Die Schellack-Schatzkiste – welche Gesangsaufnahmen gehören hinein?

  • Die tropischen Temperaturen der letzten Tage waren wohl Schuld daran, jedenfalls kam ich auf die Idee, einen „Einsame-Insel-Thread“ für Einzelaufnahmen der Schellackzeit zu eröffnen – eine Schatzkiste, in die jeder seine Lieblingsaufnahmen aus der ersten Hälfte des 20. Jh.s hineinlegen kann.


    Nun habe ich gesehen, dass es für Gesamtaufnahmen und Instrumentalaufnahmen aus dieser Zeit schon entsprechende Threads gibt, deshalb möchte ich mich hier auf Einzelaufnahmen aus der Welt der Oper, Operette, des Musicals oder des Liedes beschränken.


    Welches sind Eure Perlen für die Schatzkiste? Es können einzelne Arien oder Lieder sein, Duette oder Ensembles. Meine Lieblingsstücke werde ich in nächster Zeit hier vorstellen.


    Liebe Grüße
    Petra

  • Im zweiten Akt von Boieldieus Oper „La dame blanche“ bittet der junge Offizier George Brown die ominöse „weiße Dame“, die er bisher nur aus Erzählungen kennt (und an die er zunächst nicht recht glauben will), sich ihm zu zeigen: „Viens, gentille dame!“


    Der Tenor David Devriès (1881-1936), der aus einer bekannten Sängerfamilie stammte, 1903 an der Opèra comique in Paris debütierte und an diesem Opernhaus fast drei Jahrzehnte lang erfolgreich war, hat eine Aufnahme dieser Cavatine hinterlassen, die dazu geeignet ist, die weißen Damen sämtlicher schottischer Schlösser hervorzulocken (und mich hat sie vor einiger dazu gebracht, mich näher mit französischen Opern zu beschäftigen). Devriès singt sie mit unnachahmlichen Charme und feinen dynamischen Nuancen in den unterschiedlichen Abschnitten.


    Dabei ist seine Stimme sicherlich nicht das, was im Allgemeinen als „schön“ betrachtet wird: Es ist ein leichter, heller Tenor mit einer schönen voix mixte, aber einem ausgeprägten Vibrato, das sich vor allem beim Gebrauch der Bruststimme zeigt, deren eigenwilliger Klang zuweilen an eine tiefe Frauenstimme erinnern kann.


    Was diese beiden Aufnahmen so unwiderstehlich macht, ist die Ausführung voller Charme, Musikalität und Kunstverstand. Er trifft den sehnsüchtigen Tonfall durch feine Abschattierungen mit der voix mixte, zeigt am Schluss der Cavatine aber auch, dass er durchaus zu kräftigeren Tönen fähig ist. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1930.


    Ebenso meisterhaft nuanciert gesungen ist die Erinnerung an den „moment plein de charme,“ die zwei Jahre vorher entstand: mit virtuoser Ausformung der Läufe und Triller, die hier ebenfalls ganz in den Dienst des Ausdrucks gestellt werden - und er zeigt uns in dieser Aufnahme, wie unterschiedlich nuanciert man die einfachen Silben "La la la" singen kann ;) .


    u. a. hier zu finden:



    :hello: Petra

  • Für mich: Der Rosenkavalier


    mit


    Lotte Lehmann als Feldmarschallin, Maria Olcewska als Octavian, Elisabeth Schumann als Sophie und Richard Mayr als Ochs auf Lerchenau.


    Leider sind in dieser Aufnahme, sehr große Striche, aber sie ist hörenswert, und sollte bei keinem Richard Strauss Fan fehlen.


    (Sie ist/war nur auf 2 LPs, falls auf CDs gebrannt worden, aufgenommen).


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :jubel: :jubel: :hello:

  • Nach Schellacks wird gefragt? Wirklich wahr?


