TMOO - Damnation de Faust, La

  • Nachdem die TROJANER weitgehend abgefeiert zu sein scheinen, hier das populärste "Bühnenwerk" von Hector Berlioz (ob es überhaupt eine Oper ist, diskutiert der sehr gute u. g. Thread):


    LA DAMNATION DE FAUST


    cd DG 1957



    Orchestre Lamoureux; Igor Markevitch - 5 (eine feurige und dennoch trotz des Alters der Aufnahme wunderbar durchhörbare Aufnahme)
    Faust: Richard Verreau - 4,5 (hervorragend gesungen, aber etwas zu wenig gestaltet)
    Mephisto: Michel Roux - 4,5 (ein herrlich sonorer, böser Faust, der nur von ganz großen Gestaltern übertroffen wurde)
    Marguerite: Consuelo Rubio - 4,5 (warum wurde sie nur so selten aufgenommen? Von ihr hätte ich nur zu gerne eine Cassandre gehört. Für die Margarethe meiner Vorstellung ist ihr herrliches Organ sogar einen Tick zu füllig, aber das ist auch die einzige Nörgelei, die ich aufbringen kann)


    Sonstige: 5 (vielleicht die am besten gestaltenden Chöre aller Einspielungen. Hinreißend!)


    Wertung: 23/5 = 4,6


    TQ: 4 (für die Zeit 5)


    Die Aufnahme, an der sich alle anderen messen lassen müssen, und deren Gesamtleistung, geschweige denn idiomatische Authentizität bislang keine andere übertroffen hat, wenn sie nicht noch durch die Bilder einer tollen Inszenierung aufgewertet wurde, wie durch die Furia dels Baus in der Salzburger DVD. Hier stimmt einfach fast alles, wenn mir auch manche Einzelleistungen (Gedda als Faust, Jules Bastin als Mephisto, Janet Baker oder Susan Graham als Margarethe) noch einen Tick besser gefallen. Allein die Höllenfahrt, gegen deren rein musikalische Illustration keine der spektakulären Klangproduktionen späterer Aufnahmen mehr Schrecken aufbieten kann, ist als Höhepunkt einer durchgehenden Serie von superben Leistungen die Aufnahme wert.


    :hello: Jacques Rideamus


    Links: Fausts Traumtheater – "LA DAMNATION DE FAUST" von Hector Berlioz
    (mit einer tollen Werkeinführung von Klawirr)

  • DVD Arthaus 2000



    Staatskapelle Berlin; Sylvain Cambreling - 4,5 (ohne Markevitch hätte diese differenzierte Gestaltung von mir wohl eine 5 bekommen, aber Markevitch bewies, dass es noch mitreißender geht.)


    Faust: Paul Groves - 4,5 (hervorragend gesungen. Bei der Gestaltung kommt ihm allerdings das Bild zugute)


    Mephisto: Willard White - 4 (da gibt es stimmlich überzeugendere, aber er ist alles andere als ein Schwachpunkt)


    Marguerite: Veselina Kasarova - 5 (wir leben zum Glück im Zeitalter der wunderbaren Margarethen, und die Kasarova ist eine von ihnen)


    Andere - 4,5 (tadellos, aber ihre Leistungen werden von der furiosen Inszenierung überdeckt)


    Regie: La Furia dels Baus - 5+ (dieses Ensemble wird seinem Namen voll gerecht.)


    Wertung: 27,5/5 = 4,58


    TQ 5


    So schlicht wie möglich gesagt: Eine der überwältigendsten Inszenierungen und DVDs, die ich kenne, und an der ich mich kaum satt sehen kann. Wenn man ihr irgendetwas vorwerfen kann, dann genau das: die Musik tritt hinter ihrer visuellen Darbietung etwas zurück, was bei dieser Berlioz-Partitur ein Kunststück für sich ist. Da aber auch die musikalische Darbietung kaum Wünsche offen lässt, bleibt die DVD mindestens auf lange Zeit die erste Empfehlung für jeden, der dieses großartige Werk kennenlernen möchte.


