Monteverdis großer Nachfolger: Cavalli

  • Francesco Cavalli, eigentlich Francesco Caletti wurde am 14. Februar 1602 in éiner kleinen Provinzstadt (Crema) geboren, dort erregte der Junge die Aufmerksamkeit des Frederico Cavalli, er war Stadthalter der kleinen Stadt Crema.
    Schon 1616 wurde er von dem Stadthalter, der sein Förderer wurde nach Venedig geschickt, dort lernte er bei dem großen Meister Monteverdi an der Markuskirche.
    Francesco wurde in den Kirchenchor aufgenommen und diesem gehörte er die nächsten 23 Jahre an.
    Er komponierte zuerst im Stile seinen Meisters, Kirchenmusik und andere Kompositionen für die verwendung im Markusdom.
    Aber unter dem angenommenen Namen seines Schirmherren Cavalli sollte er zu internationalen Ruhm gelangen.


    1637 öffnete das erste öffentliche Opernunternehmen in Venedig im Teatro San Cassiano.
    Die beiden führenden Impressari waren Benedetto Ferrari und Francesco Manelli, sie waren sowohl als Librettisten, Komponisten und Sänger dort tätig.
    Cavalli war mittlerweile ein berühmter Kirchenkomponist und an mehreren Kirchen gleichzeitig angestellt, er war 35 Jahre alt.
    Durch die extravagante Führung der beiden Theaterleute, fand auch Cavalli interesse an dem Neuen Medium, er wurde ihr Geschäftspartner.


    Innerhalb der nächsten 10 Jahre schrieb Cavalli nicht weniger als 12 Opern die alle Erfolgreich waren. Sie wurden sowohl in dem Teatro Cassiano, als auch an verschiedenen anderen neugegründeteten Opernhäusern gegeben.
    Sein Name garantierte volle Häuser und volle Kassen, man setzte deshalb auch seinen Namen unter Werke die er gar nicht verfasst hatte...
    Das macht es den Musikhistorikern etwas schwer die genaue Anzahl seiner Opern zu bestimmen.
    1640-1660 hatte Cavalli seine fruchtbarste Schaffensperiode.
    "Egisto" war sein erster internationaler Erfolg. Nach der Aufführung 1643 an San Cassiano wurde sie in der französischen Botschaft in Rom gegeben, und in den darauffolgenden Jahren in Genua, Florenz, Bologna und schließlich in Paris.
    1644 folgte "Ormindo".
    "Giasone" 1649 war vielleicht der größte Triumph in diesen frühen Jahren und wurde, was außergewöhnlich ist, noch lange nach seinem Tod gespielt.
    "Orimonte" 1650 begründete seine Zusammenarbeit mit dem Rechtsgelehrten und Librettisten Nicolo Minato.
    "Oristeo" und "La Calisto" folgten ein Jahr darauf und danach, 1652, Eritrea.
    "Orione" wurde 1654 direkt von Mailand beauftragt.
    "Xerse", eines der schönsten Cavalli Werke, kam erstmals 1654 am Teatro SS. Giovanni e Paolo heraus und ist sechs Jahre später unter merkwürdigen Umständen in Paris aufgeführt worden.


    Die Gazette de France berichtet von der Oper Xerse als eine Ehrenbezeigung für den französischen Monarchen, "denn das Thema wurde der Geschichte eines großen Königs entnommen".
    Sie fand in den Sängern die schönsten Stimmen Italiens, in den Instrumentalisten die besten Italiens und in den Tänzen die fähigsten Frankreichs vereint.
    Seltsamerweise war der Star und Komponist jener Ballette niemand anderer als Lully selbst.
    Cavalli als Opernkomponist blieb unerwähnt.
    Auch "Ercole Amante" wurde ein Flopp, Von zwei Jahren vergeblichen Bemühens entmutigt muss der stolze Cavalli das ganze Unternehmen mit Widerwillen betrachtet haben.
    Wahrscheinlich bewahrte er sich auch eine spezielle Verachtung für den listigen Lully.
    Er kehrte nach Venedig zurück und schwor niemals mehr für das Theater zu komponieren.


    Jedoch Cavallis Opern wurden auch weiterhin mit Erfolg (außerhalb Frankreichs) gespielt.
    Der anhaltente Erfolg seiner Werke brachte Cavalli dazu die Oper Xerse wieder aufzunehmen und und es entstsanden in kurzer Zeit zwei drei Werke: "Scipione africano" , "Mutio Scevola" und "Pompeo Magno".


    1665 wurde Cavalli erster Organist am Markusdom, diese Stelle verpflichte ihn sich mehr der geistlichen Musik zuzuwenden.
    1668 wurde er zum maestro di capella ernannt und bald darauf zog sich Cavalli entgültig vom Theater zurück.


    Zwar komponierte er noch einige Bühnenwerke, "Coriolano" 1669, "Eliogabalo" 1667 und "Massenzio" 1673, doch sie alle hatten keinen großen Erfolg mehr.
    Man verwendete aber die Libretti dieser Opern für neue Werke, diese Demütigung war zuviel für den alten Meister.
    Er komponierte von nun an nur noch geistliche Musik und sogar sein eigenes Requiem.


    Er starb am 17. Januar 1676 und wurde in der Familiengruft in der Kirche San Lorenzo beigesetzt.


    Einige seiner Werke wurden eingespielt, davon möchte ich hier einige vorstellen und empfehlen: :hello:


    "Giasone"



    Eine typische venezianische Oper des 17. Jahrhunderts, in der Interpreation von Jacobs einfach nur gut.
    Anscheinen aber gestrichen.


    "Xerse"
    die Oper die ersatzweise für die Hochzeit Louis XIV in Paris aufgeführt wurde.



    ebenfalls vom Concerto Vocale und RenéJacobs aufgenommen.


    "La Calisto"
    die amüsante Karnevals Oper.



    wenn man eine Oper von Cavalli haben möchte, dann sollte es diese sein!


    "Ercole Amante"
    die eigentliche Prunkoper für Louis XIV



    Die Interpration ist nicht gerade Zeitgemäß, aber das Werk ist interessant, da Cavalli hier versucht hat den Geschmack des frz. Publikums gerecht zu werden.


    Wem eine ganze Oper zu viel ist, kann hier wieder bei Naxos fündig werden:



    Ob die Aufnahme gut ist, kann ich nicht sagen, sie ist erst auf dem Weg zu mir :D

  • Die weniger bekannte Seite Cavallis, der als legitimer "Erbe" und Nachfolger Monteverdis anzusehen ist, ist sein reiches kirchenmusikalisches Schaffen, dem man erst seit wenigen Jahren
    mehr Aufmerksamkeit widmet:
    Hier verschmilzt der Komponist seine Erfahrungen mit dem Stylo Concertato", also der bewegten Klangrede, die Monteverdis Opern so unvergleichlich von den Werken seiner Vorgänger unterscheiden, mit römischen (Carissimi) aber auch venezianischen Klang-Opulenzen ala Gabrieli zu Architekturen von großer Klangpracht.
    Berühmtestes Beispiel dafür wurde seine "Missa concertata", die derzeit allerdings in keiner befriedigenden Aufnahme vorliegt:
    Besonders zu empfehlen ist jedoch das "Requiem", das der Meister am Ende seines Lebens für sich selbst komponierte. Gekoppelt mit Monteverdis formstrenger "Missa da capella" kann ich hier die Aufnahme
    mit den Ensembles Sei Voci und Cantica Symphonia, unter Maletto,
    vorbehaltlos empfehlen.




    Die Aufnahme erschien in 2002 beim Label Stradivarius.


    Als SACD erschien 2003 eine hörenswerte Auswahl seiner Geistlichen Chormusik, die hier insbesondere die Weiterentwicklung der msuikalischen Faktur nach dem Tode Monteverdis dokumentiert:
    Label: Fone 2003


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Nun kann ich etwas zu der oben genannte Aufnahme sagen:
    (Cavalli Arias and Duets)


    Also für den Naxos Preis bekommt man allerhand geboten,
    Auzüge aus 5 Opern, in recht guter Interpretation.
    Natürlich darf man keinen "René Jacobs Standart" erwarten, aber die Interpretation kann sich durchaus hören lassen.
    Schade nur das der so wichtige Basso Continuo Part etwas spärlich besetzt ist: nur ein Cembalo und ein Cello, das ist ein bissle wenig.


    Aber wie gesagt für den Preis kann man nicht maulen und wer sich ein erstes Bild des Venezianers machen möchte ist hiermit bestimmt nicht schlecht beraten.


    Als Solistin sticht natürlich Gloria Banditelli heraus, sie sang ja schon in einigen berühmteren Aufnahmen mit.

  • Eine weitere Oper läßt sich der Auflistung vom Lullist noch hinzufügen: Statira, principessa di persia, ein eher leichtes und unterhaltsames Stück, kurz nach den großen drei La Calisto, Giasone und Xerxe im Jahre 1655 entstanden. Später gab es weitere Vertonungen der Statira u.a. von Tommaso Albinoni oder Francesco Gasparini. Entsprechend leicht besetzt Antonio Florio auch sein Ensemble; zu den Streichern treten nur gelegentlich Blockflöten und Fagott hinzu, für meinen Geschmack etwas dünn besetzt, aber durchaus der Entstehungszeit angemessen. Herausragend in dieser Aufnahme sind die Sänger, allen voran Roberta Invernizzi in der Titelrolle der Statira.



    Thomas

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    - H. Heine -

  • Gestern war die Premiere von Cavallis La Calisto an der Staatsoper in München, live übertragen im Bayrischen Rundfunk. Was auf der Bühne passierte kann ich nicht beurteilen, ich saß ja vorm Radio, dem Publikum hat es jedenfalls sehr gut gefallen. Das Regieteam wurde stürmisch gefeiert.


    Was aber zu hören war, hat mir sehr gut gefallen. Sowohl was die Solisten boten, als auch das was von den Instrumentalisten kam. Das Ensemble bei dieser Aufführung ist bunt besetzt, neben den Violinen und Violen gibt es auch etliche Bläser: Zinken, Blockflöten und sogar Trompeten. Auch das Continuo ist reich besetzt u.a. mit mehrenen Theorben und Harfe.


    Von der Uraufführung ist überliefert, dass Cavalli nur eine handvoll Instrumentalisten zur Verfügung hatte, die aber sicherlich mehrere Instrumente bedient haben. Auch damals mußte schon gespart werden, die Theater in Venedig waren zu der Zeit schon freie Unternehmen, die sich über die Eintrittsgelder finanzierten. Die größere Besetzung ist zum Teil dem Raum der Staatsoper geschuldet, der wesentlich größer ist, als der des Ortes der Uraufführung im Teatro St Apollinare in Venedig.


    Aber zurück zur gestrigen Premiere, die Produktion kann sich wahrlich hören lassen. Es wird mitreißend musiziert (auf historischen Instrumenten), einen Totalausfall bei den Sängern gab es nicht. Es ist immer wieder eine große Freude, Dominique Visse zu hören. Aber auch Sally Matthews in der Titelrolle und Veronique Gens als Giunone gefallen. Im Mai und im Juli gibt es weitere Möglichkeiten, das Stück zu erleben. Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte sie nutzen!


    Thomas

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  • Und noch eine Oper Cavallis: La Didone


    La Didone war seine dritte Oper, uraufgeführt im Jahre 1641 zum Karneval in Venedig.


    In der Oper geht es um die Geschichte um Dido und Aeneas. Dido wird von König Jarbas geliebt, will aber nichts von ihm wissen, weil Amors Pfeil sie für Aeneas entbrennen ließ. Der wird aber vom Götterboten Merkur weggeschickt. Dido überrascht ihn aber bei seiner heimlichen Abreise und bricht zusammen.


    Nun kommt der unvermeidliche Deus ex machina, der Jarbas den Verstand zurückgibt und ihm sogar Dido an die Seite gibt.



    In der Aufnahme mit dem Balthasar-Neumann Ensemble unter Thomas Hengelbrock, live von den Schwetzinger Festspielen, fehlt dieses Happy End. Von der Handlung her zwar stimmig, so hätte man dieses, doch arg konstruierte Finale wenigstens mit auf die CD aufnehmen und damit die Entscheidung dem Hörer überlassen können.


    Musikalisch gibt es aber nichts zu meckern. Hengelbrock verwendet neben den Streichern noch Blockflöten und Zinken sowie ein sehr buntes und reichhaltiges Continuo-Ensemble. Die genaue Besetzung wurde in dieser Zeit nicht vorgeschrieben, um Aufführungen sowohl im kleinen Salon als auch im Opernhaus zu ermöglichen. Die endgültige Einrichtung der Partitur erfolgte dann entsprechend der finanziellen und räumlichen Möglichkeiten. So sind auch nur die Gesangslinie und der Bass überliefert. Lediglich einige Ritornelle hat Cavalli mehrstimmig ausgeschrieben.


    Übrigens gab es bereit 1952 eine Aufführung dieser Oper unter Carlo Maria Giulini in Florenz. Allerdings scheint es davon kein Tondokument zu geben, denn man brüstet sich bei der DHM mit dem Prädikat "Erstaufnahme".


    Thomas

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  • Der Lullist hat weiter oben die "Serse"-Aufnahme (René Jacobs bei harmonia mundi) vorgestellt.


    Ich finde hierbei den Vergleich zur etwas bekannteren Händel-Vertonung dieses Librettos sehr interessant - man kann anhand der Text-Streichungen und der Reduzierungen in den "dramatis personae" sehr schön nachvollziehen, was sich in den dazwischen liegenden Jahrzehnten in der italienischen Opernästhetik so alles geändert hat:


    Die bei Cavalli (und der gesamten venezianischen Oper seiner Zeit) so beliebte und erfolgreiche Mischung ernster und komischer Charaktere wird bei Händel -bis auf die Rolle des Dieners Elviro- komplett zurückgenommen. Es treten nur noch die "ernsthaften" Charaktere auf - es entfallen ca. 5 oder 6 kleinere bis mittlere Rollen, die in Cavallis Original für Abwechslung und Amüsement sorgen (z. B. der Page Clito).


    Händels Libretto ist auf die zu seiner Zeit vorherrschende Form des Wechsels zwischen Rezitativen und Arien reduziert worden - bei Cavalli gibt es einen bunten Wechsel verschiedenster Musikformen, inkl. Tanzszenen.


    Ich persönlich finde z. B. die Szene zu Beginn des 2. Aktes, in der sich Elviro als Blumenverkäufer verkleidet, um unerkannt zu bleiben, bei Cavalli viel schöner und origineller als bei Händel. Und der weltberühmt gewordene Text des "Händel-Largos", das "Ombra mai fù" aus dem 1. Akt kommt natürlich auch bei Cavalli vor - auch interessant, zu hören, was dieser aus der gleichen Textvorlage für eine Musik geschöpft hat.


    Schade, dass diese reichhaltige Vielfalt im Libretto und der daraus resultierenden musikalischen Umsetzungsmöglichkeiten im beginnenden 18. Jahrhundert so zusammengestrichen wurde. In der neapolitanischen Opere seria ging es dann nur noch um den exponierten Sologesang, dem alles andere untergeordnet wurde. Diese Opern sind zwar auch schön anzuhören - entsprechen aber einer komplett anderen Ästhetik.


    Wer also Barockopern ob dieser Tatsache scheut, weil sie ihm zu langweilig oder zu einförmig sind, dem seien die Opern Cavallis wärmstens ans Herz gelegt - hier herrscht das pralle Leben!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)


  • Cavalli
    Gli amori d'Apollo e di Dafne

    Mario Zeffiri, Marianna Pizzolato, Marisa Martins, Augustin
    Prunell-Friend, Assumpta Mateu, Carlo Lepore, Galicia SO,
    Alberto Zedda



    Scherzhaft sagte ich noch zu Ulli in Karlsruhe „schlechter als die Leppard Aufnahmen von Cavalli Opern aus den 60er Jahren, kann diese hier ja unmöglich sein.“


    Ich hatte Recht, schlechter ist sie nicht – aber viel besser auch nicht.
    Aber aufgemerkt, es handelt sich hier nicht um eine historische Aufnahme, nein das wurde 2004 (!!) fabriziert.


    Ich gehöre normalerweise nicht zu denen die eine Aufnahme verreißen, aber hier kann ich nicht anders. Ich respektiere und schätze jeden künstlerischen Ansatz – was mich dazu treibt ist das Booklett.
    Wer so konsequent alle Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis negiert und meint das wär auch noch toll (das Booklett ist der reine Hohn, aber dazu später mehr), der verdient es nicht anders.
    Mit künstlerischen Ansatz hat das hier nichts mehr zu tun, das ist gestümpere und lächerliches Trotzverhalten!


    Hier wird also Cavallis 2. Oper von 1640 gespielt.
    Alberto Zedda dirigiert und hat die Partitur bearbeitet...


    Grundsätzlich halte ich es bei Musik aus dem 17. Jahrhundert immer für etwas gewagt, diese Musik auf modernem Instrumentarium spielen zu wollen – was natürlich hier auch richtig schön in die Hose geht.
    Es gibt nun mal bestimmte Instrumente dieser Zeit, die keine „moderne“ Entsprechung haben.
    Nicht nur das ein Klangbild entsteht, das man von Aufnahmen von 1965 her kennt, nein es wird auch mit extra breitem Vibrato im Übermaß gespielt.
    Die Sänger sind bestenfalls Mittelmaß – ebenso wie das Orchester.