    Ok, dann mal einer meiner Sammlungslieblinge:


    Waldandacht, gesungen von Heinrich Schlusnus. Die Rückseite der Platte nehme ich direkt mit dazu: Kreuzers "Das ist der Tag des Herrn" gesungen ebenfalls von Heinrich Schlusnus. Und davon habe ich sogar ein Bildchen:



    An anderer Stelle des Forums wird Max Lorenz munter geschmäht; ich nehme eine Platte von ihm jedoch mit:


    Winterstürme wichen dem Wonnemond (Rückseite: Du bist der Lenz)


    Da habe ich jetzt kein Bild von, auch von dieser hier nicht:


    "Was bin ich aufgewacht" aus Massenets Werther, gesungen 1927 von Julius Patzak.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    PS:Muss ich jetzt noch nachschauen, ob die Platten auch auf CD erschienen sind? Da ich mit den Originalen recht glücklich bin, habe ich mich um derlei noch nicht gekümmert.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Peter,


    dieses Traum-Ensemble aus dem "Rosenkavalier" ist es sicherlich wert, mit auf die berühmte Insel genommen zu werden. Ich kenne es als Gesamtaufnahme leider noch nicht, habe aber einmal Ausschnitte daraus gehört.


    Weil es im Schellack-Forum schon einen Thread über "Historische Opernaufnahmen"gibt, in dem nach Gesamtaufnahmen gefragt ist, hatte ich hier aber eher an Einzelaufnahmen gedacht, damit nicht zu viel doppelt läuft.


    Lieber Thomas,


    du sammelst echte Schellackplatten? Ich hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, habe aber meine historischen Aufnahmen bisher auf LP oder CD, einen Teil auch noch als Mitschnitte auf Kassetten. Von einer richtig großen Sammlung kann man bei mir noch nicht sprechen, aber ich arbeite fleißig dran :] .


    Angaben über CDs müssen ja nicht unbedingt gemacht werden; ich hatte für David Devriès eine "Fundstelle" angegeben, weil er wohl keine der ganz bekannten Sangesgrößen war.


    Ich gehöre übrigens nicht zu denen, die Max Lorenz schmähen; ich kenne nicht viel von ihm und höre auch seine Eigenheiten, war aber auch oft von seinem expressionistischen Ausdruckswillen fasziniert. Und ich stehe dazu, dass ich seinen Siegfried unter Furtwängler gern höre!
    (Und von Schlusnus nehme ich mit Sicherheit auch noch etwas mit!)


    Liebe Grüße :hello::hello:
    Petra

  • Dann nimm ich die Schellack 78er 30 cm LP


    mit Leo Slezak "Tom der Reimer" ist auf der einen Seite,
    auf der anderen ist "Der Erkönig" drauf, mit.


    Hoffentlich zerbricht sie nicht, habe sie schon seit 60 Jahren.


    Liebe Grüße Peter aus Wien.

  • Schellackplatten habe ich auch keine und muss mich daher auf die Remakes auf CD beschränken.


    Eine der ersten Aufnahmen, die mir für die Schatzkiste einfällt, stammt von gewissermaßen dem Paten aller baritonalen Tenöre: dem Chilenen Renato Zanelli (1892-1935). Zanelli begann seine Karriere auch als Bariton. Es gibt einige Aufnahmen aus dieser Zeit, die ich aber nicht kenne. Relativ spät, nämlich in den Jahren 1923 und 1924 schulte er zum Tenor um. Auch wenn er das italienische und deutsche Heldentenorspektrum breit abdeckte, hatte er schon 1926 die Rolle gefunden, mit der er heute fast ausschließlich in Verbindung gebracht wird: Verdis Otello. Der Sänger starb 1935 im Alter von nur 42 Jahren an Krebs.


    Von Zanelli gibt es nicht viele Aufnahmen, aber doch einige Schlüsselszenen aus Otello. Ich entscheide mich für eine Aufnahme des "Dio, mi potevi scagliar" aus dem Jahr 1928. Die Aufnahme entstand zu einer Zeit, als Zanelli am Royal Opera House in London für eine Aufführungsserie als Otello gebucht war. Sowohl die Stimme wie auch die Interpretation erscheinen mir maßstabsetzend.


    Zu hören ist ein außerordentlich angenehm timbrierter Bariton – das ist zumindest der erste Eindruck, so dunkel und voll ist diese Stimme. Dabei klingt die Höhe stets frei und nie gepresst; sie behält die gleiche warme angenehme Färbung und ist gut mit dem Baritonfundament verbunden. Das muss ein toller Otello gewesen sein.


    Die ersten Zeilen werden von Zanelli nicht im eigentlichen Sinne gesungen, sondern deklamiert, ohne dass das übertrieben theatralisch wirkt. Die Aufnahme ist nicht ganz frei von Naturalismen, diese nehmen aber nie Überhand und haben einen mitunter großartigen Effekt, wie zum Beispiel der ganz feine erstickte Laut, mit dem Zanelli die Phrase "con calma fronte" beendet. Ein bemerkenswertes Diminuendo gelingt ihm auf "l'anima acqueto". Das die Aufnahme abschließendende "Oh gioia!" ist ein echter (gesungener) Freudenschrei, satt und kraftvoll wie ein Befreiungsschlag, mit dem sich Otello selbst aus der Meditation herausreißt.


    Für mich eine der ganz großen Aufnahmen und dabei insgesamt etwas sympathischer, bewegender und menschlicher als der zweite große chilenische Otello, der eher kreatürlich leidende Ramon Vinay. Dirigiert wird die Aufnahme übrigens von dem damals gerade 28-jährigen John Barbirolli.

  • Ich nehme auch eine Zanelli-Aufnahme mit, kenne ihn aber fast nur als Bariton und habe daher auch seinen Otello noch nicht gehört. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass er diese Rolle wesentlich subtiler angelegt hat als Vinay.


    Entdeckt habe ich ihn erst vor einigen Wochen: Ich hatte einige CDs als „Gesamtpaket“ ersteigert und mein Augenmerk eigentlich auf einen anderen Sänger gerichtet, bekam aber 2 CDs der Reihe „Great Voices of the Opera“ mitgeliefert, von denen die zweite Aufnahmen von Nazzareno de Angelis und eben Renato Zanelli enthielt.


    Da ich Stimme und Singen von de Angelis nicht sonderlich schätze und obendrein Zanelli mit Giovanni Zenatello verwechselte (:O), nach dessen Aufnahmen ich auch nicht gerade Schlange stehe, flog die CD erst einmal ungehört ins Regal. Als ich aber die Aufnahmen mit Zanelli dann endlich im CD-Player hatte, drehten sie sich eine ganze Weile lang. Bis auf eine, die ihn als Don José zeigt, stammen sie alle aus dem Jahre 1919.


    Besonders angetan hat es mir die Aufnahme „A tanto amor, Leonora“ aus Donizettis „La Favorite“. Zanellis warmer Bariton zeigt hier besonders viele Nuancen: ein verhaltener Beginn; leicht ironisch, aber auch mit einem Unterton von Trauer wendet sich der König seine „Favorite“, bei der er eben erkannt hat, dass sie einen anderen liebt. Zum Schluss nimmt die Stimme aber auch jene Bedrohlichkeit an, die zeigt, dass das angebliche Verständnis nur vorgetäuscht ist.


    Was mich neben der Wärme und Menschlichkeit, die Zanellis Stimme ausstrahlt, auch begeistert, ist (zumindest mein Eindruck), dass er in der Blütezeit des Verismo nicht in Versuchung gerät, Verismo-Elemente auf den Belcanto anzuwenden. Und gleichzeitig auch ohne Übertreibungen einen sehr gestischen Pagliacci-Prolog auf die Bühne stellen konnte ...


    Ach ja, und als kleine Zugabe würde ich noch das italienische Lied „Marianina“ mit einpacken, in dem er seine ja doch recht voluminöse Stimme auch ganz leicht durch die schnelleren Passagen führen kann.


    :hello: Petra

  • Wenn von echten Schellacks die Rede ist, bin ich natürlich dabei. Hier eine meiner schönsten Platten für die einsame Insel:





    Auch wenn das Etikett dieser 106 Jahre alten Aufnahme (und Pressung) schon etwas abgeschabt ist, der Zustand der Rille selbst ist hervorragend.


    Stephan

  • Ich wette, daß ich das meiste von dem, was ich hier aufstelle, schon anderswo ins Spiel gebracht habe, aber steter Tropfen und so.


    Ich nominiere nach Stimmfach:


    1. Sopran:


    "Abscheulicher", Fidelio, F. Leider
    "Or sai chi l'onore", Don Giovanni, F. Leider
    "Saper vorreste", Ballo, L. Tetrazzini
    "Ernani, Ernani, involami", Ernani, R. Ponselle
    "Casta diva", Norma, R. Ponselle
    "Ich habe deinen Mund geküßt", Salome, L. Welitsch
    "Ah, je ris de me voir si belle", Faust, N. Melba
    "Dich, teure Halle", Tannhäuser, E. Rethberg
    "Morro, ma prima in grazia", Ballo, E. Rethberg
    "Der Hölle Rache", Zauberflöte, F. Hempel
    "Les oiseaux dans la charmille", Hoffmanns Erz., F. Hempel



    2. Mezzo:


    "Presso il bastion di Siviglia", Carmen, C. Supervia
    "Non piu mesta", Cenerentola, C. Supervia
    "Stride la vampa", Trovatore, I. Mininghi-Cattaneo


    3. Alt:


    "Printemps qui commence", Samson, S. Onegin
    "Mon coeur s'ouvre à ta voix", Samson, C. Butt
    "O prêtres de Baal", Le prophète, E. Schumann-Heink
    "Il segreto per esser felice", Lucrezia Borgia, E. Schumann-Heink
    "Weiche, Wotan, weiche", Rheingold, E. Schumann-Heink


    4. Tenor:


    "Ah la paterna mano", Macbeth, E. Caruso
    "Si per ciel", Otello, E. Caruso
    "Rachel, quand du seigneur", La juive, E. Caruso
    "Am stillen Herd", Meistersinger, R. Tauber
    "Morgendlich leuchtend", Meistersinger, R. Tauber
    "Konstanze, Konstanze", Entführung, R. Tauber
    "Durch die Wälder, durch die Auen", Freischütz, R. Tauber
    "Il mio tesoro", Don Giovanni, J. McCormack
    "Questa o quella", Rigoletto, J. McCormack
    "Per viver vicino di Maria", Fille du régiment, J. McCormack
    "A te o cara", Puritani, M. Fleta
    "La donna è mobile", Rigoletto, J. Schmidt
    Szenen aus Ballo mit A. Bonci
    "Salut demeure", Faust, J. Urlus
    "In fernem Land", Lohengrin, F. Völker
    "Notung! Notung!", Siegfried, L. Melchior


    5. Bariton:


    "O vin discaccia la tristezza", Hamlet, M. Battistini
    "Ihres Auges", Troubadour, J. Schwarz
    "Ja, du warst's", Ballo, J. Schwarz
    "Abendlich strahlt der Sonne Auge", Rheingold, H. H. Nissen
    "Di provenza", Traviata, G. de Luca
    "Largo al factotum", Barbiere, R. Stracciari


    6. Baßbariton/Baß


    "Ha, welch ein Augenblick", Fidelio, M. Bohnen
    "Schweig, schweig", Freischütz, M. Bohnen
    "Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind", Walküre, F. Schorr
    idem von A. Kipnis
    "A te l'estremo addio", Simon Boccanegra, A. Kipnis
    "Wer ein Liebchen hat gefunden", Entführung, A. Kipnis
    "Vous qui faites l'endormie", Faust, F. Chaliapin
    idem von P. Plancon
    "Enfin chérie", Le Caid, P. Plancon
    "Abietta zingara", Trovatore, E. Pinza
    "Finch'han dal vino", Don Giovanni, E. Pinza
    "O Isis und Osiris", Zauberflöte, E. List
    "Hier sitz ich zur Wacht", Götterdämmerung, L. Weber
    "My lord, if I offend", Iolanta, L. Sibiryakov


    und natürlich der 1. Akt Walküre mit Lehmann/Melchior/List unter Bruno Walter von 1935


    So, erste Ideen, weitere folgen sicher.


    LG


    Christian

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  • Lieber Stephan,


    ich freue mich sehr darüber, dass sich hier auch die Sammler echter Schellack-Platten zu Wort melden. Einerseits bin ich ja froh darüber, dass in den letzten beiden Jahrzehnten so viele historische Aufnahmen auf CD herauskamen, wobei ich insbesondere die Aufnahmen aus der akustischen Ära , deren Interpreten noch mit einem Bein in der Gesangstradition des 19. Jh.s standen, gern höre. Andererseits ist es sicherlich ein ganz anderes Gefühl, ein über 100 Jahre altes Sammlerstück aufzulegen. Verbunden mit den entsprechenden Geräten macht man da ja wirklich eine "Zeitreise" - reizen würde mich das auch!


