchen", die sechs Lieder aus Schumanns "Dichterliebe", auch schon lange nicht mehr gehört, sind wirklich gelungen.


    Ganz besonders überraschend für mich, weil sie etwas abseits des Mainstreams liegen (jedenfalls für mich), sind die acht Lieder von Edvard Grieg.


    "Traum durch die Dämmerung" habe ich seit Jahrzehnten mit Heinrich Schlusnus im Ohr (leider besitze ich von diesem Sänger keine Lieder-CD, kenne das Strauss-Lied nur von einer früheren Platte meines Vaters), aber Tauber vermag mich auch hier zu überzeugen.


    Bleibt nur zu sagen: Schade, wenn es diese Stimme nicht gegeben hätte; schön also, daß es sie gab!

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hallo!


    Obwohl ich eine Menge Aufnahmen von Richard Tauber besitze (auch Schellacks mit eingeritztem Autogramm), tue ich mich bei der Bewertung seiner Stimme schwer. Er war ein hervorragender Liedersänger, u. A. habe ich deutsche Volkslieder von ihm gesungen. Auch in einigen Mozartpartien (Don Ottavio, Belmonte) gefällt er mir gut wie in deutschen Spielopern und Operetten. Aber bei manchen Opern, die eine gewisse Höhe verlangen, quetscht er mir allzu sehr, bzw. singt einen Ton tiefer. Z. Bsp. in LA BOHEME bei "Wie eiskalt ist dies Händchen", wirkt er sehr angestrengt und deutet die Höhe (was ein C sein sollte) nur kurz an; er kam nur bis zum B.


    Aber nichts desto Trotz: Er war ein hervorragender Tenor, den ich immer wieder gerne höre.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • in LA BOHEME bei "Wie eiskalt ist dies Händchen", wirkt er sehr angestrengt und deutet die Höhe (was ein C sein sollte) nur kurz an


    Hallo Wolfgang,


    in "Wie eiskalt ist dies Händchen" deutet er das hohe C noch nicht einmal an - er singt es gar nicht - ein geschicktes Zitat, wie viele Kritiker richtig bemerkten.


    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Hallo, Manfred!


    Ich hatte schon damit gerechnet, böse Schelte einstecken zu müssen wegen der leisen Kritik an Richard Tauber. Ich mag ihn ja, aber wie schon geschrieben gefällt mir nicht alles von ihm. Ein weiser Mann hier aus dem Forum (Herbert Henn) hat mir zugeflüstert, daß dies auch von Puccini so geschrieben wurde und Tauber sich nur an die Noten hielt. Dazu fehlt mir allerdings der Glaube, denn es mangelte ihm einfach an den hohen Spitzentönen.




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ein weiser Mann hier aus dem Forum (Herbert Henn) hat mir zugeflüstert, daß dies auch von Puccini so geschrieben wurde und Tauber sich nur an die Noten hielt. Dazu fehlt mir allerdings der Glaube, denn es mangelte ihm einfach an den hohen Spitzentönen.

    Hallo Wolfgang,


    das hohe C in "Che gelida manina" hat Puccini schon geschrieben. Allerdings folgt Tauber beim "Nessun dorma" (Keiner schlafe) genau der Anweisung des Komponisten. Das hohe H wird nur angetippt. Auch Miguel Fleta soll das während der Uraufführung von "Turandot" (1926) so gesungen haben. Lauri-Volpi und Alessandro Valente (von ihm gibt es tolle Aufnahmen) waren wohl die ersten Tenöre, die auf dem hohen H eine Fermate einlegten. Pertile, Cortis, Granda oder Lázaro beispielsweise taten das hingegen nicht. In den 30er Jahren änderte sich das: Martinelli, Björling, Rosvaenge, Schmidt u. a. legten die Fermate wieder ein - die meisten (ja fast alle) danach auch.


    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Es stimmt, daß Tauber kein hohes C singt, weil er es, außer im Falsett gar nicht konnte. Tauber singt seine eigene Fassung.
    Der Tenor der Urauführung, Evan Gorga hatte auch keine Höhe. Für ihn hat Puccini Teile der Partitur nach unten transponiert.
    Das hohe C das Puccini in der berühmten Arie geschrieben hat ist allerdings auch nur eine achtel Note. Ich gestehe, das ich das
    gehaltene hohe C, wenn es denn ein schön gesungener Ton ist, viel lieber höre, als die kurze Note. Toscanini, der ja die
    Uraufführung von La Boheme leitete, läßt in seiner Einspielung seinen Tenor ( Jan Peerce ) auch ein langes C singen.
    Da Toscanini immer ziemlich partiturtreu war, halte ich seine Version für authentisch.


    :hello: Herbert aus Troisdorf

    Tutto nel mondo è burla.

  • Prof. Gottfried Cervenka stellt heute im Radio Oe1 in seiner Sendung "Apropos Oper" (15.05 Uhr) im Rahmen des 120. Geburtstags von Richard Tauber eine neue Bioghraphie vor:


    41eSByMi8FL._SX383_BO1,204,203,200_.jpg


    Evelyn Steinthaler,
    "Morgen muss ich fort von hier.
    Richard Tauber: Die Emigration eines Weltstars",
    Milena Verlag

    ISBN-13: 978-3852862088


    Natürlich gibt es auch wieder selten gehörte Aufnahmen mit dem Sänger. Unbedingt anhören!


    Näheres hier: http://oe1.orf.at/programm/274768


    LG


    8)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose