Lully - die Opern

  • Zur Feier des Tages (mein 100. Beitrag) möchte ich etwas gezielter auf den wichtigsten Bereich meines Lieblingskomponisten eingehen.


    Die pompösen Barockopern Lullys sind vielen nur durch Hörensagen bekannt, ich möchte hier die Gelegenheit nutzen um die bisher erschienen Aufnahmen vorszustellen (soviele sind es ja nicht).


    Eine frz. Barockoper folgt einem festgelegten Schema: Sie besteht im Gegensatz zur italienischen Oper aus 5 Akten. Zusätzlich hat sie einen Prolog der unverholen das Lob des Königs (Louis XIV) besingt.
    Jeder Akt verfügt über ein sogenanntes Divertissement, um dem Geschmack des frz. Publikums Rechnung zu tragen.
    Das Divertissement besteht aus ausgedehnten Chor und Balleteinlagen.
    Dies hat nur bedingt mit der Handlung zu tun, wirkt aber nie störend.
    Die Handlung ist auschließlich der Mythologie und den Ritterepen entnommen. Die frz. Rezitative sind vollkommen anders gestrickt als die italienischen, hier wird nur in Reimen gesungen und ein ständiger Taktwechsel sind typisch.
    Für die Poesie war Philippe Quinault zuständig, einer der beliebtesten Dichter der Zeit.
    Zusätlich gehören natürlich die prächtigen Kostüme, aufwendige Bühnenbilder und faszinierende Bühnenmaschinen dazu.
    Niemand geringerer als Charles Lebrun entwarf für nicht wenige Aufführungen von Lullys Werken die Dekoration.


    Obligatorisch war es bestimmte Szenen in den Opern wieder aufzunehmen, d.h. Sturm-, Gewitter-, Erdbebenszenen, die beliebten Traumszenen, pompöse Zeremonien (wie in Cadmus /Thésee und Amadis) und was im Laufe der Zeit der Höhepunkt der Opern wurde - die Chaconne oder Passacaille, eine gewaltige Szene mit Ballettänzern, Solisten und Chor. (Armide / Acis et Galatée).




    Zuerst noch die Geschichte wie Lully zur Oper kam.
    Robert Cambert und sein Librettist Pierre Perin brachten im Jahre 1671 die erste frz. Oper auf die Bühne "Pomone".
    Die Franzosen waren ja bisher eher zurückhaltend was Oper anbelangte, doch da hier nur noch französisch gesungen wurde, kam dieses Werk erstaunlich gut an.
    Doch Cambert war kein Geschäftsmann und Perrin ein Taugenichts der das ganze Geld verjubelte - kurz er landete im Gefängnis.
    Lully hatte zusammen mit Molière das Tragèdie Ballet "Psyché" am Hof aufgeführt, fast schon eine Oper, aber eben noch mit gesprochenen Dialogen. Jetzt im Jahre 1672 hatte er sich mit Molière überworfen und beobachtet neidisch den Erfolg den Cambert und Perrin hatten.


    Da Perrin nun im Gefängnis saß, sah Lully seine Chance, er suchte den Unglücklichen auf und versprach ihm die Freiheit im Ausstausch gegen die Opernrechte.
    Nun gehörte Lully die Oper, er gründete die "Academie Royal de Musique" die erst wäremd der frz. Revolution aufgelößt wurde.


    Von nun an komponierte er jedes Jahr eine große Oper, und bald schon hatte er eine diktatorische Macht über das Musikleben Frankreichs.


    Das erste Werk das er für sein neues Unternehmen schrieb war:
    "Les Fêtes de l'Amour et de Bacchus" 1672



    Wegen Zeitnot bearbeitete Lully einige seiner erfolgreichsten Szenen aus den Comèdies Ballets die er mit Molière zusammen verfasst hatte. (Die Szener der Magier aus der Pastorale Comique / Der Traum aus Les amants magnifiques und der Schlußchor aus George Dandin)
    Die Interpretation der Simphonie du Marais unter Reyne ist Solide, wenngleich auch ein wenig unterbesetzt.
    Dennoch ist diese Aufnahme höchst interessant nicht nur wegen Lullys wundervollem Pasticcio, sondern weil Reyne sich dazu entschlossen hat auch die erhaltenen Passagen von Camberts "Pomone" mit aufzunehmen.


    seine erste richtige Oper war "Cadmus et Hermione" 1673, leider bisher keine vollständige Aufnahme. (Eine Suite interpretiert durch ein Oboenensemble und eine sehr alte Aufnahme einer Szene durch Roger Désormière von 1931).
    Rosset hatte sie zwar schon öfters aufgeführt, aber vielleicht kommt sie auch bald auf CD.


    Seine zweite Oper "Alceste" 1674 gehört zu den beliebtesten Lully Werken.



    Die Interpretation der Grande Ecurie et la Chambre du Roy / Ensemble Vocal Sagittarius unter Malgoire ist hervorragend.
    Doch enttäuscht die Aufnahme durch die schlechte Tonqualität.
    So muß Heute keine Live Aufnahme mehr klingen!


    Alceste wurde wärend des dritten großen Festes in Versailles aufgeführt, berühmt ist der Stich auf dem die Premiere der Oper unter freiem Himmel im Marmorhof des Schlosses zu sehen ist


    Seine Dritte Oper "Thésée" 1675 liegt auch nur in Auschnitten vor, sie gehört ebenfalls zu den wichtigsten Werken Lullys.


    Die vierte Oper wurde in unserer Zeit zu einem Kassenschlager "Atys" 1676. Als William Christie mit diesem Werk auf Tournée ging, war das die Wiedergeburt der Barockoper. (Karten konnte man nur noch auf dem Schwarzmarkt bekommen).
    Les Arts Florissants und William Christie wurden schlagartig berühmt, die Aufnahme bekam u.a. den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
    Lully hat hier zum ersten Mal auf Pauken und Trompeten verzichtet, der Klang ist düster und dicht.



    Die Interpretation ist umwerfend, Atys ist mit Sicherheit eines der schönsten, wenn nicht sogar die schönste Lully Oper überhaupt, eine bessere Interpretation kann man sich eigentlich kaum wünschen.


    Die Fünfte Oper "Isis" 1677 war zu Zeiten Lullys ein Mißerfolg. Sie liegt ebenfalls nur in Auschnitten vor.



    Die Aufnahme von Paillard ist zwar schon sehr alt, aber immer noch recht gut. Im Laufe diesen Jahres soll eine Einspielung der Simphonie du Marais vorliegen.


    Es folgte 1678 eine Wiederaufnahme des Tragèdie Ballets "Psyché"
    Christie interpretierte diese Werk auf seiner Amerika Tournée, aber leider folgte keine Aufnahme.


    1679 wurde Bellerophon gegeben, leider nicht ein einziges Stück zu bekommen.


    1680 Proserpina, nur eine kleine Suite in Oboenfassung erhältlich.


    1681 komponierte Lully auf Wunsch des Königs ein Hofballett "Le Triomphe de l'Amour" (Aufnahme liegt vor in der Interpretation der Simphonie du Marais, aber ich werde das zu späterem Zeitpunkt in einem "Lully - die Ballette" Threat behandeln).


    Mit dem entgültigen Umzug nach Versailles gab Lully eines seiner Beeindruckensten Werke zum Besten: "Pérsée" 1682.



    Die Aufnahme der Talens Lyrique unter Rousset ist genial, und wird nicht nur von mir in den höchsten Tönen gelobt.
    Das Werk wurde zu einem der meistgespieltesten Opern Lullys.


    Es folgte 1683 Phaeton, die Aufführungen wurden aber durch den Tod der Königin unterbrochen und seither wird das Werk eher stiefmütterlich behandelt. Am Hof schien es auch keinen anhaltenden Erfolg zu haben.



    Marc Minkowski und die Musiciens du Louvre legen aber eine wirklich gelungene Aufnahme vor. Dennoch fallen im Vergleich zu seinen anderen Opern hier einige Schwächen auf.


    Lully komponierte noch im gleichen Jahr sein wohl erfolgreichstes Werk und brachte es 1684 auf die Bühne: "Amadis"
    Die Oper Amadis liegt nur in Bruchstücken als Aufnahme vor, vieles ist nur auf LP zu bekommen.
    Doch schon an diesen wenigen Orchesterstücken und Opernszenen spürrt man wieso diese Werk so beliebt war - Eine Gesamtaufnahme bitte - und zwar schleunigst!


    1685 war das dunkelste Jahr für Lully, ein Jahr zuvor stand er noch im Mittelpunkt des Interesses, jetzt wurden ihm seine Ausschweifungen zum Verhängnis.
    Der König soll sich bei der Aufführung von "Roland" gelangweilt haben.
    Dies hängt wohl mit dem Einfluss der Madame de Maintenon zusammen, die weder Lully noch seine Musik leiden konnte.



    Les Talens Lyriques unter Rousset erhielte für ihre Einspielung den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
    Ein Meisterwerk - kein Grund sich zu langweilen!


    1686 brachte Lully seine berühmteste Oper auf die Pariser Bühne: "Armide", sie hatte einen ähnlichen Erfolg wie Amadis und wurde zum Musterbeispiel einer frz. Oper.



    Philippe Herreweghe und La Chapelle Royal / Collegium Vocale haben ein sehr gute Einspielung vorgelegt, zwar nicht mehr ganz frisch, aber die Aufnahme hat keine Alternative und nötig ist es auch nicht.


    Sein letztes vollendetes Bühnenwerk "Acis et Galatée" 1686 komponiert im gleichen Jahr wie Armide ist keine Tragèdie Lyrique, sondern wie "Les Fêtes de l'Amour et de Bacchus" eine Pastorale.
    Doch das merkt man nur an der Anzahl der Akte, 3 statt 5.



    Les Musiciens du Louvre unter Minkowski haben ein sehr gute Einspielung des Werks vorgelegt. Hier verfeinert er noch die musikalische Sprache die er in den letzten Opern gefunden hat.
    Die Passacaille mit Solisten und Chor am Schluß der Oper hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Passacaille aus Armide.
    (Sie ist Heute so beliebt, dass sie Standartrepetoire geworden ist, wärend in Versailles die Wasserspiele aktiviert werden.)


    Seine letzte Oper "Achille et Polyxène" von 1687 konnte er nicht mehr vollenden, sein Sekretair, Pascall Colasse, übernahm das.
    Auch hier sucht man vergebens nach Einspielungen.


    Zwar sind ein Großteil der Opern Lullys auf CD erschienen, jedoch fehlt immer noch ein beträchtlicher Teil des Gesamtwerkes.

  • Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag, den ich mit wirklichem Interesse gelesen habe. Er macht Lust, sich mit dem Herrn Lully etwas näher zu beschäftigen. Der Tag wird kommen, an dem ich auch etwas Konstruktiveres auf derlei Beiträge erwidern kann. Ganz sicher… ;)


    Gruß, Cosima


    P.S.: Welche dieser Opern würdest Du einem kompletten Neuling auf dem Gebiet der Barockoper empfehlen? „Atys“?

  • Hallo Cosima,


    also wenn Du als Neuling Dir wirklich eine komplette Oper reinziehen willst, dann würde ich Dir zu "Armide" raten.
    Hier sind die schönsten Melodien Lullys zu finden, und sie ist auch nicht ganz so lang ;) nur 2 CD's.


    Wenn Du erstmal weniger riskieren willst nimm die "Bset of Lully" CD von William Christie, da kannst Du mal einen Eindruck von seinen Kompositionen bekommen.


    "Lully - Les Divertissements de Versailles" Les Arts Florissants / William Christie / erschienen bei Erato


    Da sind z.B. der berühmte Monolgde Armide, das Liebes - Duett und die große Passacialle aus der gleichnamigen Oper drauf. Dann Auschnitte aus "Isis", "Roland" und "George Dandin".
    Die wunderschöne "Plainte" aus dem "Ballet des Muses" und vieles mehr.


    Aber mit "Atys" machst Du garantiert nichts falsch - ein traumhaftes Werk!

  • Ich habe kaum Hemmungen, wenn es um mir bis dato unbekannte Musik geht, da ich in fast allen Fällen nur positiv überrascht wurde (einzig mit Mahler wurde ich bislang nicht so recht warm). Zum Beispiel sperrte ich mich lange Zeit gegen die Oper an sich, bis ich im Zuge meiner Carlos-Kleiber-Sammelleidenschaft auf den „Tristan“, den „Freischütz“ usw. stieß. Ich war sogleich hingerissen.


    Aber Du hast Recht – vielleicht sollte ich mich an dieses Gebiet etwas vorsichtiger herantasten (man darf ja auch die finanzielle Seite nicht ganz vernachlässigen), weshalb ich auf meine Merkliste zunächst eine CD mit Auszügen aus „Atys“ gesetzt habe. Diese hier:




    Ich werde zu gegebener Zeit von meinen Eindrücken berichten; finde es aber grundsätzlich gut, wenn mein Horizont – durch Beiträge wie Deinen – erweitert wird.


    Gruß, Cosima

  • Ich kann mit der Persée nicht allzuviel anfangen. Woran´s liegt? Keine Ahnung. Das ist aber die einzige von Lully´s Opern, mit der ich nicht so recht warm werde. Phaeton und Roland sind meine Favoriten. In den schon genannten Einspielungen.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Witzig,


    Phaeton schätze ich an den bis jetzt eingespielten Opern am wenigsten.
    Persée gehört dagegen zu meinen Favoriten.
    Roland mag ich eigentlich auch sehr gerne - vor allem dann wenn eine so gute Interpretation dargeboten wird.


    Phaeton ist mir irgendwie zu schmucklos, diese Oper war eigentlich die erste "Enttäuschung" die ich bei Lully erlebt habe, sie hat mich kalt gelassen.
    Allerdings ist sie vielen anderen Tragèdies (natürlich von anderen Komponisten) immer noch überlegen.
    Persée hat nur natürlich auch ein Thema, dass ich äußerst ansprechend finde.


    Meine Lieblingsopern von Lully sind immer noch Atys und Armide, allerdings sollte irgendwann einmal eine komplette Einspielung der Tragèdie "Amadis" vorliegen, dann könnte sich das ändern.
    Allein der "Marche pour le Combat de la Barrière" und die "Chaconne" aus Amadis gehören zu meinen absoluten Lieblingsstücken, aber bis jetzt war ich von jedem "Fitzelchen" der Oper das ich zu hören bekam mehr als begeistert - aber ich kenne sie eben noch nicht komplett.


  • Divertissements de Versailles
    Arien, Szenen & Ballette aus Psyche, Armide, Isis,
    Roland, L'Amour Medecin u. a.
    Daneman, Agnew, Slaars, Lallouette,
    Les Arts Florissants, Christie



    Diese CD habe ich heute erstanden.


    (Am Rande übrigens zu „Preisgestaltung“ – siehe laufender Thread von Alfred zum Thema - : im Ladengeschäft kostete sie kleine 4,99 Euro, während sie im Internet zu 17,99 Euro angeboten wird. Das meine ich u.a. mit undurchsichtiger Preisgestaltung.)


    Aber zurück zu Lully. Ich habe sie bereits 3-mal gehört und mit jedem Mal gefällt sie mir besser, wobei ich noch nicht sagen kann, welche Werke ich bevorzuge. Es ist ja immer schwierig oder gar unmöglich, anhand von Ausschnitten auf ein ganzes Werk zu schließen.


    Ich kann auch nicht genau benennen, was es ist, das mir diese Musik so sehr ans Herz wachsen lässt. Ich empfinde sie als sofort eingängig; vielleicht sind es ihre „Schlichtheit und Reinheit“, ihr unaufdringlicher Charme (mir fällt keine passende Beschreibung ein), die diesen direkten Zugang ermöglichen.


    Auf jeden Fall freue ich mich, diese Musik für mich entdeckt zu haben. Ich kann sie nur wärmstens empfehlen – die Klangqualität der CD ist darüber hinaus famos. Als nächstes werde ich mich dann doch an eine komplette Oper wagen.


    Gruß, Cosima

  • Hallo Cosima,


    freut mich, dass Lully keine Entäuschung für Dich war (hätte mich auch gewundert :D )


    Die Werke Lullys sind meistens erstklassig, da ja alle für eine Aufführung vor dem gesamten Hof und dem König gemacht wurden, also kann man davon ausgehen, das er sich Mühe gegeben hat.


    Aber es ist schon richtig, die Werke Lullys leben von der Gesamtheit der Komposition. Erst bei einer ganzen Oper erschließt sich die Genialität dieses Mannes.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    freut mich, dass Lully keine Entäuschung für Dich war (hätte mich auch gewundert :D )


    Hallo Lullist, hallo allerseits,


    nein - keine Enttäuschung, wirklich das absolute Gegenteil. Eine Frage am Rande, wenn Du erlaubst. Es ist ja doch eher selten, dass sich jemand so sehr wie augenscheinlich Du für einen Komponisten interessiert, der nicht gerade zum „Mainstream“ gehört (ich denke da an Beethoven, Mozart & Co.). Mir zumindest war der Name Lully zwar bekannt (im Sinne von: ich habe ihn irgendwo schon einmal gelesen), aber von seinen Werken hatte ich vorher nie etwas gehört.


    Wie kommt es, dass Deine Verehrung gerade ihm so sehr gilt? Ich frage dies, weil ich für mich herausfinden möchte, warum diese Musik so anziehend auf mich wirkt. Du bezeichnest sie zwar als „pompös“ und das ist sie sicher auch, dennoch assoziiere ich etwas wie „Reinheit, Klarheit, Schlichtheit“, wenn ich sie höre. Diese Musik (Barockmusik überhaupt) „erfrischt“ irgendwie, sie wirkt auf jeden Fall sehr positiv und fast beruhigend auf mich – vielleicht liegt diese Wirkung an den zugrunde liegenden Strukturen, an den verwendeten Tonfolgen, Rhythmen … an was auch immer? Ich weiß zuwenig über diese Materie, um hier ein Urteil fällen zu können, aber vielleicht hast Du oder jemand anderes eine Erklärung für dieses Phänomen?


    Gruß, Cosima

  • Hallo,


    die Leichtigkeit, die viele barocke Werke verströmen, war schon bei deren Komposition vorhanden. Händel schrieb z.B. seinen Messias innerhalb von 3 Wochen, Bach schrieb am Anfang seiner Karriere jede Woche eine neue Kantate usw. Spätere Generationen haben oft mit ihren Werken gerungen und oft mehrere Jahre gebraucht, um z.B. eine Sinfonie zu vollenden. Am Arbeitspensum allgemein lag das sicherlich nicht. Das war zu allen Zeiten hoch. Ich finde, diese Leichtigkeit, mit der Stücke damals aus der Feder flossen, hört man.


    Thomas

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  • Es war glaube ich Roy Goodman (auch ein bekannter Dirigent von Barockmusik) der einmal schrieb, diese Musik besitzt deshalb solche Frische und Energie weil sie einen sehr starken Rhythmus besitz. Natürlich folgt jede Musik einem bestimmten Rhythmus, aber gerade die barocke Musik hat dies zur festen Grundlage.


    Lullys Musik ist ganz dem tanz verpflichtet, sehr oft sind seine Airs und Chöre auf Tanzrhythmen der damaligen Zeit bezogen.
    Die Tänze selbst folgen einer genauen Choreographie und werden meistens auf imaginairen geometrischen Formen getanzt.
    Das Menuett z.B. wurde zuerst auf einem "S" getanzt, dann auf einem "Z" die Courante auf einem doppelten Rechteck. Diese Symmetrie, die Du auch in den Gärten und der Architektur wiederfindest ist auch in dieser Musik verinnerlicht.
    Das hat nichts mit Gleichförmigkeit zu tun.


    Lully fasziniert mich auf der einen Seite als Mensch, er ist ein Paradebeispiel für einen Mann, der aus ärmsten Verhältnissen zu einem der mächtigsten Männer Frankreichs wurde, allein durch sein Talent und seinen Geist.
    Er ist das Beispiel dafür, dass wenn man über genügend Ergeiz, Talent, Können und den nötigen Willen verfügte, es zu Zeiten des Sonnenkönigs zu höchsten Ehren bringen konnte.
    Oftmals wird diese Zeit mit einer Diktatur verglichen (...) Vetternwirtschaft etc.
    Ich beschäftige mich seit über 12 Jahren mit dieser Epoche und gerade als Künstler war diese Zeit das Paradies - wenn man richtig handelte.
    Ich sehe diese Epoche als Höhepunkt unserer menschlichen Kultur.


    Worin gerade diese Faszination besteht kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich finde bei ihm alles was ich in der Musik suche, sie trifft so dermaßen meinen Geschmack wie ich es bei keinem anderen Komponisten erlebt habe.
    Seine Musik reicht von den pompösen Klängen der Paucken und Trompeten, bis zu den strengen Balletten, den witzigen Musikeinlagen für Molières Komödien, herzzereißende Airs, intime Momente, süße Melancholie bis hin zur Albernheit.
    Das alles mit einer solchen raffinesse und eleganz, einfach unbeschreiblich.


    Als ich als 12 Jähriger zum ersten Mal eine kurze Opernszene im Schulfernsehen sah (mehr schlecht als recht gemacht) habe ich mich regelrecht verliebt. Ich würde mir sogar anmaßen zu behaupten, dass ich ein Werk von ihm jederzeit erkennen würde, auch wenn ich es noch nie gehört habe.
    Ich habe mitlerweile keine Probleme mehr damit die Stile eines Delalande, Campra, Destouches etc. rein vom hören zu unterscheiden.


    Vielleicht habe ich auch mehr Freude an dieser Musik, weil ich einige Barocktänze erlernt habe, wer weiß?


    William Christie hat mal etwas in dem Begleitmaterial zu Charpentiers "Médée" geschrieben, was er nicht nachvollziehen konnte.
    Er schrieb die Zeitgenossen hätten die Oper verissen mit dem Vorwurf sie sei zu italienisch.
    Christie meinte sie sei vollkommen "lullistisch" es ginge nur darum Charpentier zu schaden.
    Ich sehe das anders, seine Musik ist eine Mischung von typisch frz. und ital. Musikmerkmalen, doch hat er einen sehr starken hang zum italienischen, ich kann mich den Zeitgenossen vollkommen anschließen. Außer den 5 Akten, den Divertissements, dem Prolog und der frz. Sprache erinnert wenig an die Tragèdie Lyrique. Seine musikalische Sprache ist italienisch.


    Was ebenfalls verwunderlich ist, bei allen Komponisten die ich bisher gehört habe, das waren schon einige, war immer etwas dabei, was weniger gut oder sogar langweilig gewesen ist. Das habe ich bei Lully nie wirklich erlebt, ich bin bei jedem Werk bisher so begeister gewesen wie bei keinem anderen.
    Ja von ihm würde ich mir auch mal eine 40 CD Box wünschen, ich würde zum ersten Mal in meinem Leben Kafee trinken um sie uin einem durchzuhören.


