Dresden, Semperoper. Hasse: Cleofide

  • CLEOFIDE


    Oper in drei Akten von Johann Adolf Hasse


    Premiere am 26. März 2005
    Gesamtdauer ca. 3 Stunden
    Bühnensprache: italienisch mit deutschen Übertiteln


    War jemand bereits in dieser Barockoper und könnte kurz seinen Eindruck schildern (Sänger, Inszenierung)?


    Weitere Vorstellungen in der nächsten Zeit:


    29.08.2008 Freitag 19:00
    05.09.2008 Freitag 19:00
    11.09.2008 Donnerstag 19:00
    13.09.2008 Samstag 19:30
    26.03.2009 Donnerstag 19:00


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bin gestern spontan nach der Arbeit in die Semperoper gedüst und hab mir eine der leider noch zahlreich erhältlichen Karten geleistet. Hatte die Aussicht auf Barockoper die potentiellen Zuhörer abgeschreckt, oder hat sich noch nicht rumgesprochen, dass die Spielzeit seit dieser Woche wieder begonnen hat? Jedenfalls blieben viele Plätze unbesetzt.


    Ums kurz zu fassen: Ich habe einen sehr amüsanten Abend verbracht, aber an alle Staubis ergeht hiermit die ernstgemeinte Warnung, einen großen Bogen um diese Inszenierung zu machen, es sei denn, einer sucht einen guten Grund sich zu ärgern. :D


    Musikalisch war mein Eindruck im Großen und Ganzen sehr erfreulich. Die Staatskapelle spielte (natürlich in stark reduzierter Besetzung) auf modernen Instrumenten, ergänzt durch ein Cembalo und eine Theorbe in der Continuo-Gruppe sowie ein zweites Cembalo des Dirigenten (ich konnte allerdings von meinem Platz aus nicht sehen, ob es recht oft genutzt wurde). Die Musiker brauchten in etwa bis zum Ende der Sinfonia, um sich (nach einer vermutlich längeren Pause - ich bin mir nicht sicher, ob die Cleofide letzte Spielzeit überhaupt aufgeführt wurde) wieder in die Musiksprache zu finden, aber ab dann wurde sehr spritzig und mit viel Gefühl für die Phrasierung musiziert.


    Die beiden Altisten Axel Köhler als Poro und vor allem David Cordier als Alessandro überzeugten sehr. Ich saß zwar weit vorne im Parkett und konnte es daher nicht überprüfen, aber meinem Eindruck nach konnten sie den Saal mit ihren Stimmen mindestens ebenso gut füllen wie ihre weiblichen Partnerinnen. Allerdings kamen die Partien ihren Stimmen auch entgegen, die Arien waren in erster Linie virtuos, langsame Arien gab es so gut wie gar nicht (dort empfinde ich Countertenöre persönlich nur selten überzeugend und ziehe in der Regel Altistinnen vor).


    Die Damen waren, soweit mir bekannt, keine Barock-Spezialistinnen, was man ihren Stimmen durchaus auch anhörte. Trotzdem war ich von den musikalischen Leistungen vor allem von Claudia Barainsky als Cleofide und Agnete Munk Rasmussen als Erissena, die beide ihe virtuosen Partien respektabel meisterten, durchaus angetan. Die Nebenrollen Gandarte und blieben meiner Meinung nach dagegen etwas blass.


    Vor allem aber die schauspielerischen Leistungen des Ensembles trugen dazu bei, dass die drei Stunden wie im Flug vergingen - dem Applaus nach zu urteilen, galt dies wohl nicht nur für mich. Die Regie von Karoline Gruber gab allen Darstellern Gelegenheit zu glänzen, denn Gruber vermochte den im Libretto doch sehr zweidimensionalen Charakteren vielleicht nicht eben Tiefe, aber doch Leben zu verleihen. Die Regisseurin bediente sich dabei allerdings eines Griffs in die Trickkiste, der zumindest den Puristen sauer aufstossen wird. Die Regisseurin nahm nämlich die Geschichte nicht so ganz ernst (was bei diesem Stoff aber auch wahrlich ein Kunststück wäre) und verlieh ihr stattdessen einen ironischen Anstrich.