    :hello: Jacques Rideamus

  • LA DAMNATION DE FAUST


    cd DG 1957



    Orchestre Lamoureux; Igor Markevitch - 5 (feurig, mitreißend, idiomatisch – bis heute Maßstab, bisher selten erreicht)


    Faust: Richard Verreau - 4,5 (würde die vollen 5 Pkte. bekommen, wenn ich nicht noch Spielraum nach oben benötigen würde)


    Mephisto: Michel Roux - 4,5 (hier schließe ich mich - mit einer kleinen Einschränkung - JR II an: ein herrlich sonorer, böser Mephisto :D , der nur von ganz großen Gestaltern übertroffen wurde)


    Margarethe: Consuelo Rubio - 4,5 (wunderbare Margarethe, maßstabssetzend, auch sie bis heute selten erreicht und kaum einmal übertroffen)


    Sonstige: 5 (Grandioser Chor!)


    Wertung: 23/5 = 4,6


    TQ: 4 (für die Zeit 5)


    Dem Gesamtkommentar von JR II kann ich mich ebenfalls uneingeschränkt anschließen.


    Viele Grüße,
    Medard

  • LA DAMNATION DE FAUST


    cd Decca 1994



    Orchestre symphonique de Montreal; Charles Dutoit – 5 (dramatisch und glasklar, schlank und dennoch effektvoll, seeeehr »französisch«)


    Faust: Richard Leech - 5 (wundervoll gesungen, tolle Ausgestaltung der Rolle)


    Mephisto: Gilles Chachemaille - 5 ( ein herrlich diabolischer aber nicht ins Monströse verzerrter Mephistopheles. Toll! )


    Margarethe: Francoise Pollet - 4,5 (wunderbare Margarethe, absolut anrührend – Frau Pollet in Höchstform)


    Sonstige: 4 (Viele »Sonstige« sind ja eigentlich nicht da. Die Chorleistung ist durchwachsen. Sängerisch sehr gut, teilweise auch überaus theatralisch gestaltend. Manchmal aber mit ungenauen Einsätzen, etwa gleich in „Les bergers laissent leurs troupeaux“)


    Wertung: 23,5/5 = 4,7


    TQ: 5



    Für mich ganz klar die beste Einspielung von »La dammnation« seit Markevitch - und die einzige, die IMO wirklich neben ihr bestehen kann. Daß die Einspielung nach wenigen Jahren wieder gestrichen worden ist, kommt einem Verbrechen gleich. :angry:


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, Decca, 1981



    Chicago Symphony Orchestra, Sir George Solti – 3 (Brilliant aber steril. Der Ritt zum Abgrund gerät zum Sonntagsspaziergang)


    Faust: Kenneth Riegel – 4 (Alles sehr sauber gesungen, gestalterisch aber nicht exzeptionell)


    Méphistophélès: José van Dam – 4,5 (Tolles Rollenportrait – unter Nagano ist er aber IMO noch besser gewesen)


    Marguerite: Frederica von Stade – 3 (Ganz schön - aber auch ganz schön kalt. Vermag [mich] in der Rolle nicht zu überzeugen)


    Sonstige - 4


    Wertung: 18,5/5 = 3,7


    TQ: 5


    Der Mercedes Benz unter den klassischen Klangkörpern macht mit Fahrer Solti seinem Nickname alle Ehre: glatt, poliert, super edel - verströmt aber vorzugsweise sterilen Neuwagenduft.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, DGG, 1973



    Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa – 4 (Seeehr dramatisch, mit einem beinahe apokalyptischen Ritt zum Abgrund als Höhepunkt. Reicht insgesamt aber an Markevitch und Dutoit nicht heran)


    Faust: Stuart Burrows – 4 (Zwar kein überwältigendes Rollenportrait eber ein sehr guter Faust)


    Méphistophélès: Donald McIntyre – 4,5 (Rabenschwarzer Mephistopheles. Grandios gesungen)


    Marguerite: Edith Mathis – 3 (irgendwie zu sehr das deutsche Mädel...)


