Johnny Griffin ist tot ...

  • Johnny Griffin, wegen seiner Körpergrösse "The Little Giant" genannt, ist einem Herzinfarkt erlegen. Er wurde 80 Jahre alt, lebte zuletzt in Frankreich. Ich habe ihn schon in den 1980er Jahren in einem Frankfurter Jazzclub erlebt.


    Mehr links und Quellen in "meinem" Jazz Forum: Organissimo Forum.

  • Johnny Griffins (1928 -2008) Tod läßt mich traurig an einen mitreissenden Auftritt im legendären Monmatre Jazzhus in Kopenhagen zurückdenken. Dort erlebte ich seine quirliges, schnelles, aber inzwischen auch viel relaxteres Tenorspiel, als in den Aufnahmen aus den 50ern, mit denen er bekannt wurde, im besten Zusammenspiel mit wunderschönen Pianoläufen von Kenny Drew, wie Griffin ein Exilamerikaner in Europa, und mit dem fantastischen dänischen Bassisten Niels-Henning Örsted Petersen, die beide leider ebenso schon verstorben sind. Während ich dies schreibe, höre ich eine grandiose, jedoch wesentlich ältere Live-Aufnahme der drei mit dem Schlagzeuger Albert "Tootie" Heath, aus diesem Club, dessen besondere Atmosphäre unzählige Jazzer zur Höchstform inspiriert hat:




    Eine andere Aufnahme von 1964 in der Besetzung, in der ich die drei mit Art Taylor (dr) Jahrzehnte später erlebt habe:



    Griffin mochte es zwar gar nicht, "the Little Giant" genannt zu werden, aber ein Giant des Hardbob-Tenorsaxophons war er. In den späten 50ern galt er vielleicht sogar als der Giant des Tenorsaxophons, auf jeden Fall als der schnellste, mit der besten Atemtechnik. "Little" paßt dabei vielleicht nicht nur wegen seiner Körpergröße, sondern weil bald darauf andere Tenoristen noch mehr in den Vordergrund rückte, wie im Hardbob der erfolgreichere, wohl auch noch originellere Jazzkomponist Hank Mobley und dann vor allem John Coltrane, für den der Hardbob nur Ausgangsstation war, um zu neuen Ufern sowohl des Jazz als auch Tenorsaxspiels zu gelangen, während Griffin seinem Stil im Hardbob die Treue hielt.


    Auf dieser CD Griffins, A Blowing Session (1957) sind die drei zusammen im direkten Vergleich zu hören:



    Mit Wynton Kelly (p), Paul Chambers (b) und Art Blakey (dr) eine echte All-Star-Band! Sie liefern hier mit gutem Zusammenspiel der sehr unterschiedlichen Personalstile durchaus mehr, als üblich war in den in den 50ern im Hardbob äußerst beliebten Battle-Sessions. Es ist hier schön hörbar, wie gut Griffin war, - der schnellste sowieso.


    Sein quirliger, sehr drive-voller Stil mit exzellenter, origineller Phrasierung und Synkopierung, die hierin vor allem Charlie Parker fortsetzte, verband er mit einem eigenen Ton, der mehr an Lester Young orientiert war. Als weitere wichtige Einflüsse nannte er selbst Ben Webster, Johnny Hodges, Dexter Gordon und Wardell Gray.
    Seine brilliante Technik wurde jedoch geerdet von einem tief empfundenen Blues-Hintergrund.

  • Johnny Griffin spielte direkt nach der High School 1945 -47 in der Band von Lionel Hampton, dann Bebob bei Bud Powell, Elmo Hope, Joe Morris, Jo Jones und Arnett Cobb, nahm 1956 seine erste eigene LP auf, immerhin gleich mit Max Roach. Es folgten Introducing Johnny Griffin, The Congregation und schließlich die erwähnte A Blowing Session. 1957 spielte er auch kurz bei Art Blakey, außerdem in diesen Jahren bei Nat Adderley und Blue Mitchell, 1958/59 schließlich auch mit Thelonious Monk, auf einigen, von deren Aufnahmen dieser Zeit er auch mitwirkte.