    Oft ist es auch so dass bekannte Kompositionen von Lully geklaut wurden - hier sei nur mal Georges Bizet "L'Arlèsienne" genannt, das Thema der Ouverture und Fandarole basiert auf dem "Marche du Régiment de Turenne", einem Militärmarsch von Lully.
    Andere Abschnitte erinnern an Campra - ich kenne mich nicht so sehr mit Bizet aus, aber da hat er anscheinend tüchtig geklaut...
    (Diese Ouvertüre hat mir schon als Kind so gut gefallen, jetzt weiß ich auch wieso :D )

  • hallo, lieber lullist, auch wenn mir die opern des französischen barock (mit wenigen ausnahmen) noch fremd geblieben sind, dir in deiner begeisterung sicherlich unverständlich, ist es mir doch ein bedürfnis, dir für ebensolche und die 'gelehrsamkeit' deiner texte zu danken. sie sind außerordentlich bereichernd und machen tatsächlich lust, sich ein weiteres mal in die höhle des löwen zu begeben. habe mir als appetithappen die cd mit der petibon zugelegt und finde sie recht gelungen. was meinst du dazu?

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

    Einmal editiert, zuletzt von klingsor ()

  • Hallo Klingsor,



    ihre Stimme ist mir schon früher aufgefallen, ihr Soloprogramm habe ich mir dann mit großer Begeisterung zugelegt.
    (Zumal sie eine nicht nur eine wunderschöne Stimme hat :D )


    Das Programm fand ich interessant, zwar hätte ich mir mehr Musik des 17. Jahrhunderts gewünscht, aber viele frz. Sänger scheinen Rameaus Musik mehr zu lieben.


    Ob das Programm representativ für die frz. Barockoper ist weiß ich nicht, ich hätte es anders gemacht, es spiegelt vielmehr ihr eigenes Interesse wieder - und das finde ich auch sehr gut und spannend.


    Allerdings bei allen Aufnahmen der berühmten Passage "Enfin il est a ma puissance" bin ich immer noch der Meinung, dass Guillemette Laurents dieser Partie die meiste Dramatik verleiht.


    Mir gefällt die Cd ebenfalls sehr gut, es gibt auch noch eine weitere Portrait CD eines großen Sängers, Jean Paul Fouchécourt - leider noch nicht in meinem Besitz.


    Aber von Lully ist recht wenig dabei und wenn man Interesse an seiner Musik hat so sollte man sich zum Einstieg die oben genannten "Divertissements" zulegen um seine Vokalmusik kennen zulernen,
    für die Instrumentalmusik bietet sich die berühmt berüchtigte CD von Jordi Savall an:



    Le Concert des Nations / Savall
    Suite aus "Le Bourgeois Gentilhomme"
    Le Divertissement Royal (Les amants Magnifiques / Mr. Pourceaugnac / Le Marriage Force...)
    Suite aus "Alceste"

  • Salisburgensis:


    Zitat

    Bach schrieb am Anfang seiner Karriere jede Woche eine neue Kantate


    Hallo Thomas, leider, kann ich nur sagen, leider trifftdas NICHT zu, denn die (viel zu wenigen) Kantaten Bachs aus dem Anfang seiner Karriere, zählen zum Schönsten, was von ihm an Vokalmusik überliefert wurde.
    Weder in Arnstadt noch in Mühlhausen gehörte das Abfassen von Kantaten zu seinem Aufgabenbereich. Das änderte sich erst in Weimar,
    wo er für den alten und kränklichen Kapellmeister Drese "einzuspringen" hatte. Zu Beginn seiner Leipziger Zeit als Thomaskantor ab 1723 schrieb Bach 2 komplette Kantaten-Jahrgänge. Wegen Dienstüberlastung ging er jedoch danach dazu über, schöne Werke seiner Zeitgenossen Graupner, Telemann, Stölzel, welche er häufig sogar eigenhändig abschrieb,aufzuführen. Nur das liess ihm genügend Zeit, sich auch um andere Musikbereiche zu kümmern, die ihm ebenfalls am Herzen lagen.
    Zu diesen frühen Kantaten Bachs gehören z.. BWV 106,12,172,182.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zurück zum Thema Lully:


    Natürlich ist mir klar, daß Lully einer der großen, genialen Neuerer in der Musikgeschichte ist. Aus den blockhaften Formen der Spätrenaissance und des Frühbarock schuf er (fast im Alleingang) jenen prächtigen
    Repräsentationstil, der sich für die meisten heutigen Hörer als der Inbegriff von Barockmusik darstellt.
    Dazu kommt eine ganz ausserordentliche Begabung für gestisches (vom Tanz herkommend) und plastisches Gestalten.


    Seine zusammen mit seinem Textautor Quinault geschaffen "Tragedie Lyrique" ist das erste musikalische GESAMTKUNSTWERK im Sinne Richard Wagners.



    Um Lully und seinen Intentionen wirklich gerecht zu werden, ist ein halbwegs akzeptables Verstehen UND Sprechen der französischen Sprache unumgänglich, und darin mangelt es z.b. bei mir
    und bei vielen anderen Hörern sicher auch. Demzufolge bleibt seine Musik für viele Hörer nur die Abfolge klingender Tableaus, prächtiger Nachtmusiken, darmatischer Chorszenen. Das Wekl als Ganzes erschliesst sich aber auf diese Weise nur bedingt...


    Meine Lieblingsoper Lullys ist seit jahren der "Atys" unter William Christie
    aus dem Jahr 1987. In dieser Oper kommt alles das besonders schön und deutlich zum Ausdruck, was der Musik des Meisters ihren besonderen Charakter gibt. Lyrisches, dramatisches und drastisches stehen in wohl ausgewogener Abmischung gegeneinander und verschmelzen zum großen Welt-Theater der Sinne .

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Zitat

    Um Lully und seinen Intentionen wirklich gerecht zu werden, ist ein halbwegs akzeptables Verstehen UND Sprechen der französischen Sprache unumgänglich


    Dem möchte ich widersprechen, weil die Musik viel mehr sagt/sagen kann als der Text, der ihr unterliegt. Außerdem kann man den Text, so man des Französischen nicht mächtig ist, im Libretto mit verfolgen.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • salisburgensis:


    Zitat

    Dem möchte ich widersprechen, weil die Musik viel mehr sagt/sagen kann als der Text, der ihr unterliegt


    Im Falle Lullys ist es wie mit Wagner: Text UND Musik bilden eine Einheit
    und sind in DIESEM Falle nicht voneinander zu trennen ! Beide komponierten wortgebundene Musik !


    Bei Pergolesis "Serva Padrona" z.b. mag es genügen, den Inhalt des Werkes zu kennen und man hat aus der Musik heraus trotzdem den "vollen Genuss"!


    Aber gehst du in die Oper und liest während der Aufführung
    des "Idomeneo" oder von "Cosi" das Textbuch ?
    Das mag ich mir, ehrlich gesagt, nicht so recht vorstellen :D


    Lully ist, bei allen Neuerungen, die er eingeführt hat, ganz Kind des seinen, des 17. Jahrhundets, wo der Text (siehe die Werke von Heinrich Schütz) alles andere als nur inkaufzunehmende "Beigabe" war...
    Natürlich bleibt auch ohne tiefergreifende Kenntnis der Sprache noch die Schönheit der Sommeillen, Battaglien und großen Szenen und gerade deshlab erfreuen sich diverse "Sammelprogramme" ala Goebel auch zunehmender Beliebtheit. Die Gefahr, die ich dabei sehe ist lediglich die, daß diese Beliebtheit in Beliebigkeit umschlagen könnte, was die allgegenwärtigen Crossoverprogamme bis zum abwinken tun.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Aber gehst du in die Oper und liest während der Aufführung...das Textbuch?


    Hier muß man unterscheiden zwischen Hören eines Stückes von CD und dem Live-Erlebnis. Letztere kommt sehr selten vor, weil Lullys Opern nunmal nicht zum Repertoire gehören. Bei fremdsprachigen Stücken gibt es in Deutschland aber häufig deutsche Übertitel, die ein Mindestmaß an Verständnis ermöglichen. Also bleibt die CD. Die kann ich beliebig wiederholen und mit dem Libretto arbeiten.


    Zitat

    Lully ist, bei allen Neuerungen, die er eingeführt hat, ganz Kind des seinen, des 17. Jahrhundets, wo der Text (siehe die Werke von Heinrich Schütz) alles andere als nur inkaufzunehmende "Beigabe" war...


