Dieser Beitrag über den Komponisten Arnold Mendelssohn ist kein verspäteter Nachtrag zum 1. April, sondern es soll hier der Versuch unternommen werden, einen Komponisten zu würdigen, um dessen Person und Werk nun seit Jahrzehnten das Gras des Vergessens höher und höher wuchert, so daß zu befürchten ist, daß sowohl Name, Werk und Person binnen kurzer Zeit vollständig aus dem "kollektiven Musik-Bewusstsein" getilgt sein werden.
Gleich zu Beginn: eine Verwandtschaft zu dem "berühmten" Mendelssohn besteht, wenn sie auch als eher weitläufig zu bezeichnen ist. Im weitverzweigtem Hause Mendelssohn gab es nicht nur Philosophen, Finanzgenies und MusikerInnen. Der Vater Arnolds, Wilhelm Mendelssohn, war einfacher Bahnhofsvorsteher in Ratibor in Schlesien, der Geburtstadt Joseph von Eichendorffs und Arnolds Onkel (2ten Grades!) war "unser" berühmter Felix Mendelssohn Bartholdy. Nach dem frühen Tod des Vaters im Jahr 1866 übersiedelt der Rest der Familie über Potsdam nach Berlin, wo sie Unterstützung durch die "reichen Verwandten" findet und wo arnolds musikalische Begabung erstmals intensive Förderung findet.
Arnold Mendelssohn (1855-1933)
In Berlin wurde Mendelssohn einer der letzten Schüler des "Berliner Palestrina",des legendären August Eduard Grell (1800-1886), der lange Jahre als Direktor der "Berliner Singakademie" vorstand.
Grell erteilt ihm ein förderndes Zeugnis, in dem er ihm “bedeutendes Talent für Composition” bescheinigt.
August Eduard Grell (1800-1886)
Seine erste eigene Stelle als Kirchenmusiker bekommt Mendelssohn 1880 als Organist und Chordirigent der “Neuen evangelischen Kirche” in Bonn. An der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität unterrichtet er zudem die evangelischen Theologiestudenten in Orgelspiel und Harmonielehre.
Weitere Stationen in seiner Laufbahn waren Bielefeld,Köln und Frankfurt(Main), wo er unter anderen Paul Hindemith, Kurt Hessenberg und Kurt Thomas unterrichtete. Zu allen Zeitens seines Schaffens stand jedoch Geistliche Vokalmusik im Zentrum seiner Bemühungen und jeder, der In Deutschland zwischen 1960 und 1980 evangelische Kirchenmusik stundierte, kennt den gebetsmühlenartig wiederholten Ausspruch, daß Mendelssohn einer der "Erzväter der Erneuerung der ev. Kirchenmusik" in Deutschland sei, ohne daß man jemals eine einzige Note von ihm gesehen hatte.
Seine Herkunft aus der späten Romantik, einer manchmal geradezu überbordeneden "Sexten-Seligkeit" bekam nach den Erschütterungen des 1. Weltkrieges, einen "heilenden" Dämpfer, die musikalischen Strukturen werden linearer, das Klangbild transparenter, der Überschwang der frühen Jahre weicht resignativer Trauer.
Mendelssohn, der sich nach 1914 verstärkt der Instrumentalmusik zuwandte, starb genau rechtzeitig, unmittelbar nach der sogenannten "Machtübernahme"
durch Hitler im Jahr 1933 und BEVOR man ihn brandmarken, demütigen oder wie auch immer desavouieren konnte und am Ende jenes Jahres 1933 konnte sein Freund Karl Straube noch en letztes grosses a-cappella-Werk seines toten Freundes zur Uraufführung in Leipzig bringen.
Danach sank der Vorhang für Arnold Mendelssohn, der sich bis zum heutigen Tage nicht wieder gehoben hat.
Die musikalischen Interessen im Nachkriegs-Deutschland waren der Beschäftigung mit einem Komponisten, der sich "traditioneller" satztechnischer Methoden bediente, wohl wenig förderlich und auch der "berühmte Name" dürfte sich in seinem Falle als eher hinderlich für eine wirkliche Renaissance erwiesen haben. Die (wenigen) und sicher gutgemeinten Versuche, in den letzten Jahren das eine oder andere Werk aufzuführen, änderten an der traurigen Gesamtsituation im Grunde nichts.
So kann es auch nicht weiter verwundern, daß die diskographishe Ausbeute im Falle Arnold Mendelssohns sich bescheiden ausnimmt, aber wenigstens gibt es, wenn auch nur auszugsweise, seine "Geistliche Chormusik" op. 90 von 1920 in einer durchaus kompetenten und klangschönen Einpielung zu erwerben. Darin befindet sich eine meiner Lieblings-Motetten übehaupt, das geniale "Also hat Gott die Welt geliebet", das quasi in Ausdruck, Form und Struktur als Kompilaton der Bemühungen von Brahms,Bruckner und Reger um diese Gattung zu sehen ist.