    Das Booklett ist nichts weiter als eine höchst fragwürdige und lächerliche „Rechtfertigung“
    Hier geht es kaum um das Werk selbst, sondern einzig und allein um die Rechtfertigung Zeddas diese Oper mit einem „Symphonieorchester“ zu spielen.
    Hier wird, teils recht fragwürdig“ gegen die HIP Bewegung gewettert und stets auf ein zeitgemäßes Musizieren verwiesen – nun das hier klingt wie 1965 – ist das Zeitgemäß ?


    Der Dirigent redet sich hier selbst um Kopf und Kragen, denn dass was nun heraus gekommen ist, liegt Lichtjahre hinter den Einspielungen von Jacobs, Garrido oder Christie zurück.
    Die Rezitative sind ultra langweilig gestaltet, das Continuo verfügt über nicht eine einzige Laute – das wird durch eine moderne Harfe ersetzt.
    Blockflöten werden durch moderne Querflöten ersetzt, Schalmeien durch Oboen etc.
    Wenn man so konsequent sein will – wieso taucht dann doch noch ein Cembalo auf ?



    Glücklicherweise zeigt ja das Ergebnis selbst wie unsinnig solch ein Ansatz ist, gewissermaßen hat sich Herr Zedda mit seiner Produktion selbst ins Aus geschossen – das wäre alles halb so tragisch, wenn er nicht gegenüber den sogenannten „HIP-Leuten“ so intolerant auftreten würde, denn nicht die sogenannten Spezialisten für alte Musik sind intolerant gegenüber neuen Ansätzen, es sind die eingefleischten HIP Gegner, die ihre Ansichten auf dem Rücken der Musik austragen.
    Es funktioniert so einfach nicht – das beweist diese Aufnahme aufs vortrefflichste und ist hoffentlich der letzte klägliche Versuch dieser Art.


    Zumindest schließt die Aufnahme eine Repertoirelücke:


    so hätte eine Cavalli Oper geklungen wenn sie 1965 aufgeführt worden wäre....




    Prädikat: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:

  • Hallo Lullist,


    vielen Dank für die Warnung! Ich war schon drauf und dran, dafür Geld zu verschwenden. Offenbar ist das die überflüssigste Produktion in 2006. Wie so oft, wenn Naxos Alte Musik produziert... :no:



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -

  • Ich will hier mal eine Lanze fuer die hier so gescholtenen Leppard-Aufnahmen der 60er Jahre brechen. Im Licht des "Jacobs"-Fiebers, das sich mittlerweile ausgebreitet hat, darf man nicht vergessen, wer denn eine Grosszahl an "alten Werken" ueberhaupt fuer das grosse Publikum auf Platte herausgebracht hat: das war Raymond Leppard mit seinen Cavalli-Aufnahmen von Calisto und Ormindo, der grossen Sammlung an Madrigalen Monteverdis, und auch Buehnenwerke Rameaus etc. Auch seine Concerti grossi von Haendel sind sehr gut musiziert.
    Ich finde diese Aufnahmen ueberhaupt nicht schlecht. Gewiss ist da von dem "Originalklang" auf "historisierenden" Instrumenten nichts zu hoeren, aber musiziert wird durchweg gut, wenn auch nicht so leichtgewichtig wie es heutzutage ueblich ist.
    Zudem sind die Saenger fast alle ersten Ranges, und vor allem sind sie unverkennbar, waehrend die heutigen Stimmen, offenbar durch die Ausbildung, ueberspitzt gesagt, fast alle gleich klingen.
    In diesem Zusammenhang, sollte man neben Leppard auch Michel Corboz und Erwin Loehrer nennen, die viel fuer die Wiederentdeckung der Komponisten um Monteverdi getan haben. Kennen sie die herrlichen Aufnahmen Loehrers von Monteverdi-Madrigalen ? Es gibt meiner Ansicht keine bessere Aufnahme des "Combattimento di Tancredi e Clorinda" als von Loehrer, und die von Leppard ist allemal besser als die von Harnoncourt etc.


    Stefan

    Stefan

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  • Die oben genannte Aufnahme von Cavallis Didone ist hervorragend, auch wegen der so charakteristischen Stimmen von Yvonne Kenny und Laurence Dale.
    Ich besass auch einmal die Aufnahme von Statira, aber ich fand sie so langweilig und fade, dass ich sie wieder hergegeben habe.
    Dagegen ist der "nicht gerade zeitgemäße" "Ercole amante" ein Juwel, selbst wenn Corboz noch keinen "Originalklang" pflegt. Aber man hat immerhin Yvonne Minton, Ulrik Cold und die grossartige Felicity Palmer im Ensemble.


    Stefan

    Stefan

  • Die Aufnahmen von Leppard haben für mich, ebenso wie die von Richter, Paillard etc. nur noch historischen Wert.
    Mitlerweile ist die Entwicklung und die Forschung soweit vorran geschritten, dass solche Aufnahmen nicht mehr mithalten können.
    Sie langweilen mich schlicht weg.


    Das heißt natürlich nicht, dass sie generell schlecht wären.
    Ich würde es eher so formulieren - zu ihrer Zeit waren diese Aufnahmen hervorragend.