    Ich habe noch keine Aufnahmen von Irene Abendroth gehört, aber sie gehört, glaube ich, auch zu den rar Überlieferten, von denen nur sehr wenige Aufnahmen existieren, oder?



    Lieber Christian,


    das ist ja wirklich eine Perlenkette, ich bin gespannt auf Deine weiteren! Da einige Namen auch bei meinen Lieblingsaufnahmen vorkommen, mache ich hier praktischerweise gleich weiter:


    Luisa Tetrazzinis „Saper vorreste“ hast Du schon nominiert, ich gebe von ihr noch „Ah non giunge“ dazu. Ich habe Aminas Freude über das glückliche Ende selten so freudestrahlend gehört wie von Tetrazzini.


    Rosa Ponselles „Ernani, invola mi“ hätte ich auch mitgenommen, außerdem den Bolero der Elvira aus „I Vespri Siciliani“.


    Meine Lieblingsaufnahme von Nellie Melba ist ja eigentlich ein Abgesang – Melba war 66 Jahre alt, als sie mit dem viel jüngeren John Brownlee bei ihrem Farewell das Duett „Dite alla giovine“ sang. Aber wie bei wenigen anderen höre ich hier sowohl die Gefasstheit und Resignation, mit der sie den Entschluss verkündet als auch den Schmerz darüber. Hier widerlegt sie wirklich alle Kritiker, die sie immer als kühl und emotionslos bezeichnen.


    Conchita Supervia gibt ein herrliches Carmen-Porträt – mit lockender Natürlichkeit ohne alles aufgesetzt “Vamphafte”, das mir sonst diese Figur oft verleidet. Mein Favorit aus ihrer “Carmen” ist das temperamentvolle und ganz leicht im Stil der opèra comique gesungene “Chanson bohème”.


    Ernestine Schumann-Heink – da fällt mir als erstes ihr archaischer Klagegesang „Ach mein Sohn“ aus Meyerbeers „Le Prophète“ ein.


    Von Mattia Battistini nominiere ich „O sommo Carlo“ aus „Ernani“(Aufnahme von 1906).


    "Il segreto per esser felice" aus Lucrezia Borgia höre ich am liebsten mit Sigrid Onegin. Schumann-Heink hat es vielleicht expressiver gesungen, aber Sigrid Onegin hat ein Leuchten in den hohen Tönen, dass ich hier besonders gern höre.


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Petra,


    ich bin auch froh dass es die CDs mit alten Aufnahmen gibt. Neben der Bequemlichkeit die sie mit sich bringen, und der Möglichkeit, bei vielen Künstlern Vollständigkeit zu erreichen, sind sie eine hervorragende Einkaufhilfe für die Originale!


    Es ist vor allem die ungeheure, von keinem "modernen" Toningenieur gebremste Dynamik der alten Aufnahmen, die mich begeistert. Ich spiele alle meine Platten mit einem hervorragend erhaltenen, großen Monarch Trichtergrammophon der Gramophone Company von etwa 1909 ab. Selbstverständlich nur selten und immer mit neuer Nadel. Es ist jedesmal etwas ganz besonderes diese Töne aus längst vergangener Zeit zu hören.


    Auf CD ist davon nur ein vergleichsweise müder Abklatsch. Rauschen und Knackser fallen auf CD auch viel mehr auf, da die Toninformation in einem schmalen Dynamikband zusammengepresst ist. Sind die Nebengeräusche aber "weggemischt" ist das Ergebnis noch schlimmer.


    Irene Abendroth hat in der Tat nur ein schmales Œuvre hinterlassen, etwa ein Dutzend im Jahr 1902 entstandene Aufnahmen die ich alle kenne bis auf eine, heute verschollene, Platte. Immerhin konnte ich vor einigen Jahren in einem österreichischen Antiquariat ihren Nachlass erwerben mit vielen Dokumenten und Fotos. Irene Abendroth und ihre Nachfolgerin in Dresden, Margarethe Siems, geniessen heutzutage einen legendären Ruf. Abendroths Arie aus Semiramis ist bis heute exemplarisch.