    1958 erschien Way Out, eine sehr schöne Aufnahme, bei der Kenny Drew mit intelligenter aber zurückhaltender Akkordbegleitung in packendem Austausch mit Philly Joe Jones an den Drums Griffin viel Platz läßt, sein Solospiel zu entfalten und auch Wilbure Ware am Bass brilliert.



    Mit demselben ausgezeichneten Trio entstand noch im selben Jahr sein bestes Album dieser Zeit, mit zusätzlich Donald Byrd an der Trompete und Pepper Adams am Baritonsax: Johnny Griffin Sextet Herausragendes Zusammenspiel der Bläserfrontline, ein wieder hervorragender Ware und ein hier auch ambitionierterer Drew, lassen mich jedesmal beim Hören bedauern, dass in der Besetzung keine weiteren LPs aufgenommen wurden. Die gute Atmosphäre schuf offenbar auch einige der besten Originalstücke Griffins.



    Dennoch ist auch The Little Giant (1959) noch eine sehr lohnende CD mit zwei von mir sehr geschätzten, aber im allgemein eher unterbewerteten Musikern: Blue Mitchell an der Trompete und Julian Priester an der Posaune. Die Rhythmusgruppe mit Wynton Kelly, Sam Jones und Albert "Tootie" Heath ist durchaus gut, kommt hier aber an Drew, Ware und Philly Joe Jones nicht heran. Vorsicht, dass man das Original bekommt! - Unter dem selben Titel sind auch diverse Compilations erschienen.



    1960 entstand dann in großer Besetzung The Big Soul Band, packend, weil sehr swingend und straight, wenn auch nicht gerade subtil, mit eher einfachen Arrangements. Neben Griffin wieder Julian Priester, außerdem Clark Terry (tp) und Bobby Timmons (p) hervorstehend.



    In den frühen 60ern hatte Griffin dann eine Band mit Eddie Lockjaw Davis als zweitem Tenorsaxophonisten. Schlecht war auch das nicht, aber eher Durchschnitts-Hardbob dieser Zeit oder nicht mal ganz das.
    Alkohol- und Drogenprobleme nahmen überhand und Griffin setzte sich, wie viele andere, meist schwarze US-Jazzer nach Europa ab. Zunächst in Paris spielte er vor allem bei der Kenny Clarke/Francis Boland Band, tourte viel in Europa, spielte u.a. auf Klaus Doldinger Jubilee-Album von 1975 und zog schließlich von Paris in die Niederlande. Die besten Aufnahmen dieser Zeit entstanden m.E. alle live im Montmatre Jazzhus.
    Neben den Eingangs schon genannten erschien auf Steeplechase noch Blues for Harvey (1973), die mir auch noch gut gefällt, wieder mit Kenny Drew (p) und diesmal Ed Thigpen (dr), die sich beide fest in Kopenhagen angesiedelt hatten, und Mads Vinding, einem anderen, sehr guten dänischen Bassisten.
    Auf dem niederländischen Label Timeless erschien auch einiges mit holländischen Musikern, zum Teil recht guten, wie Rein De Graaf (p), aber so richtig optimal fanden Griffin und die meist nicht zusammen.


    Schon auf seinen vielen Aufenthalten in Kopenhagen hatte er verschiedentlich mit Horace Parlan (p) und Art Taylor (dr) zusammengespielt. Mit ihnen und wieder mit Mads Vinding erschien eine sehr gute Aufnahme Live in Tokyo



    Außerdem hatte er Erfolge in den Bands von Count Basie und Dizzy Gillespie auf einigen Festivals, so dass er 1978 für einige Zeit in die Usa zurückkehrte. Dort hatte er relativ großen Erfolg mit Return of the Griffin. Besser gefällt mir aber aus dieser Zeit Little New York Midtown Music wieder mit Nat Adderley und vor allem Bush Dance, auf dem vor allem Cedar Walton, bzw. Mulgrew Miller am Klavier und George Freeman am zweiten Sax hervorstechen. Das wesentlich modernere Spiel Freemans kontrastiert hier, aber auf sehr gelungene Weise mit dem sich treu bleibenden Spiel Griffins.