    La Didone ist recht nett, aber stark gekürzt und das ist unverzeihlich.
    Wegen irgendwelcher Atitüden eines Regisseurs das Finale zu streichen ist eigentlich unter aller Kanone.
    Jacobs streicht auch, aber er macht das eben auf seine Art und vor allem aus musikalischer Sicht (z.B. das Finale von La Calisto fehlt auch) wird aber durch etwas anderes ersetzt (eine Ciaconna von Schmelzer)


    Was Monteverdi betrifft da halte ich mich auch eher an Jacobs, Carrido oder Christie.
    Interpretationen vor 1985 interessieren mich nur äußerst gering, da wie gesagt die Forschung mitlerweile so dermaßen weit vorran geschritten ist, dass diese ersten Versuche nur noch ein rein interpretations-historisches Interesse für mich haben.

  • Was Striche angeht, so muss man sich natuerlich die Frage stellen, ob man bei einem Werk, das ueber 2h 1/2 Stunden dauert, so lange konzentriert zuhoeren kann, ohne die Buehne vor Augen zu haben.
    Im Prinzip aber sollte eine Aufnahme, die auf letztem Forschungstand ist, vollstaendig sein. Im gewissen Sinne ist die CD-Veroeffentlichung dann auch eine Dokumentation.


    Aber wie kann man, wenn man Strenge hinsichtlich der Quellen-Forschung fordert, Eingriffe des Ausfuehrenden in die Partitur (--> Jacobs) akzeptieren ?
    Allerdings begruendet Jacobs seine Eingriffe in den beiliegenden Texten recht glaubwuerdig. In seinen aelteren Aufnahmen engagierte er zumeist auch Saenger mit charakteristischer Stimme, was ich etwa bei Calisto nicht unbedingt bestaetigen kann.


    Nichts desto trotz, selbst wenn Sie den alten Aufnahmen mit Leppard, Corboz, Paillard nur histrorisches Interesse beimessen, so muss ich fuer mich sagen, dass
    die Einspielungen mir dennoch viel Freude bereiten.


    Beste Gruesse,
    Stefan

    Stefan

  • Beim Thema "Leppard" kann ich mich weitgehend Stefan anschliessen. Für mich waren die Aufnahmen der Werke Monteverdis, Rameaus oder Cavallis von Raymond Leppard mit die ersten Erfahrungen, die ich mit dieser Musik gemacht habe und die ich nicht missen möchte, auch vor dem Hintergrund, das diese Einspielungen zeigen, wie man sich solche Werke in früheren Jahren quasi "neu" angeeignet hat. Sie stellen für mich also in der Rezeptionsgeschichte eine wichtige Station dar.


    Allerdings gebe ich gerne zu, dass ich heute eher etwas erschrecke, wenn ich den üppigen Streicherklang bei Leppard höre. Und bei den Sängern muss man einfach berücksichtigen, dass die Aufnahmen zu einer Zeit gemacht wurden, wo die "historische Aufführungspraxis" unserer Tage nicht bekannt war. Die Stimmen von Cotrubas oder Baker in "Calisto" sind meiner Meinung nach aber auch heute noch des kennenlernens wert.


    Wenn jemand allerdings neu bei Cavalli einsteigen möchte, würde ich auch zu den zeitlich jüngeren Einspielungen von Jacobs, Hengelbrock oder Florio raten.


    Da die Gelegenheit günstig ist, möchte ich auf eine Aufnahme zu sprechen kommen, der ich genau einmal, nämlich 1988 im Radio begegnet bin - und von der ich seither nie wieder etwas gelesen oder gehört habe. Damals dachte ich noch, naja, vielleicht kann ich meinen Rundfunkmitschnitt bald mal durch eine CD-Veröffentlichung ablösen. Aber: nix. Es geht um "Didone". Bernhard Klebel hat mit dem Wiener Motettenchor und einem Ensemble namens "Musiqua antiqua Wien" eine Gesmtaufnahme produziert.


    Die Aufnahme ist auch nicht vollständig (so fehlt bsplsw. der Prolog), aber die Schluss-Szene ist hier mitaufgenommen worden. Da die Hengelbrock-Aufnahme auf einer Bühnenproduktion fusst, sind die Striche zwar bedauerlich, aber nunmal durchaus bühnenüblich. Bei einer reinen Studio-Produktion fände ich weitgehende Vollständigkeit auch schöner.


    Das bemerkenswerte an dieser Produktion: ausser James Bowman (Iarba) ist keiner der Sängerinnen und Sänger ein Spezialist für Musik aus dieser Zeit. Man schlägt sich weitgehend tapfer...


    Peter Schreier als Enea macht noch mit die beste Figur (spannend, ihn hier mal wirklich fachfremd zu erleben) und Marjana Lipovsek als Didone singt zwar manchmal zum ohrenzuklappen, das aber mit einer so wunderbaren Stimmfarbe und darstellerischen Vehemenz, dass ich nicht gänzlich unbeeindruckt bleibe.


    Um die beiden herum bemühen sich u. a. Wilfried Gahmlich oder Werner Krenn um den richtigen Ton, welcher von Robert Kerns und Margarita Lilowa nicht mehr sicher getroffen wird.


    Die Aufnahme ist ein Kuriosum: durchaus prominente Sängerinnen und Sänger, die zwischen Mozart und Wagner zu Hause sind, gestalten mit einem Alte-Musik-Ensemble eine Aufführung einer tollen Oper von Cavalli.


    Schade, das nach Schwetzingen (ich fand die szenische Realisation nicht unbedingt gelungen - und Laurence Dale...? Das geht besser...) wohl keine weitere Inszenierung gefolgt ist.


    Immerhin können wir hier im Rhein-Main-Gebiet einige wenige Aufführungen von Cavallis "Giasone" im Bockenheimer Depot in Frankfurt miterleben (Premiere: 21.01.2007).

  • Hallo Aviano,


    Zitat

    Immerhin können wir hier im Rhein-Main-Gebiet einige wenige Aufführungen von Cavallis "Giasone" im Bockenheimer Depot in Frankfurt miterleben (Premiere: 21.01.2007).


    weißt Du da genaueres drüber ?