    Mit manche Platten verbinde ich ganz besondere Erlebnisse. Die untenstehende, im Mai 1899 in Leipzig aufgenommene Arie aus dem Barbier von Sevilla von der Coloratura Emma Baumann, habe ich vor einigen Jahren ihrer hochbetagten Enkelin, welche Emma Baumann als kleines Kind gekannt und lebhafte Erinnerungen an sie hat, vorgespielt. Baumann war übrigens zu ihrer Zeit mindestens genauso hoch angesehen wie Irene Abendroth, immerhin die erste deutsche Tosca.


  • Einer meiner Lieblingssänger im italienischen Repertoire aus der Zeit um die Jahrhundertwende ist Fernando de Lucia. Von Melomanen wird er ja in erster Linie als Bewahrer des Belcanto-Stils mit teilweise sehr starkem Gebrauch von Ornamenten bewundert oder auch geschmäht. Ich höre auch diese Aufnahmen gern, sehe sie als „vokalen Jugendstil“, zumal die Verzierungen und Rubati meiner Meinung nach eher den Ausdruck unterstreichen.


    Eine Überraschung waren für mich jedoch einige Aufnahmen aus veristischen Opern, und lieber noch als seinen damals berühmten Canio höre ich ihn als Andrea Chenier, eine Rolle, die er allerdings nie auf der Bühne gesungen hat.


    Es ist ein rhetorisch-gestisches Singen, fast dem Rezitieren angenähert: ein verhaltener Beginn in der poetischen Naturschilderung, dann eine langsame Steigerung bis hin zu der Anklage gegen Tyrannei und Armut, die in einem vehementen, halb gesungenen, halb gerufenen „le lagrime dei figli” mündet und dann wieder verhaltener, aber nicht weniger nachdrücklich endet.


    Dass er hier im Gegensatz zu seinen Aufnahmen aus dem romantischen Repertoire auf Verzierungen und Auszierungen verzichtet, versteht sich von selbst. Dass er auch auf alle naturalistischen Drücker, die einem den Verismo in Aufnahmen von späteren Sängern manchmal verleiden können, verzichtet und dennoch (oder gerade deshalb) sehr expressiv ist, macht diese Aufnahme für mich so hörenswert.

    Lieber Stephan, über Emma Baumann habe ich irgendwo einmal gelesen, dass sie sehr stark mit dem Opernhaus in Leipzig verbunden war und dort sehr lange gesungen hat. Dass sie jedoch die erste Tosca in Deutschland kreiert hat, wusste ich nicht. Gibt es unter den wenigen Aufnahmen, die von ihr überliefert sind, vielleicht ein „Vissi d’arte“ bzw. „Nur der Schönheit...“?


    Sie gehört ja wie der 5 Jahre jüngere de Lucia zu der Generation, die zwar noch nach der alten Schule ausgebildet war, aber im Verismo eine völlig neue Musikrichtung vorfand, und ich finde es immer interessant zu hören, wie diese Künstler mit dem neuen Stil umgegangen sind.


    Liebe Grüße
    Petra

  • “Ecco il magico liquore!” Mit großer, triumphierender Geste überreicht Dulcamara dem naiven Nemorino die Flasche mit dem vermeintlich magischen Trank. Dieser reagiert staunend, fassungslos, mit leiser Stimme, als wolle er ein Schluchzen unterdrücken, ohne aber weinerlich zu klingen: “Obbligato, obbligato! Son felice, son beato ...”


    Dulcamara hört man daraufhin wirklich “beiseite sprechen” bzw. singen, dass er nie einen größeren Dummkopf gesehen habe. Nemorino wiederholt sein “obbligato”, jetzt in fieberhafter, ekstatischer Manier. Beide singen vereint eine lange Fermate auf der jeweils letzten Silbe von “beato” bzw. “ritrovato” und dehnen diese in vollendeter Feinabstimmung bis zum pianissimo herunter, um dann jeder wieder seinen eigenen Gedanken nachzuhängen: glückselig der eine, spöttisch der andere.


    Dann eine leise Frage, ganz schüchtern ob soviel vorgeblicher Gelehrsamkeit: “Ehi ... Dottore ... un momentino, momentino, momentino ...” Nemorino weiß nicht, wie er den magischen Trank am besten einnehmen soll. Dulcamara demonstriert es in fast rezitierender Buffo-Manier.


    Und schließlich noch einmal das wunderbar gestische “Obbligato, obbligato ...” mit entsprechender Kommentierung durch den Scharlatan.


