Salut,
durch den Thread „Mozarts Violinkonzerte“ kam ich auf die Idee, etwas über den nahezu unbekannten Jugendfreund Wolfgang Amadé Mozart zu schreiben. Neben dem sogenannten schwedischen Mozart Joseph Martin Kraus (1756-1792), dem spanischen Mozart Juan Crisóstomo de Arriaga (1806-1826) gibt es auch die Bezeichnung englischer Mozart. Es handelt sich hierbei um Thomas Linley d. J. (5.5.1756-5.8.1778 ).
Elizabeth Ann Sheridan (geb. Linley); Thomas Linley d. J.
von G.H. Every (1886), nach Thomas Gainsborough (~1768 )
Thomas Linley der Jüngere wurde am 5. Mai 1756 in Bath geboren und am 11. Juni 1756 getauft. Er war das dritte Kind und der zweite Sohn des Komponisten, Harpichordisten und Gesangslehrers Thomas Linley d. A. (1733.1795) und dessen Frau Mary. Die gesamte Familie war musikalisch bemerkenswert begabt; neben Thomas wurden ihre Töchter Elizabeth Ann (siehe Bild oben), wie auch Mary und Maria berühmte Sängerinnen und der Sohn Samuel ein Aufmerksamkeit erregender Oboist.
Thomas Linley war ein sehr emsiger Knabe, der schnell Fortschritte machte. Da kein anderes Mitglied der Familie die Violine spielte, wird es angenommen, dass der junge Komponist seine Fertigkeiten von John Richards erlernte. Dieser war der Primus und Orchesterleiter in Bath zwischen 1750 und 1760.
Das frühest heute bekannte Konzert, in dem Linley öffentlich auftrat, notiert Boddeley’s Bath-Journal am 25. Juli 1763 wie folgt:
For the Benefit of Mr. Linley. At Loggan’s Room at the Hot Wells in the 29th Inst. will be perform’d A Concert of Vocal and Instrumental Music. The Vocal Parts by Mr. Linley, Mr. Higgins and Master Linley. The First Violin by Mr. Richards of Bath. End of the first Act a Concerto on the violin by Master Linley, a child of seven years old. End of the 2nd Act an Elegy of Jackson’s by Mr. and Master Linley and Mr. Higgins.
Im gleichen Jahr beginnt der Siebenjährige musikalische Studien bei William Boyce - Lektionen, mit denen er in den folgenden fünf Jahren fortfahren sollte.
Im Alter von 10 Jahren nimmt er mit seiner Schwester Elizabeth Ann an einer Opernproduktion im Covent-Garden-Opera-House teil. Dort übernimmt er die Rolle des „Puck in the Masque“ in Thomas Hulls Oper „The Fairy Favour“. Die Lloyds Evening-Post vom Februar 3. berichtete über die Gelegenheit:
Nor can enough be said of the little boy, who plays the part of the Puck; his singing, playing on the violin, and dancing the hornpipe, are all beyond expectation, and discover extraordinary abilities in one, who must be considered a child.
Mit zwölf Jahren reiste Linley nach Italien, wo er bei dem Violinvirtuosen Pietro Nardini (1722-1793) studierte. Im April 1770 trifft er dort auf den gleichaltrigen Wolfgang Amadé Mozart. Aus der Bekanntschaft wurde eine große Freundschaft.
Leopold Mozart schreibt über die Begegnung in einem Brief vom 21.4.1770:
In Florenz fanden wir einen jungen Engelländer, welcher ein Schüler des Berühmten Violinisten Nardini ist. dieser knab, welcher wunderschön spielt, in des Wolfgangs Grösse und alter ist, kam in das Hauß der gelehrten Poetin Sgra Corilla ... diese 2 Knaben producierten sich wechselweise den ganzen abend unter beständigen umarmungen. den anderen tag Ließ der kleine Engelländer, ein allerliebster Knab, seine Violin zu uns bringen, und spielte den ganzen nachmittag, der Wolfgang accompagnierte ihm auf der Violin. den tag darauf speisten wir bey Mr: Gavard ... und diese 2 knaben spielten den ganzen nachmittag wechselweise, nicht als knaben, sonderen als männer! der kleine Tomaso begleitete uns nach Hause, und weinte die bittersten Thrännen, weil wir den tag darauf abreiseten.