    Dort entstehen auch Aufnahmen mit Ray Brown und Monty Alexander, sowie mit Parlan und Art Taylor, die mitlerweile auch in die USA zurückgekehrt waren.

  • Lange hielt es ihn jedoch nicht in den USA und er kehrte schon bald nach Paris zurück, wo er seither lebte und von wo er ausgiebig tourte.


    Aus dieser letzten Phase gibt es zwei ganz besondere Highlights:


    Mit dem herausragenden französischen Pianisten Martial Solal entstand im Duo 1999 In and Out, für mich seine beste Aufnahme überhaupt, insbesondere auch durch Solal, den ich nicht nur technisch, sondern auch durch seinen hochoriginellen, an Klassik geschulten Personalstil bei größer Vielseitigkeit bis zum Free Jazz und zur Neuen Musik, an Monk geschulter ungewöhnlicher Synkopierung bei stets gutem Swing und herausragender Jazzkompositions- wie Improvisationsfähigkeit für einen der größten Jazzpianisten überhaupt halte. Solal mobilisiert hier Girffin zu enorm sensibler Wendigkeit, wie auf keiner anderen Aufnahme.



    Richtig ab geht es in bester Hardbob-Manier auf der im darauffolgenden Jahr erschienen CD mit Steve Grossman als zweitem Saxophonisten und Michael Weiss (p), Pierre Michelot (b) und Alvin Queen (dr). Dies ist auch die beste Eispielung mit Weiss, mit dem er seit seiner Rückkehr nach Paris beständig zusammenspielte.



    Die für mich wichtigen Aufnahmen sind jetzt m.E. alle genannt.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Johnny Griffin ... nahm 1956 seine erste eigene LP auf, immerhin gleich mit Max Roach. Es folgten Introducing Johnny Griffin ...


    Das ist diese hier, mit Max Roach:



    Aber bereits ein Jahr zuvor entstand für das Label Parrot diese hier, mit Junior Mance, Wilbur Ware, und Buddy Smith, die viele, mich eingeschlossen, für noch einen Tick besser halten als die erste Blue Note:



    Kann sein, dass sie nach der Blue Note erschienen ist; Parrot hatte Probleme und wurde an Chess verkauft, die dann die LP erstmals veröffentlichten. Die erste Aufnahme unter Griffins leadership war das allerdings auch nicht, das waren 4 tracks für Okeh, die aber nur auf Schellack erschienen, und in den 1980ern auf einem Sampler.


    Die besten Platten hat Griffin meiner Ansicht nach für Riverside gemacht, und zwar die, auf denen er weniger ausgetretene Pfade beschritt, z.B. mit zwei Bassisten und Hornist Julius Watkins, Change of Pace, auf der sich seine tolle Ballade Soft and Furry befindet, oder Grab This, mit Organist Paul Bryant (meines Wissens seine einzige Platte mit Hammond B3 Organ), und Do Nothin' Til' You Hear From Me mit Buddy & Monk Montgomery. Mit Wes ist er ja auf dessen erstklassiger Live At Tsubo's zu hören - die letzten drei Platten entstanden innerhalb weniger Tage in Kalifornien.



    Seine working band der 1990er mit Pianist Michael Weiss (der auch bei organissimo mitdiskutiert) war auch Klasse, aber diese CDs sind nur noch gebraucht zu bekommen.



  • Hallo Miguel,


    Danke für Deine Ergänzungen. Besonders die Riverside-Aufnahmen sind schon Klasse! - Die hatte ich irgendwie ganz vergessen. Change of Pace, die für mich am interessantesten von ihnen ist, habe ich gerade einmal wieder gehört.


    Von der Parrot-Aufnahme wußte ich zwar, kenne sie aber noch nicht. Bei der Besetzung wird sich das aber sicherlich bei Zeiten ändern.