    Eine derart glückliche Einfalt, wie sie hier durch de Lucia als Nemorino ausgedrückt wird, lässt den Hörer auch nach über 100 Jahren staunen und mitleiden. Zumal die vollendete Mischung der beiden Stimmen teilweise eine trügerische Einigkeit vorgaukelt.


    Beide Sänger wurden in ihrer Glanzzeit auch wegen ihrer Bühnenpräsenz gerühmt, aber in diesem Fall braucht man keine szenische Darstellung, sondern kann die entsprechenden Bilder leicht in der Fantasie entstehen lassen.


    Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1907.


    Petra

  • Ich besitze keine relevant kostbaren Schellackplatten im Original, wiewohl ich sie abspielen könnte, ein "Reisegrammophon aus den dreißiger Jahren ist vorhanden, ich begnüge mich aber mit Überspielungen, wohl wissend daß sie ein Kompromiss sind...


    Was ist "wichtig"


    Ich war in meiner jugend besonders stolz auf den Besitz der Überspielungen von Adelina Pattii, die Anfang dieses 20. Jahrhunderts gemacht wurden. Die Künstlerin ist zur Zeit der Aufnahmen, frei aus dem Gedächtnis war es 1905 und 1906, zwar schon über ihren Zenith hinaus - aber ist es doch ein Stimme, die schon in Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray" erwähn wird, und die zu ihrer Zeit von Zeitgenossen als einzigartig bezeichnet wurde.


    Auch wichtig zu haben, die Aufnahmen ihrer Gegenspielerin, Nellie Melba, die auch in Kreisen von Unmusikalischen eine gewisse Bekanntheit erreicht haben dürfte, duch "Pfirsich Melba" - welches extra für sie kreiert wurde....


    Leider ist es eine traurige Tatsache, daß Aufnahmen rund ums Jahr 1900 /1910 das Timbre von Frauenstimmen nur ansatzweise speichern konnte, es fehlen einfach die Höhen. Mit der Zeit - soll heissen - bei regelmäßigem Abhören von Aufnahmen dieser Zeit, gewöhnt man sich jedoch daran - und hört DENOCH die Stimme (weitgehend) naturgetreu....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,
    auch wenn Opern auf Schellack gleich ungeheure Dimensionen annehmen - auf die einsame Insel werde ich den "Freischütz" als Kurzoper mitnehmen.Dies sind bereits acht Platten und da die Ouvertüre eingespart wurde muß ich noch eine weitere Platte einpacken (in diesem Falle Paul van Kempen mit dem Orchester der Staatsoper Berlin).Die Kurzoper dirigiert der leider allzuoft unterschätzte Robert Heger (mit dem Städtischen Orchester Berlin - wer immer sich auch dahinter verbirgt).Agathe ist Maria Müller , Ännchen Carla Spleter (in ihrer Arie von einem phantastischen Solobratscher begleitet),Max ist August Seider,Kaspar Georg Hann - dieses Ausnahmequartett wird noch von Domgraf-Faßbaender (Fürst) und Josef Greindl (Eremit) sowie dem Chor der Berliner Staatsoper unterstützt.
    Die Kurzoper erfreut einerseits durch ihre Prägnanz - doch bald wünscht man sich bei diesem Stimmenfest der Vergangenheit doch die vollständige Oper.
    Viele Grüße
    Santoliquido

    M.B.

  • Zitat

    Original von santoliquido
    Die Kurzoper dirigiert der leider allzuoft unterschätzte Robert Heger (mit dem Städtischen Orchester Berlin - wer immer sich auch dahinter verbirgt).


    Ich erinnere mich mit Grauen an den unseligen Heger-Dirigenten-Thread, wo jeder Versuch von meiner Seite, den gängigen Verrissen von Hegers Dirigaten Abhilfe zu schaffen, zum Scheitern verurteilt war. :stumm:


    Zitat

    Original von santoliquido
    Agathe ist Maria Müller , Ännchen Carla Spleter (in ihrer Arie von einem phantastischen Solobratscher begleitet),Max ist August Seider,Kaspar Georg Hann - dieses Ausnahmequartett wird noch von Domgraf-Faßbaender (Fürst) und Josef Greindl (Eremit) sowie dem Chor der Berliner Staatsoper unterstützt.