    Sonstige – 4 (sehr gut geführter Chor)


    Wertung: 19,5/5 = 3,9


    TQ: 4 (wird von einem seltsam dumpfen Hall gestört)


    Insgesamt eine sehr gute Einspielung mit kleinen Schwächen.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, Erato, 1994



    Orchestre de l'Opéra national de Lyon, Kent Nagano – 4,5 (hochdramatisch und doch glasklar. Dennoch fehlt irgendwie das allerletzte Tüpfelchen auf dem »i«)


    Faust: Thomas Moser – 3,5 (Nicht wirklich schlecht, vermag aber den Charakter auch nicht wirklich zu füllen und zwar weder stimmlich noch gestalterisch.)


    Méphistophélès: José van Dam – 5 (Einfach exzeptionell gezeichneter Mephistopheles)


    Marguerite: Susan Graham – 5 (Wahrscheinlich die stärkste Marguerite »wo gibt«)


    Sonstige – 4


    Wertung: 22/5 = 4,4


    TQ: 5


    Sehr starke Interpretation mit einem knalligen Orchester und tollen Rollenportraits – leider fällt der Titelheld etwas ab...


    Viele Grüße,
    Medard

  • So, und jetzt setze ich mich so richtig in die Nesseln:


    Cd, Philips, 1973



    London Symphony Orchestra, Sir Colin Davis – 3 (Alles schön langsam gespielt, damit nur keine Aufregung oder Spannung entsteht sondern das vereinzelte plötzliche Lospoltern den Hörer dann um so mehr erschreckt. Die Höllenpforte ist bei Davis so eine Art Gartentörchen vor einem hübschen englischen Reihenhausvorgarten...)


    Faust: Nicolai Gedda – 4 (Ich muß zugeben: Ich mag Geddas Stimme generell nicht besonders. Hier ist er eigentlich aber ziemlich gut)


    Méphistophélès: Jules Bastin – 5 (Glanzpunkt der Aufnahme, für den sich der Besitz lohnt! Tolles Rollenportrait)


    Marguerite: Josephine Veasey – 4,5 (Ebenfalls ein wunderbares Rollenportrait, ganz nah am Optimum)


    Sonstige – 3,5 (der Ambrosian Opera Chorus singt bisweilen in einer seltsamen Sprache, die mit Französisch wohl nur die Wurzelmorpheme gemein hat...)


    Wertung: 20/5 = 4,0


    TQ: 4 (etwas paulasches Klangbild)


    Ist halt eine Berlioz-Interpretation von Sir Colin Davis. Man macht nicht wirklich viel falsch damit (und was die Sänger anbetrifft, ist das schon ziemlich sehr gut. Der numerisch gute Gesamtwert liegt aufgrund der Sängerleistungen deutlich höher, als es der Qualität der Gesamtleistung eigentlich zustünde). Wenn man aber eine wirklich gute Damnation hören will... :rolleyes:


    Viele Grüße,
    Medard

  • cd Philips 1973



    London Symphony Orchestra; Colin Davis - 4 (Davis malt mit ziemlich breitem Pinsel und ist gelegentlich arg gemessen, aber schwach ist das noch lange nicht)


    Faust: Nicolai Gedda - 5 (für mich der ideale Faust, denn da stimmt vom Gesang bis zur Gestaltung alles, sogar das Alter)


    Mephisto: Jules Bastin - 5 (gesanglich nicht ganz so herausragend wie gestalterisch, aber trotzdem rundum superb)


    Marguerite: Josephine Veasey - 4 (eigentlich tadellos, aber für die bedrängte Marguerite zu viel reiner Schöngsang. Schade, dass Davis nicht auf Janet Baker zurückgreifen konnte oder wollte)


    Andere - 4 (Die Chöre können schwer besser sein als ihr Dirigent, aber gesungen ist das schon sehr gut)


    Wertung: 22/5 = 4,4


    TQ - 4


    Dies war die erste DAMNATION, mit der ich, wie überhaupt mit Colin Davis' seinerzeit bahnbrechendem Berlioz-Zyklus, sehr lange lebte, und an der ich lange alle konkurrierenden Aufnahmen maß. Seither (und zuvor, wie ich später anhand der Markevitch-Aufnahme feststellen konnte) gab es aber eine ganze Reihe alternativer Aufnahmen, welche das Potenzial der Partitur merklich besser zum Ausdruck bringen. Trotzdem halten Bastin und Gedda die Aufnahme im Bereich derer, die ein Berlioz-Liebhaber kennen sollte. Wer aber nur eine Aufnahme will, greife zu Markevitch, Dutoit oder Cambreling