    Da ich ja ursprünglich aus Wiesbaden komme, wäre es für mich kein Problem einer Aufführung im Rhein Main Gebiet beizuwohnen (da ich dann bei meinen Eltern Station machen kann)


    Eine Aufführung des "Giasone" wäre wirklich von größtem Interesse für mich, ist diese Oper doch schließlich das beliebteste Werk des 17. Jahrhunderts gewesen.


    Wer spielt und singt denn ?


    :hello:

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  • So, allzuviel beitragen kann ich nicht, aber hier schon mal die Aufführungsdaten: Premiere ist am 21.01.2007 um 20.00 Uhr im Bockenheimer Depot in Frankfurt. Weitere Termine: 24.01., 26.01., 28.01, 31.01., 02.02. und 04.02. (letzte Vorstellung), jeweils um 20.00 Uhr bis ca. 23.00 Uhr.


    Die Inszenierung macht Anouk Nicklisch in einer Ausstattung von Roland und Andrea Aeschlimann.


    Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Andrea Marcon (also einem Kenner der sog. "Alten Musik"), der vermutlich Mitglieder aus dem Frankfurter Opernorchester dirigiert, ergänzt durch Spezialisten in der Continuo-Gruppe.


    Zur Besetzung: Giasone - Nicola Marchesini, Medea - Stella Grigorian, Ercole und Giove - Soon-Won Kang, Isifile - Juanita Lascarro, Orest - Florian Plock, Alinda und Amore - Elin Rombo, Delfa - Martin Wölfel, Egeo und Sole - Jussi Myllys, Demo - Christian Dietz


    Karten unter: 069/13 40 400


    Mehr weiss ich auch nicht - ich selbst werde die Premiere sehen (obwohl ich am Vorabend in Hannover im "Tannhäuser" weilen werde...).


    Wiesbaden? Da gabs vor Jahren im Foyer einen Cavalli - ich weiss aber nicht mehr, welchen...


    Gruss

  • Hallo,


    Danke für die Auskünfte.
    Da werde ich definitiv auch hin fahren !
    Soetwas will ich mir keinesfalls entgehen lassen.


    Ja in Wiesbaden gab und gibt es ab und zu echte Überraschungen :D



    :hello:

  • Gestern war nun die Premiere von Cavallis "Giasone" in Frankfurt. Es ist ja immer schön, wenn eines der Werke aus dieser Zeit mal wieder den Weg auf die Bühne findet.


    Es handelt sich hier um eine Übernahme vom Theater in Klagenfurth, die dort vor ca. 3 Jahren Premiere hatte.


    Mir liegt die Art der Inszenierung von Anouk Nicklisch nicht sonderlich. Sie hat gerne abstrakte geometrische Formen auf der Bühne, die die Schauplätze andeuten sollen. Hier jetzt ein grosser Würfel, mit vielen einzelnen Elementen, die sich verschieben und öffnen können. Das fesselt meine Aufmerksamkeit eine halbe Stunde, dann erlahmt mein Interesse doch merklich.


    Die Personenführung ist teilweise durchaus munter, aber auf der anderen Seite dann doch auch sehr konventionell.


    Die Schwierigkeit mit solchen Werken wie dem "Giasone" liegt für uns heute ja auch darin, dass wir die zu Grunde liegende Mythologie nicht mehr richtig kennen - und schon gar nicht die Doppelbödigkeit der Handlung sofort erkennen können, was aber ein grosser Reiz der Stücke ist, man denke an die scharfe Satire von Monteverdi in der "Poppea". Vergleichbares gibt es auch im "Giasone".


    Also: am besten nochmal die Jacobs-Aufnahme aus dem Regal nehmen, Beiheft lesen und nochmal reinhören... 8)


    Die musikalische Leitung lag in den Händen von Andrea Marcon und Felice Venanzoni, beide erfahren im Umgang mit sog. "Alter Musik". Klein besetztes Orchester, dass den mit gut drei Stunden reiner Spielzeit langen Abend, gut und spannend bewältigte.


    Gesungen wurde recht unterschiedlich und nicht immer sicher - aber das muss man wohl in Kauf nehmen, wenn ein kleines oder mittleres Haus ein Werk wie den "Giasone" ins Programm nimmt.


    Jetzt hoffe ich, dass wirklich noch der eine oder andere hingeht, wer weiss, wann es wieder die Möglichkeit gibt, einer Cavalli-Oper live begegnen zu können.

  • Im Anschluss an die Frankfurter Aufführung habe ich nochmal die Aufnahme unter Jacobs gehört: leider ist diese z. Zt. nicht erhältlich. Aber sie hat bei mir einen so postiven Eindruck hinterlassen, dass ich sie hier nochmal erwähnen möchte: die Sänger/innen sind sehr rollentypisch ausgesucht, allen voran der Countertenor Michael Chance in der Titelrolle, aber auch die beiden grossen Frauenrollen sind stark besetzt: die Medea mit der dramatischen und etwas scharfen Gloria Banditelli, die Isifile mit der dem weichen Sopran von Catherine Dubosc.


    Ergänzt wird das Ensemble mit der drastischen Stimme von Dominique Visse als komische Alte und Guy de Mey mit seinem leichten Tenor als verschmähter Liebhaber.


    Im Orchester finden sich so versierte Kräfte wie Konrad Junghänel an der Laute, Yvon Repérant an den Tasteninstrumenten, Erin Headley an der Lirone oder Roland Wilson (Cornett).


    Wenn ihr die irgendwo seht: kaufen!

