Nachdem ich am gestrigen Abend bei einem Vergleichshören meiner Einspielungen von Mahlers 3. festgestellt habe, daß Günter Neuhold – seine Einspielung dieser Symphonie hatte ich seit Jahren nicht gehört und beinahe vergessen, daß ich sie überhaupt besitze – mit einer straff akzentuierenden, stets die großen Linien und das Ausdrucksmoment entschieden im Auge behaltenden Lesart durchaus zu fesseln und zu überzeugen weiß, eröffne ich mal kurzentschlossen einen Thread zu diesem eigentlich nicht so recht beachteten Dirigenten.
Ein wenig ist er ja ein Schattengewächs, der Günter Neuhold – und wo so viel Licht von Pultstars und Mercedes-Benz-Klangkörpern ist, neigt man leicht dazu, die bisweilen beachtlichen Leitungen derer zu übersehen, die still im Dunkel der Provinzen wirken:
Geboren 1947 in Graz, Musikstudium (Dirigieren) in seiner Heimatstadt, Examen 1969, weitere Studien bei Franco Ferrara in Rom und bei Hans Swarowsky in Wien. Es folgten zunächst kleinere Engagements an verschiedenen Opernhäusern in Deutschland, bevor Neuhold, der inzwischen zahlreiche Preise bei Dirigierwettbewerben gewonnen hatte, eines ersten größeren Posten in bella italia übernahm: von 1981 bis 1986 wirkte er als musikalischer Direktor der Oper in Parma und stand zugleich dem Orchestra Sinfonica »Arturo Toscanini« vor. Es folgten Engagements als Chefdirigent des Koninklijk Filharmonisch Orkest van Vlaanderen (1986-1990), als Generalmusikdirektor des Badischen Staatstheaters Karlsruhe (1989-1995) und als Generalmusikdirektor und Operndirektor in Bremen (1995-2002). Seit 2008 arbeitet Günter Neuhold in Spanien als Chefdirigent und künstlerischer Direktor des Orquesta Sinfonica de Bilbao.
Nun handelt es sich bei diesen Karrierestationen nicht unbedingt um die Nummer-Eins-Posten im Klassik-Business. Allerdings arbeitete Neuhold neben seinen festen Engagements mit zahlreichen bekannten europäischen Orchestern (u.a. Wiener Philharmoniker und Wiener Symphoniker, Staatskapelle Dresden, Philharmonia Orchestra, Orchestre National de France, RSO Berlin) und an vielen großen Opernhäusern (u.a. Wiener Staatsoper, Mailänder Scala, Opernhaus Zürich, Staatsoper Dresden, Nationaltheater München, Berliner Staatsoper, Deutsche Oper Berlin, Komische Oper Berlin, Teatro Real Madrid, Opéra Monte Carlo, Opera National de Paris).
Neuholds Arbeit ist durchaus auch auf Tonträgern dokumentiert – teilweise sind sie auf dem Markt sogar recht überpräsent. So ist seine Einspielung von Wagners »Ring des Nibelungen« mit der Badischen Staatskapelle, ursprünglich bei bella musica erschienen und auch immer noch auch hochpreisig zu bekommen, wahrscheinlich eine der auf dem Markt am häufigsten anzutreffende Einspielung des Werks – mit verwirrend vielen Auflagen auf unterschiedlichen Dumpingpreis-Labeln.
Das sieht bei oberflächlicher Betrachtung alles nach relativer Provinzialität und nach Mittelmaß aus. Allerdings sind einige seiner Einspielungen (alle naklar nicht mit Weltklasseensembles) hier im Forum wiederholt gelobt worden – etwa der bereits erwähnte »Ring« aber auch z.B. seine Interpretationen von Bruckners 4. Symphonie oder seine CD mit von Werken von Rolf Liebermann. Ich selbst finde, dass die meisten seiner Interpretationen, die sich in meiner Sammlung befinden, durchaus ihre Meriten und ihren Reiz haben, so u.a. Berlioz‘ »La damnation de Faust«, Mahlers Symphonien Nr. 1 (in der »Blumine«-Fassung) und Nr. 3 oder auch seine Einspielung verschiedener Orchesterwerke Wolfgang Rihms.
Mich würde nun interessieren, wie ihr Neuhold einschätzt, welche Konzerte ihr mit ihm gehört habt, nicht zuletzt welche seiner Interpretationen ihr auf Tonträgern besitzt und wie ihr sie bewertet.
Viele Grüße,
Medard