    :hello: Jacques Rideamus

  • LA DAMNATION DE FAUST


    cd Decca 1994



    Orchestre symphonique de Montreal; Charles Dutoit – 5 (subtiler und weniger reißerisch als Markeviitch, dafür poetischer, wo es angebracht und trotzdem mit viel Feuer, wo es nötig ist. Wenn irgend jemand der Partitur voll gerecht wird, dann Dutoit in dieser Aufnahme)


    Faust: Richard Leech - 4,5 (ich gebe Klawirr Recht: wundervoll gesungen. Dennoch ziehe ich den kernigeren Gedda vor)


    Mephisto: Gilles Chachemaille - 5 (subtiler angelegt als Bastin, aber gerade deswegen beängstigend teuflisch. Grandios)


    Marguerite: Francoise Pollet - 4,5 (in einem anderen Umfeld wäre sie herausragend, aber hier ist sie einfach eine bedrängte Frau, um die man sich zu recht besorgt, weil sie gelegentliche Probleme mit der Tiefe hat. Trotzdem ist sie hier fast ideal. Gäbe es nicht Baker oder Graham...)


    Sonstige: 4 (hier kann ich nur Klawirr zustimmen)


    Wertung: 23/5 = 4,6


    TQ: 5


    Auch hier schließe ich mich gerne Klawirr an, auf dessen Empfehlung in dem Damnation-Thread hin ich mir diese Aufnahme besorgt habe: dies ist mindestens mit die beste Einspielung der DAMNATION seit Markevitch bei deutlich besserem Klangbild. Schade, dass es Dutoit nie ganz geschafft hat, die allgemeine Anerkennung eines Ernest Ansermet zu finden, dessen legitimer Nachfolger er gerade im französischen Repertoire ist. Er ist eines der besonders bedauerlichen Opfer einseitig auf Superstars fokussierten Marketings, und deshalb werden seine Aufnahmen leider immer wieder gestrichen. Besonders bei dieser Aufnahme verdopple ich deshalb ganz bewusst Klawirrs Aussage: Dass die Einspielung nach wenigen Jahren wieder gestrichen worden ist, kommt einen Verbrechen gleich. :angry:


    :hello: Jacques Rideamus

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  • Cd, DGG, 1973



    Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa – 4 (Nicht schlecht, aber für meinen Geschmack zu pauschal und effektbewusst - etwa wie Bernstein an einem mittelprächtigen Tag)


    Faust: Stuart Burrows – 4 (gut gesungen, aber etwas weinerlich und zu sehr auf gute Tonproduktion konzentriert um noch idiomatisch sein zu können)


    Méphistophélès: Donald McIntyre – 4 (In der Tat grandios und mit einer für den Mephisto idealen Stimme gesungen. Dennoch spüre ich keinen Teufel, sondern nur einen vorzüglichen und sorgfältig artikulierenden Sänger)


    Marguerite: Edith Mathis – 3 (auch nicht schlecht, aber wo es doch so viele besser singende und gestaltende Margarethen gibt)


    Sonstige – 4 (einer der besten Chöre der Gesamtaufnahmen, aber auch der kann nicht besser sein als sein Dirigent)


    Wertung: 19/5 = 3,8


    TQ: 4 (dieser FAUST spielt wohl durchweg in textilfreien, halligen Gemäuern)


    Wäre diese Aufnahme meine erste DAMNATION gewesen, würde ich wahrschenlich mehr von ihr halten, so aber erschent sie mir, gerade wenn ich sie, wie jetzt, im Vergleich zu anderen höre, einfach nur laut und pauschal. Wer die Einspielung preiswert zum Einstieg kriegen kann, bekommt trotzdem klein schlechtes Bild von dem Werk. Da sie in jeder Einzelleistung übertroffen wird, muss man sie heute trotz der Würdigung ihres historischen Wertes, der einst Colin Davis ein dramatisches Gegengewicht setzte, aus dem Blickpunkt von heute nicht unbedingt haben.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Cd, DGG, 1978


    Orchestre de Paris, Daniel Barenboim – 2 (Barenboim ist hier so recht der Mann für‘s Pomadige.)