    Cleofide portraitiert Gruber als patentes, etwas ordinäres, aber durchweg praktisch denkendes Madämchen in ihrem mit indischem Esoterikkram dekorierten Eigenheim. Sie weiß ihre weiblichen Reize gezielt für ihre Zwecke einzusetzen, liebt ihren Poro aber dennoch aufrichtig, wenn auch nicht ganz klar wird, was sie an diesem vom Pech verfolgten Möchtegern-Macho eigentlich findet, der nichts so richtig auf die Reihe kriegt. Poro, der leicht angestaubte ewige Loser, reagiert auf die Ankunft des "New-Kid-on-the-block" Alessandro (im Crocodile-Dundee-trifft-Indiana-Jones-Look), der erstmal die Einrichtung durch seine Muskelshirt-tragenden Schergen mit viel Kunsttigerfell umdekorieren läßt, naturgemäß mit rasender Eifersucht.
    Die ist zwar völlig grundlos, da der anti-intellektuelle Abenteuerer Alessandro offenbar an Frauen nicht allzusehr interessiert ist, sondern lieber gelangweilt und unterfordert von einer Herausforderung zur nächsten hechtet und sich nichts mehr wünscht als einen ebenbürtigen Gegner (den er aber in dieser Oper definitiv nicht findet!), führt Poro aber von einem Desaster ins nächste und durchkreuzt kontinuierlich und auf absolut inkompetente Weise Cleofides allerbeste Absichten.


    Bezaubernd und mit viel Spielwitz agierte vor allem Rasmussen als aufsäßiger, frühreifer Teenager Erissene, die sich auf den ersten Blick voll in Alessandro verknallt, sich kräftig an ihn ranschmeisst und sich erstmal besäuft, als dann sie am Ende an den verdienstvollen Gandarte "abverheiratet" wird.


    Diese Charakterisierungen verschafften den Sängern Gelegenheit, ihr komödiantisches Talent so herauszukehren, dass das Zuschauen eine reine Freude war. In erster Linie fingen sie vor allem die doch recht deutlichen Schwächen des Librettos speziell im zweiten und dritten Akt auf, die allen Vorurteilen gegenüber Barocklibretti Recht gaben. Motivation und Handeln der Charaktere entbehrte stellenweise jeder Logik. (Möglicherweise trugen auch Kürzungen zu diesen Brüchen in der Handlung bei. Ich kannte die Oper nicht, vermute aber, dass bei einer reinen Spielzeit von in etwa 2 1/2 Stunden doch recht einschneidende Kürzungen vorgenommen worden sein mussten.)


    Jedenfalls hatte ich keine Probleme mit dieser Umdeutung durch die Regisseurin, da für mein Gefühl auch die Musik nicht "vergewaltigt" wurde. Die Musik von Hasse war nämlich auch dann, wenn der Text von Trauer, Tod und Liebesschmerz handelte, eher auf Brillanz angelegt und schien vor allem komponiert, um den Sängern Gelegenheit zu geben, ihre stimmlichen Fähigkeiten zu demonstrieren (ich hatte überlegt, ob die Cleofide wohl von der Faustina gesungen wurde, hatte aber noch keine Gelegenheit zu recherchieren). Die großen tragischen oder lyrischen Momente waren sehr rar, und nie hatte ich das Gefühl, dass die Musik das Spiel auf der Bühne lügen strafte (oder umgekehrt). (Bitte nicht falsch verstehen, ich will die ganz wunderbare Musik von Hasse damit nicht abqualifizieren!)


    Die Oper wurde hier als das verstanden, was sie wohl auch zur Zeit ihrer Uraufführung bereits war, nämlich pure Unterhaltung, und das lösten Sänger und Musiker gestern voll ein.


    Etwas enttäuschend meiner Meinung nach das Bühnenbild, das zwar bewußt und passend sehr trashig daherkommt, aber selbt trashig müßte in meinen Augen nicht so billig aussehen... :rolleyes:
    (Bilder gibt's - wie von allen Inszenierungen der Semperoper - auf der Semperopern-Homepage zu sehen)


    Jedenfalls gab es vor allem in Anbetracht der bei weitem nicht ausverkauften Semperoper großen und begeisterten Applaus, so dass ich annehmen musste, dass es auch den zahlreichen eher konservativ wirkenden Gästen in Anzug und Abendrobe gut gefallen haben mußte.


    Zusammenfassend würde ich sagen, dass das Niveau zwar nicht das der Münchner Staatsoper erreichte, soweit ich das aufgrund des Mitschnitts der Münchner Rodelinda sagen kann, aber dass ich mir eine Vorstellung dieser Qualität jederzeit wieder gerne anhören würde.


    Es würde mich sehr interessieren, noch weitere Meinungen aus dem Publikum zu hören. War vielleicht noch jemand da?

  • Liebe Bachiana,


    Na, das klingt ja nach einer so was von staubi-freien Vorstellung! :hahahaha: Die Bilder zumindest haben mir das Gefühl vermittelt, meine Hannoveraner Zauberflöte erblasst hart im Vergleich dazu! aber ich kann mir trotzdem vorstellen, dass sich das mit fest geschlossenen Augen doch geniessen lassen würde, denn die Musiker von der Semperoper sind sowieso vom bleibendem Wert! :jubel:
    Belustigt,
    Deine


    Theodora