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  • So, gestern abend sah ich die (vorerst) letzte Aufführung des "Giasone" in Frankfurt. Ich gehe mal davon aus, dass die früheren Aufführungen dazu beigetragen haben, dass diese letzte sehr vergnügt und kurzweilig war. Andrea Marcon leitete das vorzüglich disponierte 12-Mann-Ensemble und der Aufführungsort war räumlich am Limit, so dass man sehr schön alle Instrumente (vor allem die blendend aufgelegten Zinken) hören konnte; allein die Laute war leise ;) . Die Sänger waren ebenfalls glänzend aufgelegt, die eine oder andere Stimme sicher weniger voluminös, was aber durch darstellerische Freude aufgewogen wurde. Sehr schön auch die Übertitelung, die nach zwei Stunden etwas Nackenkrämpfe bereitete, aber dennoch sorgfältig und genau durchs Geschehen führte. Das Szenenbild, Alviano sprachs an, bestand auf einem Quader auf einer Drehbühne, um jeweils die verschiedenen Schauplätze anzudeuten. Man gewöhnte sich schnell dran, es tat nicht weh. Sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, aber die Musik war so schön, dass selbst eine schlimmere Inszenierung der Sache kaum geschadet hätte. Am Ende dann wohlverdienten Applaus und "Bravo"-Rufe, so dass ich jedem, der gerne dabei gewesen wäre, sagen kann: "Dumm gelaufen!" :D

  • nach mehrmaligen anhören der neuen Einspielung von "L'Ormindo"





    muss ich ehrlich sagen, hiermit werde ich nicht warm.
    Noch verwunderlicher empfand ich die große Begeisterung der Presse.


    Na ja ich muss ja nicht alles mögen.
    Ich empfinde das Instrumentalensemble als viel zu klein - manche Kantaten von Scarlatti sind da stärker besetzt ...


    Die Sänger sind natürlich großartig -aber diese Einspielung wird niemals zu meinen Lieblingen gehören.
    Aber irgendwie stellt sich bei mir schnell Langeweile ein.



    Fast zur gleichen Zeit als ich diese Aufnahme kaufte, habe ich von einem gaaaaaanz lieben Tamino einen Radio Mitschnitt von Cavallis "L'Orione" überstellt bekommen. Interpretiert von Andrea Marcon und dem Venice Baroque Orchestra.


    Das war wirklich ein Erlebnis - zwar ist es etwas befremdlich, das fast alle Ritournelle mit Schlagwerk begleitet werden, was unter Umständen auch mit der Zeit nerven kann - aber diese Oper wurde richtig farbig und mit viel Schwung und Witz aufgeführt.
    Zwar gab es auch einige Kuriositäten, wie z.B. die Verwendung der Passacaille aus der 5. Suite in g-moll von J.C.F. Fischer.
    Aber dies viel nicht negativ auf, ganz im Gegenteil.


    Schade das diese Aufnahme, die es wohl auch mal auf CD gegeben hatte, nun nicht mehr erhältlich ist - das war eine Cavalli Operneinspielung die wirklich Aufmerksamkeit verdient hätte !

  • Barockopern sind - mit eher wenigen Ausnahmen wie Rameau - eigentlich weniger mein Ding, aber ich nutze gerne die Gelegenheit der Übertragung meiner ausführlicheren Rätsellösungen um eine Wiederbelebung dieses Threads über einen der wenigen Barockkomponisten, die mich besonders interessieren, anzuregen, zumal die letzte Äußerung unseres Barockfachmannes eine weitere Beschäftigung mit dieser Oper Cavallis eher zu entmutigen schien.


    Die Handlung des Werkes ist mehr als kompliziert, denn da der Komponist Francesco Cavalli und sein Librettist Giovanni Faustini, mit dem er zehn Jahre lang, bis zum frühen Tod Faustinis im Jahre 1651 zusammenarbeitete und die Opernszene Venedigs beherrschte, den Reichtum Venedigs, das in L'ORMINDO in einem großen Prolog besungen wird, angemessen repräsentieren wollten, fuhren sie ein Großaufgebot verschiedenster Personen und Götter auf. Dem damaligen Publikum waren sie natürlich vollkommen vertraut, heute aber können ihre Interrelationen auch den konzentriertesten Hörer und Mitleser verwirren. Hier ein zaghafter Versuch, das Wesentliche der Handlung zu schildern:


    Amida, der Fürst von Tremisene, und Ormindo, der Sohn des tunesischen Königs, erkennen während eines Feldzugs anhand der jeweiligen Miniaturportraits ihrer Angebeteten, dass sie dieselbe Frau lieben. Es ist Erisbe, die hübsche und junge Frau des alten Königs Ariadeno von Marokko, für den sie kämpfen. Erisbe holt sich die von dem Alten nicht mehr zu erbringenden erotischen Freuden bei den jungen Kriegern und spielt mit deren Gefühlen. Am Ende des I. Aktes beschließen die höheren Mächte in Gestalt des Schicksals und des Liebesgottes, Amida wieder mit Sicle, der Prinzessin von Susin, zu vereinen, der er einst ewige Treue geschworen, die er aber wegen Erisbe verlassen hatte.


    Zu Beginn des II. Aktes versichern sich Erisbe und Amida ihrer Liebe. Als Wahrsagerin verkleidet, kommt Sicle hinzu und liest aus Amidas Hand den Verrat an einer früheren Geliebten, die sich deshalb das Leben genommen habe. Daraufhin verlässt Erisbe Amida und wendet sich Ormindo zu, der sie aufrichtig liebt. Sie will mit ihm in seine Heimat Tunesien fliehen. Da greifen am Ende des II. Aktes noch einmal die höheren Mächte, diesmal in Gestalt Fortunas und des Chors der Winde, ein und lenken das Schiff der Flüchtigen zurück an die Ufer Marokkos.