    Faust: Placido Domingo – 2 (Alles Verdi – oder was?)


    Méphistophélès: Dietrich Fischer-Dieskau – 2 (Singt, als phantasiere er ziemlich unzüchtig von der schönen Müllerin)


    Marguerite: Yvonne Minton – 4 (Schlägt sich tapfer und macht ihre Sache auch recht gut. Sticht aus diesem seltsam-unidiomatischen Ensemble wirklich positiv heraus.)


    Sonstige – 3 (wie Rideamus andernpostings in diesem Thread schrieb: ein Chor kann schwerlich besser sein als das Dirigat. Na, immerhin trifft der Pariser Chor das französische Idiom.)


    Wertung: 13/5 = 2,6


    TQ: 4


    Wer ist nur auf die Idee gekommen, diese Combo zusammenzutrommeln? Keiner einer paßt so recht zur Rolle, und die SängerInnen nicht zueinander. Allein Frau Minton ist wacker dabei und versteht zu bewegen. Barenboims Interpretation ist einfach unterirdisch: alles übermäßig dick aufgetragen und zugleich lasch. Ein absoluter Bringer ist allerdings das psychedelisch bunte Cover der ursprünglichen LP-Ausgabe, die ich besitze. Wird nur noch von den Buntstiftnackedeis vor Buntstiftsonnenaufgang (oder ist’s ein Untergang?) auf dem Cover der ebenfalls bei der DGG gelabelten LP-Box der Barenboim-Einspielung von Berlioz‘ »Romeo et Juliette« getoppt.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, Bayer, 1990 (Live-Mitschnitt)



    Orchestra of the Royal Flemish Opera Antwerpen, Günter Neuhold – 4 (Herr Neuhold hat ein echtes Feeling für Berlioz. Sehr ausgewogenes Dirigat mit Spitzen, wo sie hingehören; Flammen, wo es brennen muß, Abgründen, wo sie klaffen müssen und ein wenig Zucker, wo es süßlich schmecken soll. Das Orchester folgt seinem Leiter auf Zeichen und Schlag. Insgesamt ist das schon ziemlich gut! Der ungarische Marsch gerät zu brav.)


    Faust: Keith Olsen – 3,5 (etwas knödeliger Faust, stimmlich tendenziell überfordert, gestalterisch aber durchaus überzeugend. Kaum einmal bekommt man einen im 1. Bild vom Bauernvolk so nachvollziehbar desillusiionierten Faust zu hören wie hier.)


    Méphistophélès: David Wilson-Johnson – 3,5 (ebenfalls gestalterisch durchaus rollendeckend, gibt einen durchtriebenen Bösewicht. Stimmlich manchmal etwas matt)


    Marguerite: Jennifer Larmore – 4,5 (Hinreißend! Die Dame ist – neben dem Dirigat – das Highlight der Produktion; leider macht ihr die Tontechnik einen Strich durch die Rechnung.)


    Sonstige – 4 (Der Chor des Städtischen Musikvereins Düsseldorf gehört zu den besseren im Feld)


    Wertung: 19,5/5 = 3,9


    TQ: 3 (das ist das absolute Minus der Produktion: Live-Aufnahme mit großem, undiszipliniertem Publikum. Zudem klingt alles ziemlich weit weg....)


    Eine ambitionierte Aufnahme mit Potential, deren Stars die Marguerite von Jennifer Larmore und der Dirigent Günter Neuhold sind. Die Tontechnik ist hier aber der Feind jeder Kaufempfehlung. Wenn man die Einspielung günstig bekommen kann, ist sie als Zweit-, Dritt- oder Viertaufnahme durchaus eine Bereicherung.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, GLB-Classics, 1997 (Live-Mitschnitt)





    MDR Sinfonieorchester Leipzig, Fabio Luisi – 4,5 (Auch bei Herrn Luisi befindet sich Berlioz‘ Faust in guten Händen. Bei ihm ist alles ein wenig rational-abgeklärt, er legt die wuchernde Berliozsche Romantik auf dem Seziertisch. Das hat was – wenn man sich auch manchmal etwas mehr Blut, Schweiß und Tränen wünschen würde. Wer auf glasklare Transparenz und Analytik steht und dennoch das Bedürfnis nach [allerdings kontrollierter und wohl-portionierter] Adrenalin-Ausschüttung hat, wird hier bestens bedient.)