Dem genau beobachtenden Vater war also die besondere Atmosphäre, Intensität und Herzlichkeit dieser Begegnung zweier Knaben, die unterm Musikmachen zu Männern wurden, keineswegs entgangen.
Von dem Briefwechsel zwischen W. A. Mozart und Thomas Linley d. J. ist m. W. nur eine Korrespondenz erhalten geblieben, diese ist im Original in italienscher Sprache und lautet übersetzt ungefähr wie folgt:
Teurer Freund,
endlich ein Brief von mir! Ich antworte sehr spät auf Ihre freundlichste mir aus Neapel geschickte Nachricht, welche ich aber erst 2 Monate später bekam. Die Route von meinem Vater war die Strasse nach Loretto Richtung Bologna, von dort aus über Florenz, und Genua, nach Mailand, um so überraschend in Fiorenza anzukommen. Aber, da mein Vater sich am Bein verletzt tat, da er vom Pferd fiel, und deswegen nicht nur 3 Wochen im Bett liegen musste, sondern auch 7 Wochen in Bologna fest hing, zwingt uns dieser hässliche Unfall zum Umdenken, und über Parma Mailand zu erreichen.
Erstens haben wir Zeit Verloren diese Reise zu machen, und zweitens haben wir jetzt nicht die Zeit zu Reisen. Seien Sie versichert dass uns dieser Unfall unendlich Leid tut. Ich würde alles machen um mein Freund umarmen zu können, und mein Vater mit mir würde sehr gerne Hernn Gavard wieder sehen, und seine sehr freundliche Familie, so wie auch Frau Corinna und Herrn Nardini, und danach nach Bologna zurückkehren, um wenigstens die Kosten der Reise reinzuholen.
Was die Drucke angeht, Ich bitte Sie mich bald zu benachrichtigen wie ich Ihnen diese zurückschicken kann.
Ich behalte Sie stets in meiner Freundschaft und verbleibe immer
W. A. Mozart
1771, Linley ist jetzt 15 Jahre alt, kehrte er nach England zurück, um sich der 1771/72er Konzertsaison in Bath zu widmen. Zwischen 1772 und 1776 war er regelmäßig als Oberhaupt des Orchesters oder als Solist tätig. Er nahm seine Studien bei Boyce wieder auf.
Am 8. September 1773 wurde Linleys bis dahin größtes Werk „Let God Arise“ während des Worcester-Festivals aufgeführt.
Nach Linley bestand ab jetzt sehr große Nachfrage als Violinist - wie Cooke berichtet, […] bildeten seine Produktion und Ausdauer ihn unermüdlich. Er war einer der hervorragendsten Violinspieler seines Alters; zwischen den Jahren 1771 und 1776 komponierte er nicht weniger als zwanzig Konzerte für die Violine. […] Viele davon spielte er selbst. […] und wo er auftrat,. Wurde er mit unbegrenztem Applaus empfangen. […]
Etwa zu dieser Zeit komponierte er solch bemerkenswerte Werke wie The song of Moses und die Shakespeare Ode
Ein Verfasser in "einem Wörterbuch der Musiker" in 1824 sagte, "weder gaben Purcell noch Mozart überhaupt stärkere Beweise der Ursprünglichkeit des Genies, als es in dieser bezaubernden Ode verfolgt werden könnte".
The Morning Post vom 16. März 1778 berichtet nach einem erfolgreichen Konzert Linleys:
[…] the very warm applause he received last night proves that an English audience will give proper encouragement to true merit and genius, even though it ist he production of their own country. […]
Im Juli 1778 siedelte Linley mit seinen Schwestern nach Grimsthorpe Castle, Lincolnshire um. Dort waren sie Gäste des Herzogs von Ancaster und seiner Familie. Am 5. August 1778 unternahm Linley mit zwei Freunden eine Bootsfahrt auf dem zum Schloss gehörenden See. Während eines Sturms kenterte das Boot und während Linley versuchte, sich an Land zu retten, ertrank der 22jährige und fand damit sein tragisches Ende.
Viele Grüße
Ulli