    Eben! Um beim Beispiel zu bleiben, Schütz hat den Text mitkomponiert. Es gibt so viele Stellen mit Lautmalereien, an denen er den Textinhalt in Noten umsetzt, dass man eigentlich nur eines von beiden bräuchte, Text oder Musik.


    Thomas

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    - H. Heine -

  • Ich kann zwar etwas französisch, aber um mir in einem Restaurant in Frankreich etwas zu bestellen traue ih mir zur Zeit nicht zu :D


    Aber das wird sich bald wieder ändern.
    Ich habe einen natürlichen Hang zu dieser Sprache und ich verfolge ebenfalls, bei allen Opern jedweder Komponisten das Libretto im Textbuch mit - auch in der Oper.
    Wagner, auch wenn auf Deutsch, kann ich nicht verstehen,
    tut mir leid, ohne Textbuch ist das nicht möglich.


    Bei Lully verhält es sich fast so wie bei Händel, seine Musik erklärt schon selbst oft den Text, manchmal ist es wirklich nicht nötig den Text zu verstehen - anders bei Gluck - da erfasst man erst die ganze dramatische Wirkung, mit dem verstehen des Textes.


    Goebels Programm ist nun mal ein Soundtrack, er kann Appetit auf mehr machen, aber ich bevorzuge auch eher komplette Werke oder zumindest mal eine ganze Reihe Auschnitte aus einemm Werk.
    Die Hälfte aller CD's mit Musik Lullys sind so gestrickt, das war schon in LP Zeiten so. Die einzige Gesamtaufnahme war "Alceste" unter Malgoire, alles andere sind "Highlights"


    Warum so wenig Vertrauen in komplette Werke setzt ist nicht nachvollziehbar.


    Es ist aber so, jemand der die frz. Sprache beherrscht hat doppelt soviel Freude an der Musik Lullys, denn die Poesie von Quinault ist sehr sehr hochwertig, einem Racine ebenbürtig.
    Und soetwas trifft man selten, oftmals kann man das Librette besonders von italienischen Opern direkt in die Tonne werfen.
    Vielleicht ist es auch nicht verkehrt sich mit der Epoche ansich auseinder zusetzen, denn vieles wird dadurch erst greifbar.

  • DerLullist:


    Zitat

    Es ist aber so, jemand der die frz. Sprache beherrscht hat doppelt soviel Freude an der Musik Lullys, denn die Poesie von Quinault ist sehr sehr hochwertig, einem Racine ebenbürtig.


    Genau das ist auch der Grund gewesen, weshalb William Christie französisch büffelte, das ihm, laut Selbstauskunft, nicht sonderlich lag.
    Die Ergebnisse seiner Bemühungen können sich allemal hören lassen.
    Für ein heutiges Publikkum jedoch ist schon viel erreicht, wenn es beispielsweise die Zusammenstellung Goebels, die ja an sich "gut gemacht" ist, goutiert. Man wird mit den Jahren bescheidener und nimmt es dankbar zur Kenntnis, wenn man jemand triftt, der jünger als 25 ist uns nicht DJ Ötzi für den Gipfelpunkt abendländischer Kultur
    hält. In diesem Sinne eine gute Nacht, bei mir zum Tagesausklang mit der "Sommeille" aus "Atys" 8)

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • hallo, lieber lullist, danke füe die empfehlungen.
    habe mir tatsächlích bereits zwei cd's gekauft, aus mangel an zeit aber andere, bei denen ich dachte, sie könnten ebenfalls einen guten einstieg bieten: die beiden goebel-aufnahmen von charpentier und le roi danse bei der dg. und ich muß sagen, sie gefallen mir - nach dem ersten reinhören - ziemlich gut. ich muß mich nur an die vielen repetitionen gewöhnen (das war schon immer schwierig für mich bei franz. barock). aber langsam komm ich wohl auf den geschmack.... wobei mir die musik von charpentier wohl noch etwas besser gefällt. aber vielleicht liegt dies auch nur an den aufgenommenen werken. also, der anfang ist gemacht. welche gesamtoper empfiehlst du als erstes (armide oder atys?, das habe ich bei deiner antwort zu csima nicht verstanden)...eine schöne ascensio domini wünsche ich

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Klingsor,


    das mit Charpentier wird den meisten so gehen, da italienische Musik einfach eingängiger ist als die wirklich französische.


    Als erste Lully Oper eignet sich wohl "Armide" von 1686 am besten, sie ist nicht so lang und musikalisch das ausgereifteste seiner Werke.


    Aber im Grunde kannst Du jede der ganz oben angesprochen Opern wählen, sie sind alle fantastisch, nur eben bei "Alceste" ist die Tonqualität nicht besonders.


    Jede der Opern hat ihr ganz eigenes Flair, es ist nicht wie bei Händel oder Vivaldi die oftmals ganze Arienblöcke wiederverwendet haben, bei Lully sind alle Werke einmalig und zu dem entsprechenden Texten geschrieben .
    (Ausnahmen sind hierbei "Le Ballet des Ballets" und "Les Fêtes de l'Amour et de Bacchus")


    Armide besticht durch ihre musikdramatische Dichte, diesem unwahrscheinlich guten miteinander zwischen Text und Musik.


    Atys ist düster, dramatisch, aber voller Schönheit.


    Alceste ist die momentan pompöseste aufgenommene Oper, Trompeten und Pauken haben hier ziemlich viel Platz bekommen.


    Roland ist schon vergleichbar mit Armide, diese beiden Werke und Amadis bilden gewissermaßen eine Einheit, hier geht es um die Verteidigung des wahren Glaubens.


    Wenn Dir "Armide" zusagt, dann kannst Du bedenkenlos zu den anderen Werken zugreifen.
    Vielleicht hast Du auch Spaß an den oben genannten "Portrait" Aufnahmen, eine weiter CD die man als Einstieg in die Opernwelt Lullys nennen kann ist die Aufnahme von Minkowski:



    Lully - Molière "Les Comedies Ballets"
    Auszüge aus "L'Amour Médecin" "George Dandin" "Le Bourgeois Gentilhomme" "Les amants magnifiques" etc.


    Oder die Alternative:



    Die gleiche CD + eine CD mit Auszügen aus Phaeton
    ebenfalls von den Musiciens du Louvre unter Minkowski.
    Die Aufnahmen sind exellent (und diese hier ist recht günstig)


    Zwar sind die Comedies Ballets "nur" Musikeinlagen für die Komödien Molières, aber diese CD ist einfach ein "Muß" :yes:


    Die Aufnahmen von Goebel mag ich auch sehr gerne, obwohl er nicht an die Qualität eines Savall oder Christie herankommt.
    "Der König tanzt" ist eine nette Zusammenstellung von Balletten und einigen wenigen Opernszenen. Leider sind die Ballette etwas zu gleichförmig ausgesucht worden. Auch verwirrte mich die Interpretation einiger Werke etwas, so z.B. die Passacaille aus Armide, eigentlich ein schmachtendes Musikwerk, welches die Freuden der Liebe besingt, hier mutiert es zu einem Furientanz, dann die Chaconne aus "Le Bourgeois Gentilhomme" klingt regelrecht gelangweilt.
    Aber die positiven Beispiele überwiegen. Allein dass Goebbel Musik aus dem ältesten erhaltenen Werk mit Lullys Beteiligung "Ballet de la nuit" verwendet hat ist schon ein dickes Dankeschön wert :lips: :lips: :lips:


    Es gibt von mir auch noch einen Charpentier Threat, da findest Du noch weitere nette Empfehlungen.


    Außerdem gibt es noch einen weiteren Threat über Lully der sich mit den Balletten beschäftigt.
    Zu weiteren frz. Komponisten der Hofmusik von Versailles haben auch andere außer mir Themen eröffnet:
    Delalande / Rameau / Mondonville / Desmarest / Boismortier / Clérambault / ...