    Faust: Vinson Cole – 4 (klare, auch in der Höhe super-sichere Stimme, tendenziell etwas unterkühlt - was mit dem Dirigat korrespondiert)


    Méphistophélès: Phillippe Rouillon – 4 (Ein ziemlich schräger, jovialer Mephisto, der seine Bosheit hinter einer vordergründigen Kumpelhaftigkeit verbirgt. Gefällt.)


    Marguerite: Julia Varady – 4,5 (Berückend schöne Stimme! Wirkt sehr jugendlich. Was für ein verletztliches, zartes Wesen sie mit Ihrer Stimme zu zeichnen weiß! Klasse! Punktabzug gibt’s für ihr bisweilen etwas flirrendes Vibrato.)


    Sonstige – 4 (Der MDR-Chor ist bestens disponiert)


    Wertung: 21/5 = 4,2


    TQ: 5


    Insgesamt eine tolle Aufnahme, rein von den Zahlen her sogar eine im Spitzenfeld. Und zumindest Julia Varady gehört da auch hin. Aber Achtung: Das hier ist wirklich vergleichsweise unterkühlt. Die Tontechnik ist absolut erstklassik!


    Viele Grüße,
    Medard


  • Bitte die Wertung 4,58 verdoppeln! Die Kommentare kann ich ausnahmslos unterschreiben.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Cd, Brilliant (ursprünglich Denon), 1989 (Live-Mitschnitt)



    Symphonie-Orchester des Hessischen Rundfunks Frankfurt, Eliahu Inbal – 4 (Nicht schlecht, glänzend disponiertes Orchester. Inbal dirigiert mit ordentlichem Drive, tendiert aber etwas zur vordergründigen Effekthascherei [etwa im ungarischen Marsch, im Ritt zum Abgrund oder im Pandaemonium], worunter die Intensität des Ausdrucks leidet.)


    Faust: Denes Gulyas – 3,5 (insgesamt gut gesungen, aber etwas weinerlich. Gulyas Faust ist ein in Selbstmitleid badender Weichling. Kann man so machen – mir gefällt‘s nicht besonders.)


    Méphistophélès: Robert Lloyd – 2 (Méphistophélès als saturierter und zur Adipositas gemästeter Klugscheißer - so klingt's jedenfalls. Eine Witzfigur vom ersten Ton an. In der Höhe verwandelt Lloyd sein Teufelchen aufgrund von Stimmproblemen in einen Brüllaffen. Das is‘ nix.)


    Marguerite: Maria Ewing – 4,5 (und wieder ist die Dame die Lichtgestalt des Ensembles. Maria Ewings entwirft mit ihrer hohen, hier noch glockenklaren Stimme eine mädchenhafte, verträumte und verletzliche Marguerite. Ihre »Romance« ist romantisch-bezaubernd. In der Tiefe hat sie wenig Volumen – aber das schmälert den insgesamt guten Eindruck nicht entscheidend.)


    Sonstige – 4,5 (die Chöre sind brilliant, blitzsauber und der bestens disponiert. Neben Frau Ewing die Sternenlichter der Einspielung.)


    Wertung: 18,5/5 = 3,7


    TQ: 4,5


    Hatte ich lange nicht mehr gehört, darum wurden heute morgen meine Erinnerungen aufgefrischt: Eine Interpretation, die einen zwiespältigen Eindruck hinterläßt. Das Dirigat ist gut, wenn auch mit wenig Tiefenschärfe, Orchester und Chöre sind erstklassig, Frau Ewing (was ist eigentlich aus ihr geworden?) vermag zu berühren und zu verzaubern. Die Männer sind dagegen schwächlich, Lloyd als Mephisto eindeutig nicht rollendeckend – weder sängerisch noch gestalterisch (sein Timbre ist auch ziemlich unpassend). Kann man haben – muß man aber eigentlich nicht haben.