    Klingt in der Tat nach einer 1A-Besetzung!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Ich erinnere mich mit Grauen an den unseligen Heger-Dirigenten-Thread, wo jeder Versuch von meiner Seite, den gängigen Verrissen von Hegers Dirigaten Abhilfe zu schaffen, zum Scheitern verurteilt war. :stumm:



    Klingt in der Tat nach einer 1A-Besetzung!


    Die Aufnahme wurde an anderer Stelle schon ausführlich besprochen:



    Der inzwischen verstorbene Rudolf Wahl aus Coburg hat die Schellack-Schätzchen in eine CD umgewandelt, bezeichnenderweise auf einem Label namens "tamino". Waldi hat seinerzeit die Aufnahme rezensiert, siehe hier:


    Carl Maria von Weber: Der Freischütz


    LG
    Harald, bekennender Fan von Robert Heger!


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo!


    Das ist für mich sehr schwer zu beantworten, da ich trotz Straffung meiner Sammlung noch immer über 600 Schellacks habe. Einmal pro Woche spiele ich einige davon mit Spezial-Playern ab. Also welche?


    Die Aufnahmen von 1936 mit Maria Müller und Franz Völker mit Wagner-Partien;


    Joseph Schmidt mit seinen schönsten Opernaufnahmen;


    Ein Album mit vielen Aufnahmen von Fjodor Iwanowitsch Schaljapin;


    dazu noch Aufnahmen von Miliza Korjus, Meta Seinemeyer, Patzak, Tauber, Groh usw.


    Da käme noch Einiges Andere in die Kiste, daher möchte ich es mal dabei belassen.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

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  • Aufnahmen aus der späten Schellackzeit, also ab Mitte der dreissiger Jahre können vor allem Männerstimmen (wegen des nicht so signifikanten Hochtonanteils) eingermaßen tonfarbentreu wiedergegeben werden, so man nicht unsinnigerweise versucht das Nadelgeräusch zu eliminieren.....


    Eine meiner liebesten Stimmen aus dieser Zeit ist Karl Erb, dessen Stimme eine (für mich) ungeheuer beeindruckendes Timbe hat - wenngleich ich im Forum schon anderes gelesen habe...
    Erb war Opernsänger , Oratoriensänger und Liedsänger gleichermaßen - mich hat er als Liedsänger besonders beeindruckt - unsbesondere mit Schubert...



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, Alfred!


    Da kann ich Dich nur bestätigen. Ich besitze einige Schellacks von diesem Sänger und finde ihn als Liedsänger fast vollkommen. Aber auch als Opernsänger kann er mich in lyrischen Partien überzeugen. Ich habe ihn mit der "Bildnisarie" aus der ZAUBERFLÖTE und "Magische Töne" aus DIE KÖNIGIN VON SABA. Diese Partien singt er sehr beeindruckend. Seine Stimme vergleiche ich mit der von Hermann Jadlowker, der ebenfalls ein hervorragender Liedersänger war.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Die Aufnahmen des sizilianischen Tenors Giuseppe Anselmi gehören meiner Meinung nach auch in die Schellack-Schatzkiste. Die beiden CDs (Bongiovanni Vol. 1) offenbaren jede Menge Perlen seiner Gesangskunst:


    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Ein Sänger, der für mich in diesen Thread gehört, ist auch Leo Slezak. Abgesehen von einigen Vinyl- und Schellackplatten die ich von ihm besitze, finde ich diese CD mit Opernarien (u. A. Othello) und Schubertliedern sehr interessant. Man erkennt da, wie variabel er seine Stimme einsetzen konnte.


    W.S.

  • Trotz seiner vielen Manierismen gehört er für mich in die Schellack-Schatzkiste: der Spanier Miguel Fleta. Wenn ich nur an sein "Amapola" denke ...


    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Dieser Bariton muss auch in die Schellack-Schatzkiste: der grandiose Mattia Battistini.


    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Ich hörte vorhin erst auf Vinyl diesen unvergessenen Bariton. Leider gibt es davon kein Cuver. Aber diese CD ist auch sehr empfehlenswert:


    W.S.

  • Auch ein Kandidat für die Schellack-Schatzkiste: Giovanni Martinelli - die akustischen Aufnahmen.


    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Eine sichere Kandidatin für die Schatzkiste ist auch Meta Seinemeyer


    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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