  • hallo, danke für die empfehlungen . muß übrigens meine meinung nach intensiverem hören revidieren...finde lully spannender und abwechslungsreicher als charpentier ... herzergreifend fand ich das prelude de la nuit aus dem triomphe de l'amour....
    da werd ich mich mal wirklich mehr hineinvertiefen...
    sicherlich kennst du auch die elemente von rebel ... solch einen beginn hab ich selten gehört ... höchst modern ...

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Klingsor,


    das Ballett "Le Triomphe de l'Amour" von 1681 gibt es auch als Gesamtaufnahme mit der Simphonie du Marais, das Werk war schon zu seinen Lebzeiten eines der Beliebtesten.
    Viele berühmte Stücke stammen hier heraus, das Entrée d'Apollon, die Préludes pour la Nuit oder L'Amour etc.


    Rebels Elements sind wirklich ungewöhnlich, allerdings verzichtete man auf das "Chaos" bei den damaligen Aufführungen, kein Wunder, dieser Satz ist sogar Heute noch avangardistisch.


    Welche Aufnahme hast Du denn, die von Minkowski oder die von Goebel?
    Ich bevorzuge die Aufnahme von Minkowski, er hat zusätzlich noch die "Caracteres de la Danse" sowie das "Tombeau de Lulli" mit aufgenommen, außerdem ist seine Interpretation einfallsreicher. Vielleicht starte ich demnächst noch einen Rebel Threat, er hätte es verdient.


    Du solltest aber auch mal in die Bühnenwerke von Charpentier hineinhören.
    Die Musik die er zu Molières "eingebildeten Kranken" schrieb, oder Médée.
    Nett sind auch die kleinen Opern wie "Les Arts Florissants" oder "Actéon".
    Am liebsten ist mir seine Weihnachtsmusik, seine Oratorien für die Heilige Nacht.
    Das Te Deum kennst Du ja bestimmt - übrigens Lully schrieb auch eines, wesentlich pompöser und doppelt solange.
    Ich werde wohl mal ein Thema über seine geistliche Musik verfassen, da sind ja eigentlich alle Werke schon aufgenommen worden.

  • Isis wurde seit der Uraufführung im Jahre 1677 als "Oper der Musiker" bezeichnet.
    Sie war Lullys erster großer Mißerfolg - wenn man das überhaupt so nennen kann.


    Schuld daran war die recht verworrene Geschichte um Io und Jupiter.
    In etwas abgewandelter Form erzählte man erst die Liebesgeschichte zwischen Ihr und Jupiter, dann die Eifersucht Junos und schließlich Ios Flucht nach Ägypten - dort wurde sie dann als Isis in den Himmel geholt.
    (In der Originalgeschichte verführte Jupiter sie in Form einer Wolke und um sie vor Juno zu verbergen verwandelte er sie in eine weiße Kuh - diese Gestalt behält sie bis sie in Ägyten ist .. hätte auch was gehabt :D )


    Jedenfalls hat Lully zusammen mit Qinault ein wirkliches Meisterwerk geschaffen:


    Der Prolog zum Ruhme des Königs hält was er verspricht: Paucken Trompeten und Chor sorgen für pompöse Staatsmusik.
    ( In der Oper selbst schweigen jedoch die Instrumente des Krieges ).


    Die Tragèdie ähnelt von der musikalischen Qualität ( besonders die Chöre) der Oper Atys - was für ein Wunder, entstand sie ja nur ein Jahr nach der "Oper des Königs"


    Als Vol. VII der Serie "Lully, ou le musicien du Soleil" erschien nun eine Gesamtaufnahme unter der Leitung von Hugo Reyne:



    Er hat sein Ensemble massiv verstärkt - die Aufnahme kann ohne weiteres mit den letzteren Einspielungen von Rousset mithalten.
    Großartige Sänger, der wunderbare Chor der Simphonie du Marais, und das Insrumentalensemble lassen eigentlich nichts zu wünschen übrig.
    Das Libretto ist leider nur in frz. und engl. Sprache, auch hätte ich mir etwas mehr Zusatzinformationen gewünscht - aber so hat Reyne sich ein wenig in die Karten blicken lassen:
    Er wird eine weitere Oper Lullys einspielen - und zwar das Werk auf das ich schon so lange warte:


    AMADIS 1684 im nächsten Jahr....


    :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

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  • LULLY: ALceste ou le Triomphe d'Alcide 1674
    La Grande Ecurie et la Chambre du Roy / Malgoire 1974



    Mit einer Menge Glück konnte ich bei ebay eine noch original verpackte Gesamtaufnahme der Alceste (unter Malgoire) ersteigern.
    Er spielte die Oper insgesamt 3 mal ein. In den 60er Jahren nur in Teilen, dann 1974 folgte die erste Gesamtaufnahme dieser prachtvollen Oper (LP CBS) und dann 1992 der unsägliche Livemittschnitt auf CD (Astrée)


    Schon als ich damals die CD kaufte war ich von der Tonqualität mehr als enttäuscht. Es wurde gehußtet, es polterte die ganze Zeit auf der Bühne und manche Sänger hörten sich an als blärten sie durch ein Polizei-Megaphon.
    Dabei hat mir das Werk unheimlich gut gefallen, eine wirkliche barocke Prunkoper.


    Doch ich hörte sie nicht oft, die Aufnahme, an die man sich auch nicht gewöhnte, ertrug ich einfach nicht.


    Dann begann ich vor gut 2 Jahren mit der Nachforschung nach älteren Lully Aufnahmen, die nicht auf CD veröffentlicht wurden. Und ich war überrascht wieviel es doch gegeben hatte.
    Und da stieß ich auch auf Informationen über die Gesamteinspielung der Alceste, ansonsten gabe es nur noch einen Querschnitt aus der Oper Thésée und meist Orchestersuiten und Fanfaren.


    Ich ersteigerte die Box für schlappe 3,50 - es dauerte ewig bis sie aus Amerika zu mir kam, und als ich sie in Händen hielt war die Freude groß, noch originalverpackt von 1974 !!!



    Jetzt war ich gespannt, war wenigstens diese Aufnahme annehmbar ?
    Felicity Palmer als Alceste... als ich sie mit ihrer kalten fast hysterischen etwas kratzigen Stimme vor kurzem in Händels Rodelinda hörte gefror mir das Blut.
    Dieter Bohlen würde sagen: "Da kommen die Kartoffeln freiwillig und geschählt aus dem Keller..."


    Aber diese Aufnahme ist schon etwas älter und so legte ich die erste Platte auf.
    Ich war mehr als überrascht - eigentlich bin ich gewohnt, dass bei Barockopern meist die neueste Einspeilung die bessere ist, aber hier ?!
    Der Klang - eine Studioaufnahme :jubel::jubel::jubel::jubel:
    Die Sänger - um Längen besser und selbst Frau Palmer gefiel mir - da war sie ja auch noch einige Jahre jünger :D
    Die Interpretation - einfach gut, sicher man kann alles besser machen, aber für 1974 absolut beeindruckend.


    Unglaublich, dass die Qualität innerhalb weniger Jahre so abgenommen hat. Die "neue" Alceste kann man dagegen in den Müll schmeißen.
    Soetwas hätte ich nicht erwartet.


    Deshalb ist es mir umso unverständlicher wieso diese Einspeilung nicht auf CD zu haben ist - sie ist es wert, ohne Frage.


    Schon allein der Prolog ist ein Fest, viel phantasievoller Instrumentiert und mit wesentlich besserem Chor - der Chor ist generell beendruckend, die ganze Oper hindurch.
    Manche Tempi sind langsamer als in der späteren Einspielung, was aber nicht negativ zu werten ist.
    Es kommt wesentlich mehr unterschiedliches Schlagwerk zum Einsatz.
    Das Continuo spielt farbiger.