    Viele Grüße,
    Medard


  • Chor u.Orch. der Opera Roma, Georges Prétre - 4


    Faust: Nicolai Gedda - 5 (ideal für die Rolle )
    Méphistophélés: Roger Soyer - 4 (stilgerecht interpretiert)
    Margerite: Marilyn Horne - 4 (wunderbar gesungen)
    Sonstige: 4


    Wertung: 21/5 = 4,2



    TQ: 4


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Cd, RCA, 1954




    Bei mir sieht die Box noch so aus:




    Boston Symphony Orchestra, Charles Munch – 5 + (Erstklassiges Dirigat, feurig, dramatisch. Kann problemlos neben Markevitch bestehen. Und Dutoit hat einiges von Charles Munch gelernt...)


    Faust: David Poleri – 4,5 (stimmlich absolut rollendeckend, gestalterisch herausragend – Punktabzug wegen seines penetranten Vibratos)


    Méphistophélès: Martial Singher – 5 (Der Über-Méphistophélès, vielleicht der beste ever. Stimmlich grandios, volltönend, in dunklen Farben schillernd. Ein böser Verführer in Vollendung.)


    Marguerite: Suzanne Danco – 4,5 (Sehr schöne Stimme, biegsam, ausdrucksstark. Überaus anrührend.)


    Sonstige – 4,5 (tolle Chöre)


    Wertung: 23,5/5 = 4,7


    TQ: 4 (Mono)


    Mit Munch, Markevitch und Dutoit sind die Top Drei wohl beieinander. Besser wird man den Faust IMO nicht hören können. Munch ist vielleicht sogar am idiomatischsten. Abstriche muß man nur bei der der Tontechnik machen. Die ist für 1954 zwar durchaus sehr gut und wirklich edles Mono – aber halt Mono.



    Viele Grüße,
    Medard


  • Chor u.Orch. der Opera Roma, Georges Prêtre - 3 (Ist seltsam, aber der Franzose Prêtre kann die Musik des Franzosen Berlioz nicht dirigieren. Absolut blutarme Interpretation. Seinen ungarischen Marsch, den Ritt zum Abgrund und das Pandaemonium kann man sehr gut zum Einschlafen hören.)


    Faust: Nicolai Gedda - 4 (hab ich ja schon im Hinblick auf die Davis Einspielung geschrieben: ich mag Gedda nicht als Faust. Er singt aber schon gut.)


    Méphistophélès: Roger Soyer - 4 (»stilgerecht interpretiert«, wie Herbert schon schreibt - mehr aber auch nicht)


    Marguerite: Marilyn Horne - 4 (»wunderbar gesungen« - stimmt wieder. Aber wenn Pollet, Ewing, Larmore, Rubio und Danco nur eine 4,5 bekommen, weil's noch Luft nach oben für Susan Graham braucht, kann's für Horne nur eine 4 werden)


    Sonstige: 4


    Wertung: 19/5 = 3,8


    TQ: 3,5


    Das Sängerensemble ist schon rollendeckend und gut, wenn IMO auch nicht unbedingt ideal. Die Gesamtinterpretation ist einfach nur langweilig. Die bei EMI gelabelte Aufnahme von Prêtre (Studio, 1969, gekürzt :no: ) ist auch nicht besser dirigiert. Schade um das tolle Sängerensemble, das sich dort müht (wieder Gedda als Faust, Gabriel Bacquier als Méphistophélès und Janet Baker als Marguerite).


    Viele Grüße,
    Medard




  • BIN DERSELBEN MEINUNG! BITTE VERDOPPELN! Peter aus Wien.

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  • CD, RCA, 1954




    Boston Symphony Orchestra, Charles Munch – 5++ (Wirklich dramatisches, absolut packendes, aber auch in allen Feinheiten überzeugendes Dirigat.)