    :hello: Matthias

  • Hallo Miguel,


    seine Soli, besonders das über God bless the child finde ich auf White Gardenia auch wundervoll, aber diese Orchestrierung, besonders diese Streicher.... :( X(


    :hello: Matthias

  • Ach ja, die Jazzer mit ihren Vorurteilen gegenüber Streichern ..... Griffin wollte das so, es war seine Idee, und die Arrangements von Norman Simmons und Melba Liston sind über jeden Zweifel erhaben - nur Blechbläser, Bratschen und Celli, ein toller Sound ..... vor allem auf die großartige Melba Liston lass' ich nichts kommen, eine der größten Arrangeure/innnen des Jazz. Ohne diese Arrangements wäre das eine eher durchschnittliche Platte.

  • Generell habe ich gar nichts gegen Streicher im Jazz - insbesondere auf neueren Aufnahmen, auf denen sie eine eigenständigere Rolle spielen, z.B. beim Willem Breuker Kollektief (mit den Mondrian Strings), dem Massada String Quartet bei John Zorn, Hank Roberts, Mark Feldman.....


    Was mich stört, ist bloß, wenn sie einen eher untermalenden Hintergrundsound à la Hollywoodfilmorchester, Las Vegas Show etc. abgeben.


    Nun ist das hier sicherlich auf relativ geschickte Weise gemacht dank Norman Simmons und Melba Liston, die ich zumeist eigentlich als Arranguere (ohne Streicher) auch schätze, aber mir gefällt es trotzdem nicht.


    Dass Griffin dies so wollte, wundert mich nicht. Da folgt er ja auch Lester Young, Charlie Parker u.a. - aber es hatte vielleicht eher etwas mit Anerkennungsproblemen zu tun, dass sie so was toll fanden. Musikalisch überzeugen mich jedenfalls die Ergebnisse im klassischen Jazz nie wirklich.


    :hello: Matthias

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Dass Griffin dies so wollte, wundert mich nicht. Da folgt er ja auch Lester Young, Charlie Parker u.a. - aber es hatte vielleicht eher etwas mit Anerkennungsproblemen zu tun, dass sie so was toll fanden.


    Ich wollte immer schon wissen, welcher (wahrscheinlich europäische) Jazzkritiker diese These mit den Anerkennungsproblemen erfunden hat. Dass Jazz in der amerikanischen Kultur nicht genügend anerkannt wurde und wird, bestreitet niemand, aber keiner der Musiker, die mit Streichern Aufnahmen gemacht haben, hat das meines Wissens aus solchen Motiven gemacht. In der amerikanischen Szene wird das auch nie unter diesem Gesichtspunkt diskutiert. Die Grenzen zwischen Jazz und der von Dir so benannten "Hollywoodmusik" sind dort viel durchlässiger, als die Puristen es gerne hätten, und nichtnur aus kommerziellen Gründen. Wes Montgomery, dessen erstes (und im Vergleich zu den späteren wirklich gutes) Album mit Streichern auch bei Riverside erschien, sagte zu Arrangeur Jimmy Jones: "Make me sound like Frank Sinatra with Nelson Riddle". Waren die nur Hollywood? Als vor zwei Wochen Jo Stafford verstarb, haben wir auf dem Organissimo Forum viel über Lester Youngs Bewunderung für sie diskutiert, aber den musikalischen Wert dieser z.B. in Berendt et al.s Jazzbuch nicht erwähnten Sängerin hat dort niemand in Frage gestellt. Auch Billie Holiday hat Stafford geschätzt, und übrigens ihr eigenes letztes Album mit Streichern als ihr bestes bezeichnet - dabei war Ray Ellis sicher nicht so geschmackvoll wie Simmons oder Liston. Aber nur um Anerkennung zu heischen - mit Prestige hat das was vielleicht am Rande was zu tun, aber vor allem weil es eine Frage des Budgets ist. Bird z.B. liebte einfach Debussy und Stravinskij und fühlte sich denen so etwas näher.


    Wie auch immer - ich finde, Griffin fühlte sich durch diesen background inspiriert, hätte seine schönen Soli ohne ihn sicher nicht so gut oder auf jeden Fall völlig anders gespielt, und die Stimmung der Stücke von Lady Day treffen die Arrangements allemal.