    Auch was die Violinen anbelangt, da ist wesentlich mehr Einsatz zu hören, dagagen hört sich die spätere Einspielung regelrecht Lustlos an.
    Ich bin froh, dass ich diese Aufnahme ergattern konnte.
    Das Blue Room Tonstudio hat mir die Aufnahme digitalisiert und ein Remastering vorgenommen, so dass ich die Oper nun auch auf CD habe.
    Ich habe mich zuerst nicht getraut die Platten alle abzuspielen... :rolleyes:


    Ein absoluter Schatz in meiner Sammlung.
    Allerdings habe ich ein hübscheres Cover - mit dem Kopf Louis XIV :D

  • Ups


    schon lange keinen Beitrag mehr für diesen Thread verfasst.
    Dabei hat sich seit dem letzten Post einiges auf dem Platten - Markt getan.


    Amadis , Thésée und Psyché sind in Gesamtaufnahmen erschienen.



    Für mich war allerdings die Veröffentlichung der Tragèdie "Amadis" mit Abstand die wichtigste.
    Denn meiner Meinung nach ist diese Oper Lullys die Krönung seines Schaffens.
    Kein Werk ist typischer für seine Musik.



    Die Aufnahme von Hugo Reyne ist zudem noch außergewöhnlich gut geworden:



    Lully: Amadis, Tragèdie Lyrique en 5 Actes et un Prologue (1684)
    La Simphonie du Marais / Reyne



    Schon der Prolog ist faszinierend.
    Nach einer typischen Ouvertüre, folgt ein hypnotisches Duett, das von einem furiosen Chor abgelöst wird, einer der Höhepunkte gleich zu Beginn.
    Es folgen einige Ballette.


    Das Divertissement des ersten Aktes ist eine Art Ritterspiel mit Pauken und Trompeten. Meiner Meinung nach die drei schönsten Fanfaren, die Lully je komponierte.


    Im zweiten Akt ist das sehr bekannte Air "Bois épas, redouble ton ombre" zu finden, dass ja so viele Sänger schon aufgenommen haben.


    Der dritte Akt spielt in einem Kerker und die Chöre die diesen Akt einrahmen sind wirklich großartig komponiert.


    Das Finale der Oper wird von einer fast 15 minütigen prächtigen Chaconne beschlossen, natürlich mit Solisten und Chor.
    Einfach nur berauschend, dieses Finale - soetwas ähnliches bekommt man nur noch in der Passacaille aus der Armide und Acis et Galatee geboten.
    Doch ich meine die Chaconne aus Amadis ist allen anderen an Schönheit weit überlegen.


    Als die Oper 1684 uraufgeführt wurde, war sie ein sensationeller Erfolg und bis zum Tode Louis XIV wurde sie jedes Jahr mindestens einmal gespielt (die Orchestersücke und einzelnen Szenen waren wohl auch oft am Hof zu hören)
    Liselotte beschwerte sich in ihren Briefen ziemlich oft, dass der König ständig diese alten Opern spielen lässt und der Hof dabei sein müsse :D


    übrigens plant Christophe Rousset ebenfalls eine Aufnahme dieser grandiosen Oper.





    Eine der pompösesten Lully Opern wurde nun endlich auch aufgenommen - und wie es aussieht erwartet uns noch eine alternativ Einspielung von Emanuelle Haim.



    Lully, Thésée, Tragèdie Lyrique en 5 Actes et un Prologue (1675)
    Boston Early Music Festival Ensemble / O'Dette / Stubbs



    diese Opernaufnahme dürfte rein technisch und sängerisch zur Zeit als Beste Lully - Aufnahme gelten. Denn was hier aufgeboten wird ist wirklich schon leicht phänomenal.


    Thesee war die dritte Oper Lullys, nach den Erfolgen von Cadmus et Hermione und der Alceste war die Erwartung hoch. Lully schuf ein Werk, das wohl wie kein anderes seinen König glorifizierte - und in keinem anderen Werk kommen Pauken und Trompeten so oft zum Einsatz.
    Wärend bei Cadmus et Hermione sich der Pomp auf die Szene des Mars beschränkt und in der Alceste nur der Prolog und der "Combat" mit Fanfaren untermalt werden, gibt es im Theseus davon deutlich mehr.


    Der Prolog ist schon ziemlich festlich und findet seine Höhepunkte mit den wunderschönen Air der Venus "revenez amours"
    Mars tritt mit Fanfare auf.


    Der ganze erste Akt ertrinkt fast in einer Orgie aus Chor und Fanfaren.
    Der Marche du sacrifice ist eventuell ein wenig bekannt, in jedem Fall hat Charpentier hier für seine Te Deum - Prelude die Idee her....


    der zweite Akt glänzt durch den Auftritt des strahlenden Siegers, (dass das Ballett und der Chor auf Louis XIV gemüzt ist, dürfte klar sein).


    Auch sehr schön sind die Terzette in der Oper, sehr dramatisch durch das Ensembel umgesetzt. - Der vierte Akt wird fast volkstümlich beschlossen, zumindest finden sich diese Airs, die von Schäfern gesungen werden in späteren Sammlungen wieder.


    Der fünfte Akt schließt mit einem sehr schönen Finale. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass der Chor "vivez, vivez contents" nach dem Ballett und dem gesungenen Rondeau nochmal wiederholt werden sollte.
    (Aber das kann man ja programieren :D )




    Und vor Kurzem erschien ja noch die wohl ungewöhnlichste Oper Lullys:



    Lully: Psyché, Tragèdie Lyrique en 5 Actes et un Prologue (II Version 1678)
    Boston Early Music Festival Ensemble / O'Dette / Stubbs



    Die Entstehungsgeschichte dieses Werkes ist ziemlich interessant.
    Louis XIV wollte den Salle des Maschines im Palais des Tuilleries, der extra für seine Hochzeitsoper "Ercole amante" (Cavalli) modernisiert worden war, erneut nutzen.
    Die dort installierten Theatermaschinen müssen mehr als spektakulär gewesen sein.
    Zehn Jahre waren seit der letzten Benutzung verstrichen.
    Kulissen und Kostüme sollten ebenfalls wiederverwendet werden.
    Und so veranstaltete er einen kleinen Wettbewerb, 3 seiner bevorzugtesten Dichter sollten Ideen liefern.


    Die Teilnehmer:


    Molière, Quinault und Thomas Corneille, der Bruder des berühmten Pierre.
    (Thomas Corneille schrieb für Charpentiers Médée das Libretto)


    Molière siegte mit seinem Entwurf : Psyché, ein Tragèdie Ballett
    Aber er zog die beiden anderen Teilnehmer als Mitarbeiter hinzu und jeder der Dichter hatte etwa gleich viele Szenen beigesteuert - Molière war ein mehr als guter Gewinner.... Lully teilte die musikalische Arbeit natürlich mit niemanden, den den Ruhm wollte er natürlich auch nicht teilen.


    Psyché ist vergleichbar mit den Semi Operas "Fairy Queen" oder "King Arthur" die später Purcell schrieb, Theaterstücke mit Chor und Balletteinalgen.


    Das Werk war wieder mal ein Sensationserfolg und gilt unter Musikwissenschaftlern als "Vorentwurf" zur großen "Tragèdie Lyrique"


    1677 fiel Quinault, Lullys Librettist temporär in Ungnade, und so musste sich Lully nach einem neuen Textdichter umsehen. Man kam auf die Idee das so erfolgreiche Tragèdie Ballett - das in Episoden immer noch sehr oft gespielt wurde - zu einer richtigen Oper umzuschreiben, also die gesprochenen Dialoge in Rezitative umzuwandeln. Und Lully wandte sich an Corneille, der das gesamte Libretto überarbeite.


    Besonders die "Plainte Italienne" blieb dem Publikum lange im Gedächtnis, diese Klage in italienischer Sprache war so beliebt, dass Lully sie 1672 in das Pasticcio "Le Ballet des Ballets" aufnahm - und natürlich erwartete der Hof und das Publikum in Paris, dass diese Klage auch in der Opern-Version zu hören sei - und so kam es zu einer einmaligen Szene im Opern-Schaffen Lullys:


    eine italienische Opernszene in italienischer Sprache in einer Tragèdie Lyrique !