    Faust: David Poleri – 4,5 (stimmlich und rollengestalterisch herausragend, aber auch mich stört etwas das Vibrato)


    Méphistophélès: Martial Singher – 5+ ("Der Über-Méphistophélès, vielleicht der beste ever. Stimmlich grandios, volltönend, in dunklen Farben schillernd. Ein böser Verführer in Vollendung." Hier kann ich Klawirr nur zustimmen)


    Marguerite: Suzanne Danco – 5 ("Sehr schöne Stimme, biegsam, ausdrucksstark. Überaus anrührend." - Na wenn das nicht für die 5 langt)


    Sonstige – 5 (hier stimmt auch alles, besonders die Chöre)


    Wertung: 24,5/5 =4,9


    TQ: 4 (Mono)


    CD Decca 1994



    Orchestre symphonique de Montreal; Charles Dutoit – 5+ (wunderbar nuanciert, stimmungsvoll, "leicht daherkommend", dennoch sehr dramatisch)


    Faust: Richard Leech - 5 (in Gesang wie Rollengestaltung toll)


    Mephisto: Gilles Chachemaille - 5 ( wirklich mehr der subtile Verführer, auf seine Weise auch großartig)


    Margarethe: Francoise Pollet - 5 (rührt mich genug für die 5)


    Sonstige: 4 (Gesanglich finde ich den Chor auch toll, leider hat Klawirr recht, die Einsätze sind manchmal nicht exakt)


    Wertung: 24/5 =4,8


    TQ: 5



    CD, Erato, 1994



    Orchestre de l'Opéra national de Lyon, Kent Nagano – 4,5 (das Orchester bestens ausbalanciert, sehr schön feinabgestuft, nuanciert und gewinnt dadurch auch einiges an Dramatik, es fehlt mir aber letztlich etwas an der Power von Munch und Dutoit)


    Faust: Thomas Moser – 3,5 (ist schon bis auf ganz wenige Stellen in den Höhen und in den Tiefen auch sehr schön gesungen, aber von der Rollengestaltung vergleichsweise blaß)


    Méphistophélès: José van Dam – 5 (sehr schön finster)


    Marguerite: Susan Graham – 5+ (stimmlich herausragend und überaus nuanciert stimmlich wie in der Rollengestaltung: dieMarguerite)


    Sonstige – 4,5


    Wertung: 22,5/5 = 4,5


    TQ: 5



    CD, DGG, 1973



    Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa - 4,5 (Die hat wieder sehr viel Power, aber etwas auf Kosten der Feinheiten, dennoch "pauschalisierend" - so weit würde ich nicht gehen. Das effektvolle, finde ich, passt toll zum besonders finsteren Méphistophélès)


    Faust: Stuart Burrows – 4 (sehr gut gesungen, aber vom Rollenportrait nicht ganz überzeugend)


    Méphistophélès: Donald McIntyre – 5(auch sehr gut gesungen und der finsterste von allen)


    Marguerite: Edith Mathis – 3 ("irgendwie zu sehr das deutsche Mädel..." - das triffts, Klawirr! - aber eigentlich schon gut gesungen)


    Sonstige – 4,5 (ja, toller Chor)


    Wertung: 21/5 = 4,2


    TQ: 4 ("wird von einem seltsam dumpfen Hall gestört" - stimmt)


    Gemessen an sonstigen Einspielungen (oder den meisten Opern-Einspielungen überhaupt, bei denen mich meistens viel mehr stört) finde ich alle 4 herausragend und insofern angemessen, dass diese 4 bei mir enger beieinander liegen. Die Markevitch-Aufnahme kenne ich noch nicht, aber das muß ich wohl ändern.


    :hello: Matthias

  • Hier schloss sich eine mehrteilige Korrekturdiskussion über den Inhalt zweier Munch-Berlioz-Boxen von RCA an, die ich hierhin verschoben habe:


    Hector Berlioz - ein Genie unter Quarantäne


    Die Diskussion war zwar hier zunächst richtig und auch wichtig, scheint mir aber auf Dauer in dem Textthread besser aufgehoben, zumal sie ja ganze Pakete von Berlioz-Aufnahmen Charles Munchs betraf und nicht nur LA DAMNATION DE FAUST.


    :hello: J.R. II


  • Ich möchte bitten zu verdoppeln, kann dieser Bewertung nichts hinzufügen, nur mich anschließen. Danke! :hello: :yes:

  • Lieber Peter aus Wien,


    gleich doppelt verdoppeln, gilt nicht! - Geschummelt! :no::D


    LG aus Berlin nach Wien, Matthias


    Dieser und der letzte Beitrag von Peter könnten gelöscht werden. -Danke!


  • BITTE VERDOPPELN!!!