Sie spielte mit ihrer Stimme, mit ihrem goldenen Ton, wie ein Violinist auf seiner Geige. Eine Sängerin muss aber mehr als das, sie muss aber jedem Ton eine Gemeinsamkeit geben und muss ihn färben um der Gestalt, eine Gestaltung der dramatischen Situation zu geben, zu unterstreichen, aber nicht übertreibend.
In dieser Funkton war Lotte Lehmann mit ihrer exemplarischen exzellenten Aussprache, ihrer feinen Musikalität und starken Ausstrahlung die prädestinierte Sängerin.
Lotte Lehmann wurde am 27.2. 1888 in Perleberg in der Provinz Brandenburg geboren.
Der Vater hatte einen hübschen Tenor und sang im Perleberger Gesangsverein. Eine Tante, soll nach der Familienüberlieferung die Stimme eines Engels gehabt haben, das war Lili Lehmann. Doch sollte die Tochter, Charlotte, einen "anständigen " Beruf erlernen und Lehrerin werden.
Schon in Schüleraufführungen fiel ihre Stimme auf. Durch ihre Willensstärke sang sie an der Berliner Königlichen Hochschule vor.
Später wechselte sie auf die private Gesangsschule der Elka Gerster, jener berühmten Koloratursopranistin, die von Verdi noch persönlich protegiert worden und ernsthafte Rivalin von Adelina Patti gewesen war - und scheiterte.
Nach dem Studium bei Professorin Luise Götz (geb. Devrient) an der Münchner Musikhochschule begann sie ihre Bühnenkarriere im Herbst 1910 an der Hamburger Oper und debütierte als zweiter Knabe in der "Zauberflöte", mit großem Erfolg.
1914 wurde die Preußin zum gefeierten und geliebten Star der Wiener Hof- und später Staatsoper.
1916 etablierte sie sich dort als Komponist, in der Zweitfassung von "Ariadne auf Naxos" eine der wenigen Opern, wo sie mit ihrer gesanglichen"Gegenspielerin" Maria Jeritza auf der Bühne stand.
Gustav Mahler war Operndirektor geworden, quasi der Abschied vom K.&.K. Österreich-Ungarn, und er hatte als Anfangserstaufführung, nach Dresden, mitgebracht, für Lotte Lehmann die Partie, die sie weltberühmt machen sollte: die Feldmarschallin im "Rosenkavalier". Übrigens von der Kritik wurde die ganze Oper durchwegs vernichtend beurteilt.
Bis 1938 war sie an der Wiener Staatsoper engagiert und sie sang dort nicht nur im Richard Strauss Fach, older Wagner- und Verdi-Fach ,sowie in der italienischen Opier des Verismo, sondern war auch die Silvester-Fledermaus-Rosalinde. (Mit Leo Slezak als Alfred).
Als ich sie etwa 1970 bei einem Wien Aufenthalt, im Hotel Sacher, besuchen durfte, bekam ich von ihr 2 LPs, sie war eine reizende Dame, und ich bemerkte zu ihr, dass sie das "Rosenkavalier-Deutsch", quasi "erfunden" hat. Erst Elisabeth Schwarzkopf hat auch ihr ostdeutsches Deutsch wieder zur Feldmarschallin gebracht, was diesem "Schönbrunner - Deutsch" eine eigene Note und eine eigene Ausstrahlung brachte.
Auf meine Bemerkung zur Rivalität mit Maria Jeritza meinte sie lächelnd, da waren die Anhänger der jeweiligen Sängerinnen stärker, jedoch hat sie damals sehr wenig mit ihrer Kollegin gesungen - da bemerkte ich, das ja damals zwei Ausgangstüren für die Sängerinnen gemacht wurden, wenn der Lehmann - oder der Jeritza Fanclub da waren, dass jede einen anderen Ausgang benutzen konnten. (z.B wenn Lotte Lehmann die Färberin und Maria Jeritza die Kaiserin, in der "Frau ohne Schatten" sangen).
Diese Bemerkung mache ich ja nur, weil es richtige Fans in Wien gegeben hat, die die Direktion der Wiener Staatsoper dazu veranlasste, zwei Ausgangstüren zu machen, dass es zu keinen Streitereien zwischen den Fans kommen sollte.
Es war damals Usus, dass die Sängerinnen in der Kärtnerstrasse hinausgingen, und die Sänger in der Operngasse.
Lotte Lehmann sang alles, was für einen lyrischen Sopran geschrieben wurde, hier meine ich vor allem Mozart, Weber und Richard Strauss, und damals auch geschrieben wurde, es gab damals noch Komponisten, die für eine Lehmann komponierten z.B. "Das Wunder der Heliane" von Erich Wolfang Korngold, mit Jan Kiepura.
1933 folgte sie nicht der Aufforderung Görings, sich in den Nazi-Deutschen Kunstbetrieb einzureihen, und als erste "reichsdeutsche Nationalsängerin" nur noch in Deutschland aufzutreten und so wurde ihr der Aufenthalt in Nazi-Deutschland unmöglich gemacht, da sie ja nach dem Abgang von Richard Strauss als Operndirektor in Wien, nach Berlin gegangen war. Somit kam sie nach Wien zurück, das sie aber 1938, nach dem Anschluss Österreichs - als Ostmark - in das Deutsche Reich - auf immer verließ, um mit ihrem jüdischen Ehemann, in die USA zu emigrieren.
Von da an wurde von 1938 bis 1951 die MET ihre künstlerische Heimat, wo sie die Amerikaner mit ihrer Sangeskunst begeisterte, ob als Wagners Sieglinde, Senta oder die Tannhäuser - Elisabeth, Mozarts Donna Anna oder Pamina, Verdis Desdemona, Amelia im "Maskenball", mit ihrer Tosca, die sie gänzlich anders anlegte als Maria Jeritza, oder mit ihren Liederabenden.
Ich habe selten diesen Liederzyklus so schön und ergreifend gehört, einzig Christa Ludwig konnte Lotte Lehmann hier nahekommen. Ich habe diese CD und kann sie nur empfehlen.
Als sie bei einem Gastspiel der MET an der Covend Garden als Marschallin, mitten im Monolog, abbrechen musste, merkte sie selbst, dass es besser wäre, von der Bühne, abzutreten, ihr letztes Konzert gab sie dann 1951 noch in New York in der Town Hall, um sich in Santa Barbara, Kalifornien, als gefragte Gesangslehrerin dem Nachwuchs zu widmen.
Lotte Lehmann - DVD.
Eine ihrer bekanntesten Schülerinnen ist die amerikanische Sopranistin Grace Bumbry.
Sie kehrte am 5.11.1955 als Zuhörerin der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper nach Wien zurück, und auch sonst mehrmals.
Im August 1976 verstarb Lotte Lehmann in Santa Barbara und wurde auf ihren eigenen letzten Wunsch auf dem Wiener Zentralfriedhof, am 26.8.1976, in einem Ehrengrab der Stadt Wien, zur letzten Ruhe gebettet.