    Zu Beginn des III. Aktes trifft Amida an einem dunklen Ort vor der Stadt auf die vermeintlich tote Sicle, die er zunächst für ein Gespenst hält. Von Trauer und neuer Liebe überwältigt, kann es schließlich gar nicht fassen, dass Sicle ihm höchst lebendig in die Arme sinkt. Ariadeno tobt derweilen vor Wut über Erisbes Flucht, und als ein Bote die Nachricht bringt, dass Ormindo und Erisbe gefangen sind, befiehlt er seinem Heerführer Osman, die beiden Ehebrecher zu töten. Dieser aber verabreicht den Liebenden statt eines Gifts einen Schlaftrunk, und als Ariadeno die Leichen besichtigen will, überreicht er ihm einen Brief der tunesischen Königin, in dem diese ihm die wahre Identität ihres Sohnes verrät. Ormindo war/ist nämlich in Wahrheit das Ergebnis einer alten Affäre Adrianos mit ihr. Ariadenos abgrundtiefe Verzweiflung über den Mord an seinem eigenen Sohn wandelt sich zu überglücklicher Erleichterung, als er erfährt, dass Ormindo und Erisbe gar nicht tot sind, und er überlässt seinem Sohn nicht nur seine Ehefrau Erisbe, sondern seine Krone gleich mit.
    Eine solche Wendung war tatsächlich nur in der Frühzeit der Oper denkbar.


    Ich habe normalerweise meine Probleme mit der (jedenfalls von mir in der Regel als solche empfundene) Gleichförmigkeit der Barockoper, aber der Stimmungs- und Melodienreichtum dieses zunächst sehr frivolen, im weiteren Verlauf aber höchst ernsten, fast tragischen Frühwerk Cavallis hat mich bezaubert, seit ich es in der Glyndebourner Einspielung von 1968 unter Raymond Leppard mit Isabel Garcisanz, Anne Howells, John Wakefield und Peter-Christoph Runge hörte, die bis heute meine Referenzaufnahme, leider aber nicht mehr am Markt ist. Natürlich kann sie heutigen Ansprüchen an HIP-Aufführungen nicht mehr genügen, wie ja schon weiter oben diskutiert wurde. Für diese Bedürfnisse gibt es aber seit kurzem diese viel gelobte und leider etwas teure Einspielung von Jerome Correas mit Sandrine Piau, die ich noch nicht kenne, heute aber die Referenz sein dürfte:



    Vielleicht kann sich hier noch jemand, der sie kennt und womöglich mehr mag als der Lullist, zu ihren Meriten äußern.


    :hello: Jacwues Rideamus


  • Mit dieser CD seiner Oper Artemisia möchte ich daran erinnern, dass Francesco Cavalli am 14. Februar 1602 geboren wurde.


    Heute ist die 413. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber William, ich bin ganz entzückt, dich hier als Cavalli-Liebhaber zu entdecken. Ich dachte, im gegenwärtigen Forum bin ich der einzige; der letzte Beitrag ist ja auch Lichtjahre her. Wie ist denn die Artemisia? La Venexiana ist normalerweise eine Garantie für Qualität.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Der Cavalli - thread ruht ja sehr zu Unrecht. Den meisten vorherigen Beiträgen stimme ich zu, vor allem, was die Bewertung der Leppardschen Aufnahmen angeht. Da kann man nur die booklets gebrauchen. Orchester und Sänger sind so schlecht, wie ich das kaum von anderen Aufnahmen kenne. Ich war nach dem Anhören so wütend, dass ich die CDs alle in die gelbe Tonne geworfen und nur die booklets behalten habe. Dennoch muss man Leppard natürlich den Ruhm des Entdeckers zugestehen.
    Bei Amazon und bei jpc gibt es nun den neuen CD-Sampler, den ich euch sehr ans Herz legen möchte. Ich empfehle dabei die de-Luxe-Ausgabe mit einem üppigen booklet, eine traumhaft schönen schönen CD mit Cavalli - Musik, gespielt von Christina Pluhars wunderbarem Ensemble und den ebenso guten Sopranistinnen Nuria Rial und Hana Blazikova. Dazu gibt es noch eine ausführliche DVD mit Ausschnitten aus den Konzerten der letzten 15 Jahre des Ensembles. Hier kann man nur staunen ob der Vielfalt der Musik und der Instrumente. Christina Pluhar holt sich aber immer wieder andere Leute dazu.


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  • Lieber William, ich bin ganz entzückt, dich hier als Cavalli-Liebhaber zu entdecken. Ich dachte, im gegenwärtigen Forum bin ich der einzige


    Darf ich mich in die Schar die Cavalli-Liebhaber einreihen? :hello: Ich mag diesen Komponisten sehr, der erfreulicherweise inzwischen auch durch einige Aufnahmen auf DVD und BluRay vertreten ist; die meisten habe ich:




    Des weiteren gibt es noch "La Virtu de strali d'amore" auf DVD, die fehlt mir noch in meiner Sammlung:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido, du weißt gar nicht, was du da gemacht hast, denn die DVDs, die du da vorgestellt hast, habe ich alle noch nicht, ich bin eher bei CDs gut bestückt.
    Was du gemacht hast: ich werde sehr viel Geld ausgeben! Und ich habe schon die Weihnachtsgeschenke für mich! Also tausend Dank!
    Übrigens, kennst du schon das Verdikt von René Jacobs, ja auch ein großer Cavalli-Kenner. Er sagte, dass Cavalli der letzte anständige Opernkomponist war, bevor die Pest begann, in der Oper zwischen Arien und Rezitativen zu trennen. Und das stimmt ja tatsächlich, wie elegant bei Cavalli die Übergänge sind. Noch ein seltsamer Gedanke: das Verhältnis von Monteverdi zu Cavalli scheint mir dasselbe zu sein wie zwischen Verdi und Puccini. Zum Schluss: "Pur ti miro" ist wahrscheinlich von Cavalli. Auf der von mir vorgestellten DVD von Christina Pluhar wird das gesungen von Nuria Rial und Philippe Jaroussky.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hier noch 2 Klassiker von René Jacobs, Il Giasone und La Calisto, nicht endenwollende Schönheiten!


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