    Ebenfalls ungewöhnlich für eine Oper Lullys ist die geringe Bedeutung des Chores, dafür verfügt Psyché über wesentlich mehr Instrumentalmusik und herrlich lyrische Passagen.
    Die mehr oder weniger fehlenden großen Divertissements werden mit dem Finale ausgeglichen, einem sehr groß angelegten Fest der Götter das mit Pauken und Trompeten und Chor gipfelt.


    Übrigens ist die Fanfare und der Finale Chor wesentlich besser interpretiert als bei William Christie, wo die Passagen für die Trompeten leider zu reinem Gedudel verkommen.



    Das Boston early Music Festival ist inzwischen für mich zur No.1 in Sachen Barock Oper aufgestiegen, eine solche Qualität findet man bei anderen Aufnahmen nur selten.
    Ein ganz großes Lob an CPO, dass diese wirklich phantastischen Aufführungen auf CD gebannt wurden!



    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:



    Mitlerweile ist ein Großteil der Opern Lullys auf CD vertreten, ich bin sehr gespannt auf die noch ausstehenden Produktionen:


    Armide
    Les Arts Florissants / Christie


    Armide
    L'Opera de Lavayette / Brown


    Amadis
    Les Talens Lyriques / Rousset


    Cadmus et Hermione
    Le Poème Harmonique / Dumestre


    Thésée
    Le Concert d'Astrée / Haim




    :hello:

  • die neue Produktion der "Armide"




    Lully: The Tragedie of Armide
    Opera Lafayette / Brown


    Die Aufnahme wurde Anfang letzten Jahres gemacht.



    Zuerst einmal das positive.
    Das Ensemble hat sich ja bereits mit wunderbaren Interpretationen von Glucks Orphée und Sacchinis Oedipe hervorgetan.
    Und das Ensemble dürfte wohl auch eines der besten sein, das Naxos zur Zeit unter Vertrag hat.


    Die Leistung des Orchesters ist den berühmteren Ensembles, die sich diesem Repertoire bisher widmeten, fast ebenbürtig.
    Vielleicht etwas zu leicht, gerade im Vergleich mit der Herreweghe Einspielung.
    Auch bleibt mir das Basso Continuo etwas sehr dezent im Hintergrund, aber das mag für viele Hörer gerade angenehm sein.
    Man geht sehr schön auf die Details ein, auch die Sänger werden ihren Rollen gerecht.
    Aber ich denke nach Madame Laurens wird es so schnell keine Sängerin geben, die Armide so wunderbar verkörpern kann.
    Stephanie Houtzeel ist aber keineswegs ungeeignet. Das hat wohl eher etwas mit meinem Geschmack zu tun.
    Sie ist auch dramatisch, hat Kraft und ein schönes Timbre, das dem von Madame Laurens ähnlich ist.


    Robert Getchel kann natürlich auch nicht ganz mit Howard Crook mithalten, aber auch er singt tadelos.
    Überhaupt orientiert man sich stark an der Herreweghe Einspielung.
    Gerade was den Einsatz des Schlagzeugs betrifft erkennt man deutliche Anleihen (Schlagwerk ist in der originalen Partitur nicht notiert)




    Aber die Aufnahme hat Schwächen ganz anderer Natur.
    Kürzungen - die ich bei den Open von Lully nicht akzeptiere.
    Damit wird eine ganze Konzeption in Frage gestellt, aus Angst es könne der Dramatik einen Abbruch tun.


    Unsinn!


    Als Rechtfertigung beruft man sich auf Bearbeitungen des 18. Jahrhunderts durch Francois Rebel und Francois Francoeur.


    Sicher, im 18. Jahrhundert wurde die Opern Lullys bearbeitet, aber das war etwas mehr als Kürzungen. Man erneuerte die Instrumentation, ersetzte Szenen durch neu komponierte Passagen usw. meist wurden die Opern dadurch länger als in ihrer originalen Fassung.
    Die alten Prologe wurden aber immer gespielt, denn auch wenn sie manchmal auf bestimmte Ereignisse anspielen, so sind diese Prologe zeitlos. Erst ab 1760 hörte man auf sie zu spielen, bei vielen Opern dieser Zeit (Les Boreades z.B.) wurde ja nicht mal mehr ein Prolog komponiert.


    Den Kürzungen fiel also auch hier der Prolog zum Opfer und was noch etwas schlimmer ist, alle Wiederholungen der Instrumentalnummern.
    Es ist etwas seltsam wie plötzlich die Passacaille endet.
    Weitere Kürzungen betreffen die Akte II und III.


    Im Grunde fehlen gute 30 Minuten der Oper !



    Es ist sehr schade, dass man der Konzeption von Lully und Quinault nicht vertraut, denn an der Spieldauer der CD's kann es nicht liegen - Herreweghe hat die komplette Oper auch auf zwei CD's gebannt, obwohl er manche Tempi sogar langsamer nimmt.



    Interessant wäre es gewesen, wenn man wirklich eine bearbeitete Version dieser Oper aufgenommen hätte.
    Aber hier wird sich an den original Druck von 1686 gehalten, dann aber argumentiert, dass man sich an eine mögliche Aufführung des 18. Jahrhunderts orientierte... alles sehr seltsam.


    Francour und Rebel arrangierten viele Lully Opern um, so auch Persee für die Hochzeit des Dauphins mit der Erzherzogin Marie Antoinette 1770.
    Diese Version wurde in Auszügen dieses Jahr in Versailles gespielt.
    Hervé Niquet wollte wohl so den enormen Unterschied zwischen den Versionen demonstrieren - ich hoffe, dass das auch aufgenommen wurde und veröffentlich wird.


    Ich denke dass gerade das dann interessant wird, wenn nicht nur plumpe Kürzungen gemacht werden, sondern eben die alternativen Szenen und die neue Orchestrierung zum Zuge kommen.





    zusammengefasst kann man sagen, dass es sich hierbei zwar um eine sehr schöne Aufnahme von Lullys Meisterstück handelt, letztlich aber durch die vielen Kürzungen mich nicht überzeugt.
    Dennoch, wer Lullys Meisterstück mal hören will, dem ist ausdrücklich zu dieser preisgünstigen Aufnahme geraten.

  • Hallo, liebe Lullianer,


    durch eine Empfehlung in einer Tageszeitung und die Besprechung in der Zeitschrift "Opernwelt" bin ich erstmals auf Lully aufmerksam geworden und zwar auf seine Oper "Cadmus et Hermione":



    Ich bin noch ganz hin und hergerissen, das habe ich noch nicht erlebt, eine Aufführung der Pariser Opéra Comique in einer solchen opulenten Darstellung einschließlich der farbenprächtigen barocken Kostümierung und dem Makup der Mitwirkenden. Auch die Regieführung war sehr überzeugend in der Einheit von Gesang und Bewegung. Dazu die überragende sängerische Leitung, hervorzuheben die Rolle des Cadmus, der auch am meisten beschäftigt war(André Morsch). Auch nennenswert die stilsichere musikalische Begleitung mit alten Instrumenten. Man erkennt die damalige höfische Aufführungspraxis. Sicher ist die Handlung dieser 5aktigen Oper belanglos, aber das bedeutet für mich keinen Abstrich von meinem Gesamteindruck.


    Lully war bisher bei mir nur als Name präsent, ich werde mich aber nun nach weiteren Aufnahmen umsehen, um diese Bildungslücke zu schließen.


    Mit den besten Grüßen für heute.

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat

    Sicher ist die Handlung dieser 5aktigen Oper belanglos



    warum soll die Handlung belanglos sein ?


    Die Geschichte basiert auf dem antiken Mythos des König Kadmos, auf der Episode wie er Theben gründet.
    Eine Geschichte die allerdings auch politisch gedeutet werden kann.

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